Jahrelang hat sich Russland nahezu alles gefallen lassen. Ein Krieg des Westens nach dem anderen und an vielen Ecken der Welt. Lügen wie jene über die angeblichen Massenvernichtungswaffen, um Krieg gegen Irak führen zu können. Westliche Kriege in Afghanistan, in Syrien, in Libyen. Ausdehnung der NATO bis an die russische Grenze. Rotierende Verlegung von Truppen in die baltischen Staaten. Raketen in Rumänien und Polen, angeblich gegen den Iran und zur Verteidigung. Vorwürfe wegen angeblicher massiver Beeinflussung der Präsidentschaftswahlen von 2016 in den USA – sogenanntes Russiagate. Alles Fake. Bedrohung der Ukraine. Stoppsignale für Nordstream 2 usw. – Die Russen haben das alles leichtfertig über sich ergehen lassen. Auch nachdem 1999 Polen, Tschechien und Ungarn der NATO beigetreten waren und nachdem 2000 bei einer Tagung mit Beteiligung des State Departments der USA in Bratislava der Ausschluss Russlands aus einem gemeinsamen Europa propagiert worden war, hielt Putin im September 2001 noch eine freundliche Rede und streckte die Hand zur Zusammenarbeit aus. Darauf ließ sich der Westen nicht ein. Jetzt wollen die Russen nicht mehr mitspielen. Albrecht Müller.
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Bis hierher und nicht weiter
Der russische Präsident gab bei seinem Auftritt in Davos im Jahr 2007 schon zu erkennen, dass Russland enttäuscht ist. Jetzt wird vielen im Westen erst klar, dass im Verhältnis zu Russland etwas eingetreten ist, was man mit dem Satz „Bis hierher und nicht weiter“ treffend charakterisieren könnte. Das ist eine gefährliche Situation: Im Westen überschlagen sich die aggressiven Töne. Unsere Medien sind nahezu jeden Tag voll mit Schuldzuweisungen an Russland. Mit massiver Propaganda hat man es geschafft, Russland die Absicht zur Invasion in der Ukraine zu unterstellen. Mit Propaganda wird der Eindruck erweckt, der Bau und die Inbetriebnahme der Gasleitung Nordstream 2 sei alleine im Interesse Russlands und nicht auch in unserem Interesse. Der ukrainische Botschafter in Deutschland darf lautstark in die deutsche Debatte über Waffenlieferungen an sein Land eingreifen, ohne ins Auswärtige Amt einbestellt zu werden. Eine Zumutung nach der anderen. Frau von der Leyen verkündet als Kommissionschefin der EU eine weitere finanzielle Hilfe an die Ukraine über 1,2 Milliarden Euro. Einfach so. Wir haben‘s ja.
Das ist für Russland eine Zumutung nach der anderen. Und daraus kann eine ausgesprochen gefährliche Situation entstehen. Hier im Westen ist ein sich selbst verstärkender Prozess der Konfrontation in Gang gesetzt worden. Und in Russland droht die Stimmung zu kippen – in Aggression gegen den Westen. Es tritt die schon früher prognostizierte Konstellation ein: Tödlicher Wandel durch Konfrontation – Was uns vermutlich ins Haus steht.
Verständnis für die schwierige Lage Russlands nach Auflösung der Sowjetunion?
Gabriele Krone-Schmalz hat in einem Vortrag zum 90. von Michail Gorbatschow – siehe hier – neben vielem anderen Interessanten darauf hingewiesen, dass auch nach Meinung von Gorbatschow dem Westen das Verständnis für die Schwierigkeit des Regierens eines Landes, das über 11 Zeitzonen hinweg reicht und sehr viele Völkerschaften umfasst, abgeht. In der Tat findet man in den bei uns geführten Debatten kaum Verständnis für diese besonderen Probleme. Das liegt wohl auch daran, dass bei den maßgeblichen Kräften, die hierzulande und in anderen Ländern des Westens Meinung machen, immer noch ein aggressives Grundgefühl gegenüber Russland vorliegt. Und außerdem offensichtlich eine auf den eigenen Vorteil bedachte Sichtweise das Denken und Handeln bestimmt. Bei uns bestimmen offensichtlich primitive Kaufmannsseelen die Politik.
Im Umgang mit Russland ist Propaganda das wichtigste Instrument der Politik
Auf der Basis der in „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst“ beschriebenen Methoden der Manipulation will ich zum Abschluss noch einige Beispiele für die zur Konfliktverschärfung angewandten Methoden beschreiben:
- Die durch Satelliten festgestellte (angebliche) Konzentration russischen Militärs an der Grenze zur Ukraine wird zur Angriffsabsicht erklärt. Dies geschieht durch ständige Wiederholung und vor allem dadurch, dass diese Botschaft, diese Beschreibung einer angeblichen Absicht aus verschiedenen Ecken ausgesandt wird. Das sind die Methoden III.5. „Wiederholen“ und III.7. „Die gleiche Botschaft aus verschiedenen Ecken aussenden“ und III.8. „Alle in der Runde sind der gleichen Meinung. Dann muss es ja richtig sein.“ Alle sagen das Gleiche. Dann wird die Unwahrheit zur Wahrheit.
Diese Methoden sind die wichtigsten Grundlagen für die immer wieder erfolgreiche Propaganda des Westens.
- Bei der Klage über die sogenannte Annexion der Krim durch Russland wird die Methode III.3. „Geschichten verkürzt erzählen“ angewandt. Die wichtige Vorgeschichte, zum Beispiel die „Investition“ von 5 Milliarden $ durch die USA zur Beeinflussung der Menschen in der Ukraine und die Tätigkeit der NATO in der Ukraine und der Putsch im Kontext des Maidan wird bei der Beurteilung des Vorgangs „Anschluss der Krim“ einfach weggelassen.
- Beim Nachdenken über die gesamte Problematik ist mir klar geworden, dass die Liste der Methoden der Manipulation noch um eine weitere Methode ergänzt werden muss: Die Grundeinstellung, wir seien die Guten und die dort im Osten seien die Bösen. – Dieses Grundgefühl steht Pate bei den meisten Artikeln und Sendungen und Redensarten, die wir heute zum Komplex Russland, Ukraine, Krieg und Frieden in unseren Medien und Äußerungen von vielen Politikern lesen und hören.
Mein pessimistisches Fazit: Westliche Propaganda schafft alles. Auch den nächsten Krieg.
Titelbild: Alex Rebenchuk / Shutterstock