Der US-Pharmariese hat als einer von 30 Partnern das jüngste Bundesdelegiertentreffen der Sozialdemokraten gesponsert. Das ließ sich nicht ändern, heißt es von der SPD-Pressestelle, schließlich sei der Konzern „regelmäßig“ als Aussteller zu Gast. Dass der gerade Milliardenprofite mit dem BioNTech-Impfstoff Comirnaty einfährt, den Neubundeskanzler Olaf Scholz allen Bürgern im Land im Halbjahresrhythmus in den Oberarm befördern will, erzeugt bei den Genossen kein bitteres Geschmäckle. Schamlos ist irgendwie auch ehrlich, findet Ralf Wurzbacher in seiner Glosse.
Man gönnt sich ja sonst nichts, gerade in tristen Zeiten wie diesen. Deshalb: Ein Spritzchen von BioNTech, ein zweites von AstraZeneca, obendrauf den Booster von Moderna und das Ganze am besten im Halbjahresabo. Mit jeder neuen Mutante ein Dreifachshot für die Ewigkeit. So lässt es sich leben. Oder auch nicht, wenn man Pech hat und das Zeug nicht verträgt oder eine Charge mit Stahlpartikeln oder Hitzeschock-Proteinen erwischt. Aber das sind Spitzfindigkeiten.
Auf alle Fälle kommt da allerhand zusammen mit den Jahren, bei 82 Millionen Menschen im Land und über sieben Milliarden weltweit. Vor allem in den Kassen der Impfstoffhersteller. Die müssen sich wie in einem Wolkenkuckucksheim in Endlosschleife fühlen, seit sie die Notzulassung für ihre Wundermittelchen in der Tasche haben. Schließlich hatte daran etwa die Führungsmannschaft von BioNTech noch vor 15 Monaten kaum zu hoffen gewagt. Im Bericht zum 3. Geschäftsquartal 2020 ist nämlich festgehalten: „Es ist möglich, dass keiner unserer Produktkandidaten oder Produktkandidaten, die wir in Zukunft entwickeln wollen, jemals eine Zulassung erhalten wird.“ Dazu kam noch die Sorge, eine „mRNA-basierte Immuntherapie“ könnte „nicht oder nur mäßig wirksam sein oder unerwünschte oder unbeabsichtigte Nebenwirkungen, Toxizitäten oder andere Eigenschaften aufweisen“. Sicher sei ebenso wenig, „dass unerwünschte Wirkungen (…) nicht aufgedeckt werden, wenn eine wesentlich größere Anzahl von Patienten mit dem Produktkandidaten behandelt wird“.
Bundesverdienstkreuz mit Stern
Am Ende ging dann doch alles gut (nicht für jeden Impfling), beziehungsweise wie von selbst. In weniger als einem Vierteljahr hatten sich sämtliche Bedenken in Luft aufgelöst und die Behörden ganz bestimmt ganz gewissenhaft kein Äuglein zugedrückt. Wer hätte damals ahnen können, dass die Impfstoffe nicht ganz das halten, was man sich versprach: „Gamechanger“, Ende der Pandemie, Rückkehr zur Freiheit. Pustekuchen zwar, aber eben doch irgendwie „Rettung“, durch Impfen, Impfen, Impfen. So etwas verdient Anerkennung, allen voran für die Gentech-Pioniere aus Mainz, die Frank-Walter Steinmeier prompt mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern ausstaffierte.
Aber auch die politische Heimat des Bundespräsidenten, die altehrwürdige Sozialdemokratie, zeigt sich dankbar. Zu ihrem Bundesparteitag am 11. Dezember gab sich ihr frisch vereidigter Bundeskanzler Olaf Scholz die Ehre, vor dem Logo von Pfizer zu posieren. Tatsächlich war der deutsche Ableger des mit BioNTech kooperierenden US-Pharmakonzerns nur einer von vielen Sponsoren, die zum Gelingen des SPD-Happenings in Berlin freundlichst beigetragen haben. Nur gut, dass dies dem Wirtschaftsjournalisten Norbert Häring aufgefallen ist. Sonst wäre dem geneigten Publikum ein so beispielloser Akt der Großherzigkeit glatt durchgerutscht. Wobei Häring den Vorgang in anderem Licht und angesichts der Umstände die Frage aufgeworfen sieht, „ob das nicht vielleicht korrupt sei“. Immerhin stelle die SPD „ja sogar den Gesundheitsminister, den altbewährten Pharmalobbyisten Karl Lauterbach“.
Krank und schlank mit Lauterbach
Wer wird denn wohl? Nur weil Lauterbach einst bei der Erstellung von industriegefälligen Studien zum Fettsenker Lipobay mitgewirkt hatte, an dessen Nebenwirkungen in den USA 31 Menschen verstarben, und sein Einsatz für den Appetitzügler Reductil mit dem Wirkstoff Sibutramin dem deutschen Erzeuger Knoll satte Profite und den Verbrauchern mithin tödliche Herzschäden bescherte, und er maßgeblich an der Einführung des Fallpauschalensystems in den Kliniken beteiligt war – et cetera pp. – muss man ihn deshalb einen Handlanger der Gesundheitswirtschaft schimpfen?
Nicht doch. Und von wegen „korrupt“. Hierzulande nennt man so etwas „Politik“ oder „Beraterrepublik“. In Bundesministerien wie dem für Verkehr oder Verteidigung schreiben sich externe Experten die Gesetze manchmal eben selbst, aber immer zum Wohl der Allgemeinheit und auf deren Kosten. So was verbucht man unter Arbeitsteilung, Effizienzgewinn oder „schlanker Staat“. Da kann ein bisschen mehr Nähe zwischen Regierenden, Machern und Mächtigen nicht schaden. Wenn sich Neukanzler Scholz hinstellt und sagt, er werde als „auch der Kanzler der Ungeimpften“ demnächst alle Bürgerinnen und Bürger im Land zur Nadel nötigen und „30 Millionen Impfdosen bis Jahresende in die Oberarme kriegen“, dann muss das mit Pfizer doch abgesprochen sein. Oder will er riskieren, dass die mit der Lieferung nicht nachkommen?
30 Helfer und Gönner
Und deshalb: Gut so, dass die SPD mit den Namen ihrer Helfer und Gönner nicht hinterm Berg hält. Beim jüngsten Parteitag waren das ja auch nur 30, darunter nicht wenige mit Rang und Prestige: Neben dem Microsoft-Konzern, den Häring gewiss zu Unrecht verdächtigt, die Gesundheitsdaten deutscher Kassenpatienten vermarkten zu wollen, um „uns zu gläsernen Patienten“ am „digitalen Gängelband“ zu machen, tauchen da noch auf: die Deutsche Telekom, die Deutsche Post, E.on, der Deutsche Bauernverband, die Deutsche Fußballliga, Union Investment, Die Arzneimittel Importeure, der Verband der Privaten Bausparkassen oder der Essener Spezialchemiefabrikant Evonik.
Auch dessen Dienste haben Deutschland und der Rest der Welt bitter nötig: Das Unternehmen versorgt BioNTech im Rahmen einer „strategischen Partnerschaft“ mit den Lipidnanopartikeln, die die mRNA im Comirnaty-Impfstoff vor dem Zerfall bewahren. Selbstredend, dass die SPD der Firma dankt und für sie ein Plätzchen auf der Sponsorentafel freiräumt. Auf der SPD-Webseite zum Parteitag ploppt diese am unteren Bildende allerdings bloß bei inaktivem Adguard auf. Wer nicht auf Werbung steht, kriegt die Werbebande auch nicht zu sehen. Zuviel Transparenz kann schon mal lästig werden.
Vier Jahre Pandemie?
Bisweilen ist es einfach besser, dass die Menschen im Land nicht alles wissen. Zum Beispiel die Inhalte eines Vertrages, den die alte Bundesregierung zum 1. April 2020 mit einer Werbeagentur zur „Unterstützung bei der Konzeption und Durchführung von Kommunikationsdienstleistungen“ im Zusammenhang mit der Pandemie abgeschlossen hat. Die smarten Marketingtypen versorgen uns seit bald zwei Jahren mit immer wieder neuen Erbauungen zum Thema „Bleiben Sie gesund“ und „Ärmel hoch“. Im TV bekommt jetzt sogar der Weihnachtsmann eine Spritze verpasst, weil „wirkt auch, wenn man nicht dran glaubt“.
Nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums geschätzt 22 Millionen Euro umfasst das Auftragsvolumen des Deals und das – fast noch unglaublicher – „für die Dauer von vier Jahren“. Da behaupte noch einer, unsere politischen Führer agierten nicht vorausschauend. Aber noch einmal: Nicht alles ist publikumstauglich, zumal in diesem Fall schon der Name der Berliner PR-Bude (mit Hamburger Hauptsitz) Stoff für wirrste Verschwörungsmythen liefern würde: Scholz & Friends.
Sonst aber spielen die Sozialdemokraten mit komplett offenen Karten. „Vor dem Hintergrund sinkender Einnahmen und steigender Ausgaben ist Sponsoring für uns unerlässlich“, enthüllt der Vorstand in seiner Richtlinie „zur Zusammenarbeit mit Ausstellern und Sponsoren“. Wer wollte das der SPD krummnehmen? Wo doch nur noch so wenige ihr Kreuzchen bei den Sozen machen, müssen halt alternative Einnahmequellen her. Letztlich sind die Wähler selbst schuld daran, dass sich die Parteien nach anderen Anhängern umsehen.
Zu Gast bei Freunden
Und zur Wahrheit gehört auch: Einen Reibach macht das Willy-Brandt-Haus mit all dem auch nicht. Wie die SPD-Pressestelle auf Anfrage der NachDenkSeiten am Donnerstag mitteilte, lassen sich die Sponsoren ihre „Logopräsenz“ lediglich 1.500 Euro kosten. Schließlich verlangen die Vorgaben, dass Leistung und Gegenleistung „in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen“. Bei einem BioNTech-Gewinn nach Steuern von über sieben Milliarden Euro nach den ersten drei Quartalen 2021 erscheinen 1.500 Euro sogar verhältnismäßig günstig. Aber das war ja längst nicht alles an Ausgaben. Schließlich ist Pfizer schon in der Vergangenheit „regelmäßig“ bei SPD-Parteitagen präsent gewesen. Und da „kein Verstoß (…) gegen die interne Sponsoringrichtlinie der SPD vorliegt, wäre ein Ausschluss nicht begründbar“, erklärte Sprecher Philipp Geiger.
So sieht man das wohl auch bei der CDU und der FDP, wo der Pharmariese ebenfalls immer wieder seine Aufwartung macht. Da kommt, wie eingangs bemerkt, einiges zusammen – was zusammen gehört. „Wir danken für die Unterstützung“, sagt die SPD. „Milliarden Dank zurück“, hört man im Geiste die BioNTech-Bosse sagen. Aber wofür denn?