Sämtliche bislang in der EU zugelassenen Impfstoffe sind eindimensional auf ein einziges Protein des Sars-Cov2-Virus ausgerichtet. Eine Impfstrategie, die die gesamte Bevölkerung mit diesen Impfstoffen immunisiert, provoziert Mutationen, die dazu führen, dass die Impfung schon bald nicht mehr schützt. Über diese und andere Fragen hat Jens Berger von den NachDenkSeiten mit dem Pharma-Forscher Dr. Stefan Tasler gesprochen. Tasler ist seit 20 Jahren in der Biotech-Branche tätig und war drei Jahre lang Leiter einer Tochterfirma von BioNTech. Im dritten Teil des Gesprächs geht es um die Versäumnisse und Fahrlässigkeiten bei der Zulassung der Impfstoffe und der Erfassung der Nebenwirkungen. Aufgrund des Umfangs ist das Interview in drei Teile unterteilt. Wer das Interview ausdrucken und an Freunde und Bekannte weitergeben will, sollte sich gerne unsere PDF-Version des Gesprächs anschauen.
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2/3 – „mRNA-Impfstoffe sind ein sich selbst erhaltender Absatzmarkt.“
3/3 – „Hier liegen fahrlässige und weitreichende Versäumnisse vor“
Lesen Sie dazu auch den ersten und zweiten Teil des Interviews auf den NachDenkSeiten.
Die heute millionenfach verimpften Vektor- und mRNA-Impfstoffe von Herstellern wie AstraZeneca, BioNTech oder Moderna wurden in einem teleskopierten Verfahren zugelassen. Für Außenstehende sehen die Zulassungsstudien eher wie eine Ausschreibung aus. Man hatte ein klar definiertes Ziel und hat das gesamte Zulassungsverfahren so angepasst, dass die Impfstoffkandidaten dieses Ziel auch erfüllen. Sie kommen ja aus der Branche und haben Erfahrung mit derartigen Zulassungsstudien. Täuscht dieser Eindruck?
Ich selbst arbeite seit 2 Jahrzehnten in der Biotech-Branche, war aber meist nur bis zur Phase I der klinischen Prüfung in unsere Projekte involviert. Bei meiner derzeitigen Firma haben wir zwei Phase-II-Studien laufen. Ich kriege da zwar einiges mit, bin aber kein ausgewiesener Experte. Was man aber sieht, ist Folgendes: Wenn man Menschen mit einem neuen Wirkstoff behandeln will, muss man ein umfassendes Dossier erstellen und ein durchdachtes Studienprotokoll aufsetzen. Dabei gibt es einen klaren Fokus und explizit dafür ausgelegte Guidelines, die weltweit anerkannt und vereinheitlicht und klar definiert sind: Das gesamte Konzept muss auf die Sicherheit des Patienten und sein Wohlergehen ausgelegt und gleichzeitig auch auf die maximale herausholbare Datenqualität ausgerichtet sein. Für den Probanden oder Patienten darf nur so wenig Risiko wie irgend möglich in Kauf genommen werden, und es muss sichergestellt werden, dass über das Aussetzen eines Menschen gegenüber einem gewissen Risiko dann auch die bestmöglichen Daten erhoben werden, um die anvisierte Aussage einer Studie zu stützen. Dafür haben wir Ethik-Kommissionen, die sich dieses Protokoll anschauen und die Punkte der Patientensicherheit sehr genau evaluieren. Und wir haben eine zulassende Behörde, die in der Regel den Unternehmen auch weitergehende Auflagen bei einer Zulassung mit an die Hand geben kann und dies ggf. auch muss, um eventuelle Datenlücken zu füllen, wenn z.B. die Datenlage eine aktuelle dezidierte Risikoabschätzung noch nicht voll unterstützt. Das sind genau die beiden Kontrollorgane, die dafür sorgen müssen, dass so etwas, wie wir es jetzt gerade erleben müssen, eigentlich nicht passieren darf.
Es ist für mich ein Rätsel, wie für einen so exploratorischen Impfstoff wie eine RNA offensichtlich derartige Ausnahmen geschaffen werden konnten. Diese mRNA-Technik wurde in der Art bislang keinem mir bekannten Zulassungsprozess unterzogen. BioNTech arbeitet seit Jahren mit der RNA-Technologie auf dem Gebiet der Krebsbehandlung – für eine solche Anwendung ein hochgradig intelligentes Konzept. Dort sind jedoch auch ganz andere Patientengruppen im Fokus, von denen einige oft wenig Alternativen haben, um noch ein längerfristiges Überleben ermöglicht zu bekommen. Da kann ich die Risiken der RNA-Technik in einem ganz anderen Nutzen-Risiko-Verhältnis betrachten, als wenn ich eine weitgehend gesunde Bevölkerung durchimpfen will. Hier hätten beim Studiendesign ganz andere Anforderungen definiert werden müssen. Es kann eigentlich nicht sein, dass bei der Phase-III-Studie von z.B. Comirnaty nur die primary efficay als Wirksamkeitsdaten erhoben wurden, bei denen nur auftretende symptomatische Verläufe gezählt und am Ende dann der jeweiligen Placebo- bzw. Verumgruppe zugeordnet wurden. Diese Zahlen erfassen ja gar nicht echte Infektionszahlen, sondern wirklich nur die symptomatischen Verläufe – nur wer beim Arzt diesbezüglich mit Symptomen vorstellig wurde, wurde auch gezählt. Man hätte doch sicherlich ohne Probleme – von mir aus auch repräsentativ stichprobenartig – die Probanden in regelmäßigen Abständen zum PCR-Test bitten und so über einen größeren Zeitraum eine generelle Infizierbarkeit verfolgen können. Bei den getätigten Aussagen und Versprechen vor einem Jahr dürfen solche tiefgreifenden Versäumnisse in meinen Augen ganz einfach nicht sein. Letztes Jahr wurden im August Tausende, die aus einem Flieger ausstiegen, mit Zwang PCR-getestet, also kann es nicht an mangelnder Umsetzbarkeit gescheitert sein. Weder von den Behörden noch den Kommissionen wurden augenscheinlich Protokoll oder die Datenlage zur Zulassung so weit hinterfragt, dass man ganz klare Auflagen zur Erhebung solcher Daten bekommen hätte. Eine Impfkampagne später haben wir daher immer noch nicht verlässliches Material an die Hand bekommen, mit dem wir das Risiko-Nutzen-Verhältnis richtig abschätzen könnten. Auf welcher Datenlage kann denn da eine finale Zulassung vernünftig diskutiert werden? Da wurde in meinen Augen maximal fahrlässig gehandelt.
Wie erklären Sie sich diese Versäumnisse?
Ich kann hier nur spekulieren. Aber es gab großen politischen und gesellschaftlichen Druck, unter dem offensichtlich gewisse Notwendigkeiten etwas lockerer ausgelegt wurden.
Man suchte anscheinend ein Licht am Ende des Tunnels und sei es auch ein Irrlicht. Vor allem sollte ja nicht die Nicht-Infektiosität der Geimpften infrage gestellt werden. Sonst hätte man ja das eigene Narrativ des „Sich frei Impfens“ lange vor Delta selbst ad absurdum geführt.
Wenn wir damals schon mitbekommen hätten, was wir jetzt erwarten können, hätte das gesamte Narrativ keinen Halt mehr gehabt. Das heißt natürlich nicht, dass die Impfung nicht gegen schwere Verläufe schützt – gerade in einem infektiösen Winter, keine Frage. Aber ja, die kommunizierte Grundidee wäre damit wohl relativ einfach widerlegt gewesen.
Da das Zulassungsverfahren ja verkürzt war, bezeichnet man die jetzige flächendeckende Massenimpfung ja auch als Phase-IV-Studie. Da sollte man doch eigentlich annehmen, dass gerade so sensible Punkte wie potenzielle schwere Nebenwirkungen, aber auch Nebenwirkungen generell besonders aufmerksam beobachtet und protokolliert werden. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass ich bei meiner Impfung beispielsweise ein Merkblatt bekommen hätte, mit Hinweisen, wie ich unbürokratisch Nebenwirkungen hätte melden können. Erst viel später habe ich überhaupt erfahren, dass es vom Bund eine Internetplattform gibt, über die man Nebenwirkungen melden kann. Ich glaube kaum, dass sonderlich viele Menschen diese Adresse kennen. Wurde da nicht auch von der Politik eine Chance vertan, die politisch ja gewollte Akzeptanz der Impfstoffe zu erhöhen? Oder wollte man lieber gar nicht so genau wissen, was man wahrscheinlich schon geahnt hat?
Wenn man das von vornherein transparent aufgezogen hätte, wäre sicher das Startgrundvertrauen in der breiten Masse höher gewesen. Aber wenn man es sauber erfasst hätte, wären wir wohl auch längst in einer Situation, in der man das Experiment hätte beenden müssen. Für mich ist das ein breit angelegter Feldversuch. Ich denke, am Ende will sich keiner der Verantwortlichen dafür interessieren. Es gab eine politische Story und man hat sich Ende letzten und Anfang diesen Jahres so weit aus dem Fenster gelehnt, dass es kein Zurück mehr gab. Ich glaube daher wirklich, dass es so ist, wie Sie es angesprochen haben: Es wollte gar keiner wissen, was passieren kann. Jeder, der in der Branche tätig ist, musste aber wissen, dass das Wirkprinzip derart neu ist, dass man das sehr genau hätte verfolgen müssen.
Wenn wir in der Branche eine klinische Studie durchführen, müssen alle potenziellen Risiken eines Wirkstoffes, den wir verabreichen, so genau protokolliert werden, dass wir sie am Ende bestmöglich abschätzen können. Da gehört dann beispielsweise auch dazu, wenn ein Teilnehmer der Studie beim Verlassen des Krankenhauses die Treppe herunterstürzt. Das müssen wir melden, denn wenn wir am Ende zehn solcher Unfälle haben, kann es zwar sein, dass es an der Treppe liegt, es kann aber auch sein, dass der Wirkstoff die visuelle Wahrnehmung z.B. veränderte. Es gibt also klare Auflagen, dass jeder denkbare Zwischenfall, der irgendwie beobachtet wird, protokolliert wird – und am Ende kann man dann zum Beispiel über den Vergleich der Anzahl solcher Zwischenfälle in der Placebo- und der Verum-Gruppe abschätzen, ob es eine gewisse Wahrscheinlichkeit gibt, dass der ein oder andere Zwischenfall mit der Wirkstoffbehandlung, dem Wirkprinzip oder einer möglichen Nebenwirkung zusammenhängen kann.
Und genau diese gründliche Nachverfolgung scheint hier bei der Bedingten Zulassung der Corona-Impfstoffe über Bord geworfen worden zu sein. Die Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, hätte beworben werden müssen – und zwar nicht durch Panikmache, sondern durch sachliche Spots im Fernsehen, durch Anzeigen, auf Litfaßsäulen, im Internet, so dass die Adresse www.nebenwirkungen.bund.de jedem fest ins Hirn eingebrannt wäre. Und wenn ich die Treppe herunterfalle, dann schreibe ich das da rein. Da darf es keine Hürden geben. Wer dies meldet, ist niemand, der nun die Rettung der Welt verhindert. Wir sind in der Testphase eines bislang kaum erforschten Impfstoffs und wir brauchen alles an Infos, was wir nur bekommen können, um das Risiko und den Nutzen auswerten zu können.
Hier liegt in meinen Augen ein maximales Versagen vor. Impfzentren und später dann auch Hausärzte sollten in Fließbandarbeit impfen. Mindestens schon aufgrund der allgemeinen Organisationsschwächen bei diesem Unterfangen ist sicherlich in ganz vielen Fällen die Patienteninformation zeitlich hinten heruntergefallen. Einer adäquaten Aufklärung der zu Impfenden wurde also allein schon zeitlich jede Grundlage entzogen, und der Nachverfolgung auch. Ich kann nicht beurteilen, wie viele Ärzte und Apotheker, die ihnen gemeldete Nebenwirkungen eigentlich melden sollten, dies auch wirklich zeitlich umsetzen (können). Am Ende ist diese Meldung nicht einfach nur ein Klick. Ich habe selber die Nebenwirkungen gemeldet, die meine Tochter nach der Impfung hatte. Man kann es sich theoretisch auch leicht machen, dann ist man in fünf Minuten mit der Meldung durch – oder man beschreibt etwas genauer, um was für Symptome es sich handelt, dann braucht man entsprechend länger. Und in einem System, in dem es keinen Anreiz für die Investition dieser Zeit gibt, wage ich daher zu bezweifeln, dass weitergegebene Nebenwirkungen in signifikanter Menge auch ins Meldesystem eingetragen wurden. Und das ist das Problem – wenn ich das System so trimme, dass es der leichte Weg ist, die Nebenwirkungen nicht zu melden, dann habe ich eben auch ein System, das nicht widerspiegelt, welche Risiken es gibt.
Zumal die Sammlung der Daten ja nur ein Teil und die Auswertung dieser Daten ein weiterer Teil ist. Man kennt das ja von den Überwachungskameras. Mir wäre nicht bekannt, dass es beim Paul-Ehrlich-Institut überhaupt die Kapazitäten für eine groß angelegte Auswertung solcher Datenmengen gäbe. Kennen Sie internationale Referenzbeispiele, bei denen das besser gelöst wurde? In Großbritannien ist ja die Plattform zur Meldung von Nebenwirkungen viel bekannter und die Darstellung der gesammelten Daten zudem transparenter. In Staaten wie Norwegen oder Dänemark gilt wiederum die Kontrolle durch die Zulassungsbehörden als wesentlich strenger als hierzulande. Es ist ja auch kein Zufall, dass die massiven Nebenwirkungen des Impfstoffs von AstraZeneca nicht etwa in Deutschland, sondern in Norwegen den Behörden aufgefallen sind. Können wir von diesen Ländern etwas lernen?
Da bin ich jetzt nicht der Experte. Was man aus der Literatur jedoch immer wieder mitbekommt, ist das Fallbeispiel USA. Dort hat das Meldesystem für Vakzinierungs-Nebenwirkungen VAERS zumindest eine breitere Bekanntheit. Aber am Ende geht man auch dort davon aus, dass nur rund drei bis fünf Prozent der Nebenwirkungen gemeldet werden. Man muss ja nun nicht alles negativ sehen, aber bei den Nebenwirkungen einfach mal den Faktor 20 später einzurechnen, wäre schon grob fahrlässig. Mir persönlich ist kein System bekannt, das man als optimal bezeichnen könnte. Am Ende darf man nur nicht so arrogant sein, zu sagen, man könne nichts mehr lernen. Vor allem dann, wenn man selbst ein System hat, das offensichtlich nicht funktioniert. Dann wäre es dringend geraten, sich mal im Ausland umzuschauen, um herauszufinden, was man besser machen könnte. Das wären auch Arbeitsplätze, die man gut unterstützen könnte – ein Gremium zusammenzustellen, das sich zusammensetzt und zügig ein Konzept entwickelt, wie man dieses System verbessern kann.
Professor Matthias Schrappe erstellt in der Pandemiezeit mit einigen Kollegen ja immer wieder Thesenpapiere. Interessierten kann ich die Lektüre empfehlen. Dort geht man sehr pragmatisch an verschiedenste Aspekte der Pandemie und der Impfkampagne heran. Die Autoren unterbreiten unter anderem auch Vorschläge zur effektiven und sinnvollen Datenerhebung, so dass man z.B. die ganzen hospitalisierten Fälle viel tiefgreifender auswerten könnte. Es gibt also auch bei uns in Deutschland schon sehr konkrete Verbesserungsvorschläge. Diese umzusetzen wäre allerhöchste Eisenbahn, eigentlich ist das schon ein Jahr überfällig. Wenn man einen solchen Feldversuch startet, müsste eine der Auflagen der Behörden klar die sein, dass ein solches System zur bedeutungsvollen Datensammlung etabliert ist. Da sind wir wieder bei Fahrlässigkeiten. Es musste offenbar alles zu schnell gehen. Wir sind weit, weit von einem brauchbaren System entfernt.
Ist die Pandemie denn erst vorbei, wenn wir alle natürlich immunisiert sind?
Provokante Gegenfrage: Wie definieren wir dieser Tage eine Pandemie?
Zumindest haben wir seit Ende November offiziell keine epidemische Notlage nationaler Tragweite mehr.
Viren gab es schon immer, und es wird sie auch immer geben. Wir werden auch den SARS-CoV2-Virus in den nächsten Jahrzehnten als Begleiter haben, genauso wie Grippe-Viren uns schon alle ein Leben lang begleiten. Die Frage ist, ob das jetzt durch das massive Eingreifen des Menschen gestörte Virus-Wirt-System wieder zu einem Gleichgewicht finden wird. Sicher werden wir am Ende auch weiterhin Todesfälle zu beklagen haben, die dann positiv auf SARS-CoV2 getestet wurden.
Wann ist eine Pandemie zu Ende? Zumindest kann man davon ausgehen, dass wir es mit dem aktuellen Impfprinzip und -konzept sicherlich nicht schaffen, die Infektionswellen mit SARS-CoV2 zu beenden, da wir immer wieder neue Virengenerationen sehen werden, die diesem Impfprinzip durch Mutation entkommen. Wichtig für uns als Gesellschaft ist aber, dass diese neuen Varianten nicht automatisch gefährlicher oder tödlicher sein müssen. Sie verbreiten sich nur, weil sie bildlich gesprochen die gemähte Wiese zur Ausbreitung vorfinden und andere, vorher etablierte Varianten im Konkurrenzkampf durch ihr ursprüngliches Spike-Protein keine Chance mehr haben. Mit dem aktuellen Impfprinzip werden wir so eine Welle nach der anderen „züchten“. Und dieser Kreislauf könnte dann eigentlich nur durch möglichst viele „Impfdurchbrüche“ und die damit verbundene umfassendere Immunisierung der Betroffenen durchbrochen werden.
Andere planen, jedes Jahr ein- oder zweimal draufzuimpfen. Laut ARD plante der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn, für das nächste Jahr mehr als 200 Millionen Impfdosen zu ordern. Das wären fast drei Impfdosen für jeden Einwohner. Ich habe keine Ahnung, was er oder sein Nachfolger damit genau vorhaben. Mit diesem Impfprinzip werden wir jedenfalls auf kurz oder lang nicht weiterkommen.
Dann wären da noch die Totimpfung und die natürliche Infektion. Beides hilft meines Erachtens, um breiter gegen die weitere Verbreitung des Virus voranzukommen. Je mehr wir so die Verbreitung eindämmen können, weil wir wahrscheinlich effektivere Immunantworten sehen werden, desto weniger gut können sich neue Mutationen ausbreiten. Damit würden wir den Kreislauf verlangsamen, und vielleicht kommen wir so wieder in ein System, das sich stückweise selber reguliert. Das ist natürlich zum jetzigen Zeitpunkt nur reine Spekulation – und ein bisschen Hoffnung.
Die einzige Chance, vernünftig mit dem Virus leben zu können, ist jedoch in der Tat nur, einen breiteren Immunschutz zu erwirken. Das geht meiner Meinung nach nur über eine Infektion oder eben eine Ganz-Virus-Partikel-Impfung.
Die meisten unserer Leser würden die Frage nach dem Ende der Pandemie sicher weniger epidemiologisch, sondern eher damit beantworten, dass die Pandemie dann vorbei ist, wenn es keine Maßnahmen mehr gibt, die mehr oder weniger tief in unser aller Leben eingreifen.
Aber das ist ja nicht zwingend proportional zum echten Krankheitsgeschehen. Man kann natürlich durch politische Maßnahmen oder deren Aufhebung die Pandemie für beendet erklären, hat aber doch inhaltlich am Ende gar nichts verändert. Das ist natürlich eine Frage der Definition. Ja, für die meisten Menschen ist die Pandemie natürlich vor allem über die getroffenen Maßnahmen definiert. Und nebenbei wirkt auch noch das Narrativ, dass die Krankheit schwerwiegend und tödlich verlaufen kann und das Pflegepersonal in der Tat aktuell überlastet ist. Am Ende sollte man jedoch auch das alles im richtigen Kontext sehen und darf nicht aus einer Angst heraus das Leben völlig zum Erliegen bringen. So gesehen ist die aktuelle Pandemie wohl eher ein gesellschaftliches als ein virologisches Phänomen.
Noch eine Abschlussfrage, deren Beantwortung natürlich vollkommen freiwillig ist: Sind Sie eigentlich geimpft?
Nein, ich bin nicht geimpft. Das aus tiefster Überzeugung und obwohl ich absoluter Befürworter von funktionierenden Impfkonzepten bin. Ich gehöre aber nun auch nicht zu einer der bekannten Risikogruppen. Da ich die mRNA-Technik aus meiner Zeit bei BioNTech kenne, habe ich große und massive Fragezeichen zu deren breitflächiger Anwendung bei in der Regel gesunden Menschen, zu deren Beantwortung ich keine aufgezeigten Konzepte kenne. Daher war für mich persönlich die Risiko-Nutzen-Abwägung recht klar. Dann kamen die politischen und gesellschaftlichen Daumenschrauben und dies treibt einen erst recht in eine Lage, in der man sich sagt: „Wenn man jetzt schon solche Mittel einsetzen muss, dann kann das dahinterstehende Narrativ ja nicht so sattelfest sein, wie sie einem Glauben machen wollen“.
Und wenn jetzt der Totimpfstoff von Valneva kommt, würde ich mich ohne den gesellschaftlichen Druck auch nicht zwingend in die Schlange stellen, da ich eigentlich der Überzeugung bin, dass eine gesunde eigene Immunantwort immer noch die beste Option für mich ist. Der gesellschaftliche Druck ist jedoch vorhanden. Die Gesellschaft ist durch die Politik und unsere Medien nun einmal in eine Richtung getrieben worden, in der mit dem Finger auf einen gezeigt wird. Daher sehe ich in der aktuellen Situation VLA2001 auch für mich persönlich als eine gangbare Alternative und würde da wohl auch nicht zu lange zögern.
Generell möchte ich zu all meinen Ausführungen und Ableitungen klar betonen, dass ich selber nicht die Weisheit gepachtet habe, dass ich nur wieder gerne in einer Gesellschaft leben würde, in der unterschiedliche Standpunkte und Ansichten wieder – im Idealfall kontrovers – respektvoll diskutiert werden. Dies scheint mir die essentielle Grundlage, um gemeinsam als Gesellschaft aus dieser Krise zu kommen.
Schönen Dank für das äußerst informative Gespräch.
Dr. Stefan Tasler hat seine Promotion in Organischer Chemie absolviert und arbeitet seit 20 Jahren in der Biotech-Branche im Bereich der pharmazeutischen Wirkstoffforschung und -entwicklung. In dieser Zeit hat er sich intensiv mit der Funktion des Immunsystems im Kontext von Autoimmunerkrankungen beschäftigt, wurde später Forschungsleiter. Von 2016-2019 leitete er in einer Doppelspitze eine kleine Tochterfirma der BioNTech, bevor er als Vice President Drug Discovery & Development in den Bereich der Alzheimer-Forschung wechselte.
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