Sämtliche bislang in der EU zugelassenen Impfstoffe sind eindimensional auf ein einziges Protein des Sars-Cov2-Virus ausgerichtet. Eine Impfstrategie, die die gesamte Bevölkerung mit diesen Impfstoffen immunisiert, provoziert Mutationen, die dazu führen, dass die Impfung schon bald nicht mehr schützt. Über diese und andere Fragen hat Jens Berger von den NachDenkSeiten mit dem Pharma-Forscher Dr. Stefan Tasler gesprochen. Tasler ist seit 20 Jahren in der Biotech-Branche tätig und war drei Jahre lang Leiter einer Tochterfirma von BioNTech. Im zweiten Teil des Gesprächs geht es um die Fehler der deutschen Impfstrategie und den kommenden Totimpfstoff von Valneva. Aufgrund des Umfangs ist das Interview in drei Teile unterteilt, die in den nächsten Tagen bei uns erscheinen. Wer ungeduldig ist oder das Interview ausdrucken und an Freunde und Bekannte weitergeben will, sollte sich gerne unsere PDF-Version des Gesprächs anschauen.
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2/3 – „mRNA-Impfstoffe sind ein sich selbst erhaltender Absatzmarkt.“
3/3 – „Hier liegen fahrlässige und weitreichende Versäumnisse vor“
Im ersten Teil unseres Gesprächs ging es um Mutationen des SARS-CoV2-Virus. Eine Ihrer Kernaussagen war es, dass wir durch die Impfung mit Vektor- und mRNA-Impfstoffen, die das Immunsystem jeweils nur auf ein einziges Protein des Virus trainieren, die Etablierung von Mutationen an genau diesem Protein provozieren, die dann letztlich den Impfschutz aushebeln können. In der Wissenschaft spricht man da von Escape-Mutationen. Wird die Gefahr nicht auch in hohem Maße dadurch provoziert, dass man nicht nur die sogenannten Risikogruppen, sondern die gesamte Bevölkerung bis hin zu den Kindern impft?
Auf jeden Fall. Deshalb hatte ich auch im Juni die Gesundheitsexperten der Parteien des Bundestags und der Bayerischen Staatsregierung angeschrieben. Der Sommer stand vor der Tür und wir wissen ja von vergleichbaren Krankheiten, dass die Infektionszahlen in der Regel im Sommer zurückgehen. Daher hätte man die Sommerpause nutzen müssen, um die Impfstrategie vollkommen zu ändern und damit aufzuhören, die komplette Bevölkerung durchzuimpfen. Dies erhöht das Risiko für Escape-Mutationen um ein Vielfaches, da noch breitflächiger derselbe Selektionsdruck aufgebaut wird. Jetzt auch noch die Kinder mit in das Impfprogramm aufzunehmen, ist nicht nur fahrlässig, sondern aufgrund der Datenlage völlig unhaltbar. Allerdings wird der Ansatz offenbar breitflächig getragen und jetzt wird auch noch sozialer Druck auf die Kinder ausgeübt.
Ich habe selber zwei Kinder, die sind 13 und 16. Meine Tochter ist geimpft, da sie gesagt hat, ich möchte mein Leben zurück. Das war im Sommer. Sie hatte dann auch eine recht heftige Entzündungsreaktion im Körper. Meinem Sohn, der ist 13, wurde jetzt schon angedeutet, dass er ungeimpft ab Neujahr wohl nicht mehr zum Basketball gehen kann. Natürlich sagen die jetzt „Papa, ich will geimpft werden.“ Da ist es dann ganz egal, welche Argumente ich anführe. Man beraubt sie ihrer Sozialkontakte und ihrer Möglichkeiten und sagt: „Ach, was soll denn da schon passieren“. Es ist in meinen Augen ein großes soziales Verbrechen, über psychologischen Druck ein Ziel zu erreichen, das von der Definition her von vorneherein schon falsch war.
Ich will aber noch mal ganz klar unterstreichen: Ich bin ein Impfbefürworter. Impfungen haben sehr viel Gutes geschafft; aber flächendeckend in der Regel halt nur in Situationen, in denen die Geimpften keine Überträger mehr waren. Dadurch kann man tatsächlich ein Virus an den Rand der Ausrottung bringen.
Haben Sie auf Ihr Schreiben an die Gesundheitsexperten der Parteien eigentlich eine Antwort bekommen?
Das Schreiben stieß, wie ich leider auch erwartet hatte, nicht wirklich auf viel Resonanz. Einen Monat später bekam ich genau eine Antwort, die war von der Servicestelle im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Auch wenn ausführlich geantwortet wurde, so hatte sich dort aber meiner Wahrnehmung nach niemand tiefgründig mit meinen Ableitungen beschäftigt. Anfang November schrieb ich daher ein zweites Mal an dieselben Politiker, erweiterte aber auch meinen Kreis der Empfänger, was letztendlich zur Kontaktaufnahme durch und ein Gespräch mit Frau Wagenknecht geführt hatte, wofür ich ihr sehr dankbar bin.
Was hätte man im Frühsommer anders machen müssen?
Wenn man im Mai oder Juni gesagt hätte, wir haben nun die vulnerablen Personen mit einem Schutz versehen, dann hätte man bei anderen Gruppen wie den Kindern, den Jugendlichen, aber auch den jungen Erwachsenen meiner Meinung nach auch durchaus eine Infektion riskieren können. Die beste nachhaltige Abwehr gegen ein Virus ist immer noch die natürliche Infektion. Da kommen wir mit keinem Impfprinzip ran.
Die nächste Frage wäre: Wie kam man auf die unhaltbare Idee, auf die Genesenen noch einmal draufimpfen zu müssen? Das hat mit Logik nichts mehr zu tun – und ich für mich konnte da nur zwei mögliche Gründe ausmachen. Der eine ist ganz simpel der weitere Absatzmarkt. Der zweite Grund wäre der viel böswilligere und fatalere – nach den ganzen Versprechen, die man am Anfang getätigt hatte, durfte am Ende nicht vielleicht herauskommen, dass der Genesene besser geschützt wäre als der Geimpfte. Also mache ich mir im Grunde den Genesenenpool zunutze und gliedere ihn in den Geimpftenpool mit ein und schon habe ich bei der Auswertung nur noch ungeimpft und geimpft und die Genesenen fallen gar nicht mehr auf. Das ist sehr böswillig und würde klaren Vorsatz voraussetzen. Aber die Entwicklung des Umgangs mit der Pandemie lässt einen schon mal auch in solche Richtungen spekulieren. Aber ich kann mir persönlich nicht erklären, wie man auch nur auf die Idee kommen kann, einem Genesenen nach sechs Monaten die Rechte abzuerkennen und ihnen zu sagen, ihr müsst jetzt draufimpfen.
Christian Drosten hatte mal die Infektion nach einer Impfung als „natürlichen Booster“ bezeichnet, der „vermutlich eine breite und weiterreichende Immunantwort auslösen könnte“. Da stellt sich natürlich die Frage, warum dies nur für eine Infektion nach einer Impfung gelten sollte, wenn die Infektion die weitreichendste Immunantwort auslöst.
Richtig, aber es ist natürlich ein valider Ansatz, zumindest die schweren Verläufe bei anfälligen Menschen durch die Impfung einzudämmen. Das machen wir bei der Influenza-Impfung ja auch so, in der auch nur gegen jeweils ein antigenes Protein der schwerwiegendsten Virus-Varianten der Vorsaison geimpft wird. Diese Impfung nehmen aber nur rund zehn Prozent der Bevölkerung an und werden in der Regel auch nur für vulnerable Bevölkerungsgruppen empfohlen. Zu den Influenza-Impfungen ist ja aus der Fachliteratur durchaus zu entnehmen, dass diese die Etablierung von Mutationen beschleunigt – und hier sieht man diesen Effekt bereits bei einer Impfquote von nur zehn Prozent bezogen auf die gesamte Bevölkerung. Gegen Influenza impft man in der Regel nur im Herbst kurz vor der nächsten Grippesaison, da man weiß, dass dieser auf Antikörpern basierende Schutz nach drei bis sechs Monaten nachlässt und man keinen längeren Schutz garantieren kann. Die Fakten liegen also auf dem Tisch. Man hat jedoch nicht aus ihnen gelernt. Wie kann man da so vehement die ganze Bevölkerung impfen wollen, wenn bereits bei zehn Prozent diese Effekte auftauchen? Ganz ehrlich, ich verstehe das nicht.
Kommen wir zur Impfstrategie zurück. Hier gibt es durchaus Unterschiede zwischen Deutschland und Ländern wie Großbritannien oder Schweden. In Großbritannien wurde hinter dem PR-Rummel um den „Freedom-Day“ von den wissenschaftlichen Beratern der Johnson-Regierung ja sehr rational argumentiert. Man wolle im Sommer, wo der Infektionsdruck ohnehin gering ist, die Zügel lockerer lassen, auch um möglichst viele natürliche Infektionen zuzulassen. „Wer sich im Sommer infiziert, kann im Winter keine Intensivstation blockieren“, so der britische Gesundheitsminister. Die aktuellen Zahlen weisen darauf hin, dass dieses Experiment geglückt ist. Während in Deutschland Krankenhäuser und Intensivstationen regional volllaufen, ist die Situation im britischen Gesundheitssystem entspannt. Rächt sich in Deutschland jetzt die Strategie der Politikberater und Politiker, die ja in großer Zahl der „Zero-Covid-Fraktion“ angehören und die stets – auch im Sommer – nur darauf aus waren, die Inzidenzen so klein zu halten, wie es nur irgendwie geht?
Vornweg – ich bin dieser Tage froh, dass ich kein Politiker bin, sondern Wissenschaftler. Auf dem Reißbrett kann ich mir leicht verschiedene Szenarien auslegen, aber hier „spielt“ man ja letztlich mit Bevölkerungsgruppen oder gar der ganzen Bevölkerung. In meinen Augen wäre es zu leicht, nur auf die Krankenhauseinweisungen zu schauen und dann zu sagen – das System hat funktioniert. Andererseits bin ich aber ganz klar der Meinung, dass dies in Großbritannien der intelligentere Ansatz gewesen sein dürfte. In einer Jahreszeit, in der das Gesundheitssystem dies zulässt, würde auch ich die Schaffung Genesener erlauben – aus Nicht-Risikogruppen versteht sich. Allein schon, weil durch eine Infektion der breitere und auch nachhaltigere Immunschutz entsteht. Bei der natürlichen Immunisierung richtet sich das Immunsystem auf das gesamte Antigen-Ensemble eines Virus aus und nicht nur auf ein bestimmtes Protein wie bei der aktuellen Impfung.
Das hat jetzt übrigens auch der Totimpfstoff von Valneva gezeigt. In der klinischen Studie hat man sich die T-Zell-Reaktivität in einer Teilgruppe der Probanden angeschaut. Das ist in meinen Augen der wesentlich zielführendere Ansatz, als auf Antikörper-Titer zu gehen. Es sind am Ende eher die T-Zellen, die uns den langfristigen Schutz bieten werden. Da hat man nun herausgefunden, dass nach der Impfung die T-Zellen auf alle drei Oberflächen-Proteine vom Virus reagieren – nicht in gleichem Maße für jedes Protein, aber doch als Portfolio an Abwehrmöglichkeiten. Wenn nun also eine Mutation beispielsweise das Spike-Protein so verändert, dass mein Immunsystem es nicht mehr erkennt, gibt es immer noch zwei weitere Oberflächenproteine, die vom Immunsystem erkannt werden können und eine Bekämpfung des Virus auslösen. Ich würde also dem eindimensionalen Selektionsdruck entkommen, weil sich diese Einfachmutation nicht durchsetzen kann, da mein Körper ja immer noch andere Waffen gegen das Virus hat. Daher verstehe ich auch nicht, warum die klinischen Studien und die Review-Verfahren der Totimpfstoffe von Sinovac und Valneva im Vergleich zu denen der ersten Generation an Impfungen so lange brauchen – abgesehen davon natürlich, dass der Pool an ungeimpften Probanden drastisch geschrumpft ist, aus dem diese Studien bedient werden können. Außer der Infektion sind die Totimpfstoffe meiner Meinung nach der einzige Weg, dem aktuellen Teufelskreis zu entkommen.
Leider sind die Produktionskapazitäten von Valneva ja auch begrenzt und die von der EU bestellten Impfdosen reichen auch nicht aus, um aus diesem Impfstoff einen „Game Changer“ zu machen.
Die Frage der breitflächigen Anwendung hat sich ja bereits erübrigt. Wir müssen aktuell nicht allen Bürgern den Totimpfstoff anbieten, schließlich haben wir bereits 70 Prozent der Bevölkerung mit einem anderen Impfprinzip durchgeimpft. Die sind zwar in der Zukunft nicht mehr so gut geschützt, aber man müsste hier auch zunächst klären, was in dieser Population das Immunsystem anstellt, wenn sie jetzt den Totimpfstoff obendrauf bekommen. Der Totimpfstoff hat ja ein klassisches Spike-Protein, auf das das Immunsystem der mRNA-Geimpften programmiert ist. Unser Immunsystem würde also wahrscheinlich umgehend auf diesen Impfstoff reagieren, weil es das bekannte Spike-Protein erkennt, und würde durch den schnellen Angriff auf diese Partikel die natürliche und breitere Antrainierung unserer Immunabwehr auf die anderen Oberflächenproteine dieses Impfstoffs drastisch reduzieren, da unser Körper damit anfängt, die Partikel des Totimpfstoffs zu eliminieren. Somit wäre eine Ausbildung eines mehrdimensionalen Schutzes über verschiedene antigene Proteine eventuell zeitlich durch die rasche Erkennung des Spike-Proteins nicht mehr so effizient wie bei einem Ungeimpften – wenngleich sicherlich die Antwort auf das Spike-Protein auch mit dieser Impfvariante geboostert werden könnte. Man müsste hier also noch wissenschaftlich zeigen, ob die breiter aufgestellte Immunantwort auch dann gebildet wird, wenn man VLA2001 einem Spike-Vorgeimpften spritzt. Für mich ist der Totimpfstoff also primär die Chance, den Nicht-Geimpften und Nicht-Genesenen eine Impfung anzubieten.
Also müsste man eigentlich im nächsten Schritt eine Version 2.0 von Valneva entwickeln, bei der das Spike-Protein so verändert wurde, dass der Körper der mRNA-Geimpften nicht den Impfstoff bekämpft.
Das würde ja automatisch der Fall sein, wenn eine nächste Totimpfstoff-Entwicklung auf einer Escape-Mutation aufgesetzt wird, die sich ja bereits schon manifestieren. Man hat der Entfaltung des vollen Potenzials der Totimpfstoffe durch die Vorimpfung durch mRNA-Impfstoffe aber sicher Steine in den Weg gelegt.
Und was sagen Sie zum Problem – vielleicht es ja auch gar keines – der Adjuvantien, die den Totimpfstoffen beigemengt werden müssen? Bei Valneva kommt ja ein Adjuvans namens CpG 1018 zum Einsatz, das meines Wissens bislang auch nur in einem Hepatitis-Impfstoff eingesetzt wurde und ebenfalls als experimentell gelten kann. Gibt es da potenzielle Gefahren? Ich denke da zum Beispiel an die Schweinegrippe-Impfstoffe, bei denen die Adjuvantien ja eine sehr negative Rolle gespielt haben.
Ja, es gibt immer potenzielle Gefahren durch Stoffe, die dem Körper zugeführt werden, die nicht langjährig erprobt sind. In unserer Branche müssen die Firmen immer etwas Innovatives in einer Medikation vorweisen, so dass sie einen Patentschutz auf die Impfstoffe bekommen können. Und so haben auch Firmen eine Technologie-Plattform um Adjuvantien aufgebaut, was dazu führt, dass eben auch neuere Adjuvantien in Impfdosen verarbeitet werden – was aber auf keinen Fall per se schlecht ist. Jetzt kommen bei diesem Impfstoff ja auch Aluminiumsalze als Adjuvans zum Einsatz und dann wird sicher wieder argumentiert, dass Aluminiumsalze in Deo-Stiften nicht enthalten sein sollen und nun kommen sie in die Spritze. So was muss man aber immer im Kontext sehen. Das eine ist eine topische Daueranwendung ohne echte medizinische Notwendigkeit, das andere kommt ein- oder zweimal, je nachdem, wie oft geimpft wird, intramuskulär in den Körper. Das sind kleinste Mengen, die unser Immunsystem strukturell herausfordern und ja, so was kann Nebenwirkungen haben. Andererseits sind diese Aluminiumsalze aber auch seit Jahrzehnten im Einsatz. Daher würde ich das zunächst einmal nicht so kritisch sehen.
Das CpG als Adjuvans in Valnevas VLA2001 ist jedoch was anderes. In einem seiner Beiträge hat Herr Dr. Wodarg wieder betont, das sei gefährlich, weil gentechnisch – das wird ja heute für alles genommen, was böse sein soll. Aber bitte, therapeutische humanisierte Antikörper, die heute klinisch eingesetzt werden, werden gentechnisch hergestellt – soll ich die deshalb verteufeln? Da muss man wirklich vom Vokabular her aufpassen. Das CpG ist eine Nukleotid-Sequenz aus DNA-Bausteinen – das ist per se aber nichts Schlimmes, wenn man weiß, was damit bezweckt werden soll. Die CpG-Einheiten sind im menschlichen Genom sehr selten, und dann meist auch noch modifiziert – aber in viralen Genomen kommen diese Einheiten deutlich häufiger und unmodifiziert vor. Und für genau solche viralen Nucleotidsequenzen hat der menschliche Körper Rezeptoren, die darauf mit einer Art „Hallo-Wach-Signal“ für das Immunsystem reagieren. Dieses CpG ist nun ein Stoff, der die Struktureinheit eines viralen Genoms imitieren soll und so das Immunsystem aktiviert. Das ist ja generell auch die Idee eines Adjuvans, so wird die Immunantwort auf den gleichzeitig gegebenen Impfstoff verstärkt.
Daher finde ich das Konzept wissenschaftlich sehr gut nachzuvollziehen. Doch so charmant ich den Ansatz finde – das heißt nicht, dass es keine Nebenwirkungen geben könnte. Genau deshalb muss man sich auch solche Impfstoffe immer ganz genau anschauen. Ich habe auch keine Ahnung, wie ein Aluminiumsalz-Adjuvans zusammen mit einem CpG1018 gegeben wirkt. Das ist auch bei dem Hepatitis-B-Impfstoff, den Sie genannt haben, Heplisav-B, so nicht in Kombination enthalten, wenn ich das richtig im Kopf habe. Dort haben Sie nur CpG als Adjuvans verwendet. Dieser Impfstoff wurde jedoch in einer Vergleichsstudie mit dem Konkurrenz-Impfstoff Engerix-B, der ein Aluminiumsalz als Adjuvans enthält, bezüglich der Nebenwirkungen verglichen und es wurden vergleichbare Nebenwirkungsprofile festgestellt. Man kann also zumindest sagen, dass das CpG allein kein Todbringer ist. Ob es jetzt der Heilbringer ist, wage ich aufgrund der Datenlage jedoch auch nicht zu sagen.
Ich persönlich sehe jedoch die Fragezeichen und die Risiken bei den mRNA-Impfstoffen drastisch höher als bei diesem Adjuvans.
Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang eigentlich die Proteinimpfstoffe? Mit Novavax ist da ja auch ein Kandidat in der Zulassung, der in den Medien häufig mit Totimpfstoffen wie dem von Valneva in einem Atemzug genannt wird.
Ja, das ist ganz falsch und es ist tatsächlich immer wieder zu lesen, dass dies ein Totimpfstoff wäre. Die Proteinimpfstoffe sind im Grunde bezüglich der Antigen-Präsentation SARS-CoV2-adaptierte Versionen der Influenza-Impfstoffe. In beiden Fällen wird wieder nur ein antigenes Protein pro Virustyp mit der Impfung gespritzt – was, wie vorher schon beschrieben, mit dem Problem der raschen Etablierung von Escape-Mutation versehen ist, diese generieren also den gleichen einseitigen Selektionsdruck wie die Vektor- und mRNA-Impfstoffe. Diese Impfstoff-Klasse wurde für Influenza ausgewählt, da die Produktion schneller und leichter ist. Man kann so jedes Jahr neue Versionen des Impfstoffes anbieten. Aber wie schon früher erwähnt: Bei der Grippeimpfung geht es nur um einen kleinen Teil der Bevölkerung und nicht um die gesamte Population und man sieht die strategischen intrinsischen Probleme dieses Ansatzes ja bereits bei der Impfung dieses kleinen Bevölkerungsteils. Proteinimpfstoffe haben jedoch den Vorteil, dass es sich hier um ein bekanntes Impfprinzip handelt, das nicht – um es vorsichtig zu formulieren – die große Batterie an Fragezeichen der mRNA-Impfstoffe mit sich bringt. Wenn wir also keine Totimpfstoff-Alternative hätten, würde ich den Proteinimpfstoff dem mRNA-Impfstoff aktuell immer vorziehen. Wenn ich aber die Alternative der Totimpfstoffe habe, würde ich auf gar keinen Fall mit einem Proteinimpfstoff, der wieder nur eindimensional ein antigenes Protein abdeckt, in die gleiche Selektionsdruck-Falle hineinlaufen, in der wir jetzt schon mit den Vektor- und mRNA-Impfstoffen stecken.
Womit wir auch einen Blick auf die betriebswirtschaftliche Seite werfen sollten. Das Konzept sich ständig wiederholender Booster-Impfung bei den mRNA-Impfstoffen scheint hier doch zumindest in diesem Punkt durchaus durchdacht zu sein.
Ob durchdacht sei dahingestellt, aber derzeit etablieren sich die mRNA-Impfstoffe als ein selbsterhaltender Absatzmarkt. Das sind auch die Worte, die ich exakt so im Juni an die Gesundheitsexperten im Bundestag geschrieben habe. Der Impfschutz hält ähnlich wie beim Grippe-Impfstoff wohl fünf bis sechs Monate. Und dann stellt sich halt die Frage nach dem Rest-Konzept, wie Sie es vorhin beschrieben haben. Man kann sich sagen, im Sommer passiert in der Regel in Bezug auf virale Infektionen in unseren Breiten ohnehin nicht viel, da erlaube ich dann auch eine gewisse Grundimmunisierung der Bevölkerung über Infektion. Und dann würde ich im Herbst ähnlich wie bei der Grippe-Impfung die Menschen mit einem Impfstoff boostern, dessen Protein angepasst ist an die Mutationen des Vorjahrs.
Da kommt dann aber ein Punkt hinzu, der in der Fachliteratur zu den Grippe-Impfungen beschrieben ist: Wenn regelmäßig diese Art von Impfungen vorgenommen wird, scheint das Immunsystem von Mal zu Mal weniger auf die Impfung zu reagieren. Man hat also vielleicht nicht die Möglichkeit, den Menschen permanent und wiederholt einen RNA-Booster zu verabreichen. Es ist also fraglich, ob hier mit Sinn und Verstand eine Strategie aufgesetzt wurde, die wirklich der Menschheit nachhaltig gegen ein Virus helfen soll. Im Moment hat man vielmehr einen selbsterhaltenden Absatzmarkt geschaffen. Mit den gleichen – nicht angepassten – Impfstoffen jetzt obendrauf zu gehen, entbehrt in meinen Augen jeder Vernunft. Ja, wir werden sehr wahrscheinlich immer noch einen temporären teilweisen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen sehen, aber wir verschieben die Entscheidung über eine Änderung der Impfstrategie nur um ein weiteres halbes Jahr, denn dann wird es durch die Anpassung des Virus wieder zu „Impfdurchbrüchen“ kommen. Diese sind auch eigentlich keine Impfdurchbrüche, sondern die ganz normale Weiterentwicklung des Systems.
Lesen Sie hier auch den dritten Teil des Interviews.
Dr. Stefan Tasler hat seine Promotion in Organischer Chemie absolviert und arbeitet seit 20 Jahren in der Biotech-Branche im Bereich der pharmazeutischen Wirkstoffforschung und -entwicklung. In dieser Zeit hat er sich intensiv mit der Funktion des Immunsystems im Kontext von Autoimmunerkrankungen beschäftigt, wurde später Forschungsleiter. Von 2016-2019 leitete er in einer Doppelspitze eine kleine Tochterfirma der BioNTech, bevor er als Vice President Drug Discovery & Development in den Bereich der Alzheimer-Forschung wechselte.
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