Hinweise des Tages
Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute u. a. zu folgenden Themen: Plätzchen zum (Hartz-)Reförmchen; IAB-Direktor Möller für Mindestlohn vor Mai 2011; Lidl fordert zehn Euro Mindestlohn; Öffentliche Schulden steigen vom 1. bis 3. Quartal 2010 um fast 100 Milliarden Euro; 2010 wird Rekordjahr bei Privatinsolvenzen; 2010 viel Schatten (bei den Gewerkschaften); billig hat seinen Preis; langes Arbeiten schadet Gesundheit und Sozialleben; die Caritas-Legende; „Inszenierter Terrorismus“; die Bahn ist nicht wetterfest; S 21-Schlichtung geradezu ein Verbrechen; Eure Armut kotzt sie an; Michael Moore kritisiert Umgang mit Wikileaks-Akten; Paul Krugman: Halbherzige Hilfen; Rede des Senators Bernie Sanders im amerikanischen Senat; Lukaschenko: Falsche Versprechen; Quoten-Flop: Kerners Afghanistan-Offensive gescheitert; die innere Würde der EU; TV-Tipp: Weihnachtsfeier in der Anstalt
Zu guter Letzt: Fonsi sagt Westerwelle auf Wiedersehen und Wilfried Schmickler wünscht ein frohes Fest. (KR/WL)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Plätzchen zum Reförmchen
- IAB-Direktor Möller für Mindestlohn vor Mai 2011
- Lidl fordert zehn Euro Mindestlohn
- Öffentliche Schulden steigen vom 1. bis 3. Quartal 2010 um fast 100 Milliarden Euro
- 2010 wird Rekordjahr bei Privatinsolvenzen
- Viel Schatten (bei den Gewerkschaften)
- Billig hat seinen Preis – Supermärkte und Discounter kämpfen um Marktanteile
- Langes Arbeiten schadet Gesundheit und Sozialleben
- Die Caritas-Legende
- „Inszenierter Terrorismus“
- Die Bahn ist nicht wetterfest
- Ekkehart Krippendorff: S 21-Schlichtung geradezu ein Verbrechen
- Eure Armut kotzt sie an
- Michael Moore kritisiert Umgang mit Wikileaks-Akten
- Paul Krugman: Halbherzige Hilfen
- Rede des Senators Bernie Sanders (Vermont) im amerikanischen Senat
- Lukaschenko: Falsche Versprechen
- Quoten-Flop: Kerners Afghanistan-Offensive gescheitert
- Die innere Würde der EU
- TV-Tipp: Weihnachtsfeier in der Anstalt
- Zu guter Letzt: Fonsi sagt Westerwelle auf Wiedersehen und Wilfried Schmickler wünscht ein frohes Fest
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Plätzchen zum Reförmchen
Die Hartz-IV-Reform ist kaum der Rede wert, die Änderungen von Sozialministerin von der Leyen minimal. Die SPD wird wohl trotzdem zustimmen. Am Ende wird ein Kompromiss stehen: ein Mindestlohn, nicht flächendeckend, wie die SPD es will, sondern für eine weitere Branche, die Zeitarbeit. Den hatte die Koalition vor allem deshalb nicht beschlossen, um noch etwas zu haben für das Vermittlungsausschuss-Körbchen. Es wird an dem einen oder anderen Berechnungsschräubchen gedreht werden, so dass vielleicht ein paar Euro mehr herauskommen. An dem Grundfehler, dass Schwarz-Gelb eine willkürliche Hartz-IV-Berechnung durch die nächste abgelöst hat, wird sich nichts ändern. Mehr Lehrer, mehr Lohn für Kindergärtner, überall Mittagessen-Angebote gibt es wegen des Bildungspakets noch lange nicht. Die SPD wird trotzdem zustimmen. Ihre Forderung, die Auszahlungen schon zu beginnen, bevor das Gesetz verabschiedet ist, zeigt die Bereitschaft, nach ein paar Änderungen Ja zu sagen.
Quelle: FR - IAB-Direktor Möller für Mindestlohn vor Mai 2011
Der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Joachim Möller befürchtet ab Mai 2011 eine Lohn-Abwärtsspirale. Diese drohe insbesondere in den Teilen des Dienstleistungssektors, in denen bereits jetzt niedrige Löhne gezahlt werden. Zum 1. Mai 2011 enden die Übergangsfristen für die 2004 zur EU hinzugekommenen Länder, darunter Polen und die baltischen Staaten.
In der am Montag erschienenen Ausgabe der Zeitschrift IAB-FORUM plädiert IAB-Direktor Möller für einen „mit Augenmaß festgesetzten Mindestlohn“. Sonst drohe eine „Abwärtsspirale, in der die mit billigen Arbeitskräften aus den neuen Mitgliedsstaaten operierenden Firmen diejenigen verdrängen, die akzeptable Löhne zahlen.“ Möller warnt: „Der gesellschaftliche Schaden wäre immens.“
Der IAB-Direktor sieht die Probleme keineswegs nur bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit, sondern vor allem auch im Auslaufen der Übergangsregelungen bei der sogenannten Dienstleistungsfreiheit. Deutschland und Österreich haben bislang die Dienstleistungsfreiheit in bestimmten sensiblen Branchen wie dem Bau- und Reinigungsgewerbe ausgesetzt. Möller argumentiert: „Die Dienstleistungsfreiheit kann durchaus zu schweren Verwerfungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt führen. Sie räumt Unternehmen aus den neuen Mitgliedsstaaten das Recht ein, ihre Arbeitnehmer in den deutschen Arbeitsmarkt zu entsenden. Das wird dann zum Problem, wenn diese Unternehmen ihre Arbeitnehmer zu polnischen oder baltischen Löhnen bezahlen. Diesen Lohnwettbewerb können deutsche Unternehmen vor allem in sensiblen Branchen wie dem Bau- und Reinigungsgewerbe nicht gewinnen. Die Dienstleistungsfreiheit vermag also die Situation im Niedriglohnbereich – und zwar für deutsche Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – gravierend zu verschärfen. Hier droht eine Konkurrenz, die spürbar zu Lasten der Arbeitsplatzchancen der Geringqualifizierten im Lande geht. Dabei könnten sich gesellschaftliche Probleme und soziale Spannungen verschärfen, denn bereits jetzt liegt die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe bei über 20 Prozent.“
Quelle: IAB - Lidl fordert zehn Euro Mindestlohn
Die Linkspartei erhält Unterstützung von ungewohnter Seite. Auch die Gewerkschaften sind von Lidls Vorschlag offenbar überrascht. Der Arbeitgeberverband schließt zehn Euro Mindestlohn hingegen aus.
Quelle: FRAnmerkung Orlando Pascheit: Auf jeden Fall ist der Vorschlag gut für das Image, auch wenn man weiß, dass das Lidl natürlich weiß, dass der Vorschlag, positiv formuliert, utopisch ist.
- Öffentliche Schulden steigen vom 1. bis 3. Quartal 2010 um fast 100 Milliarden Euro
Die öffentlichen Haushalte waren nach ersten vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) am 30. September 2010 mit insgesamt rund 1 791,3 Milliarden Euro verschuldet. Dies entsprach rechnerisch einer Schuldenlast von 21 882 Euro pro Kopf. Gegenüber dem 31. Dezember 2009 hat sich der Schuldenstand um 5,9% beziehungsweise 99,7 Milliarden Euro erhöht. Die Ergebnisse umfassen die Kreditmarktschulden und Kassenkredite und beziehen sich auf die Kernhaushalte des Bundes und der Länder einschließlich ihrer jeweiligen Extrahaushalte sowie die Kernhaushalte der Gemeinden und Gemeindeverbände.
Beim Bund erhöhten sich die Schulden am 30. September 2010 gegenüber dem 31. Dezember 2009 um 3,1% (+ 33,1 Milliarden Euro) auf rund 1 086,9 Milliarden Euro. Hierin sind auch die Schulden vom Sondervermögen Finanzmarktstabilisierungsfonds (28,6 Milliarden Euro) sowie Investitions- und Tilgungsfonds (9,9 Milliarden Euro) enthalten, die zur Bewältigung der Finanzmarktkrise neu gegründet wurden.
Die Länder waren am 30. September 2010 mit etwa 588,1 Milliarden Euro verschuldet, dies entsprach einem Zuwachs von 11,6% (+ 61,4 Milliarden Euro) gegenüber dem 31. Dezember 2009. Die Entwicklung wurde maßgeblich durch die erstmalige Einbeziehung der Ersten Abwicklungsanstalt (42,6 Milliarden Euro), die zur Stützung der WestLB geschaffen wurde, geprägt.
Die Verschuldung der Gemeinden/Gemeindeverbände stieg zum 30. September 2010 um 4,7% (+ 5,2 Milliarden Euro) auf knapp 116,3 Milliarden Euro gegenüber dem 31. Dezember 2009. Darunter hat sich der Anteil an Kassenkrediten, die ursprünglich zur kurzfristigen Überbrückung von Liquiditätsengpässen verwendet werden sollten, auf 34,8% erhöht. Die Schulden der kommunalen Zweckverbände sind dabei nicht enthalten.
Quelle: Statistisches BundesamtAnmerkung WL: Eine rechnerische Schuldenlast pro Kopf von 21.882 Euro hört sich bedrohlich an, aber solche Durchschnittswerte verdecken oft mehr als sie informieren. Deshalb nochmals zum Vergleich: Öffentliche Verschuldung 1 791,3 Milliarden Euro, Geldvermögen privater Haushalte 4 671,7 Milliarden Euro (2009), Reinvermögen (ohne Gebrauchsvermögen) 8 592,4 Milliarden Euro.
Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Datensammlung zur Steuerpolitik Ausgabe 2010, S. 39 [PDF – 494 KB] - 2010 wird Rekordjahr bei Privatinsolvenzen
In Deutschland wird es 2010 so viele Privatinsolvenzen geben wie nie zuvor. Allein in den ersten neun Monaten meldeten 104.657 Privatpersonen ihre Zahlungsunfähigkeit, wie die Hamburger Wirtschaftsauskunftei Bürgel am Mittwoch mitteilte. Gegenüber dem Vorjahr seien dies acht Prozent mehr. Zwar sei die Zahl im dritten Quartal 2010 binnen Jahresfrist um 0,3 Prozent auf 35.240 leicht gesunken, “aber trotz dieses minimalen Rückgangs auf hohem Niveau wird 2010 ein Rekordjahr bei den Privatinsolvenzen”, sagte Bürgel-Geschäftsführer Norbert Sellin…
Für das Gesamtjahr rechnen die Experten daher weiter mit 140.000 Verbraucherinsolvenzen. Das wären 3.000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2007. Von der Zahlungsfähigkeit sind dabei vor allem jüngere Bundesbürger betroffen. In den ersten drei Quartalen 2010 überschuldeten sich den Angaben zufolge 34,5 Prozent mehr 18- bis 25-Jährige als 2009.
Die häufigsten Ursachen für eine Privatinsolvenz sind Arbeitslosigkeit, eine gescheiterte Selbstständigkeit, Krankheit, Trennung und Tod des Partners. Ebenso führen laut Bürgel fehlgeschlagene Immobilienfinanzierungen oder ein zum Einkommen unpassendes Konsumverhalten in die Schuldenfalle.
Quelle: unternehmer.de - Viel Schatten (bei den Gewerkschaften)
Rückblick 2010. Heute: Gewerkschaften. Die DGB-Spitzenfunktionäre sind im Kanzleramt wieder gern gesehen. Doch ihre Politik geht zu Lasten der Beschäftigten.
Quelle: junge Welt - Billig hat seinen Preis – Supermärkte und Discounter kämpfen um Marktanteile
Kurz vor Weihnachten ist im Lebensmitteleinzelhandel Hochkonjunktur: Gerade jetzt wollen viele Supermärkte und Discounter durch Niedrigstpreise punkten. Das geht auf Kosten der Lieferanten und Arbeitnehmer.
Quelle 1: Deutschlandradio (Text)
Quelle 2: Deutschlandradio (Audio-Podcast, mp3, ca. 18 Minuten, ca. 8 MB) - Langes Arbeiten schadet Gesundheit und Sozialleben
Der Anteil von Beschäftigten, die über gesundheitliche Beschwerden klagen, nimmt mit der Dauer der geleisteten Arbeitszeit zu. Auch die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit wird durch steigendes Arbeitspensum eingeschränkt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Bei der Auswertung von vier unabhängigen Befragungen ließ sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Dauer der wöchentlich geleisteten Arbeitszeit und dem Auftreten gesundheitlicher Beschwerden nachweisen. Faktoren wie Schichtarbeit, variable Arbeitszeiten und Arbeitsschwere wirken sich verstärkend aus.
Quelle: idw - Die Caritas-Legende
Formal sieht es so aus, dass die Kirchen und ihre beiden Wohlfahrtsverbände die größten nichtstaatlichen Träger im Bereich des Gesundheits- und Sozialsystems in Deutschland sind. So wurden zum Beispiel im Jahr 2009 zwei Drittel der 50000 Kindertageseinrichtungen von freien Trägern betrieben. Mehr als die Hälfte dieser Kitas wiederum befinden sich in der Trägerschaft der Kirchen; aufs Gesamte gerechnet befinden sich also 36 Prozent der Kinder in konfessioneller Obhut. Dies aber ist nur ein Beispiel für eine Legende, die „Caritas-Legende“. Wenn an einem Kindergarten steht: „Kindertagesstätte der Kirchengemeinde St. Hedwig“, so heißt das eben nicht, dass die Kirchengemeinde diese Kita auch finanziert.
Für konfessionelle Kindertagesstätten gaben der Staat und damit alle Steuerzahler 2009 insgesamt 3,9 Milliarden Euro aus. Die Finanzierungsregeln sind Sache der Länder, die sie unterschiedlich handhaben. In Hamburg oder Bayern werden christliche Kitas ohne Geld der Kirchen betrieben, in Nordrhein-Westfalen steuern sie zwölf Prozent zu den Etats „ihrer“ Kitas bei. Mehr ist es nicht. Aber die Kirchen werden nicht müde zu beteuern, dass sie die Kirchensteuer für die kirchlichen Krankenhäuser, Kindertagesstätten und weitere soziale Einrichtungen brauchen. Das glauben dann auch die wohlmeinenden Christen.
Alles in allem flossen im vergangenen Jahr 19,3 Milliarden Euro an die Kirchen. Davon sind 9,3 Milliarden Euro Kirchensteuern von Mitgliedern der evangelischen und katholischen Kirche. Die anderen zehn Milliarden verteilen sich auf Zuweisungen, Kostenübernahmen, Zuschüssen des Staates. Es gibt so gut wie keinen Gesellschaftsbereich, in dem kirchliche Einrichtungen beziehungsweise Leistungen, die ausschließlich für die Kirchen nützlich sind, nicht weitgehend, teilweise komplett aus Steuergeldern finanziert werden.
Quelle: FR - „Inszenierter Terrorismus“
Wenn die Weihnachtsmärkte durch Terror bedroht sind oder scheinen, dann ist es verständlich, dass die Medien täglich über Terrorismus berichten. Doch selbst als Terrorismus für Deutsche fast ausschließlich mit dem Schreckensszenario des 11. September 2001 verbunden schien – und räumlich wie zeitlich weit entfernt war – hat das Fernsehen in Deutschland im Schnitt zwei Mal in drei Tagen über Terrorismus berichtet. Ein Teil dieser Berichterstattung hat eine Wirkung gezeigt, die vordergründig in den Sendungen gar nicht angelegt ist: Die Angst vor Muslimen steigt. Dies ist ein Ergebnis einer Studie von Kommunikationswissenschaftlern der Universität Jena, die jetzt unter dem Titel „Inszenierter Terrorismus“ erschienen ist.
Quelle: uni online - Die Bahn ist nicht wetterfest – sie muss wieder flott gemacht werden
Fluggesellschaften empfehlen den Umstieg auf die Bahn. Die Bundesbahn rät von der Benutzung der Bahn ab. Kurios!
Quelle: Hermann Zoller [PDF – 55.4 KB] - Ekkehart Krippendorff: S 21-Schlichtung geradezu ein Verbrechen
Die Weichenstellung von S 21 weist den Fortschritt in eben diese düstere Zukunft. Den Bahnmanagern kann man es ja nicht übel nehmen, dass in ihrem Modernisierungswahn für so etwas wie alt-ehrwürdige Bäume kein Platz ist, dass ihnen die bescheiden-fundamentale Frage nach dem gesellschaftlichen Kontext und der hohen Priorität ihres Projekts klingt, wie von einem fernen Planeten gestellt: Stuttgart 21 statt Schulen und Kindergärten; Stuttgart 21 statt Investitionen in kulturelle Kreativität; Stuttgart 21 statt Ausbau erneuerbarer Energien; Stuttgart 21 statt ökologische Stadtkonversion (eine solche Diskussion müsste im Berliner Wahlkampf geführt werden…); Stuttgart 21 statt würdige Pflegeheime für alle; Stuttgart 21 statt einer Deutschen Bahn als flächendeckendes Dienstleistungsunternehmen (…)
Aber in der kurzsichtigen Machbarkeitsperspektive des Schlichtungsspektakels hatten solche Zukunftsfragen keinen Platz. Das ist die eigentliche Niederlage der Gegner und letztlich aller Bürger, auch wenn das vielen derzeit nicht bewusst sein mag. Die deutschen Regierungsparteien finden es offensichtlich nicht pervers, mit einem Drittel Kinderarmut zu leben und gleichzeitig Milliarden in ein Verkehrsprojekt zu stecken, mit denen für, sagen wir: 50 Jahre dieser gesellschaftliche Schandfleck getilgt werden könnte. Was für ein inspirierendes Zukunftsprojekt könnte das sein! Eine Regierung, die sich für diesen Zustand nicht schämt (“Investitionen in Kinder sind Investitionen in unsere Zukunft” – haben nicht die Merkels, von der Leyens und tutti quanti immer wieder so getönt?), und statt dessen einem Stuttgart 21 Vorrang gibt, verdient nichts als Verachtung.
Quelle: Lebenshaus Schwäbische Alb - Eure Armut kotzt sie an
Seit 2002 belegt die sogenannte Heitmeyer-Studie auf empirischer Grundlage eine zunehmende »gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit« im deutschen Durchschnittsbewusstsein. Der neuesten Studie zufolge macht sich nun auch in der sogenannten bürgerlichen beziehungsweise post-bürgerlichen Mitte die Menschenfeindlichkeit auffällig bemerkbar: als ein diffuses Konglomerat aus Ressentiments und dem Wunsch nach Revolte, das sich im Sozialneid von oben ebenso niederschlägt wie im pöbelnden Angriff auf sozial oder als individuell schwächer wahrgenommene Menschen. Diffus ist dies, insofern »Bürgerlichkeit« im Sinne von Liberalität oder Aufklärung verroht, ihre Konsistenz verliert und sich auf die Zufälligkeit individualisierter Meinung zusammenzieht. Zu diskutieren ist, ob sich eine herrschende Schicht ideologisch neu ausrichtet und ob sich damit ein neuer Begriff des Politischen etabliert, der nicht länger an die alten Formen der Rechtstaatlichkeit und Zivilgesellschaft gekoppelt ist.
Der ohnehin kursierende Vergleich zur Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre drängt sich anhand der Ergebnisse der Studie auf. Wie die Jahre 1924 bis 1928 bedeuteten auch die Jahre 2003 bis 2008 eine Rückkehr zur »Normalität«. Dazu gehörte die Restituierung der »bereits erschütterten Kontinuitätsannahme in der Bevölkerung«, nämlich die »Hoffnung, dass endlich einmal alles so bleiben möge, wie es ist, ein Bedürfnis nach Ruhe, nach stationären Zuständen«, wie es Peter Brückner für den Sozialcharakter der Weimarer Republik formulierte. Waren es aber damals vor allem die Subalternen und eine im sozialen Aufstieg sich wähnende Angestelltenschicht, deren Sozialcharakter derart geprägt war, so ist es heute ein in seiner ökonomischen Klassenposition völlig verunsichertes Bürgertum. Dieses Bürgertum kann sich für die Bestimmung seines sozialen Status, also seiner repräsentativen Herrschaftsposition, nur noch auf vage Formen des symbolischen oder kulturellen Kapitals verlassen ; und auch dieses Kapital unterliegt Distinktionsverlusten statt Distinktionsgewinnen, zumal das Risiko des materiellen Abstiegs weiter besteht: Mit der Verrohung der Bürgerlichkeit verlieren auch die Reste der bürgerlichen Kultur ihre normative Verbindlichkeit; dasselbe gilt für »Bildung«, »Anstand« und »Manieren«. Derzeit machen also die besserverdienenden Angestellten mobil.
Quelle: Jungle WorldAnmerkung Orlando Pascheit: Leider sind die Ergebnisse der Studie “Deutsche Zustände” ziemlich schnell in der Versenkung verschwunden, aber wir haben ja Winter. Wen interessiert da, dass unser Gesellschaftsgefüge auseinanderzubrechen droht. Ob das Sparpaket, die “Gesundheitsreform”, Hartz-IV oder die Lex Schlecker, man kann die Politik der letzten Jahre ganz gut vor dem Hintergrund dieser Studie begreifen. Ob das nun als “Hass der Reichen” bezeichnet werden muss, Tatsache ist, dass die niederen Stände geopfert werden dürfen. “Friede den Hütten! Krieg den Palästen!”, lang ist es her.
- Michael Moore kritisiert Umgang mit Wikileaks-Akten
Zugleich gießt Moore Öl ins Feuer derjenigen, die den Umgang mit den Wikileaks-Dokumenten kritisieren. So war in den vergangenen Wochen vor allem in Internetforen kritisch beleuchtet worden, dass die gut 250.000 Akten in Gänze nur fünf Medienkonzernen zur Verfügung stehen. Der aktuelle Fall zeigt, mit wie wenig Sorgfalt das Material von diesen Redaktionen ausgewertet wird. Als die betreffende Depesche an die Presse gegeben wurde, „haben sie es präsentiert, als ob es der Wahrheit entspricht“, kritisiert Moore. So habe der Britische Guardian getitelt: „Kuba verbot ‘Sicko’ wegen Darstellung eines ‘mythischen’ Gesundheitssystems“. Vor allem die rechtsgerichtete US-Presse habe sich auf die Story gestürzt „und eine Lüge verbreitet“, so Moore, der den verantwortlichen Redaktionen mangelnde Gegenrecherche unterstellt.
Quelle: Telepolis - Paul Krugman: Halbherzige Hilfen
Wir reden nicht über kurzfristige Unterstützung, sondern eine Phase, die so lange dauern muss, bis die Familien ihre Schulden auf ein erträgliches Maß reduziert haben. Das erste Konjunktur-Paket von US-Präsident Barack Obama aber war zu klein und zu kurzfristig angelegt; seine Effekte sind bereits weitgehend verschwunden.
Ja, wir machen Fortschritte beim Abbau der Schulden, die nur noch bei durchschnittlich 118 Prozent der Einkommen liegen. Aber wir sind noch Jahre von dem Punkt entfernt, an dem die Wirtschaft ohne staatliche Hilfe auskommt. Aber wird es nicht teuer, wenn die Regierung die Konjunktur über einen langen Zeitraum stützen muss? Doch, und deshalb müssen die Konjunkturspritzen sehr gut gesetzt werden, damit sie so effektiv wie möglich sind (…)
Die beschlossenen Konjunkturhilfen können in unserer Lage zwar sehr hilfreich sein, aber die Vorteile müssen mit den Nachteilen verglichen werden. Die Steuer-Kürzungen kosten sehr viel und bringen relativ wenig. Die Wohlhabenden und die Mittelklasse werden deswegen nicht oder kaum mehr konsumieren; die Senkung der Unternehmenssteuern fördert keine Investitionen, weil wir ohnehin Überkapazitäten haben. Der positive Teil des Pakets, die Verlängerung der Arbeitslosenunterstützung, aber hört am Jahresende 2011 wieder auf.
Die Wirtschaft wird nur leicht besser laufen und die Wahrscheinlichkeit steigen, dass die niedrigen Steuern für die Reichen auf Dauer bleiben. Ist uns das 850 Milliarden Dollar wert? Nein.
Quelle: FR - Rede des Senators Bernie Sanders (Vermont) im amerikanischen Senat
Quelle 1: YouTube (die Rede ist zwar in englisch, aber relativ leicht verständlich)
Quelle 2: New York Times - Lukaschenko: Falsche Versprechen
Wieder einmal hat der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko alle getäuscht. In den Wochen vor der Präsidentenwahl meinten Beobachter eine vorsichtige Öffnung des Landes Richtung Westen zu erkennen. Doch am Wahlabend hat das Regime sein wahres Gesicht gezeigt. Sondereinheiten schlugen die Proteste brutal nieder, fast alle oppositionellen Präsidentschaftskandidaten wurden festgenommen. Einer von ihnen wurde bewusstlos geprügelt und später aus dem Krankenhaus verschleppt. Mitten in der Nacht standen Milizionäre und KGB-Leute bei Journalisten und Menschenrechtlern vor der Tür, viele wurden festgenommen. Hunderte kamen ins Gefängnis, weil sie für freie Wahlen auf die Straße gegangen waren.
Die Strategie der Europäischen Union gegenüber Weißrussland ist spätestens mit dieser Wahl gescheitert. Zuletzt hatte die EU versucht, Europas letzten Despoten zur Demokratisierung seines Landes zu überreden und ihn mit Angeboten zu ködern. Der Zeitpunkt schien günstig. Das Verhältnis zwischen Minsk und Moskau ist merklich abgekühlt, gleichzeitig reiste im November zum ersten Mal seit 15 Jahren ein deutscher Außenminister nach Minsk. Drei Milliarden Euro würde das Land von der EU bekommen, falls die Wahlen ehrlich verlaufen würden, hatte Polens Außenminister Sikorski dem autoritären Staatschef beim gemeinsamen Besuch mit Westerwelle zugesagt. Der Präsident versprach freie Wahlen – und brach das Versprechen nicht nur, sondern ging härter gegen die Opposition vor als je zuvor.
Quelle: TagesspiegelAnmerkung Orlando Pascheit: Worüber soll man sich mehr wundern, über die Naivität der EU-Außenpolitik oder den “economic turn” der edlen Kunst der Diplomatie. Wer kommt nur auf die Idee, einen Autokraten zu bestechen, damit er die Bedingung seiner Autokratie ignoriert?
- Quoten-Flop: Kerners Afghanistan-Offensive gescheitert
Der Sondereinsatz von TV-Talker Johannes B. Kerner in Afghanistan hat sich für Sat.1 kaum ausgezahlt. Nur 1,01 Millionen Zuschauer wollten seine Sondersendung sehen – der Marktanteil lag deutlich unter dem Senderschnitt.
Bei der Gruppe der jüngeren Zuschauer hatte Stefan Raab zur Hauptsendezeit die Nase vorn: 17,6 Prozent der 14- bis 49-Jährigen schalteten seinen Rückblick “TV Total-Highlights des Jahres” ein. Bei allen Zuschauern ab drei Jahren kam er auf 2,55 Millionen (8,7 Prozent).
Quelle: SternAnmerkung MB: Tja, vielleicht hätten die Guttenbergs Stefan Raab und sein Eurovisions-Schnuckelchen Lena mitnehmen sollen; Lena hätte dann sicher einen fetzigen Song für Afghanistan geträllert und Raab lustige Spiele inszeniert.
- Die innere Würde der EU
Die Bundesregierung will weiterhin Flüchtlinge nach Griechenland abschieben, obwohl die Flüchtlinge dort unter die Räder kommen. Ein einheitliches europäisches Asylrecht scheitert am Widerstand konservativer EU-Parlamentarier. Dafür beteiligen sich deutsche Grenzschützer an der Abschottung der Außengrenze der EU.
Quelle: Jungle World - TV-Tipp: Weihnachtsfeier in der Anstalt
Urban Priol und Erwin Pelzig begeben sich auch im Dezember auf ihre satirische Monatsvisite. Zur Kurztherapie werden in die Anstalt “eingeliefert”: Monika Gruber, Kay Ray, Arnulf Rating und die bayerische Kultband Biermösl Blosn.
Dienstag, 21. Dezember 2010 um 22:15 Uhr
Quelle: ZDF - Zu guter Letzt: Auf Wiedersehen Herr Westerwelle (Christian Springer alias Fonsi)
Quelle: YouTube
Das Letzte: Wilfried Schmickler: Frohes Fest
Quelle: WDR