Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery fantasiert von einer „Tyrannei der Ungeimpften“, Ministerpräsident Bodo Ramelow will die Behandlung in Thüringer Kliniken unter Umständen vom Impfstatus abhängig machen.* Die Panikmacher kommen mit ihren inhaltlich falschen und politisch gefährlichen Anschlägen auf die Gesellschaft durch, weil es momentan keine kontrollierenden Instanzen in Medien und Politik mehr gibt. Von Tobias Riegel.
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Es gibt zahllose aktuelle Beispiele dafür, in welcher dramatischen Weise sich die Corona-Debatte von rationalen Inhalten verabschiedet hat. Und dafür, wie diese Irrationalität genutzt werden kann, um einfach irgendetwas zu behaupten und mit diesen Behauptungen die Menschen gegeneinander aufzuhetzen.
Hocheskalation: Aus „Pandemie“ wird „Tyrannei“
Auf zwei Beispiele soll hier eingegangen werden: auf die Behauptung des Ärztepräsidenten Montgomery, es gebe eine „Tyrannei der Ungeimpften“. Und auf die folgende Behauptung von Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen, aus dem ZDF-Morgenmagazin:
„Wir haben eine Pandemie der Ungeimpften. Und wir werden niemandem mehr garantieren können, der ungeimpft ins Krankenhaus kommt, dass er überhaupt noch in Thüringen behandelt wird.“
Diese gefährliche und inhaltlich unhaltbare Äußerung Ramelows, bei der es um die theoretische Übernahme Kranker durch andere Bundesländer ging**, bezeichnet Norbert Häring in einem Artikel treffend als einen „Extremismus der Mitte“. Zu Montgomerys Behauptung in der Talkshow von Anne Will, es gäbe eine „Tyrannei der Ungeimpften“, ist zu sagen: Die Behauptung stellt die Realität auf den Kopf, sie ist orwellsches „Neusprech“ – denn tatsächlich gibt es eine Tyrannei der Panikmacher. Aber so gefährlich und falsch die Aussage von Montgomery auch ist – innerhalb der medial hergestellten Irrationalität der Corona-Debatte bedeutet sie eigentlich nur die folgerichtige „Hocheskalation“ der Diffamierung von Millionen Menschen: Auf die angebliche „Pandemie der Ungeimpften“ folgt die angebliche „Tyrannei“ durch diese Gruppe. Man kann nur hoffen, dass labile Persönlichkeiten von solcher fast schon „offizieller“ Hetze auf der ganz großen medialen Bühne kein Recht zum Tyrannen-Mord ableiten.
„Offizielle“ Hetze gegen Andersdenkende
Dass die Realität genau andersherum zu beschreiben wäre – nämlich, dass sich aktuell ein vor einigen Monaten unvorstellbarer verbaler Terror gegen andersdenkende (in diesem Fall nicht geimpfte) Bürger entfaltet – das zählt längst nicht mehr: Es gibt fast keine Stimme mehr, die sich traut, gefährlicher Meinungsmache wie der von Montgomery oder Ramelow entgegenzutreten. Die wenigen Versuche, eine Mäßigung zu verlangen, bleiben viel zu sanft, wie etwa im WDR und an anderen Stellen. Als Ergebnis erleben wir eine von fast allen Politikern und großen Medien abgesegnete (also „offizielle“) Hetze gegen Andersdenkende.
Es ist also nicht nur eine politische Verrohung zu beobachten, die sich in völliger Empathielosigkeit gegenüber den Opfern einer unsozialen und in jeder Hinsicht unangemessenen und destruktiven Corona-Politik äußert: Begleitet wird das von einer „hocheskalierten“ sprachlichen Verrohung gegen Andersdenkende, bei der die anfängliche taktische Zurückhaltung nun aufgegeben wird. Die Panikmacher sind zunehmend außer Kontrolle. Skrupel angesichts einer langfristig unberechenbaren Spaltung der Gesellschaft sind nicht zu erkennen.
LINKE lässt Corona-Extremisten gewähren
Ramelow bedient sich einer bewährten Praxis: Die eindringliche Schock-Warnung vor Dingen, die nicht konkret drohen und die selbst im Falle des Eintretens (bisher jedenfalls) keinen Notstand rechtfertigen würden: Die Kliniken in Thüringen waren auch vor Corona oft überlastet. Im Falle der Äußerungen von Ramelow ist es zusätzlich erschütternd, dass er bei solchen Ausfällen keinen Gegenwind aus der eigenen Partei bekommt (falls ich parteiinterne Kritik übersehen haben sollte, wäre ich für Hinweise dankbar). Die kritikwürdige Haltung von großen Teilen der LINKEN zur Corona-Politik war ein wichtiger Aspekt beim schlechten Ergebnis der Bundestagswahl, analysiert wird das aber bisher nicht. Stattdessen duldet etwa die Berliner LINKE-Senatorin für Arbeit und Soziales, Elke Breitenbach, mit dem ihr unterstellten Mark Seibert einen problematischen Leiter des Berliner Corona-Krisenstabs, der gerade wieder durch diesen Tweet auffiel:
Für die Ungeimpften muss die Luft dünner werden. Damit meine ich nicht die Sache mit dem Schlauch im Hals. Sondern: Keine Gastro, keine Bahn, keine Freizeiteinrichtung, kein Museum, kein Theater, kein Kino, keinen Flug, kein Weihnachtsmarkt.
— Mark Seibert (@markseibert) November 6, 2021
„Epidemische Notlage“ und Überwachung beenden
Die „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“, alle Impfzwänge und vor allem sämtliche langfristigen Pläne für einen „Gesundheitspass“ und andere Überwachungspraktiken müssten meiner Meinung nach unverzüglich, ersatzlos(!) und unabhängig von der Impfquote gestrichen werden: Sie sind mit den realen Zahlen zu Übersterblichkeit oder Klinikbelegungen und mit dem realen Gefahrenpotenzial von Corona nicht länger zu rechtfertigen – und schon gar nicht angesichts der gravierenden gesellschaftlichen Schäden, die diese unsoziale und hochgefährliche Politik (nicht nur bei den besonders drangsalierten Kindern) verursacht. Eine angebliche Zustimmung der Bürgermehrheit ist angesichts der Panikmache als fragwürdig zu betrachten. Eine Abkehr von der bisherigen Corona-Politik würde ja keineswegs bedeuten, dass man nicht stattdessen sinnvolle Präventionen und Strategien gegen Corona praktizieren könnte.
* 09.11.2021 11:50 Uhr: Der Satz wurde nachträglich präzisiert.
** 09.11.2021 13:30 Uhr: Der Satz wurde nachträglich präzisiert.
Titelbild: Motortion Films / Shutterstock
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