Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Die neue Aufrüstungskoalition
  2. Ampel-Sondierer stellen die Aktienrente auf grün
  3. Christian Lindner: “It Would Be a Mistake to Grant Him His Wish”
  4. Hat die Schuldenbremse ihre Flexibilität bewiesen?
  5. Rund 8,6 Millionen Beschäftigte verdienen aktuell weniger als 12 Euro in der Stunde – vor allem in Jobs ohne Tarifvertrag
  6. Bürgergeld: Abschaffung von Hartz IV oder Etikettenschwindel?
  7. Juristisches Corona-Chaos: Alle blicken nach Karlsruhe
  8. Daniela Dahn: Was ich bei Ungeimpften in meinem Umfeld beobachte
  9. Die Misere der Krankenhaus-Finanzierung über Fallpauschalen
  10. Ein intensiver Aufarbeitungsprozess steht an

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Die neue Aufrüstungskoalition
    Die Beschaffung von Kampfdrohnen durch die mutmaßliche künftige Regierungskoalition und voraussichtlich auch die Bestätigung der “nuklearen Teilhabe” durch SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen rücken näher. Wie sich aus einem neuen Positionspapier einer SPD-Projektgruppe ergibt, zieht die Partei ihre bisherige Weigerung, Kampfdrohnen zu beschaffen, zurück und öffnet sich dem Vorhaben – unter dem Vorwand, es diene nur dem Schutz deutscher Soldaten. Mit dieser Begründung hatten bereits Bündnis 90/Die Grünen ihren Widerstand gestoppt. Auch bei der “nuklearen Teilhabe” haben längst Rückzugsmanöver begonnen: Während die SPD in all den Jahren ihrer Regierungsbeteiligung an der Option festgehalten hat, deutsche Tornados im Kriegsfalle auch US-Atombomben abwerfen zu lassen, hieß es bei Bündnis 90/Die Grünen zuletzt, man könne “nicht einfach sagen, wir schicken die US-Atomwaffen mal eben zurück in die USA”. Die scheidende Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat mit ihrer Ankündigung, bei Bedarf nukleare “Mittel” gegen Russland einzusetzen, einen diplomatischen Eklat ausgelöst.
    Quelle: German Foreign Policy

    dazu: SPD offen für Drohnenbewaffnung
    Die SPD war lange auf der Suche nach einer Position zur Bewaffnung von Drohnen. Im Dezember 2020 wurde mit dem Verweis auf eine nicht ausreichende Diskussion über das Thema eine Abstimmung über die Bewaffnung der geleasten Heron TP Drohnen verhindert.
    Um einer Klärung der SPD-Position näher zu kommen, wurde am 15. März 2021 eine Projektgruppe vom Parteivorstand eingesetzt, die das Für-und-Wider bewaffneter Drohnen diskutieren und am Ende eine Empfehlung abgeben sollte. Unter dem Vorsitz der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin wurde seitdem in insgesamt fünf Sitzungen und einer öffentlichen Anhörung diskutiert.
    Nun, passend zu den beginnenden Koalitionsgesprächen mit den Grünen und der FDP, hat die Projektgruppe am 12. Oktober 2021 einen Abschlussbericht vorgelegt, in dem sich generell für die Bewaffnung von Drohnen geöffnet wird. In dem längeren Papier werden drei Hauptargumente von Kritiker*innen einer Drohnenbewaffnung aufgegriffen: dass es effektivere Waffensysteme zum Schutz der Soldat*innen gebe und denen durch die Ausgabe in Drohnen die Mittel entzogen würden, dass Drohnen die Zivilbevölkerung „entfremden“[1] – eine sehr zahme Formulierung, wenn man Schilderungen von Betroffenen liest – und so die Akzeptanz von „stabilisierenden Einsätzen unterminieren“[2] könnten; und letztlich, dass Drohnen eine Gefahr hin zur Weiterentwicklung zu „vollautomatisierten Waffensystemen“[3] bergen könnten. Letztlich überwiege aber das Schutzargument und die „vertrauensvolle Zusammenarbeit in Bündnissen“[4]. Da die Arbeitsgruppe anscheinend kein weiteres Proargument erdenken konnte, aber trotzdem ein „Gleichgewicht“ mit den drei Contra-Punkten zaubern wollte, steht im Abschlussbericht stattdessen: „Die grundsätzlichen Einwände der Kritikerinnen und Kritiker sind gewichtig und sollten bei der weiteren Begleitung des Einsatzes bewaffneter Drohnen mitbedacht werden“.[5] Der Empfehlung für die Öffnung der Drohnenbewaffnung konnten sich von 13 Mitgliedern der Projektgruppe nur zwei nicht anschließen.
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

    und: Nukleare Teilhabe«: CDU macht Druck auf Scholz
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Albrecht Müller: Statt gemeinsamer Sicherheit mit Russland kommt jetzt der Einsatz bewaffneter Drohnen und die Drohung mit Nuklearwaffen. Die neue Koalition ist offensichtlich vom militärisch-industriellen Komplex eingefangen oder unterwandert oder wie man es nennen will. Dabei spielen auch Vorfeld Organisationen wie die Heinrich-Böll-Stiftung eine maßgebliche Rolle.

  2. Ampel-Sondierer stellen die Aktienrente auf grün
    Die Ampelsondierer sind sich einig. Sie wollen die Aktienrente so schnell wie möglich einführen und die umlagefinanzierte Rente weiter schwächen. Ein Friedrich Merz wird nicht mehr benötigt, um die Interessen von BlackRock, ALLIANZ und Co. in der künftigen Bundesregierung zu vertreten.
    Das 12-seitige Sondierungspapier von SPD, GRÜNEN und FDP enthält viel Ungenaues und Abwägendes, bei der Rente wird es erstaunlich eindeutig und konkret:
    „Wir (werden) zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der Gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen. Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro zuführen.“
    Das ist eine klare Ansage. Die Ampelkoalition will in einem atemberaubenden Tempo den Einstieg in die Aktienrente organisieren. Und das nicht nur im Rahmen der Betriebsrenten und Privaten Rentenversicherung wie es SPD und GRÜNE in ihren Wahlprogrammen forderten, sondern unter dem Dach der gesetzlichen Rentenversicherung. Das ist FDP pur und ist ein weiterer Schritt zur neoliberalen Umgestaltung des Sozialstaates.
    In dem ganzen Papier gibt es nicht eine einzige Stelle, an der über die Finanzierung der Regierungsvorhaben Angaben gemacht werden. Außer einer Garantie zum Einhalten der Schuldenbremse, dem Ausschluss von jedweder Steuererhöhung oder Einführung einer Vermögenssteuer und der Absicht, privates Kapital zu aktivieren, findet sich nichts…
    … bis auf die 10 Milliarden Euro, die quasi sofort nach Regierungsantritt an die gesetzliche Rentenversicherung (DRV) überwiesen werden. Die DRV soll das Geld irgendwie an irgendwelchen Kapitalmärkten anlegen. Nichts Genaues weiß man nicht, aber es ist davon auszugehen, dass passende Pläne in diversen Schubladen von Finanzkonzernen und einschlägigen Think Tanks vorhanden sind.
    Quelle: Seniorenaufstand

    dazu: Zukunft der Rentenpolitik: Aktienrente? Nein, danke!
    Die Debatte über eine mögliche Aktienrente erfreut sich großer Popularität. Doch sollten wir die liberal-konservativen Mythen von der zu teuren gesetzlichen Rente endlich hinter uns lassen. Ein Gastbeitrag. […]
    Dass die gesetzliche Rente aber viel mehr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten muss und auch leisten kann als jede Form der kapitalgedeckten, privaten Vorsorge, wird dabei meist verschwiegen: Denn die gesetzliche Rente beteiligt die Arbeitgeber nicht nur an der Finanzierung der Altersrenten (rund 22 Milliarden Euro im Monat), sondern die gesetzliche Rente überweist jährlich auch mehr als 23 Milliarden Euro an Krankenversicherungsbeiträgen für die Rentnerinnen und Rentner und entlastet damit die Krankenkassen. Sie sichert Witwen und pflegende Angehörigen ab, gleicht Kindererziehungszeiten und Niedriglöhne aus und zahlt chronisch Kranken eine Erwerbsminderungsrente.
    Quelle: Matthias W. Birkwald in der FAZ

  3. Christian Lindner: “It Would Be a Mistake to Grant Him His Wish”
    Christian Lindner would be unsuitable as finance minister – but would make a good minister of digital affairs, according to economists Joseph E. Stiglitz and Adam Tooze. […]
    The greatest threat to European democracy is not Russian influence or any other influence from the outside, it is inappropriate and mis-timed fiscal discipline forced down the throats of a majority of Europe’s voters by a minority coalition of “northern” states. It would be disastrous if Germany were to put itself at the head of that coalition, as the Free Democrats have promised to do. For the electoral chances of the nationalist populists in Italy, there would be nothing better than the prospect of a confrontation with the German Finance Ministry. That would be disastrous for Italy. It would be bad for Europe. And it would be bad for Germany.
    Quelle: Zeit Online

    dazu: Nobelpreisträger warnt vor Lindner als Bundesfinanzminister
    Zwei prominente Wirtschaftswissenschaftler haben davor gewarnt, dass FDP-Chef Christian Lindner in einer künftigen Bundesregierung Finanzminister wird.
    «Um seiner selbst willen sollte Lindner die unmögliche Aufgabe erspart werden, seine vorsintflutliche haushaltspolitische Agenda auf die finanzielle Situation von heute übertragen zu müssen», schreiben der Brite Adam Tooze und der US-amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz von der Columbia University in New York in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung «Die Zeit». «Diese Art Crashtest kann sich weder Deutschland noch Europa erlauben.»
    Quelle: FAZ

    dazu auch: Das hat Athen nicht verdient
    Ein Finanzminister Christian Lindner und eine neue Ära der Sparpolitik könnten für Deutschlands europäische Partner katastrophale Folgen haben […]
    Lindner hat weit weniger europäische Überzeugung als Schäuble. Seine wirtschaftlichen Ideen bestehen aus neoliberalen Banalitäten. Aber er ist auch ein Showman, der beweisen muss, dass er und seine Partei den beiden eher linken Partnern Paroli bieten können. Es wäre naiv zu glauben, dass er zwischen einem von Olaf Scholz geführten Kanzleramt und einem grünen Umwelt-Superministerium eingehegt werden kann.
    Scholz selbst hat gezeigt, was ein progressiver Pro-Europäer an der Spitze des deutschen Finanzministeriums bewirken kann. Er hat sowohl den Ton als auch den Inhalt der deutschen wirtschaftspolitischen Debatte verändert und eine globale Steuerreform vorangetrieben. Während der Covid-Krise gab er großzügig Geld aus. Vor allem aber nahm er die Fragilität der Eurozone ernst. Doch der Aufschwung in Europa ist immer noch fragil. Die Schuldenquoten in Europa sind höher als zuvor. Die politische Steuerung der Eurozone ist so ungelöst wie eh und je.
    Vor diesem Hintergrund gibt die Aussicht auf einen Finanzminister Lindner Anlass zur Sorge.
    Quelle: Adam Tooze in der Freitag

  4. Hat die Schuldenbremse ihre Flexibilität bewiesen?
    Von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker
    Es gibt Antworten von Politikern auf Journalistenfragen, die werden stereotyp hunderte Male wiederholt, und obwohl jede der Antworten vollkommen bedeutungslos ist, wird niemals nachgefragt. So ist es mit der Schuldenbremse für Deutschland und Europa und der Frage, ob sie nicht nach dem Corona-Schock revidiert werden müsse. Alle Verteidiger der Schuldenbremse bzw. der europäischen Schuldenregeln (von Olaf Scholz bis Christian Lindner) sagen immer wieder, nein, diese Regeln müssten nicht revidiert werden, weil sie ihre Flexibilität in der Corona-Krise ja gerade bewiesen hätten. Im Sondierungspapier der potenziellen Ampel-Koalitionäre heißt es unter Punkt 10 „Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt“ wörtlich: „Der Stabilitäts- und Wachstumspakt hat seine Flexibilität bewiesen.“
    Das aber ist exakt die falsche Antwort auf das, was hinter der Frage der Journalisten stand – nur leider merkt es keiner der Fragenden. Es stand niemals in Zweifel, dass eine Regel, die explizit Ausstiegsklauseln für Notfälle vorsieht, in einem Notfall tatsächlich ausgesetzt werden kann. Das ist in keiner Weise bemerkenswert. Die Tatsache, dass die Ausstiegsklausel genutzt werden konnte, hat gerade nichts mit Flexibilität zu tun. Flexibel ist eine Regel genau dann, wenn ihre Geltung auch in anderen als die in der Regel explizit vorgesehenen Notfällen ohne große Verrenkungen „angepasst“ werden kann. […]
    Es gibt folglich keine andere rationale Möglichkeit, als die nach Corona deutlich erhöhten Schuldenstände der Staaten (Abbildungen 2 und 3) hinzunehmen und abzuhaken… Jeder Versuch, in den nächsten beiden Jahren eine Schuldenreduktion zu erreichen, muss scheitern…
    Wer die Gesellschaft nicht weiter spalten will, muss jeden Versuch unterlassen, über die Ausgabenseite der staatlichen Haushalte die Spielräume für eine Rückführung der öffentlichen Verschuldung zu gewinnen. Lassen sich die Grünen und die SPD auf das Spiel der FDP mit dem Schicksal der in der einen oder anderen Weise vom Staat finanziell Abhängigen ein, ist ihr Anspruch, für eine Verringerung der eklatanten Ungleichheit sorgen zu wollen, von Anfang an hinfällig. Wer die Schuldenbremse und den europäischen Stabilitätspakt nicht reformiert, versündigt sich an den zukünftigen Generationen. Denn er hinterlässt eine Gesellschaft, der nicht nur die nötige Infrastruktur fehlt, sondern, was noch weit wichtiger ist, eine Gesellschaft, der jeder soziale Zusammenhalt fehlt.
    Quelle: Relevante Ökonomik
  5. Rund 8,6 Millionen Beschäftigte verdienen aktuell weniger als 12 Euro in der Stunde – vor allem in Jobs ohne Tarifvertrag
    Beschäftigte in etwa 8,6 Millionen Arbeitsverhältnissen verdienen aktuell weniger als 12 Euro brutto pro Stunde. Etwa zwei Drittel der gut achteinhalb Millionen Menschen, die dementsprechend direkt von einer Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro profitieren würden, sind Frauen. Die Mehrzahl der Berufsgruppen, in denen aktuell weniger als 12 Euro bezahlt werden, erfordert eine abgeschlossene Ausbildung. Durch die Anhebung des Mindestlohns würde vor allem die Entlohnung von Beschäftigten ohne Tarifvertrag verbessert, denn diese sind derzeit rund dreimal so häufig von Löhnen unter 12 Euro betroffen wie Beschäftigte, die nach Tarif bezahlt werden. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
    „Ein Mindestlohn von 12 Euro findet nicht nur breite Zustimmung, er würde auch für viele Beschäftigte spürbare Lohnsteigerungen bedeuten“, schreibt WSI-Arbeitsmarktexperte Dr. Toralf Pusch. In seiner Untersuchung hat er die neusten verfügbaren Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) von 2019 und des Statistischen Bundesamts ausgewertet und für das Jahr 2021 fortgeschrieben. Damit kann der WSI-Forscher unter anderem zur Gesamtzahl der Beschäftigten, die aktuell für weniger als 12 Euro arbeiten, erstmals eine verlässliche Hochrechnung für das laufende Jahr vorlegen.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung
  6. Bürgergeld: Abschaffung von Hartz IV oder Etikettenschwindel?
    Von Christoph Butterwegge
    Die Ampelkoalition verspricht, Hartz IV abzuschaffen und durch ein Bürgergeld zu ersetzen. Das ist Schönfärberei. Denn an der sozialen Härte von Hartz IV ändert die Reform nichts.
    SPD, Grüne und FDP vermitteln den Eindruck, dass mit der von ihnen geplanten Einführung des Bürgergeldes die Abschaffung von Hartz IV verbunden sei. Um zu prüfen, ob das tatsächlich der Fall ist, muss Klarheit darüber herrschen, welche negativen Auswirkungen die Hartz-Gesetze hatten und ob sie von der Ampelkoalition beseitigt werden. Was bisher über die Pläne der potenziellen Koalitionspartner bekannt ist, lässt allerdings eher befürchten, dass es sich beim neuen Bürgergeld um eine Mogelpackung handelt. Offenbar sollen nicht einmal die Regelbedarfe des Arbeitslosengeldes II stärker erhöht werden, als es die Große Koalition kurz vor der Bundestagswahl am 26. September beschlossen hat…
    »Das Bürgergeld wäre ein staatlicher Kombilohn, der es Unternehmen erleichtern würde, frühere Hartz-IV-Bezieher für wenig Geld anzuheuern.«…
    »Sozial ist nicht alles, was Arbeit schafft. Sozial ist nur, was Armut abschafft.«
    (…) Wenn das Jobcenter darauf besteht, muss deshalb jetzt eine medizinisch-technische Assistentin im Getränkemarkt und ein Betriebstechniker als Pförtner arbeiten, wenn sie nicht ihren Anspruch auf Unterstützung einbüßen wollen. Dem mehr als ein Jahr arbeitslosen Diplomingenieur kann seither auch ein 1-Euro-Job aufgedrängt werden, um seine Arbeitswilligkeit zu testen. Warum soll dieser, wenn er staatliche Transferleistungen erhält, eigentlich nicht einen öffentlichen Park fegen oder in einer Schule bei der Essensausgabe helfen, mögen manche nun einwenden. Nun, ganz einfach deshalb, weil das nicht seiner Ausbildung entspricht, für ihn entwürdigend ist und oft dazu führt, dass ein für die entsprechenden Tätigkeiten besser geeigneter Arbeiter seine Stelle verliert. Daher muss der Berufs- und Qualifikationsschutz wieder im Sozialgesetzbuch verankert werden…
    Quelle: Jacobin

    dazu: Für Bedürftige wird es kalt in Deutschland
    Bei steigenden Heizkosten können Bedürftige künftig nicht auf Hilfe hoffen.
    Nicht nur Christian Lindner, auch Robert Habeck hat deutlich gemacht, dass sich einkommensarmen Menschen unter einer Ampel-Koalition wenig Hoffnung machen dürfen
    Quelle: Telepolis

  7. Juristisches Corona-Chaos: Alle blicken nach Karlsruhe
    Das Bundesverfassungsgericht steht vor einer Entscheidung über die Bundesnotbremse. Das höchste Gericht muss dem Grundgesetz zu seiner Geltung verhelfen.
    Das Bundesverfassungsgericht hat angekündigt, im Oktober oder November zu entscheiden, ob die sogenannte Bundesnotbremse, also das am 23.04.2021 in Kraft getretene Vierte Bevölkerungsschutzgesetz, in Teilen rechtswidrig ist. Knapp 10.000 Personen haben 281 Verfassungsbeschwerden und mehrere Anträge eingereicht. Über einige von ihnen wird nun entschieden. Es geht insbesondere um Ausgangsbeschränkungen, Kontaktbeschränkungen, Beschränkung von Freizeiteinrichtungen, Regelungen zur touristischen Beherbergung, Schulschließungen und Testpflicht. Die Beschwerden und Anträge in Karlsruhe sind Teil einer breiten Klagewelle: Nach Angaben des Deutschen Richterbundes gab es allein im Jahr 2020 mehr als 10.000 Gerichtsverfahren wegen Corona. Anfang September gab es nach Angaben des Rechtsanwaltsnetzwerks ETL 660 Entscheidungen.
    Nach Angaben des Deutschen Richterbunds haben in den Jahren 2020 und 2021 in etwa neun von zehn Eil­ver­fah­ren die Ge­rich­te die häufig im Wege der Verordnung dem Bürger auferlegten Ein­schrän­kun­gen be­stä­tigt, weil sie den Ge­sund­heits­schutz der Be­völ­ke­rung höher ge­wich­tet hät­ten als die Ein­schrän­kun­gen für die betroffenen Bürger. Doch laut ETL-Anwälten hat sich die Gewichtung der Entscheidungen verändert: Zunächst hätten die Gerichte „freiheitsbeschränkenden Maßnahmen der Hoheitsträger sowie die erlassenen Ordnungsmaßnahmen“ in vielen Fällen als rechtmäßig erkannt. Mit zunehmender Zeit hätten die gerichtlichen Entscheidungen allerdings den Einzelfall stärker in den Blick genommen, weshalb zahlreiche Eilanträge dann auch erfolgreich gewesen seien.
    Quelle: Berliner Zeitung

    dazu: Entscheiden unter Unsicherheiten
    Einen gut funktionierenden Verfassungsstaat erkennt man darin, dass man in ihm verlieren kann. Man kann Prozesse verlieren. Man kann Abstimmungen verlieren. Das kann einem widerfahren, ohne dass man deswegen gleich einen Aufstand zu machen bräuchte. Man muss keinen Aufstand machen, weil Menschen- und Minderheitenrechte einen vor dem Gröbsten bewahren. Man darf keinen Aufstand machen, weil der institutionelle und prozedurale Rahmen, in dem einem die Niederlage zugefügt wird, per se erst mal allgemein als fair akzeptiert ist. Man hat verloren, ja. Aber das ist in Ordnung. Wo dies die erwartbare Reaktion auf Niederlagen justizieller oder politischer Art ist, da kann man im Wesentlichen sagen: die Verfassung ist in Ordnung.
    An Beispielen, wo dies nicht (mehr) der Fall ist, herrscht ringsum kein Mangel. Es ist das Kennzeichen des autoritären Populismus, sich gegen die Möglichkeit der eigenen Niederlage dadurch zu immunisieren, dass man sie zu einem Zeichen dafür umdeutet, dass in der Tat mit der Ordnung selbst etwas nicht in Ordnung ist. Das ist es, womit die PiS-Regierung in Polen, die Trump-Bewegung in den USA und die Querdenker/AfD in Deutschland ihre Politik machen, und das ist das inhärent Verfassungsfeindliche an ihnen allen.
    Vor diesem Hintergrund kann ich bis zu einem gewissen Punkt schon verstehen, dass sich das Bundesverfassungsgericht so wahnsinnig schwer tut mit der „Bundesnotbremse“ in der Corona-Pandemie. Was ich dagegen nicht verstehen kann, ist, dass es seine ohnehin schon prekäre Situation ohne erkennbare Not noch prekärer macht.
    Quelle: Verfassungsblog

  8. Daniela Dahn: Was ich bei Ungeimpften in meinem Umfeld beobachte
    Die Schriftstellerin Daniela Dahn beobachtet, dass eine Minderheit diskriminiert und ausgegrenzt wird. Sie sieht eine gefährliche Stigmatisierung. […]
    Was nicht zu unterschätzen ist und für die Impfung spricht: offensichtlich schützt sie eine Zeitlang vor schweren Verläufen. Allerdings werden die „Einzelfälle“, bei denen diese Zeit kurz ist, von Tag zu Tag mehr. Die 2G-Experimente im Szene-Club Berghain oder in Klubs in Kreuzberg und anderen Städten haben allesamt zu beachtlichen Infektionszahlen geführt. Auch die sich untereinander infiziert habenden Spieler vom Eishockey-Club München waren alle doppelt geimpft.
    Obwohl die Wirksamkeit der restriktiven 2G-Methode als widerlegt angesehen werden kann, gehen viele Einrichtungen, darunter gern auch linke mit ihrem Zero-Covid-Trugbild, jetzt zu dieser demonstrativen Ausgrenzung über. Schließlich seien die Ungeimpften selber schuld, wenn sie sich nicht immunisieren lassen, macht der DLF in der Presseschau vom 24. Oktober seine Schlappe wieder gut. Dabei ist die Illusion von einem zuverlässigen Schutz vor Ansteckung längst widerlegt. Und regelmäßige Booster-Auffrischungen könnten bei Veranlagung auch zu „Immunerschöpfung“ führen. […]
    „Alle menschlichen Verhältnisse stellen sich in den Interessen dar“, habe ich einst bei Friedrich Engels gelernt. Warum sollte das gerade in diesem Fall anders sein? Die professionellen Wachhunde des Kapitals haben es verstanden, jegliches Nachdenken über Interessen als „Verschwörungstheorie“ wegzubeißen. Genial.
    Quelle: Berliner Zeitung

    dazu auch: Kimmich und die Covidioten
    Dass das polemische Wort „Covidioten“ auf eine Reihe von Leuten zurückfällt, die in Deutschland als Experten gehandelt werden und glauben, andere belehren zu können, kann man schon seit längerem beobachten. Die Reaktionen auf die Erklärung des Bayern-Stars Joshua Kimmich, dass er nicht geimpft ist, und, weil er die Langzeitfolgen der Impfstoffe nicht kennt, auf einen klassischen Impfstoff (Tot-Impfstoff) wartet, zeigen einmal mehr, in welchem Zustand sich das deutsche Expertentum befindet. […]
    Man muss noch nicht mal die Fälle kennen, in denen Langzeitfolgen von Impfungen beobachtet wurden, es genügt, aus den Verträgen, die mit den Impfstoff-Herstellern Biontech/Pfizer geschlossen wurden, zu zitieren: „Der Käufer erkennt an, dass die langfristigen Wirkungen und die Wirksamkeit des Impfstoffs derzeit nicht bekannt sind und dass der Impfstoff unerwünschte Wirkungen haben kann, die derzeit nicht bekannt sind.“ Hätten der Chef des Paul-Ehrlich-Instituts und der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission Recht, dann wäre der Pharmakonzern nicht auf die Idee gekommen, sich derart abzusichern.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook

  9. Die Misere der Krankenhaus-Finanzierung über Fallpauschalen
    Deutschlands Kliniken rechnen die Behandlung ihrer Patienten nach Fallpauschalen ab. Kritiker sehen darin einen falschen Anreiz: Möglichst viele Operationen und Untersuchungen durchzuführen. Inzwischen gibt es einen Konsens, dass eine grundlegende Reform des Systems nötig ist. […]
    Tatsächlich ist die Zeitdauer, die Patienten im Krankenhaus bleiben, seit Einführung der Fallpauschalen um etwa ein Drittel geschrumpft – von im Schnitt rund zehn Tagen auf gut sieben Tage. Das habe aber nicht nur Vorteile für die Patienten, sagt Christine Maurer. Die pensionierte Ärztin arbeitet als ehrenamtliche Patientenfürsprecherin am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, und sie sieht Handlungsbedarf beim Bezahlungssystem:
    „Das Problem ist, dass man Patienten ganz individuell behandeln muss. Dazu brauche ich Zeit. Wir sind heute in einer Situation, wo Sie Tumordiagnosen übers Telefon bekommen. Und dann stehen Sie allein da und wissen gar nicht mehr, wie Sie es packen sollen. Das kann es nicht sein.“
    Quelle: Deutschlandfunk
  10. Ein intensiver Aufarbeitungsprozess steht an
    Gut einen Monat ist es jetzt her, dass DIE LINKE. nach einem katastrophalen Wahlergebnis wenigstens knapp als Fraktion in den Bundestag einziehen konnte. Mein Büro ist mittlerweile geräumt und ich hatte nun ein wenig Zeit, meine Gedanken zu ordnen.
    Es ist gut, dass die Bundestagsfraktion sich am Montag mit breiter Mehrheit eine Fraktionsführung gewählt hat. Es ist ebenfalls gut, dass dies auf den übereinstimmenden Vorschlag der Parteivorsitzenden hin erfolgt ist. Angesichts dessen finde ich es allerdings verheerend, dass dies von Teilen der Partei nun skandalisiert wird. Ein intensiver Aufarbeitungsprozess steht an und kann auch nur im konstruktiven Dialog erfolgen. Leider zeigt sich für mich bei der Medienlektüre, dass einige Funktions- und Mandatsträger, das noch nicht ausreichend begriffen haben. In den vergangenen Wochen musste ich immer wieder lesen, wie Einzelne über die Presse, diesen Aufarbeitungsprozess vorwegnehmen wollen und ihre jeweils eigenen und ihnen nützlichen Erzählungen präsentieren.
    Quelle: Friedrich Straetmanns via Facebook

    Anmerkung unseres Lesers C.B.: Straetmans war bis vor ein paar Tagen MdB aus Bielefeld und Justiziar der Fraktion Die Linke. Das Spiel der Parteiführung und Teilen der Linken mit Hilfe der Medien, Sahra Wagenknecht quasi allein für das schlechte Wahlergebnis verantwortlich zu machen, lassen selbst einen zurückhaltenden Genossen wie Straetmans zu drastischen Worten greifen. Gleichzeitig weigert sich die Parteiführung/die Parteizentrale seit Jahren, empirische Studien durchführen zu lassen, mit deren Hilfe man politische Schwerpunkte und eine gezielte Strategie entwickeln könnte. Vermutlich, weil dabei herauskommen würde, dass die de facto Fokussierung auf junge aktivistische urbane Milieus nur “beschränkt Erfolg versprechend” ist.

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