Das Schweigen der Medien über alternative Regelsatzberechnungen
Die NachDenkSeiten hatten bereits über die alternative Regelsatzberechnung berichtet, die die Diakonie vorgelegt hatte. Die großen Leitmedien wie SZ, FAZ, etc. haben darüber nicht berichtet! Ein Frankfurter Arbeitskreis hat jetzt ebenfalls eine Berechnung des Regelsatzes vorgelegt [PDF – 210 KB]. Auch hierüber haben wichtige Medien bisher nicht berichtet. Wir weisen deshalb auf das Papier hin. Dem Arbeitskreis gehören nahezu alle bedeutenden Armutsforscher an: so u.a. Dr. Irene Becker, Prof. Dr. Walter Hanesch, Prof. Dr. Richard Hauser, Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach, Prof. Dr. Anne Lenze, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn. Albrecht Müller
Die Armutsforscher weisen methodisch nach, dass die Bundesregierung abermals den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts nicht nachgekommen ist.
Hier das Resümee:
“Wie aus einer Tabelle auf Seite 5 des Papiers des Arbeitskreises ersichtlich ist, ergeben sich bei methodisch konsequenter Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 wesentlich höhere Beträge als nach den vom BMAS konzipierten Berechnungen. Um die Funktionsweise des Statistikmodells nicht auszuhebeln, wurde der Ermessensspielraum des Gesetzgebers als begrenzt angesehen; dementsprechend summieren sich die in der restriktiven Variante, also bei eingeschränkter Umsetzung des Statistikmodells, vorgenommenen Kürzungen auf nur etwa 10% der Ausgaben der Referenzgruppe. Zwar wäre selbst dies eine merkliche Minderung des Lebensstandards der Grundsicherungsbeziehenden gegenüber dem unteren Einkommensbereich. Die Differenz bewegt sich aber in einem Rahmen, der als Kompromiss zwischen den Strukturprinzipien des Statistikmodells einerseits und dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum andererseits angesehen werden kann, dementsprechend kann angenommen werden, dass der Hilfebedürftige sein Verbrauchsverhalten so gestalten kann, dass er mit dem Festbetrag auskommt (BVerfG; Rn. 205, s. a. Rn. 172).”
epd ist auf den Vorgang eingegangen. Siehe hier [PDF – 2.3 MB].
Zur Ehre der FR ist der Hinweis auf einen Kommentar von Stephan Hebel zum Vorgehen der Bundesregierung angezeigt:
Leitartikel zur Hartz-IV-Reform
Eine Form von Ausgrenzung
Gäbe es diese unangenehmen Inhalte nicht, man müsste Ursula von der Leyen loben. Mal kalkuliert verbindlich, mal kalkuliert aggressiv, so stand sie gestern im Bundestag. So souverän stand sie da, so treffsicher schoss sie ihr Feuerwerk der Selbstbelobigungen ab, dass man fast hätte vergessen können, wofür sie stand und steht. War das die Frau, die fünf Euro mehr im Monat für die richtige Antwort auf das vernichtende Hartz-IV-Urteil des Verfassungsgerichts hält? War das die Frau, die – zum Beispiel – hilfsbedürftigen Behinderten, wenn sie bei ihren Eltern leben, den Lebensunterhalt um ein Fünftel kürzt?
Klar, sie war es, und dies vergessen zu lassen, war genau der Zweck der Rolle, die sie so perfekt spielte. Oder glaubt sie am Ende selbst an die Sonnenschein-Sätzchen, mit denen sie ihre Hartz-IV-„Reform“ verteidigt? Das wäre fast noch schlimmer. (…)
Quelle: FR