Bericht vom Weltkongress des International Peace Bureau (IPB). (Re)Imagine our World: Action for Peace and Justice!
Das Folgende ist der Bericht des Geschäftsführers des Internationalen Friedensbüros (IPB), Reiner Braun, über den Weltkongress des IPB, der vom 15. bis 17. Oktober in Barcelona stattfand. Reiner Braun war maßgeblich an der Organisation des Kongresses beteiligt. Hier sein Resümee. Albrecht Müller.
Was für ein Kongress!!! Annäherung an eine Auswertung.
Mehr als 900 Teilnehmer:innen präsent in Barcelona und mehr als 1.700 online zeigt das gewaltige internationale Interesse an diesem Friedensweltkongress.
Es war der richtige Kongress, zur richtigen Zeit, in der richtigen Stadt.
Barcelona zeigte sich durch die Tagungsorte Universität und Kongresszentrum als großartiger Tagungsort, aber ganz besonders durch die friedenspolitisch geprägten Eröffnungsreden der Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, und des Präsidenten von Katalonien, Peres Aragones. Deutliche Worte für mehr aktives städtisches und Regierungsengagement für den Frieden. Eine eindringliche Aufforderung zur Kooperation, nur so kann die planetarische Krise überwunden werden.
Die aktuelle politische Situation, besonders die wahnsinnige Aufrüstung, die Konfrontation, aber auch die Umwelt-Katastrophe und die dramatische soziale weltweite Ungerechtigkeit erforderten klare friedenspolitische Antworten der Kooperation und der Abrüstung. Die Abschaffung aller Atomwaffen stand genauso im Mittelpunkt wie die Herausforderungen der Klimaveränderungen und die soziale Gerechtigkeit in ihrer ganzen Vielfalt. Das Programm und die Rednerinnen und Redner widerspiegelten diese Vielfalt, diese Unterschiedlichkeit der Zugänge zum Friedensthema. Die aktuelle Pandemie-Situation machte die Vorbereitung und Durchführung schwierig und verhinderte die präsente Teilnahme aus verschiedenen Teilen der Welt. Die Online-Präsenz half, aber sie ersetzt niemals das persönliche Treffen!
Die Atmosphäre der Solidarität im gemeinsamen Ringen um Frieden in seiner ganzen Vielfalt prägte diesen emotionalen, aber auch politischen und begeisternden Kongress. Der Kongress sprühte vor Energie: Er hatte und er gab Energie!
Es war das Argument, es war das Miteinander, das gemeinsame und das Suchen nach mehr Aktionen, die sich in den Plenarvorträgen und den über 50 Arbeitsgruppen widerspiegelten.
Friedenspolitik ist Umweltpolitik und Klimagerechtigkeit – wer konnte das überzeugender darstellen als Vandana Shiva. Die Herausforderungen der Klimagerechtigkeit, was weit mehr ist als „die Klimaerwärmung in den Griff zu bekommen“, durchzog den Kongress in den Plenar- und Arbeitsgruppen. Das Ende von Hunger und Armut ist zentrale Notwendigkeit, wenn Gerechtigkeit das Ziel ist. Es gibt keine Gerechtigkeit ohne Frieden und keinen Frieden ohne Gerechtigkeit, diese Gedanken von Sharan Burrow, Generalsekretärin des Weltgewerkschaftsbundes, und von Lula da Silva, dem ehemaligen und hoffentlich neuen Präsidenten von Brasilien, waren prägend, beeindruckend und verdeutlichen die dramatischen Gefahren, denen Mensch und Natur gegenüberstehen. Dies alles verlangt ultimativ die Abschaffung aller Atomwaffen. Wer konnte dieses eindrucksvoller zum Ausdruck bringen als Beatrice Finn von ICAN und Wada Masako, Überlebende aus Hiroshima. Die Gefahren der Konfrontation dieser Welt wurden intensiv u.a. durch Zhao Tong aus China und Alexey Gromyko verdeutlicht sowie besonders von Noam Chomsky in seinem Video unterstrichen.
Der Kongress war jung und weiblich, er wurde dominiert von der jungen Generation auch als Rednerinnen und Rednern, 40% waren unter 40 Jahre. Stellvertretend für viele sei nur an die beeindruckenden Beiträge von Amani Aruri aus Palästina, von A-Young Moon aus Süd-Korea, von Vanda Proskova aus der Tschechischen Republik und von Shristy Aware aus Indien erinnert. Das IPB Jugendnetzwerk war ein unverzichtbar wichtiger Teil dieses Kongresses.
Unverzichtbar für den Kongress und seine große Ausstrahlungskraft waren sicher die Beiträge von Bina Nepram aus Indien zu Repressionen gegen Indigene, von Shirine Jurdi aus dem Libanon zur Situation in ihrem Land und von Lisa Linda Natividad aus Guam zu US-Militärbasen.
Die genannten Namen sind eine Auswahl aus der Vielzahl großer und inhaltsreicher Beiträge auf diesem Kongress der Solidarität und der Gemeinsamkeiten. Vielleicht sind gerade die nicht Genannten die, die am meisten beigetragen haben!
Die über 50 Arbeitsgruppen – hybrid durchgeführt – brachten nicht nur eine beeindruckende Vielzahl von Argumenten und Fakten für den Frieden zusammen, sie analysierten, erarbeiteten aber vor allem Strategien für eine friedlichere Entwicklung der Welt. Stellvertretend seien nur die Überlegungen für eine Neuformulierung der Politik der gemeinsamen Sicherheit genannt. Die ungeheure argumentative Wucht dieser vielfältigen Arbeitsgruppen prägten Inhalt und Klima des Kongresses.
Die Arbeitsgruppen waren aber auch technisch eine besondere Herausforderung. Über 50 Arbeitsgruppen hybrid, davon immer mindestens 15 parallel – wann hat es das auf einem Friedenskongress gegeben. Technologisch – auch durch die vielfältigen Videos und Zoom-Einblendungen war der Kongress top – ein hoffentlich nachahmenswertes Beispiel für die Zukunft großer hybrider internationaler Kongresse, selbst wenn noch mehr Präsenz (was wegen Corona dieses Mal nicht möglich war) für noch mehr Lebendigkeit sorgen kann.
Das Prägende der Beiträge war sicher: Wir brauchen – ganz im Sinne des Titels des Kongresses (Re)Imagine – our World: Actions for Peace and Justice, Aktionen für Frieden und Gerechtigkeit.
Mehr Aktionen, eine Stärkung, Erneuerung und Wiederbelebung der Friedensbewegung, das ist die zentrale Herausforderung. Ohne mehr Aktionen, ohne mehr Engagement keinen Frieden und Abrüstung, keine Reduzierung der dramatischen Kriegsgefahren! Wir brauchen mehr Friedenserziehung überall an den Schulen und Universitäten. Ohne umfassende Rechte für indigene Völker, ohne Lösung der mehr als 300 bewaffneten Konflikte durch zivile Maßnahmen werden wir nicht zu einem umfassenden Frieden gelangen. Frieden ohne Emanzipation, ohne eine aktive und unverzichtbare Rolle der Frauen wird es nicht geben. Dieser Gedanke durchzog den ganzen Kongress, auch dank der großen aktiven Teilnahme vieler engagierter Frauen.
Der Kongress stellte sich in vielfältiger Weise dieser Herausforderung, in den Plena, besonders im Round Table und im Schussplenum. Aber auch in den 18 Videos, die die große internationale Unterstützung für diesen Weltfriedenskongress verdeutlichten.
Seinen intensiven Widerhall fand diese Notwendigkeit des Engagements für den Frieden in den Dokumenten, die auf dem Kongress vorgestellt wurden:
- Der IPB Appeal from Barcelona to the world, to all Peace Movements and Shapers of the Future
- Dem Statement: Indigenous Peoples Declaration at the Second World Peace Congress.
- Dem Dokument zu und über die Mittelmeer Region: Mediterranean Forum Plan
- Und der beeindruckenden Präsentation des IPB Youth Networks.
(Alle können auf der Webseite von IPB im Detail eingesehen werden, www.ipb.org)
Zusammengefasst wurden alle diese vielfältigen Aktionen in dem IPB-Aktionsplan für die nächsten Jahre, detailliert für die verschiedenen Friedenssektionen von Abrüstung über Atomwaffen bis hin zu Rüstungsexport und einer intensiven Koalitionsbildung. Betont wird in dem Aktionsplan besonders die Vernetzung des Friedensthemas mit den Herausforderungen der Klimaveränderung und der globalen Gerechtigkeit. Klar war für alle – offline und online – es wird einen neuen 3. IPB-Weltkongress geben.
Viele Aktionen sind vorgesehen, von einem Friedenskongress zu Frieden und Gerechtigkeit im und um die Mittelmeerregion bis hin zur Beteiligung an den Protestaktionen aus Anlass des 50. Jahrestages des ersten UN-Umweltgipfels und des 30. Jahrestages der Nachhaltigkeitskonferenz von Rio de Janeiro sowie des Weltsozialforums im Mai in Mexiko und des NATO-Gipfels im Juno in Spanien.
IPB, ja die gesamte internationale Friedensbewegung, die in einer beeindruckenden Vielfalt und Breite – trotz aller Pandemieeinschränkungen – online und offline präsent war, hat sich ein ambitioniertes Programm vorgenommen.
Die Notwendigkeit zurückzukehren zu einer Politik der gemeinsamen Sicherheit 40 Jahre nach dem ersten Olof Palme verlangt ultimativ Kooperation, Dialog und Verhandlungen, und gegenseitiges Verstehen. IPB wird gemeinsam mit dem Olof Palme Center und ITUC gerade nach diesem erfolgreichen Kongress pushen für diese Überlebensidee. Konzepte wie z.B. die Vorschläge des UN-Generalsekretärs, vom IPCC, der new social contract vom ITUC, die durchaus mit Schwächen versehenen SDG der UN zeigen die Richtung. Es fehlt der politische Wille so gut wie aller politischer Führer der Welt. Wir brauchen mehr Aufklärung, mehr Information, mehr Bewegung, mehr Aktionen für Abrüstung und eine große sozial-ökonomische Transformation, was für mich ist die partizipative Revolution des 21. Jahrhunderts. Sage bitte keiner, es sei kein Geld vorhanden, solange wir 2 Billionen Dollar jedes Jahr für Rüstung ausgeben und das 1% reicher ist als 2/3 der Menschheit.
Alles dies war nur möglich durch die großen finanziellen Unterstützungen durch politische Stiftungen (besonders RLS und Transform), durch die Stadt Barcelona und die Regierung von Katalonien sowie durch die internationalen Gewerkschaften – herzlichen Dank.
Möglich machte diesen Kongress aber das unermüdliche Engagement der beiden vorbereitenden IPB-Büros in Berlin und Barcelona und der vielen Helferinnen und Helfer, die diesen Kongress organisatorisch absicherten, aber besonders auch für die wahnsinnig beeindruckende positive Atmosphäre des Kongresses beitrugen.
Es war ein Kongress des Aufbruchs, der Zukunftsgestaltung, der Verantwortung von uns für die Rettung des Planeten und eine Kultur des Friedens. Hoffnungen auf mehr friedenspolitisches Engagement weltweit und mehr und größere Aktionen sind notwendig, denn wir stehen zugespitzter als vielleicht jemals vor der Alternative: Untergang und Barbarei oder Humanität und Frieden.