„Mit einer Partei, die ihre beliebteste Politikerin — Sahra Wagenknecht — vergrault und dafür Antideutsche hofiert, die die Bombardierung von Dresden feiern, macht man in Ostdeutschland halt keine Schnitte.“ Das sagt die Autorin Eva C. Schweitzer im Interview mit den NachDenkSeiten. Mit deutlichen Worten kritisiert Schweitzer die „woke Linke“ und verrät, warum sie der Film „Die Körperfresser kommen“ an die heutige Zeit erinnert. In ihrem aktuellen Buch „Links blinken, rechts abbiegen – Die unheimliche Allianz zwischen Neurechten, woken Antideutschen und amerikanischen Neokonservativen“ nimmt die Journalistin kein Blatt vor den Mund. Das zeigt sie auch im folgenden Interview. Von Marcus Klöckner.
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Es gab eine Zeit, da haben sich die Linken für die Freiheit eingesetzt und „nicht für die DDR 2.0“. Das ist eine ziemlich starke Aussage. Das schreiben Sie im Vorwort Ihres Buches. Was stimmt mit der Linken heute nicht mehr?
Ich selber komme aus einer liberalen Ecke — und aus einer sozialdemokratischen Familie — und hatte nie etwas mit den K-Grüpplern an der Uni zu tun, aber ich weiß, was links ist; nämlich sich einzusetzen für gerechte Löhne, Kündigungsschutz, Selbstbestimmung, Chancengleichheit und Meinungsfreiheit. Aber der woken Linken geht es um Sprachvorschriften um des Vorschriftenmachens willen, um die Oberhoheit am Stammtisch. Tucholsky hat einmal geschrieben, das deutsche Ideal sei, hinter einem Schalter zu sitzen, das trifft große Teile der Linken heute.
Die Wähler haben die Partei Die Linke gerade abgestraft. 4,9 Prozent Wahlergebnis. Spiegelt sich in dem Wahlergebnis auch das größere Gesamtproblem der Linken wieder?
Letztlich ist die Linke die Erbin der SED, die auf die Stimmen aus dem Osten bauen konnte, einerseits aus Ostnostalgie, aber auch, weil sie für einen starken Sozialstaat eintrat. Aber mit einer Partei, die ihre beliebteste Politikerin — Sahra Wagenknecht — vergrault und dafür Antideutsche hofiert, die die Bombardierung von Dresden feiern, macht man in Ostdeutschland halt keine Schnitte. Und im Westen kam die Linke sowieso nie über ein gutes DKP-Ergebnis hinaus.
Im Vorwort zu Ihrem Buch erwähnen Sie den Begriff „Bodysnatcher“. Was bedeutet das? Wie sind Sie darauf gekommen?
Das stammt von The Invasion of the Bodysnatchers, ein Don-Siegel-Film von 1956, der auch als Parabel auf die McCarthy-Zeit gilt. Im deutschen Titel heißt das “Körperfresser”, aber das trifft es nicht ganz. Es geht um eine außerirdische Invasion, bei der normale Menschen verwandelt werden, sodass sie zwar immer noch genauso aussehen, aber ihr Gehirn fremdgesteuert wird. Und das Gefühl habe ich manchmal, wenn ich bestimmte Leute angucke und denke, meinen die das wirklich? Sind die ernsthaft gleichgeschaltet oder geht es denen nur um die Karriere?
Sie schreiben auch: „Der New York Times war es ein größeres Anliegen, Transfrauen den Zugang zu Mädchentoiletten freizukämpfen, als über den Syrienkrieg zu berichten.“ Woran liegt das?
Manche Journalisten, auch bei der New York Times, sehen sich eher als Trendsetter statt als nüchterne Berichterstatter. Die glauben, es mache sie zu einem besseren Menschen, sich mit einer guten Sache gemein zu machen und sich einer Bewegung anzuschließen, die sich als fortschrittlich verkauft, statt nur darüber zu berichten. Das ist gut für das Selbstwertgefühl, aber für den Journalismus ist das schlecht.
Wie agieren die Medien? Meine Beobachtung ist: Sie sind mit die Haupttreiber der von Ihnen beschriebenen Entwicklung.
Es stimmt zwar; gerade Journalismus zieht agendagetriebene Gschaftlhuber an, die sich als Missionare missverstehen. Aber mir geht es nicht ums Journalisten-Bashing. Medien reagieren auch auf das, was die Leser wollen. Und gerade Redakteure bei kleineren Blättern sind unter Druck, preiswert Artikel herauszuhauen, die Klickzahlen bringen. Meinung ist billig, Nachplappern ist noch billiger, und recherchieren ist teuer. Dazu kommt, bourgeoise Zeitungen haben ohnehin einen blinden Fleck, über Klassenprobleme zu berichten, und Zeitungen wie die taz finden heutzutage Identitätspolitik schicker. Echte linke Politik hat keine Plattform mehr.
Sehen Sie aufseiten der Medien, aber auch bei den Linken, einen grundlegenden Rückschritt im Denken, was die Erfassung der sozialen und politischen Realität angeht?
Nicht unbedingt. Das fällt uns heute nur mehr auf, weil inzwischen alles im Internet ist und jeder seinen Senf dazugeben kann, während früher jeder in der Zeitungsblase geblieben ist, die seinen Vorstellungen entsprach. Früher waren Zeitungen sogar viel reaktionärer als heute. Heute haben sie sich eigentlich geöffnet.
Früher war für die Linke klar, dass es unter der Oberfläche des demokratischen Systems einwirkende Kräfte gibt, die Interessen haben, aber versuchen, diese zu verschleiern. Wer heute auch nur ansatzweise den Blick auf die Hinterbühnen lenkt, setzt sich sofort dem Vorwurf aus, Verschwörungstheorie zu verbreiten. „Soft Power“ im Hintergrund – um Himmelswillen! Die darf es nicht geben.
Das ist eine wirklich interessante Tendenz, und übrigens auch einer dieser Trends aus Amerika, mit denen ich mich in meinem Buch viel beschäftige. In den USA, wo investigativer Journalismus herkommt — Deutschland war eher das Land der starken Meinungen — war es einmal ein linker Anspruch, Verschwörungen aufzudecken — etwa die FBI-Infiltration von Zeitungsredaktionen oder illegale medizinische Experimente an Soldaten oder Watergate. Seit 9/11 und den Kriegen im Mittleren Osten gehen US-Zeitungen viel unkritischer mit der Regierung um. Es gab einen regelrechten Paradigmenwechsel; wer nun vor Verschwörungen warnt, ist plötzlich ein Rechter.
Natürlich wird von Kritikern auch viel Unsinn behauptet — es gibt keine große Käseverschwörung, das Leben ist komplizierter als das — aber diese Attitüde, die eingerissen ist, “Glaubt denen da oben alles, geht weiter, es gibt nichts zu sehen”, ist bestenfalls naiv. Gerade Corona ist ein gutes Beispiel. Letztes Jahr wurde jeder als Verschwörungstheoretiker abgestempelt, der Zweifel äußerte, ob die Krankheit nicht vielleicht doch aus einem Versuchslabor in China entsprungen ist und nicht von einer kranken Fledermaus. Heute schreibt das Wall Street Journal darüber. Jedenfalls, Journalismus sollte kritisch nachfragen und nicht abwiegeln.
Ihr Buch beschwört die „unheimliche Allianz zwischen Neurechten, woken Antideutschen und amerikanischen Neokonservativen“. Was bedeutet das?
Die Woken und die Antideutschen sind beides Bewegungen, die in den USA entstanden und mit amerikanischer Hilfe — und da sind die Neocons führend — nach Deutschland gewandert sind. Die Grenzen zwischen Neurechten und Antideutschen sind dabei fließend. Und auch die Altright-Bewegung aus den USA wurde nach Deutschland exportiert, da gibt es viele organisatorische und personelle Verbindungen. Mir geht es darum, diese Zusammenhänge darzustellen, die sich Leuten, die sich nur aus deutschen Quellen bedienen, nicht erschließen.
Sie sprechen auch von Verbindungen zu deutschen Medien.
Viele deutsche Medien lassen sich von Debatten in US-Medien beeinflussen. Das ist gerade heute gut zu erkennen, wo viel über Identität und Immigration berichtet wird. In Deutschland werden nicht nur die gleichen Themen aufgegriffen, über die sich Amerika streitet, sondern es wird auch der gleiche Tenor verfolgt und es wird den gleichen US-Intellektuellen eine Plattform gegeben, die sich sonst im New Yorker oder der Times verbreiten. Leider haben die aber von Deutschland oft überhaupt keine Ahnung. Die deutschen Medien tun das, weil das weltläufig wirkt und weil sie denken, dass es sie schmückt, aber die Verhältnisse sind hier ganz anders. Man kann nicht einfach Erklärungsmuster eins zu eins übertragen.
Seit längerem ist hierzulande ein extrem aufgeladenes Klima festzustellen, wenn es um unterschiedliche Standpunkte und Meinungen geht. Immer wieder werden Diskussionen regelrecht sabotiert. Sehen Sie Möglichkeiten, die Konflikte zu versachlichen und das Aggressionslevel runterzufahren?
Willkommen im schönen neuen Internetzeitalter. Solange es da die Nachfrage gibt, sehe ich schwarz. Einzelne Zeitungen können sich versuchen, Debatten in ihren Spalten zu versachlichen, es ist nur fraglich, ob der Leser das honoriert. Wofür sich der Gesetzgeber allerdings einsetzen sollte, ist, Internetplattformen die gleichen Pflichten abzuverlangen wie den traditionellen Medien. Plattformen wie Twitter oder Facebook leben vom Streit, davon, dass sich die Nutzer gegenseitig beleidigen und hochschaukeln; die Moderation solcher Debatten wird aber, soweit es nur irgend geht, kostensparenden Bots überlassen. Facebook müsste gezwungen werden, seine Plattform genauso personalintensiv zu pflegen wie andere Medien.
Titelbild: Mikhail Leonov/shutterstock.com
Lesetipp: Eva C. Schweitzer: „Links blinken, rechts abbiegen – Die unheimliche Allianz zwischen Neurechten, woken Antideutschen und amerikanischen Neokonservativen“. Westend. 11.10.2021. 272 S., 20 Euro.