Ein Rundflug vom G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 bis zum Gerichtsurteil 2021: Vom 6. bis zum 8. Juni 2007 trafen sich in Heiligendamm an der mecklenburgischen Ostseeküste „die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen“ und Russlands zum G8-Gipfel. Ein sehr breites Bündnis rief zu Gegendemonstrationen auf, die bis zu 80.000 Menschen mobilisierten. Viele Medien malten das Ende des Abendlandes an die Wand, das unter anderem auch ein Tornado-Kampfflugzeug überflog, um die letzten Bilder zu machen. Was ereignete sich damals und was hat es mit dem Tornado-Kampfflugzeug über einem Protestcamp auf sich? Von Wolf Wetzel.
Der G8-Gipfel in Heiligendamm 2007
Bereits im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm zeigte der deutsche Sicherheitsstaat einiges von dem, was er sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren an Gewalt- und Rechtsmitteln zugelegt hatte. Es reichte von groß angelegten Razzien zur Aufdeckung von Strukturen radikaler Gipfelgegner im Vorfeld bis zu Drohungen mit Präventivhaft, von der Umwandlung einer Demonstration gegen das Asien-Europa/ASEM-Treffen im Hamburg am 28.5.2007 in ein mobiles Gefangenenlager bis hin zum Einsatz der Bundeswehr, getarnt als „Amtshilfe“, im Inneren. Jeden Tag wurde eine neue Sicherheitslücke entdeckt und mit neuen Maßnahmen geschlossen. Es kamen rote, grüne, blaue, gelbe, allesamt demokratiefreie Zonen vor und hinter dem Sicherheitszaun hinzu. Als die von der Polizei erzwungenen „Geruchsproben“ von Festgenommenen Stasi-Geruch verbreiteten, reichte es auch den liberalen Rechtspolitikern. Vom ehemaligen Innenminister Baum, über Ex-Verfassungsrichter Hirsch bis hin zu Heiner Geißler regte sich Protest. Sie warnten vor einem substanziellen Demokratieverlust. Für ganz kurze Augenblicke kamen Basiskenntnisse über einen demokratischen Rechtsstaat zum Vorschein: Eine Demonstration, die von den Adressaten nicht gehört, nicht gesehen wird, ist eine Farce. Ein Auflagenregime, das die Herrschenden gegen jeden Protest immunisiert, schützt nicht das demokratische Verfassungsideal, sondern zerstört es.
Die Große Koalition der Hardliner geriet in Erklärungsnöte, in die Defensive – aus der sie herauswollte.
Den Auftakt zu den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm sollte eine Großdemonstration am 2. Juni 2007 in Rostock machen. Das Bündnis, das die Großdemonstration tragen sollte, reichte von Attac, Gewerkschaftsgliederungen, NGO-Organisationen bis zur Interventionistischen Linken, zu Dissent und Block G-8. Trotz unterschiedlicher politischer Zielsetzungen bestand Einigkeit darin, dass die Auftaktveranstaltung keinen konfrontativen, sondern demonstrativen Charakter haben sollte. Sie sollte groß und breit sein, um mit dieser Masse und dieser Gemeinsamkeit den politischen Raum frei zu machen, für Blockaden und andere Aktionsformen, die die Behinderung des G8-Gipfels zum Ziel hatten.
Die Auftaktveranstaltung in Rostock sollte die Gemeinsamkeit unterschiedlicher politischer Spektren demonstrieren – die Tage danach sollten in ihrer Verschiedenheit den G8-Gipfel delegitimieren, belagern, umzingeln. Blockaden, Alternativgipfel, Konzerte, Demonstrationen, Kunstaktionen, unterschiedliche Beteiligungen und Widerstandsformen sollten nicht in Konkurrenz zueinander, sondern in ihrer Summe verstanden werden.
Was passierte am 2.6.2007 in Rostock?
Der Demonstrationsverlauf vom Hauptbahnhof zum Rostocker Hafen verlief weitgehend nach Plan. Auf der ganzen Strecke gab es exakt zwei Ereignisse, die sich über die Absprache hinwegsetzten bzw. von ihr nichts wissen wollten: Es wurden am Rand der Demonstrationsroute die Scheiben der Ostseesparkasse eingeworfen und Steine auf das Radisson-Hotel geworfen. Der überwiegende Teil der Demonstration füllte bereits den Stadthafen, als ein Polizeifahrzeug in unmittelbarer Nähe der Demonstrationsroute mit Steinen beworfen wurde. Dieser Vorfall wurde in der Pressemitteilung Nr. 71 vom selbigen Tag auch für alles Folgende verantwortlich gemacht:
„Am Stadthafen eskalierte die Lage. Aus dem ‚Schwarzen Block‘ heraus griffen militante Autonome massiv Polizeibeamte in ihrem Dienstfahrzeug an. Das Fahrzeug wurde schwer beschädigt, die Beamten konnten sich dem Angriff entziehen, wurden dabei aber erheblich verletzt.“
Ganz offensichtlich war die Polizei, also ihre Führung, von diesem Ereignis nicht überrascht worden. Sofort stürmten zahlreiche Hundertschaften der Polizei den Kundgebungsort, auf dem sich etwa 50.000 Menschen aufhielten. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen, die eines – sehr gekonnt – zur Folge hatten: Die Kundgebung musste abgebrochen werden und die Medien bekamen die Bilder und die Stimmung, die man brauchte.
Unschwer zu erkennen, nahm man den erwähnten Vorfall zum Anlass, diesen massiven Polizeiüberfall zu begründen. Man schuf sich die „Gefahrenlage“, vor der man seit Monaten warnte. Das Ziel der Polizeiführung an diesem Tag war eindeutig: Mit dem Einsatzbefehl, mit mehreren Hundertschaften auf den Kundgebungsplatz vorzudringen, sollte eine Auseinandersetzung am Rande ins Zentrum geprügelt werden. Man darf darüber mäßig spekulieren, ob die Polizeiführung davon ausging, dass 50.000 Menschen die Flucht ergreifen, wenn anfangs etwa 300 Polizeibeamte den Kundgebungsplatz stürmen – oder ob es Kalkül war, Bilder von bedrängten und überforderten Polizeibeamten zu produzieren.
Tatsächlich blieben, nach kurzer Panik, Tausende von Kundgebungsteilnehmern stehen. Dabei stieß die Polizei nicht auf den ominösen „Schwarzen Block“, sondern auf eine vielfarbige Mischung von Menschen, die am Anfang im Wesentlichen mit erhobenen Händen und Rufen „Keine Gewalt, keine Gewalt“ den Polizeiangriff zum Stoppen brachten. Bis zu diesem Zeitpunkt ging es darum, einen Angriff der Polizei abzuwehren. Es war alles andere als die Lust am Krawall, die diese erste Stunde bestimmte, sondern das überall zu spürende Gefühl, nicht mehr alles mit sich machen zu lassen. Diese Stimmung packte sogar den Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, als er ausführte:
„Wenn mich einer anfasst, dann schlage ich zurück – und wenn es ein Polizist ist, dann schlage ich zurück. Wenn ich demonstriere, dann übe ich ein Grundrecht aus, dann lasse ich mich nicht anfassen, von niemandem.“ (Sat 1 vom 4.6.2007)
Die scheinbar ziellos agierenden Hundertschaften wurden aufgehalten, gelegentlich auch zurückgedrängt. All dies passierte ohne Anweisung, ohne Hierarchie. Die wenigen, die die Ansagen von der Bühne verstanden, blieben ratlos bis wütend zurück. Sprecher des Bündnisses erklärten zwar, dass man mit der Polizei verhandle und dass diese zugesichert habe, sich zurückzuziehen. Tatsächlich wurden zusätzliche Hundertschaften und Sondereinsatzkommandos auf den Platz gejagt. Diese gaben den bedrängten Hundertschaften nicht die Gelegenheit, sich zurückzuziehen. Ihre Aufgabe bestand darin, stoßtruppartig in die Kundgebung vorzudringen, um die Eskalation anzutreiben.
Das mediale Schlachtfeld danach
»Auf einmal war um uns herum alles schwarz.«
„Der ‚schwarze Block‘. Wer dazugehört, wer befiehlt – Hat der Geheimdienst versagt?“ (Focus Nr. 24 vom 11.6.2007)
Die Meinungsvielfalt der TV-Medien war einhellig, die Schnitttechnik identisch: Man nimmt das Bild eines brennenden Autos, schneidet sofort dahinter die Bilder von Vermummten, die Steine werfen, montiert diese mit Bildern von Sondereinsatzkommandos, die unentwegt in Deckung gehen müssen und lässt dazwischen einen lieben Polizeibeamten laufen, der mit seinem ganzen Körper ein verängstigtes Kind schützt und – für uns alle – aus der Gefahrenzone bringt. Zeit, Kontext und Ort spielen dabei nicht die geringste Rolle.
Auch knallige Headlines waren schnell gefunden. Die BILD-Zeitung vom 3.6.2007 präsentierte eine „G8-Schlacht“, für die sie per Collagetechnik alles zusammenbrachte, was jenseits ihrer extremistischen Mitte zusammengehört: Auf der Titelseite sieht man links einen Vermummten mit einem Stein in der Hand („Linksradikale jagen Polizisten“) und rechts Neonazis mit einer NPD-Flagge in Berlin („Nazis am Brandenburger Tor“) – eine Bilderbuchversion der Totalitarismus-Theorie, in der der demokratische Staat von links und rechts angegriffen wird und so seine Mitte findet. Die FAZ konstatierte zum 1001. Mal eine „neue Qualität der Gewalt“, Spiegel-online schrieb sich in eine „Orgie der Gewalt“ und für die Neue Zürcher Zeitung blieb nicht mehr (viel) übrig, als von „Verwüstung“ zu reden. Bei all dem darf es an Opfern nicht fehlen:
„Insgesamt seien 433 Beamte verletzt worden, davon 30 schwer, teilte die Einsatzleitung der Polizei mit.“
Je nach Zeitung wuchs die Zahl der Schwerverletzten auf bis zu 41. Bereits drei Tage später verschwanden die Opfer auf wundersame Weise:
„Wie ein Polizeisprecher erklärte, befand sich am Dienstag (6.6.2007) noch ein Polizeibeamter in stationärer Behandlung. Ein weiterer, der kurzzeitig stationär hatte behandelt werden müssen, war bereits am Vortag entlassen worden. Bis auf diese beiden war kein einziger Polizist in ein Krankenhaus eingeliefert worden.“
Die Reaktion des Rostock-Bündnisses
Selbstverständlich sind die Möglichkeiten eines Bündnisses beschränkt, auf diesen Krieg der Bilder adäquat Einfluss zu nehmen. Dass die Wirklichkeit in der Hand der Beteiligten liegt, deren Ausdeutung und Nachbelichtung jedoch in der Hand des embedded Journalismus, sollte jedoch den Erfahrenen innerhalb des Bündnisses bekannt sein. Anstatt die Pressekonferenz noch am selben Abend abzuhalten, verschob man sie auf den folgenden Tag. Zeit genug, um Kronzeugen aus den Reihen des Bündnisses zu suchen, die die Version eines marodierenden Schwarzen Blockes stützten.
„Wir wollen euch nicht mehr sehen!“, erklärte Attac-Sprecher Peter Wahl am Sonntag im Fernsehsender nt-v in Richtung Militante. Monty Schädel, Anmelder der Rostock-Demonstration und Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft, verglich am Sonntagabend in einem ZDF-Interview die Ereignisse vom Vortag mit den rassistischen Pogromen 1992 in Rostock-Lichtenhagen vor einem Flüchtlingsheim.
Werner Rätz, der zum linken Flügel im Attac-Koordinierungskreis zählt und Mitglied in der Interventionistischen Linken/IL ist, komplettierte die Kronzeugenliste. Er entschuldigte sich „bei den Rostocker Bürgern für die Eskalation … (und) präzisierte (dabei), wie seine Organisation in den kommenden Tagen mit mutmaßlichen Militanten umzugehen gedenke:
„Wenn einer ankommt, mit Kapuze und Palästinensertuch vor dem Gesicht, dann sagen wir dem, er ist unerwünscht.“
Nachdem auch der linke Flügel innerhalb Attac wegknickte, meldete sich Peter Wahl mit einer allerletzten Attacke zu Wort:
„Wir werden in Zukunft nur noch Demonstrationen mit der klaren Ansage machen, dass alle, die sich nicht klipp und klar von Gewalt distanzieren, nicht zu uns gehören. Wir müssen gegenüber Gewalttätern eine ähnlich harte Haltung einnehmen wie gegenüber Neonazis: Wir wollen euch nicht bei uns.“
Mit der Gleichsetzung von „rechter“ und „linker“ Gewalt brachte sich der Attac-Sprecher auf die Höhe rechter Totalitarismus-Theorien und machte sich zum Bündnispartner jener, die sich in Heiligendamm zum G8-Gipfel trafen.
Das Konzept der Polizeiführung ging also auf. Das Bündnis widersprach nicht der Medienberichterstattung und der Ausdeutung dieser „G8-Schlacht“. Zum anderen reduzierte es den politischen Konflikt um das Vorgehen gegen den G8-Gipfel auf „Gewalttäter“ und überließ es in den folgenden Tagen der Polizei, sie ausfindig zu machen und festzunehmen. Die absurde Behauptung, in Rostock habe die Polizei ein Deeskalationskonzept gefahren, das der ‚Schwarze Block‘ brutal ausnutzte, diente als Blind Card gegenüber allen, die nicht friedlich (genug) aussahen.
Willkürliche Ingewahrsamnahmen, demütigende Vor-Kontrollen, angedrohte Räumungen von Camps, die Beschlagnahmung des indymedia-Radio-Busses und de facto Demonstrationsverbote prägten die folgenden Tage rund um Rostock.
Die Medien- und Politikerhatz auf alle, die den Weg für polizeiliche Generalvollmachten nicht freimachten, feierte auch juristische Siege. Die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht bestätigten so gut wie alle polizeilichen Verfügungen: Demonstrationsverbot am Zaun, Vier-Kilometer-Verbotszone vor dem Zaun, Demonstrationsverbot rund um den Flughafen Rostock-Laage, Verbot eines Sternmarsches. Was danach noch erlaubt war, hatte Zirkus-Charakter.
Interview mit Focus TV im Camp Reddelich am 5. Juni 2007
Es ist naheliegend, dass nicht alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der G8-Proteste die Erklärungen der besagten Bündnis-Sprecher teilten. Im Gegenteil. Sie fanden sich vorgeführt und ausgegrenzt – ohne die wenigen Angriffe auf der Demonstrationsroute gutgefunden zu haben.
Das war auch im Camp Reddelich so, wo ich im Presseteam mitarbeitete. Dort wurden einige Gruppen von Focus TV kontaktiert, um ein Interview zu den Ereignissen am 2. Juni zu arrangieren. Diese sprachen mich daraufhin an, ob ich das übernehmen wolle. Ich stellte klar, dass ich die Ereignisse dort deutlich anders beurteile und dass dies in Widerspruch zu den Bündnisaussagen stehen würde.
„Genau das wollen wir. Deshalb haben wir dich angesprochen.“
Wir postierten uns mit dem Fernsehteam von Focus TV auf einem kleinen Hügel, der für Pressegespräche vorgesehen war. Ich widersprach der medial verbreiteten Berichterstattung und rückte die de facto Demonstrationsverbote in den Mittelpunkt. Ich führte aus, dass viele Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer die angeführten Vorfälle als Vorwand verstanden, eine politische und polizeiliche Strategie umzusetzen, die schon vorher feststand: Der G8-Gipfel muss störungsfrei ablaufen, die erlaubten Demonstrationen sollen ausschließlich dekorativen Charakter haben, die polizeilichen Angriffe auf den Kundgebungsplatz sollten als Exempel verstanden werden, was passiert, wenn man sich daran nicht hält.
Plötzlich waren wir nicht mehr zu verstehen. Wir alle schauten unwillkürlich in den Himmel und sahen wenig später, wie ein Kampfflugzeug recht tief über uns hinwegdonnerte und dann wieder verschwand. Der Kameramann filmte instinktiv diese Szene.
„Sehen Sie, von was ich spreche?“
Der Kameramann kam nach seinem Ausflug zurück und der Focus-TV-Reporter wollte nicht mehr viel wissen. Das Interview wurde nie ausgestrahlt. Davon übrig blieb eine Sequenz von ein paar Sekunden, die den Tornado-Tiefflug dokumentierte und die man an die „Tagesschau“ verkaufte.
Nächtliche Begegnung mit zivilen Observationsteams
Auf meinem Weg zu meinem Übernachtungsquartier verengten zwei „Privatfahrzeuge“ einen Waldweg. Jeweils zwei „Personen“ standen an ihren Autos und schienen sich gut zu unterhalten. Vom ersten Eindruck her handelte es sich nicht um Landbevölkerung. Ich hielt an und forderte sie auf, mit ihren Autos nicht weiter den Weg zu blockieren, ansonsten würde ich die Polizei rufen. Eine Person mittleren Alters trat an das heruntergelassene Fenster, lächelte entspannt und machte alles Weitere nicht mehr sehr rätselhaft:
„Herr Wetzel, wir können doch diese Spielchen sein lassen.“
Nachtrag(end)
Vor dem Hintergrund der G8-Proteste in Heiligendamm fanden zwei Veranstaltungen in Erfurt und Weimar statt, zu denen ich als Referent eingeladen wurde. Jahre später erfuhr ich im Rahmen einer Klage gegen den Verfassungsschutz bzw. gegen das Bundesinnenministerium (als Dienstherr), dass beide Veranstaltungen vom Inlandsgeheimdienst bespitzelt wurden:
„Sie führten in der zweiten Jahreshälfte 2007 eine Informationsveranstaltung in Erfurt und Weimar durch. Dabei stellten Sie die gewalttätigen Ausschreitungen bei der ‚Internationalen Großdemonstration am 2. Juni 2007‘ in Rostock als legitime Aktionsform dar.“ (VS-Schreiben vom 27.5.2014)
Rechtswidrig. Na und!
Im Zuge des Einsatzes der Bundeswehr zur Bekämpfung des „inneren Feindes“ während des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007 wurde auch gegen den besagten Tornado-Einsatz geklagt. Nur vierzehn Jahre später, im Jahr 2021, hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern nach „Aufhebung seiner zunächst klageabweisenden Entscheidungen und Zurückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht mit zwei Urteilen vom heutigen Tag (Az. 1 L 9/12 und 1 L 13/12) festgestellt, dass der polizeilich veranlasste Überflug des Camps Reddelich mit einem Tornado-Flugzeug der Deutschen Bundeswehr am 5. Juni 2007 rechtswidrig war und die Kläger dadurch in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG verletzt wurden. Anlässlich des 2007 in Heiligendamm durchgeführten Gipfeltreffens der acht großen Industriestaaten (G8) hatten in dem Camp zahlreiche Gegner des Gipfeltreffens Unterkunft gefunden.“ Und weiter:
„Bei dem Einsatz des Bundeswehr-Kampfflugzeugs, der einen Tag vor dem Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm im Wege der Amtshilfe für die Polizei des beklagten Landes Mecklenburg-Vorpommern erfolgte, wurde das Camp in einem Tiefflug von 150 m bzw. 114 m überflogen. Dabei wurden durch die im Flugzeug installierte Kameratechnik Lichtbilder, die keine Identifizierung einzelner Personen ermöglichten, gefertigt und an die Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern weitergeleitet.
Der Senat hat diesen Überflug als rechtswidrigen Eingriff in das Grundrecht der Kläger auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG erachtet und insoweit der Klage stattgegeben. Soweit sich die Kläger auch auf eine Verletzung ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen haben, hatten die Klagen dagegen keinen Erfolg.“
Titelbild: Foto – Wolf Wetzel
Die Inszenierung eines finalen Ereignisses
Die etwa 30 Sekunden-Sequenz aus dem Interview mit Focus TV ist hier zu sehen