Impfquote unbekannt – in der Corona-Politik herrscht die reine Willkür

Impfquote unbekannt – in der Corona-Politik herrscht die reine Willkür

Impfquote unbekannt – in der Corona-Politik herrscht die reine Willkür

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Die jüngsten Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz haben das Ziel ausgegeben, die Impfquote zu steigern und dafür abermals weitreichend in die Grundrechte einzugreifen. 80 Prozent der Erwachsenen sollen so zur Impfung „animiert“ werden. Nun musste das RKI jedoch einräumen, dass es gar keine belastbaren Daten zur Impfquote hat. Womöglich könnten sogar heute schon mehr als 80 Prozent der Erwachsenen geimpft sein, womit die ohnehin fragwürdige „Begründung“ für die angekündigten Maßnahmen, die sich vor allem gegen Ungeimpfte richten, passé wäre. Nach den falschen Daten zur Intensivbettenbelegung und der willkürlichen Ausrichtung der Maßnahmen an den Inzidenzen ist dies ein weiterer skandalöser Fall, bei dem die Regierung auf Basis falscher oder fragwürdiger Daten in die Grundrechte eingreift und Kollateralschäden billigend in Kauf nimmt. Es herrscht die reine Willkür. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Nach den offiziellen Daten des Digitalen Impfmonitorings (DMI) des Robert Koch-Instituts beträgt die aktuelle Impfquote für mindestens einmal geimpfte 18- bis 59-Jährige 59 Prozent. Dies ist der Wert, aus dem die Regierung eine „geringe Impfbereitschaft“ herleitet, die sie nun durch massive Eingriffe zulasten der Ungeimpften erhöhen will. Der Kollege Norbert Häring spricht in diesem Zusammenhang vollkommen zu Recht von einer „Impfpflicht für das ärmere Drittel der Bevölkerung“. Doch diese Zahl ist falsch. Mittlerweile räumt selbst das RKI ein, dass die Impfquote „systematisch zu niedrig ausgewiesen“ wird. Das hat zwei Gründe, über die man eigentlich nur noch den Kopf schütteln kann.

Zum einen wird die Impfung mit dem Impfstoff von Johnson und Johnson im Meldesystem nicht als Erst-, sondern als Zweitimpfung ausgewiesen. Anders als bei den übrigen Impfstoffen kommt das Vakzin von Johnson und Johnson mit einer Impfung aus. So gesehen ist die Einordnung als Zweitimpfung nicht einmal vollkommen falsch. Wenn man jedoch ausschließlich die Quote für die Erstimpfung als Indikator für die Impfbereitschaft heranzieht, fallen dabei systembedingt sämtliche Impfungen mit diesem Impfstoff unter den Tisch. Und wir reden hier über mehr als vier Millionen Impfdosen, die – da ja eine Impfdosis pro Impfling ausreicht – auch mehr als vier Millionen Menschen entspricht. Bei insgesamt 46 Millionen vollständig Geimpften sind dies fast 10 Prozent. Das ist eine massive Verzerrung der Zahlen.

Ebenso unbegreiflich ist der zweite Grund. Nach Angaben des RKI sind nur „etwa die Hälfte“ der Betriebsärzte an die Webanwendung angeschlossen, mit der die Zahlen für das Digitale Impfmonitoring ausgewertet werden. In die offiziellen Impfdaten des RKI gingen 4,8 Millionen von Betriebsärzten verimpfte Dosen ein. Das heißt, dass („etwa die Hälfte“) je nach Einsatz des Impfstoffes zwischen 2,4 und 4,8 Millionen Erstimpfungen überhaupt nicht vom System erfasst wurden. Und da der Großteil der von Betriebsärzten geimpften Personen der Altersgruppe zwischen 18 und 59 angehören dürfte, ist dies ebenfalls eine sehr massive Datenpanne, die zu falschen Ergebnissen bezüglich der „Impfbereitschaft“ führt.

Diese systemischen Fehler sind dem RKI durchaus bekannt. Zu einem nicht mehr zu ignorierenden Fehler wurden sie aber erst jetzt nach der Auswertung einer parallel durchgeführten demoskopischen Erhebung, dem Impfquoten-Monitoring Covimo. Da kam nämlich „überraschenderweise“ heraus, dass 79 Prozent der Befragten in der genannten Altersgruppe angaben, bereits mindestens einmal geimpft zu sein. Natürlich haben solche Befragungen immer einen bestimmten Fehlerbereich. Aber der Unterschied zwischen 79 Prozent (Covimo) und 59 Prozent (offizielle Zahl des Impfdashboards) ist einfach zu groß, um ihn noch mit einem Erhebungsfehler zu erklären. Die offiziellen Daten sind falsch. Das ist Fakt. Wie hoch die tatsächliche Impfquote ist, ist schlichtweg unbekannt. In der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen wird sie irgendwo zwischen 59 Prozent und 79 Prozent liegen und da sie in der Altersgruppe der über 60-Jährigen, bei der die offiziellen Daten weniger fehleranfällig sind, bei mindestens 85 Prozent liegt, ist es sogar wahrscheinlich, dass sie bereits heute die „Zielmarke“ von 80 Prozent für die erwachsene Gesamtbevölkerung überstiegen hat. Maßnahmen, die „Impfbereitschaft“ zu steigern, sind demnach nicht nur unnötig, sondern zudem vollkommen unverhältnismäßig.

Im Sonderbericht des RKI heißt es zudem, dass die Impfmonitoring-Befragung ergeben hätte, dass 91,6 Prozent der Bevölkerung entweder impfbereit oder bereits geimpft seien. „Die Covid-19-Impfbereitschaft der Bevölkerung liegt auf einem hohen Niveau“, so die RKI-Autoren. Das ist doch mal erstaunlich. Hören wir von Medien und Politik nicht tagein tagaus, dass das Gegenteil der Fall sei? Und dass man nun mit harten Maßnahmen genau die Bereitschaft erhöhen müsse, die laut der Bundesbehörde RKI bereits hoch ist?

Es ist hoffnungslos. Die Politik agiert nach reiner Willkür und die Medien sind hier nicht etwa ein Korrektiv, sondern ganz im Gegenteil ein verstärkender Faktor. Die bereits heute dramatische Spaltung der Gesellschaft wird toleriert und sehenden Auges wird alles unternommen, um die Spaltung sogar weiter zu forcieren. Das ist ja auch einfach. Wenn man die übergroße Mehrheit der Geimpften gegen die Minderheit der Ungeimpften aufhetzen kann, gerät man selbst nicht so schnell in den Fokus der Kritik.

Und wissen Sie, was das „Schönste“ an diesen „systematischen Fehlern“ bei der Impfquote ist? Sie werden sich über kurz oder lang ausgleichen. Spätestens wenn jeder Betriebsarzt die Kosten für die Impfungen abgerechnet und die Zweitimpfquote die Erstimpfquote übersteigt, wird die Politik mit stolzer Brust den vollen Erfolg ihrer Maßnahmen zur Steigerung der Impfbereitschaft verkünden können. Denn wenn wir ohnehin bereits heute eine echte Impfquote von rund 80 Prozent haben, ist der Erfolg der Politik ja garantiert, selbst wenn kein einziger Ungeimpfter sich durch die Drangsalierungen überzeugen lassen sollte. Und das „Allerschönste“ an diesem ganzen Manöver ist, dass die Fehler im Erhebungssystem sich sicherlich noch vor den Wahlen beseitigen lassen. Dann wird die offizielle Impfquote vor dem Wahlsonntag wie von magischer Hand steigen und Politiker und Leitartikler werden sich gegenseitig auf die Schultern klopfen … und eine tief gespaltene Gesellschaft hinterlassen. Alles richtig gemacht. Alles falsch gemacht. Je nach Perspektive.

Titelbild: alexkich/shutterstock.com

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!