Anfang August erhielt ich von einem Freund und Verdi-Mitglied den Hinweis auf drei kurz nacheinander erschienene verdi-Pressemitteilungen. Die Zusammenstellung – siehe Anlage – war überschrieben mit: „Querdenker outen sich als Demokratiefeinde und greifen Verdi-Gewerkschafter brutal an.“ – Der Vorgang ist bekannt: Der Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalisten Union (dju)/Verdi, Jörg Reichel, wurde in Berlin-Kreuzberg von seinem Fahrrad gezerrt und geschlagen. Verdi/dju protestierte hier und hier und hier. Auch ich finde es schlimm, wenn politische Gegner körperlich bedrängt und verletzt werden. Das ist die eine Geschichte. Die andere: der gleiche Verdi-Funktionär, Jörg Reichel, hatte am 21. April dieses Jahres in einem Interview mit Telepolis gesagt: “Die Corona-Proteste sind eine rechtsradikale Sammlungsbewegung”. Hier agitiert der Geschäftsführer einer Gewerkschaft pauschal gegen jene Menschen, die mit der Corona-Politik nicht einverstanden sind und deshalb demonstrieren. Dass sich auch Rechtsradikale an die Demonstrationen anhängen, wissen wir. Das ist aber kein Grund, die gesamte Querdenker-Szene als „rechtsradikale Sammlungsbewegung“ zu diffamieren. Albrecht Müller.
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Wo wollen die Gewerkschaften denn die notwendigen Verbündeten gewinnen, wenn sie um einen höheren Anteil am gemeinsam geschaffenen Bruttoinlandsprodukt streiten wollen? Bei den Bürgerinnen und Bürgern zu Hause auf dem Sofa? Bei den neuen Milliardären, denen die Bundesregierung unser Steuergeld zugeschustert hat und die uns mit maßlosen Preisen und entsprechenden Gewinnmargen auspressen? (Siehe dazu die letzten Beiträge von Oskar Lafontaine Covidioten, Machtmissbrauch und Größenwahn. Von Oskar Lafontaine und Jens Berger Die Impfmilliardäre.) Die Gewerkschaften würden Mitstreiter noch am ehesten unter Menschen finden, die das aktuelle Geschehen und die aktuelle Politik kritisch begleiten, also auch unter jenen Menschen, die Zweifel an der Vernunft der Corona-Politik haben. Wenn Gewerkschaften, wenn Gewerkschafter sich dazu benutzen lassen, jene Menschen, die mit der aktuellen Politik nicht einverstanden sind, prinzipiell in eine rechte Ecke zu stellen, dann stimmt mit diesen Gewerkschaftern etwas nicht. Gewerkschaften sind nicht gegründet worden und wir sind auch nicht Mitglied geworden, damit die Funktionäre der Gewerkschaften das Establishment unterstützen und gegen protestierende Menschen pauschal mobil machen. Wenn sie so ihre Rolle sehen, dann haben sie ihren Beruf verfehlt.
Die protestierenden Menschen werden vom Landesgeschäftsführer der dju/Verdi pauschal diffamiert. Seit Beginn der Versammlungen in Berlin am 28.3.2020, so Jörg Reichel am 21. April 2021 im Interview mit Telepolis, hätten (folgende Schreibweise im Original nach Reichel) „zentrale Akteur:innen des Rechtsradikalismus, Reichsbürger:innen, Shoah-Leugner:innen und rechtsradikale Influencer:innen die Versammlungen in ihrer Außenwirkung und politischen Botschaft geprägt“. – Das wiederholt der Gewerkschafter Reichel in seinem Interview unentwegt, ohne schlüssige Belege für diese Behauptungen beizubringen. Ohne Fotos von Plakaten und Spruchbändern, ohne Videos zum Beleg. Er nennt allerdings reihenweise Zahlen von Verletzungen der Arbeit von Journalistinnen und Journalisten durch Querdenker. Die hat er wohl alle persönlich gezählt!
Einen Absatz muss ich noch zitieren, um sichtbar zu machen, wie pauschal hier zugeordnet und verurteilt wird:
„Faktisch wird seit 12 Monaten bundesweit auf fast jeder Versammlung der Corona-Proteste die Shoah relativiert oder instrumentalisiert, um sich selbst zum Opfer zu erklären. Massive Verbreitung finden auch Verschwörungsmythen, die auf antisemitische Weltbilder aufbauen und Feindbilder markieren.“ – Frage an unsere Leserinnen und Leser: Waren Sie auf Querdenker-Demonstrationen und können Sie die Behauptungen des dju/Verdi-Landesgeschäftsführers von Berlin bestätigen?
Der dju-Landesgeschäftsführer behauptet auch, die Polizei verhalte sich passiv bis wegschauend und lasse die Querdenker-Demonstranten gewähren. Naja, da sollte der dju-Funktionär sich mal genauer umhören und umsehen und ansehen, wie brutal Polizisten bei den letzten (nicht genehmigten) Demonstrationen in Berlin mit einzelnen Menschen umgegangen sind. Es könnte ja sein, dass sie oder die Polizeiführung das Interview des Jörg Reichel vom April 2021 gelesen haben und deshalb diesmal Anfang August 2021 „niederschwellig“ und mit brutaler Gewalt eingegriffen haben. Das wäre dann ein besonderer Erfolg unseres Gewerkschafters aus Berlin.
Seit über 30 Jahren bin ich Mitglied dieser Gewerkschaft. Ich bin Mitglied geworden, weil ich das kollektive Handeln von lohnabhängigen Menschen für wesentlich halte. Allerdings erwarte ich von den hauptamtlichen Gewerkschaftern, dass sie erkennen, wer ihre Verbündeten sind und wer ihre politischen und wirtschaftlichen Gegner sind. Vom Berliner Landesgeschäftsführer kann man das nicht sagen, und wenn das, was er in seinem Interview vom 21. April zum Besten gegeben hat, Gemeingut von Verdi werden sollte, dann lohnt sich die Unterstützung und Mitgliedschaft nicht mehr.
Anlage: Querdenker outen sich als Demokratiefeinde und greifen Verdi-Gewerkschafter brutal an
- Dass es gar nicht um Freiheit – bei Corona – gehen kann, machen die Querdenker bei einem brutalen Angriff auf einen Mediengewerkschafter klar – verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++f2dd7d80-f373-11eb-afe7-001a4a16012a.
- Dadurch haben sich die Querdenker als eine Ansammlung von Demokratiefeinden “geoutet” – verdi.de/themen/politik-wirtschaft/++co++c416efbe-f3ae-11eb-85c2-001a4a160129.
- Die Journalisten- und Journalistinnen-Union ( dju ) verurteilte diesen Angriff auf die Pressefreiheit – dju.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++1fd29ac4-f2f1-11eb-9720-001a4a160100
Titelbild: Jörg Reichel auf einer Demonstration im April 2021 in Berlin.