Drei Milliardäre liefern sich einen absurd anmutenden Wettlauf ins All. Während unser Planet brennt und Milliarden Menschen Hunger leiden, erfüllen sich drei milliardenschwere Kindsköpfe ihren feuchten Traum von einer Reise ins All. Dieser Wettlauf der Milliardäre ist ein Symptom für die Dekadenz und das Auseinanderbrechen der westlichen Gesellschaften – ein dekadenter Tanz auf dem Vulkan. Von Jens Berger.
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Am Sonntag war es so weit. Der britische Fantastillionär Richard Branson absolvierte in einem fliegenden Objekt seines “Weltraumkonzerns” Virgin Galactic den ersten “privaten Weltraumflug” und kam damit seinen Fantastillionärskollegen Jeff Bezos und Elon Musk zuvor. So lautet zumindest die PR-Story, die von den Medien einmal mehr vollkommen unkritisch nachgeplappert wurde.
Der erste Weltraumtourist war natürlich vor fast zwanzig Jahren der US-Finanzmanager Dennis Tito, der sich gegen harte Dollar beim chronisch unterfinanzierten russischen Weltraumprogramm einkaufte und dafür zur ISS geschossen wurde. Branson verbrachte genau genommen ein paar Minuten in einem Parabelflug in 90 Kilometer Höhe – also unter der Weltraumgrenze. Aber solche Beckmesserei ist ja heute nicht mehr gerne gesehen. Schließlich will Branson künftig aus seiner Jahrmarktattraktion für die Geldelite ein Geschäftsmodell machen. Während die Armen für 2,50 US$ auf der Kirmes Achterbahn fahren, können die Superreichen sich von Branson für 250.000 US$ (fast) ins All schießen lassen. Ein zeitgemäßer Freizeitspaß und da komme nun bitte auch kein Spielverderber und weise darauf hin, dass dies in Zeiten, in denen man dem Arbeiter seine Billigflüge vermiesen will, ein wenig bigott wirken mag. Bransons Brot- und Butter-Geschäft ist schließlich mit Virgin Airlines just eine dieser Billigairlines. Finanzieren kann der Milliardär, dessen steuerlicher Hauptwohnsitz seine Privatinsel in der Karibik ist, sich diesen Spaß übrigens nur, weil er und sein auf zahlreiche Briefkastenfirmen in Steueroasen verteiltes Imperium sich der Finanzierung des Gemeinwohls entziehen. Aber so läuft nun mal das schillernde Geschäft. Müssten Reiche Steuern zahlen, gäbe es wohl auch keinen Markt für Bransons Jahrmarktsflüge in den Sub Orbit. So schließt sich der Kreis.
Kein Freund von Steuern ist auch der zweite Fantastillionär im Bunde. Jeff Bezos hatte schon als junger Superreicher den Traum, dass die Menschheit auf seinen Raumstationen im Orbit lebt und so dem drohenden Untergang des blauen Planeten aus der besten aller denkbaren Perspektiven bewundern kann. Um diesen Traum zu verwirklichen, nimmt Bezos Geld in die Hand – eine Milliarde pro Jahr lässt er sich sein Hobby mit dem Namen “Blue Origin” kosten. Und da Bezos und sein golddukatenscheißender Esel Amazon ja auch fast keine Steuern zahlen, sind das für ihn Peanuts. Da der Weltuntergang ja „leider“ noch auf sich warten lässt und seine Weltraumstationen für Millionen (reiche) Menschen noch Zukunftsmusik sind, träumt Jeff erst einmal von Luxushotels im All. Gibt es eigentlich ein interplanetarisches Regelwerk, dass die Mindestlöhne für Bullshit-Jobs im Weltall festlegt? Am 20. Juli ist es auch für Bezos so weit. Dann wird auch er mit seinem eigenen „Raumschiff“ in paar Minuten im All verbringen. Juchhe! Eigentlich könnte er dort bleiben. Vermissen würde ihn wohl niemand.
Ein wenig anders stellt sich die Situation mit dem dritten Fantastillionär im Bunde dar. Elon Musks Weltraumunternehmen Space X ist schon eine andere Nummer als die spleenigen Hobbys der Herren Branson und Bezos. Space X ist die logische Folge der amerikanischen Deregulierung und Privatisierung der Raumfahrt. Musk geht es dabei auch weniger um Tourismus für die globale Oberschicht, sondern darum, eine Monopolstellung für Weltraumtechnik zu erlangen. Seine Trägerraketen befördern schon heute für gutes Geld Astronauten und Material zur ISS und bei jedem denkbaren Weltraumprojekt, an dem die USA beteiligt sind, ist auch Elon Musk dabei – egal ob es sich um die Rückkehr auf den Mond, samt dem Bau einer permanent besetzten Mondstation, oder den Flug zum Mars handelt. Dies sind Multimilliardenprojekte, finanziert vom Steuerzahler. Und auch für das Militär und die Geheimdienste ist Musk bereits heute tätig. Sein Unternehmen ist es, das die streng geheimen Satelliten ins All befördert – mit wiederverwertbaren und daher kostengünstigen Raketen.
Und es sage niemand, Musk vergesse dabei die wirklich ernsten Probleme der Menschheit. Im Rahmen des von Musk und der NASA durchgeführten Artemis-Programms sollen – allerdings nicht vor 2024 – nun endlich auch die erste Frau und der erste Farbige auf dem Mond landen. Der Mond wird divers! Wenn das mal nicht die Herzen aller Linksliberalen frohlocken lässt! Wen interessiert da schon die Armut auf der Welt? So viel Zivilisation war noch nie. Ob und wann Musk selbst sich selbst zum Mond schießen lässt, ist noch nicht bekannt.
Alleine das Weltraumrennen von Branson und Bezos kostet geschätzte sechs Milliarden US$. Damit könnte man – so der Direktor des Welternährungsprogramms – 41 Millionen Menschen vor dem Verhungern retten. Doch das macht natürlich viel weniger Spaß, als in den Weltraum zu fliegen.
Warum akzeptiert unsere Gesellschaft ein derart asoziales Verhalten? Warum stürmt niemand die Villen und Privatinseln dieser egomanischen Schmarotzer? Warum nimmt die Politik diese offen zur Schau gestellte Dekadenz nicht zum Vorwand, diese Herren endlich mal zur Kasse zu bitten? In einer besseren Welt gäbe es keine Milliardäre, die sich einen kindischen Wettlauf ins All liefern und dabei die Probleme der Welt mit Füßen treten. Das ist der Tanz auf dem Vulkan.
Titelbild: © NY Post