Fortsetzung CureVac, Leserbriefe und eine Debatte zur Frage: Sind die „Unternehmer“ qualifizierter als der „Staat“?
Mein Beitrag über die schnelle Unterstützung für das Tübinger Unternehmen im März 2020 und den vorbehaltlosen Einstieg mit 300 Millionen – ich wiederhole: 300! Millionen – durch Kretschmann und Altmaier hat gegensätzliche Reaktionen unter unseren Leserinnen und Lesern ausgelöst. Schon auf unserer Facebook-Seite gab man mir zu verstehen, dass die Zahlung von 300 Millionen doch kein Problem sei. Ein Leser, Steffen Pöhlmann, hat die Entscheidung der Bundesregierung, diesen Betrag zu investieren und gleichzeitig ausdrücklich auf den Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu verzichten, verteidigt. „Die Verneinung des Anspruchs auf ein Mitspracherecht bei der Unternehmenspolitik“ werde „damit begründet, dass der Staat nicht unbedingt der bessere Unternehmer ist“. Ich habe Zweifel angemeldet und – weil das eine wichtige Frage ist – heute mehrere Mails mit Herrn Pöhlmann ausgetauscht. Sie finden diese Debatte in Teil B. In A sind 3 andere Leserbriefe wiedergegeben. Albrecht Müller.
Teil A. Leserbriefe
1. Leserbrief
Hallo Nachdenkseiten,
ein wichtiger Geldgeber ist nicht bekannt!
“Deutscher Bundestag Drucksache 18/10443
18. Wahlperiode 25.11.2016
Abgeordnete Heike Hänsel(DIE LINKE.)
Ist der Bundesregierung bekannt, dass das US-Verteidigungsministerium über seine Behörde Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) in das Tübinger Biotech-Unternehmen CureVac GmbH 33,1 Mio. US-Dollar investiert hat (www.curevac.com/de/news/curevac-unterzeichnet-exklusiven-lizenzvertrag-mit-sanofi-pasteur/), und wenn ja, für welchen Forschungszweck und für welchen konkreten Nutzen für das US-Verteidigungsministerium erfolgte dies?
Antwort des Staatssekretärs Matthias Machnig vom 22. November 2016
Der Bundesregierung liegen zu diesem Sachverhalt über den zitierten Internetbeitrag hinaus keine eigenen Erkenntnisse vor.”
Wie immer keine Antwort – die Antwort gibt es hier!:
“Im Jahr 2012, ungefähr zu der Zeit, als Geall und seine Kollegen den ersten LNP-verkapselten RNA-Impfstoff beschrieben, begann die US Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) damit, Gruppen bei Novartis, Pfizer, AstraZeneca, Sanofi Pasteur und anderswo zu finanzieren, um an RNA- kodierte Impfstoffe und Therapeutika. Keine der großen Firmen hielt jedoch an der Technologie fest. „Sie waren zurückhaltend, jedes Risiko mit einem neuen Zulassungsweg für Impfstoffe einzugehen, obwohl die Daten gut aussahen“, sagt Dan Wattendorf, ein ehemaliger Programmmanager bei DARPA.1
Aber zwei kleinere Firmen mit Verbindungen zum DARPA-Programm arbeiteten weiter an der Technologie. Eines davon war CureVac in Tübingen, Deutschland, das 2013 mit der Erprobung eines Tollwutimpfstoffs am Menschen begann 5 . CureVac hat auch einen COVID-19-Impfstoff in der Spätphase der Tests.
Der andere war Moderna, die auf der Arbeit gebaut von DARPA finanziert schließlich Ende 2015 eine RNA-basierte Impfstoff für einen neuen Stamm der Vogelgrippe in die klinische Prüfung bringen es stark genug , um Immunreaktionen ausgelöst….”
nature.com/articles/d41586-021-00019-w
Gruss
Manfred Günzl
2. Leserbrief
Lieber Albrecht Müller, liebes Team der NDS,
bei dem im Betreff genannten Artikel bin ich der Meinung, dass Sie die falschen Fragen stellen.
CureVac ist der erste und einzige Impfstoff, der auch und vor allem an den Mutationen getestet wird.
Die Frage müsste also lauten, welche Wirksamkeit haben eigentlich die bisher zugelassenen Impfstoffe bei den Mutationen?
Die vorläufigen Zulassungen basieren m. W. nach auf den Studien zur „Wildform“. Aber gibt es auch wissenschaftliche Studien/Nachweise, dass sie tatsächlich gegen die Mutationen wirksam sind?
Herzliche Grüße und vielen Dank für Ihre wertvolle Arbeit!
Andreas Hennig
3. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Müller,
ich kann Ihre Kritik an der Unterstützung durch Kretschmann und Altmeier sowie der bundesstaatlichen Subventionierung von CureVac nicht uneingeschränkt teilen, es sei denn, die Bundesregierung hätte sich nicht ebenfalls bei BioNTech beteiligt. Denn ebenso wie der Multimilliardär Bill Gates hätte dadurch auch die BRD-Bundeskasse zumindest an BioNTech bereits Milliarden verdient!
Wichtiger als der Erfolg oder Misserfolg von staatlichen Investitionen ist, besonders in diesem konkreten Fall allerdings der Erfolg oder der langfristige Schaden, den die Volksgesundheit durch die für die Entwickler risikolose Anwendung ihrer Arzneien nimmt. Und hierzu wachsen bei aufmerksamen und open minded Beobachtern die Zweifel bereits jetzt, nachdem nicht nur besonders Alte geimpfte Menschen – mit oder ohne Vorerkrankungen – kurz nach der Impfung versterben, sondern sogar top-trainierte junge kurz zuvor geimpfte Sportler wie vom Schlag getroffen auf dem Fussballfeld zusammenbrechen.
Leider fehlt noch immer ein mehrere Jahre umfassender statistisch“ sauberer“ Vergleich der Anzahl der 2020 Verstorbenen unter Berücksichtigung der Alters- sowie der Bevölkerungsentwicklung mit zumindest 4 Vorjahren. Denn nur ein auf unwiderlegbaren Fakten basierender Vergleich der Anzahl Verstorbener, möglichst nach Altergruppen getrennt sowie insgesamt, hätte unwiderlegbare Aussagekraft, während der wesentlich interessantere mehrjährige Vergleich der Todes-Ursachen nicht zuletzt deshalb keinerlei Aussagekraft hätte, weil viel zu viele „AN oder MIT CORONA verstorben“ registriert wurden, während viel zu wenige Verstorbene verschiedener Altersgruppen obduziert wurden, um die tatsächlich wahrscheinlichste(n) Todesursachen festzustellen.
Am Ende könnte sich dadurch vielleicht sogar noch herausstellen, dass der Misserfolg von CureVac bei der Impfstoff-Entwicklung gegen das CORONA-Virus auch keine negativen Folgen durch dessen Anwendung haben konnte.
Das jedenfalls ist die – natürlich unmaßgebliche – Meinung eines Ihnen mit 87 altersmäßig „überlegenen“, seit über 30 Jahren im europäischen Ausland lebenden Deutschen, der aus einer Mischung aus Verzweiflung über und Hoffnung auf eine bessere Politik Deutschlands erstmals einer Deutschen Partei, nämlich dem Team Todenhöfer beitrat!
Rolf Schmid
Teil B.
Debatte über die Frage, ob der Staat sich aus unternehmerischen Entscheidungen heraushalten soll, auch wenn er wie im Fall CureVac mit Hunderten von Millionen in private Unternehmen einsteigt
Ein Mailwechsel zwischen Steffen Pöhlmann und Albrecht Müller vom 18.6.2021:
a. S.P.:
Sehr geehrter Herr Müller,
danke für Ihren Artikel „Curevac erreicht nur 47 % Wirksamkeit. Trotz massiver Unterstützung durch Kretschmann und Altmaier = Steuerzahler. Wie begründen sie ihre frühe Unterstützung?„. Allerdings verstehe ich Ihre Aufregung nicht. Endlich beteiligt sich der Bund an einem Zukunftsthema! Das Geld ist in solchen Firmen sicherlich wesentlich besser angelegt, als beispielsweise in den riesigen Subventionen der Agrarindustrie. Zudem ist die Forschung und Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen extrem teuer und aufwändig und (leider) auch mit vielen Rückschlägen verbunden. Gerade deshalb ist eine staatliche Unterstützung notwendig. Hier jedoch gleich eine Vetterleswirtschaft zu unterstellen finde ich nicht gerechtfertigt, da der mRNA Technologie im Bereich der Impfstoff- und Medikamentenentwicklung sicherlich die Zukunft gehört.
Herzliche Grüße
S.P.
b. A.M.:
Sehr geehrter Herr Pöhlmann,
danke für Ihre Mail. Ich wundere mich über die Sorglosigkeit und Kritiklosigkeit, mit der Sie und auch einige der Facebook-Kommentatoren mit der aus meiner Sicht beflissenen Unterstützung von Curevac umgehen. Kretschmann hat sich Mitte März 2020 in seinem 1. Statement schon für das Unternehmen und die Unterstützung engagiert. Er konnte zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geprüft haben, ob das wirklich sinnvoll ist. Und dann 300 Millionen und ausdrücklich investiert mit der Verneinung des Anspruchs auf ein Mitspracherecht bei der Unternehmenspolitik. So etwas macht Sie nicht skeptisch? Und die Höhe des Betrags irritiert Sie auch nicht? ausdrücklich möchte ich anmerken, dass ich die staatliche Unterstützung für Grundlagenforschung und Forschung der hier in Rede stehenden Art für sinnvoll halte. Aber man darf doch über die Höhe der Unterstützung-Beträge noch staunen und kritisch hinterfragen! Und man darf doch wohl auch die Beflissenheit infrage stellen.
Ich finde es toll, dass Sie so sicher sind, dass “der mRNA Technologie im Bereich der Impfstoff- und Medikamentenentwicklung sicherlich die Zukunft gehört”. Ich bin kein Spezialist auf diesem Gebiet, aber ich kenne Menschen, die das ganz anders sehen.
Da die Facebook Kommentare zu meinem Artikel teilweise in die gleiche Richtung gehen wie Ihre E-Mail, könnten wir zur Fortsetzung der Diskussion Ihre E-Mail und meine Antwort veröffentlichen.das würde dann heute Nachmittag geschehen.
Herzliche Grüße
Albrecht Müller
c. S.P.:
Sehr geehrter Herr Müller,
herzlichen Dank für Ihre schnelle Antwort. Curevac arbeitet ja nicht erst seit Mitte März an der mRNA Technologie, insofern kann man durchaus schon vorher beurteilen, ob ein Engagement sinnvoll erscheint. Die Verneinung des Anspruchs auf ein Mitspracherecht bei der Unternehmenspolitik wird damit begründet, dass der Staat nicht unbedingt der bessere Unternehmer ist. Sehen Sie das anders? Aber ich gebe Ihnen Recht, das kann man durchaus kritisieren! Auch ich kenne Menschen, die sich mit dieser Technologie befassen und die hierin die Zukunft sehen, denn die mRNA Technologie wird hauptsächlich in der Krebsbehandlung zum Einsatz kommen. Hier wird durchaus ein großes Potential zur Behandlung von Krebserkrankungen gesehen. Wenn man dann (wie zum Beispiel in Leserbriefen auf den NDS) liest, dass es sich hierbei um eine Gentherapie handeln soll, dann haben sich diejenigen leider nicht ausführlich mit dem Thema beschäftigt. Ob die Technologie wirklich in der Impfstoff- und Medikamentenentwicklung zielführend sein wird, das wird die Zukunft zeigen, die Erfolge beispielsweise von Biontech sind aus meiner Sicht aber eine Meisterleistung der Pharmaindustrie. Das sollte man auch nicht schlecht reden.
Ich finde es prinzipiell gut, auch ein solchen Engagement kritisch zu hinterfragen. Das darf und soll man auch. In Ihrem Artikel unterstellen Sie jedoch ziemlich offen eine Vetterleswirtschaft, damit nehmen Sie die Antwort auf Ihre kritischen Frage schon vorweg.
Herzliche Grüße und noch gute Besserung!
S.P.
d. A.M.:
Danke vielmals für Ihre Antwort,
sinnvollerweise muss muss ich etwas ergänzen: bei dem Hinweis darauf, dass der baden-württembergische Ministerpräsident schon im März Curevac empfahl, hatte ich die Jahreszahl weggelassen. Es war der März 2020 (!) und nach meiner Erinnerung nach der ersten gemeinsamen Sitzung von Bund und Ländern.
Wichtig und interessant ist folgende Einlassung von Ihnen: “Die Verneinung des Anspruchs auf ein Mitspracherecht bei der Unternehmenspolitik wird damit begründet, dass der Staat nicht unbedingt der bessere Unternehmer ist. Sehen Sie das anders?” – Das sehe ich in der Tat anders. Es mag sein, dass Private die besseren Unternehmer sind. Ich habe aber andererseits in der Praxis oft erlebt, dass dies nicht stimmt und will dafür ein paar Beispiele nennen:
- Die staatliche Förderung und der Bau des Schnellen Brüters wurde von Privaten verlangt und betrieben und ist dann glücklicherweise vom Staat gestrichen worden.
- Ende der achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts drängten die privaten Unternehmen auf staatliche Förderung und Investitionen in der bemannten Weltraumfahrt. Ich war damals im Bundestag und habe zu diesem Projekt kritische Fragen gestellt und auch eine Fraktionsklausur darüber initiiert. Die für die Forschung verantwortlichen Kollegen in der Fraktion waren für diesen Wahnsinn. Aber wir haben mithilfe der für die Wirtschaftspolitik zuständigen Kolleginnen und Kollegen diesen Irrsinn abgebogen und beendet. Es wäre ein Fass ohne Boden geworden.
- Als die Deutsche Bahn anfangs der Neunzigerjahre zu einer Aktiengesellschaft gemacht wurde, meinte der damalige Bundeskanzler Kohl und seine Parteifreunde, jetzt müsse man private Unternehmer an die Spitze der Bahn setzen. Man hat dann zum Beispiel den baden-württembergischen Unternehmer Dürr an die Spitze der Bahn gesetzt. In seiner Zeit wurden lauter Unter-Aktiengesellschaften der Bahn gegründet – Zum Beispiel für Nahverkehr, für das Netz, für Fernverkehr usw. da waren dann viele Vorstandsposten zu besetzen und ich kann nachweisen, dass diese zur Versorgung von Parteifreunden und deren Familienangehörigen benutzt worden ist.
Der größte Missgriff bei der Suche nach Personen, die als Unternehmer – nach Ihrer Formulierung – die besseren Unternehmer sein sollen, hat man dann Hartmut Mehdorn gefunden. Er hat reihenweise Mist gebaut – unter anderem die Deutsche Bahn überall auf der Welt tätig werden lassen, mit hunderten von Untergesellschaften und Beteiligungen. Wäre er ein guter Vorstandsvorsitzender gewesen, dann hätte er sich der Entwicklung eines guten Schienenverkehrs gewidmet. Das hat er nicht getan und deshalb sieht die Deutsche Bahn zum Beispiel im Vergleich zur Bahn der Schweiz geradezu jämmerlich aus.
Ich könnte die Liste von Fehlentscheidungen von sogenannten Unternehmerpersönlichkeiten noch fortsetzen. Es würde eine lange Liste. Auf ein Beispiel will ich doch noch hinweisen: - Stuttgart 21 – eine groteske Fehlentscheidung der unternehmerisch besetzten Bahnspitze.
Es kommt übrigens in Deutschland noch hinzu, dass viele Personalentscheidungen im unternehmerischen Bereich auf sogenannte Verbindungen zurückgehen. Die Herrschaften sind in der gleichen Studentenverbindung und schieben sich die Jobs gegenseitig zu.
Zum Schluss: selbstverständlich gibt es auch beim Staat personelle Fehlbesetzungen. Das ist nicht zu bestreiten. Aber was Sie als Ihr Glaubensbekenntnis wiedergegeben haben ist eben auch nicht richtig. Es ist das typische Ergebnis einer lange währenden Propaganda gegen den Staat, für Entstaatlichung, gegen die Bürokratie und für die ach so famosen privaten Unternehmer.
Das ist lang geworden, tut mir leid.
Schöne Grüße
Albrecht Müller
e. S.P.:
Vielen Dank für Ihre interessante Antwort, insbesondere für die Einblicke aus Ihrer Zeit im Bundestag. Dass private Unternehmer stets die besseren sind, das ist nicht mein Glaubensbekenntnis. Es gibt auch in der Privatwirtschaft viele Fehlentscheidungen von den Unternehmerpersönlichkeiten, keine Frage. Mit Curevac wird meiner Meinung nach aber eher eine Technologie gefördert, von der man sich viel Nutzen verspricht. Das kann man meiner Meinung nach nicht mit Unternehmen wie der Deutschen Bahn vergleichen. Man versucht hier über die Beteiligung einer Technologie zum Durchbruch zu verhelfen, mit der wir in Deutschland vielleicht sogar führend werden könnten. Insofern kann ich das Engagement nachvollziehen.
…
Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende
Steffen Pöhlmann