Während sich die westliche Presse an schauerlichen Geschichten von den Uigurenlagern in der chinesischen Provinz Xinjiang abarbeitet – und damit das Feindbild China pflegt –, richtet Pulitzerpreisträger Chris Hedges seinen Blick auf ein Phänomen, das sich auch, aber nicht nur in China vollzieht, abermillionenfach und tagtäglich: Die Ausbeutung von Arbeitern. Hedges sagt: Das Leiden der Arbeiterklasse in und außerhalb der Vereinigten Staaten wird von unseren Massenmedien ignoriert. Und doch handelt es sich dabei um eines der wichtigsten Menschenrechtsthemen unserer Zeit.
Übersetzung: Susanne Hofmann.
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Sterben für ein iPhone
von Chris Hedges
Die Arbeiterklasse wird zunehmend entrechtet, daran gehindert, Gewerkschaften zu gründen, sie erhält Hungerlöhne, muss Lohndiebstahl erleiden, wird ständig überwacht und wegen Lappalien gekündigt, gefährlichen Kanzerogenen ausgesetzt, zu Überstunden gezwungen, bestraft und im Stich gelassen, wenn sie alt und krank ist. Arbeiter sind hier und im Ausland ersetzbare Rädchen für oligarchische Unternehmer geworden, die sich in obszönem persönlichen Reichtum suhlen und die schlimmsten Exzesse der Räuberbarone in den Schatten stellen.
In mondänen liberalen Kreisen gibt es, so Noam Chomsky, würdige und unwürdige Opfer. Nancy Pelosi hat die Staatschefs der Welt dazu aufgerufen, die Olympischen Winterspiele, die im Februar in Bejing stattfinden sollen, nicht zu besuchen. Als Grund führt sie einen „Genozid“ an, den die chinesische Regierung an der uigurischen Minderheit verübe. Der New-York-Times-Kolumnist Nick Kristof betete eine Liste von Menschenrechtsverletzungen unter der Aufsicht des chinesischen Staatschefs Xi Jinping herunter. Er schrieb: „[Xi] höhlt die Freiheit von Hong Kong aus, bringt Anwälte und Journalisten ins Gefängnis, nimmt kanadische Geiseln, bedroht Taiwan und, was besonders schlimm ist, wacht über Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Region von Xinjiang im äußersten Westen, der Heimat etlicher muslimischer Minderheiten.“
Nicht ein Wort über die Millionen von Arbeitern in China, die kaum besser als Leibeigene behandelt werden. Sie leben getrennt von ihren Familien inklusive ihrer Kinder, untergebracht in überfüllten Firmenschlafsälen, wofür ihnen von ihrem Gehalt die Miete abgezogen wird, neben Fabriken, die rund um die Uhr produzieren, häufig Waren für US-Konzerne. Die Arbeiter werden misshandelt, ausgebeutet und krankgemacht, weil sie Chemikalien und Giften wie Aluminiumstaub ausgesetzt sind.
Das Leiden der Arbeiterklasse in und außerhalb der Vereinigten Staaten wird von unseren Medien, die sich im Besitz von Konzernen befinden, genauso ignoriert wie das Leiden der Palästinenser. Und doch handelt es sich dabei um eines der wichtigsten Menschenrechtsthemen unserer Zeit. Denn Arbeiter können, sobald sie ermächtigt werden, andere Menschenrechtsverletzungen abwehren. Wenn Arbeiter sich nicht organisieren, hier und in Ländern wie China, und Grundrechte erlangen sowie Löhne, die ihre Lebenshaltungskosten decken, wird eine globale Knechtschaft zementiert werden, die Arbeiter in den grauenvollen Verhältnissen gefangen hält, die Friedrich Engels 1845 in seinem Buch „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ beschrieb oder Émile Zola 1885 in seinem Meisterwerk „Germinal“.
Solange China Sklavenlöhne bezahlen kann, ist es unmöglich, die Löhne anderswo zu erhöhen. Jedes Handelsabkommen muss das Recht der Arbeiter, sich zu organisieren, beinhalten, sonst sind alle Versprechen von Joe Biden, die amerikanische Mittelklasse wiederaufzubauen, eine Lüge.
Zwischen 2001 und 2011 sind 2,7 Millionen Jobs in der Produktion an China verlorengegangen. Keiner davon kommt zurück, wenn Arbeiter in China und anderen Ländern, die zulassen, dass Unternehmen die Arbeiterschaft ausbeuten und grundlegende Umweltauflagen und arbeitsrechtliche Bestimmungen umgehen, in Unternehmensknechtschaft gefangen sind.
Und während wir China für seine Arbeitspolitik schelten, haben die Vereinigten Staaten ihre eigene Gewerkschaftsbewegung zerschlagen, haben ihren Unternehmen gestattet, ihre Produktion nach Übersee zu verlagern, um von den Produktionsmodellen dort zu profitieren, haben Löhne gedrückt, arbeitnehmerfeindliche Gesetze gegen das Recht auf Arbeit verabschiedet und Regelungen zerstört, die einst Arbeiter schützten. Der Kampf gegen die Arbeiter ist kein chinesisches Phänomen. Es ist ein globales. Und US-Unternehmen wirken daran mit. Apple hat 46 Prozent seiner Zulieferer in China. Walmart hat 80 Prozent seiner Zulieferer in China. Amazon hat 63 Prozent seiner Zulieferer in China.
Die größten US-Unternehmen sind vollwertige Partner in der Ausbeutung chinesischer Arbeitskräfte und darin, die amerikanische Arbeiterklasse im Stich gelassen und verarmt zu haben. US-Firmen und chinesische Produzenten haben dafür gesorgt, dass Millionen von chinesischen Arbeitern mitten in einer globalen Pandemie in Fabriken gestopft wurden. Ihre Gesundheit spielt keine Rolle. Die Profite von Apple haben sich im vergangenen Quartal auf 23,6 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt. Seine Erlöse wuchsen um 54 Prozent auf 89,6 Milliarden US-Dollar an, das heißt, dass Apple im Schnitt täglich Waren für mehr als eine Milliarde US-Dollar verkauft hat. Es wird sich für die Arbeiter hier oder in China nichts ändern, solange diese Unternehmen nicht zur Verantwortung gezogen werden. Ökonomische Gerechtigkeit ist global oder sie existiert nicht.
Die Arbeiter in chinesischen Industriezentren – eigenständige Firmen-Städte mit bis zu einer halben Million Menschen – treiben die riesigen Profite von zwei der mächtigsten Unternehmen der Welt in die Höhe: Foxconn, dem weltweit größten Anbieter von Elektronikfertigungsdienstleistungen, und Apple mit einem Marktwert von zwei Billionen US-Dollar. Der größte Kunde von Foxconn ist Apple, die Firma produziert aber auch für Alphabet (ehemals Google), Amazon – welches mehr als 400 Handelsmarken besitzt – Blackberry, Cisco, Dell, Fujitsu, GE, HP, IBM, Intel, LG, Microsoft, Nintendo, Panasonic, Philips, Samsung, Sony und Toshiba, ebenso wie führende chinesische Firmen, darunter Lenovo, Huawei, ZTE und Xiaomi. Foxconn baut iPhones, iPads, iPods, Macs, Fernseher, X-Boxes, PlayStations, Wii Us, Kindles, Drucker und zahlreiche andere digitale Geräte zusammen.
Jenny Chan, Mark Selden und Pun Ngai haben zehn Jahre lang Undercover an den größten Produktionsstätten von Foxconn in den chinesischen Städten Shenzhen, Shanghai, Kunshan, Hangzhou, Nanjing, Tianjin, Langfang, Taiyuan und Wuhan für ihr Buch „Dying for an iPhone: Apple, Foxconn, and The Lives of China’s Workers“ recherchiert. Was sie darin beschreiben, ist eine Orwellsche Dystopie, eine, in der globale Unternehmen die Techniken für eine entmachtete Belegschaft perfektioniert haben. Diese gigantischen Arbeiterstädte sind im Grunde Straf-Arbeitskolonien. Ja, man kann sie verlassen, aber wer den Zorn der Chefs erregt, insbesondere, indem man seine Meinung äußert oder versucht, sich zu organisieren, wird in Chinas Archipel der Industriezentren für den Rest seines Lebens auf die schwarze Liste gesetzt, an den Rand der Gesellschaft oder oft sogar ins Gefängnis gedrängt.
Die Arbeiter leben unter ständiger Überwachung. Sie werden von Sicherheitseinheiten des Unternehmens kontrolliert. Sie schlafen in getrennten Schlafsälen für Männer und Frauen mit acht oder mehr Personen in einem Raum. Die mehrstöckigen Schlafsäle haben Gitter an den Fenstern und Netze darunter, um der Serie von Arbeitersuiziden Einhalt zu gebieten, welche diese Fabrikstädte vor ein paar Jahren traf.
„Der Arbeitsplatz und der Wohnbereich sind komprimiert, um die Rund-um-die-Uhr-Hochgeschwindigkeitsproduktion zu unterstützen“, schreiben die Autoren. „Der Schlafsaal fasst eine gewaltige Anzahl von Arbeitsmigranten, die dort ohne Fürsorge und Liebe einer Familie untergebracht sind. Ob alleinstehend oder verheiratet, der Arbeiter bekommt ein Ein-Personen-Stockbett zugewiesen. Die „Privatsphäre“ besteht nur aus dem eigenen Bett hinter einem selbstgemachten Vorhang mit spärlichem gemeinsamen Wohnraum.“
Die Arbeiter, die rund zwei US-Dollar die Stunde und im Schnitt 390 US-Dollar im Monat verdienen, erhalten ihren Lohn auf Lohn-Debitkarten, mittels derer nur in firmeneigenen Geschäften eingekauft werden kann. Die Bankkarte erlaubt einem Arbeiter, Geld an Automaten auf Foxconn-Anlagen einzuzahlen, abzuheben und zu überweisen.
Manager und Vorarbeiter untersagen Gespräche im Montagebereich, in dem in Zehn- oder Zwölf-Stunden-Schichten im 24-Stunden-Betrieb gearbeitet wird. Arbeiter werden gerügt, wenn sie am Fließband „zu langsam“ arbeiten. Sie werden bestraft, wenn sie fehlerhafte Produkte herstellen. Wenn sie eine Ordnungswidrigkeit begangen haben, werden Arbeiter oft gezwungen, nach Schichtende zu bleiben. Der Arbeiter, der Regeln verletzt hat, muss sich vor seine Kollegen hinstellen und eine Erklärung mit Selbstkritik verlesen. Arbeiter, die in ihrer Beurteilung ein „D“ für „unbefriedigende Leistung“ stehen haben, werden gefeuert. Die Arbeiter haben alle zwei Wochen einen freien Tag oder zwei Ruhetage im Monat. Sie können flexibel in Tag- und Nachtschichten eingesetzt werden.
Die Autoren beschreiben die tägliche Routine eines Arbeiters, der um sieben Uhr früh mit Hunderttausenden anderen Foxconn-Angestellten die Fabrik betritt. Jede Person, die übrigens keine Elektrogeräte in das Fabrikgebäude mitnehmen darf, wird mittels eines Gesichtserkennungssystems gecheckt, um ihre Identität zu bestätigen.
Über eine Stunde lang strömen Menschen hinein und hinaus. Arbeiter kommen aus der Nachtschicht, überqueren die Fußgängerbrücke und ergießen sich in die Shopping-Malls und Straßenmärkte, die rund um die Fabrik entstanden sind. Tagschicht-Arbeiter überqueren dieselbe Brücke in Gegenrichtung zur Arbeit. Von dem Moment, in dem sie durch das Fabriktor treten, werden die Arbeiter von einem Sicherheitssystem erfasst, das stärker in die Privatsphäre eingreift als jedes andere in benachbarten kleineren Elektronikfabriken. „Foxconn hat seinen eigenen Sicherheitsdienst, so wie ein Staat eine Armee hat. Die Arbeiter gehen durch mehrere elektronische Pforten und Spezial-Sicherheitszonen, ehe sie zu ihren Werkhallen gelangen, wo sie mit der Arbeit beginnen.
Sind sie drinnen angelangt, so schreiben die Autoren, müssen sie ein bekanntes Ritual über sich ergehen lassen:
Zu Schichtbeginn rufen die Manager aus: “Wie geht es euch?”, die Arbeiter müssen antworten, indem sie gemeinsam rufen: „Gut! Sehr gut! Sehr, sehr gut!“ Dieser Drill fördert angeblich die Disziplin der Arbeiter. Ein laserlötender Arbeiter berichtete: „Vor der Schicht schrillt drei Mal eine Trillerpfeife. Beim ersten Pfiff müssen wir aufstehen und unsere Stühle ordentlich hinstellen. Beim zweiten Pfiff bereiten wir uns auf die Arbeit vor und legen Arbeitshandschuhe und dergleichen an. Beim dritten Pfiff setzen wir uns hin und arbeiten los.“ Während der Arbeitszeit ist „nicht reden, nicht lachen, nicht essen, nicht schlafen“ die wichtigste Regel in der Fabrik. Jedes Verhalten, das die Disziplin stört, wird bestraft. „Wer für mehr als zehn Minuten zur Toilette geht, handelt sich eine mündliche Verwarnung ein, wer während der Arbeit schwätzt, eine schriftliche Verwarnung“, erklärte ein Vorarbeiter.
Die Arbeit ist anstrengend, stressig und monoton. Ein iPhone besteht aus mehr als hundert Einzelteilen. „Jeder Arbeiter“, schreiben die Autoren, „ist auf eine Aufgabe spezialisiert und wiederholt dieselben Bewegungen in Hochgeschwindigkeit – jede Stunde, tagtäglich, zehn oder mehr Stunden lang an vielen Arbeitstagen und das monatelang.“
Eine Frau, die im Buch interviewt wird, beschrieb ihr Leben am Fließband so:
„Ich bin ein Rädchen an einem Arbeitsplatz, an dem Teile visuell kontrolliert werden. Wenn der Lötofen nebenan Smartphone-Motherboards liefert, strecken sich meine beiden Hände aus, um das Motherboard zu nehmen, dann beginnt mein Kopf von links nach rechts zu wandern, meine Augen bewegen sich von der linken Seite des Motherboards auf die rechte Seite und stieren dann von oben nach unten, ohne Unterbrechung, und wenn etwas nicht stimmt, rufe ich, und ein anderer menschlicher Teil, der mir ähnlich ist, kommt angerannt, fragt nach der Ursache des Fehlers und bessert ihn aus. Ich wiederhole die gleiche Aufgabe tausende Male am Tag. Mein Gehirn rostet.“
Die Arbeit birgt auch Gefahren. Die Poliermaschine stößt beim Abschleifen der Gehäuse Aluminiumstaub aus. Dieser Staub gelangt in die Augen und löst Reizungen und winzige Tränen aus. Die Arbeiter leiden unter Atemwegsproblemen, Halsschmerzen und chronischem Husten. „Mikroskopisch feiner Aluminiumstaub bedeckt die Gesichter und Kleidung der Arbeiter“, schreiben die Autoren. „Ein Arbeiter beschreibt die Situation so: ‚Ich atme bei Foxconn wie ein Staubsauger Aluminiumstaub ein. Da die Fenster der Werkhalle fest geschlossen waren, hatten die Arbeiter das Gefühl zu ersticken.‘“
[…] Arbeiter müssen pro Schicht eintausend iPhone-Touchscreens reinigen. Jahrelang kam dabei die Chemikalie n-Hexan zum Einsatz, die schneller als Industriealkohol verdampft. Wer n-Hexan über eine längere Zeit ausgesetzt ist, erleidet Schäden an peripheren Nerven, was zu schmerzhaften Muskelkrämpfen, Kopfschmerzen, unkontrollierbarem Zittern, getrübter Sicht und Schwierigkeiten beim Laufen führt. Es sollte nur in gut belüfteten Räumen eingesetzt werden und die Arbeiter müssen Atemschutzgeräte tragen. Tausende von Foxconn-Arbeitern haben n-Hexan jedoch in abgedichteten Räumen ohne Ventilatoren angewandt und erkrankten. Das hat schließlich zum Verbot des Stoffes geführt.
Diese ausgedehnten Industrieanlagen entsorgen auch riesige Mengen an Schwermetallen und Schmutzwasser in Flüsse und ins Grundwasser. Die an die Werke angrenzenden Flüsse sind schwarz vor Abwasser und voller Plastikmüll. Die Arbeiter klagen darüber, dass das Trinkwasser verfärbt ist und stinkt.
Die USA haben sich in den 1990er Jahren ihrer Arbeiter im Zuge der De-Industrialisierung entledigt. China tat es ihnen gleich, indem man den Sozialismus zugunsten eines staatlich kontrollierten Kapitalismus aufgelöst hat. Die Arbeitsplätze im staatlichen und kollektiven Sektor in China gingen von 76 Prozent im Jahr 1995 auf 27 Prozent im Jahr 2005 zurück. Abermillionen von entlassenen Arbeitern mussten um Jobs bei Unternehmen wie Foxconn kämpfen. Doch selbst diese Jobs sind jetzt bedroht, teilweise aufgrund der Automatisierung, die dazu führt, dass Arbeiter an den Fließbändern von Robotern ersetzt werden, die spritzen, schweißen, pressen, polieren, Qualitätskontrollen durchführen und Leiterplatten zusammensetzen können. Foxconn hat mehr als 40.000 Industrieroboter in seinen Fabriken installiert, dazu kommen hunderttausende weitere automatisierte Maschinen.
Doch während des vergangenen Jahrzehnts, schreiben die Autoren, „bestand die größte Veränderung bei Foxconn nicht darin, dass man Arbeiter gegen Roboter ausgetauscht hat, sondern dass man Vollzeitangestellte durch eine wachsende Anzahl von studentischen Praktikanten und Leiharbeitern ersetzt hat.“
Diese Arbeitskräfte, die Teil der „Gig-Economy” sind, die man in den USA kennt, genießen noch weniger Arbeitsplatzsicherheit als Vollzeitkräfte. Bis zu 150.000 Berufsschüler im High-School-Alter sind in Foxconn-Werken beschäftigt. Sie erhalten den Mindestlohn, haben aber keinen Anspruch auf den Qualifizierungszuschuss in Höhe von 400 Yuan pro Monat, selbst wenn sie die Probezeit bestehen. Foxconn ist auch nicht verpflichtet, sie bei der Sozialversicherung anzumelden.
Die Chefs dieser Konzerngiganten imitieren oft das Verhalten von Despoten und üben nicht nur die totale Kontrolle über jeden Aspekt des Lebens ihrer Arbeiter aus, sondern verbreiten auch volkstümelnde Weisheiten an die Massen. Sie werden von kriecherischen Medien oft wie Gurus behandelt. Man bittet sie, zu einer Reihe von sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Themen Stellung zu nehmen – wie es Bill Gates, Warren Buffet, Elon Musk und Jeff Bezos tun. Ihr immenses Vermögen verleiht ihnen in unserer Mammon-anbetenden Gesellschaft den Status von Weisen.
Terry Gou, der Gründer und Chef von Foxconn, hat neben seinen Porträts eine Liste von Slogans und Aphorismen aufgehängt. Sie zieren die Wände seiner Fabriken. Arbeiter müssen Passagen aus „Gous Zitaten“ abschreiben. Während Mao Zedong zu Klassenkampf und Rebellion aufrief, fordert Gou Konformität und blinden Gehorsam. „Wachstum, dein Name ist Leiden“, lautet einer seiner Aussprüche. Der Reporter des Wall Street Journal, Jason Dean, charakterisierte Gao 2007 in einem Interview mit Gou als „Warlord“ und stellte fest, dass „er ein Perlenarmband trägt, das er in einem Tempel erhielt, der Dschingis Khan gewidmet war, dem mongolischen Eroberer aus dem 13. Jahrhundert, den er als seinen persönlichen Helden bezeichnet.“
„Eine raue Umgebung ist gut“, heißt es in einem von Gous Zitaten.
„Erreiche Ziele oder die Sonne geht nicht mehr auf.
Schätze Effizienz in jeder Minute, jeder Sekunde.
Ausführung vereint Geschwindigkeit, Genauigkeit und Präzision.“
Seine mehr als eine Million Mitarbeiter müssen, wie es auch bei Amazon und anderen großen Konzernen der Fall ist, verpflichtend an Unternehmensversammlungen teilnehmen, in denen sie lernen, sich an die Unternehmensregeln zu halten, den Interessen des Unternehmens treu zu dienen und, wie die Autoren anmerken, nach dem „individualistischen Erfolgsmodell“ zu streben. Wer sich an die Regeln hält, sagt man den Arbeitern, werde belohnt. Wer dies nicht tut, wird bestraft oder verbannt.
Arbeiter in diesen globalen Ausbeuterbetrieben organisieren sich im Untergrund und protestieren. Im Jahr 1993, dem ersten Jahr, für das offizielle Daten vorliegen, gab es in China 8.700 Vorfälle von Arbeitsunruhen und bis zu 32.000 im Jahr 1999, schreiben die Autoren. „Die Zahl stieg zwischen 2000 und 2003 weiter um mehr als 20 Prozent pro Jahr. Im Jahr 2005 verzeichnete die offizielle Aufzeichnung 87.000 Fälle und stieg 2008 während der weltweiten Rezession auf 127.000 – das war das letzte Mal, dass das chinesische Ministerium für öffentliche Sicherheit Zahlen veröffentlichte.“
In Hubeis East Lake High-Tech Development Zone, bekannt als Optics Valley, drohten am 3. Januar 2012 150 Foxconn-Arbeiter, vom Dach der Fabrik zu springen und Massenselbstmord zu begehen, wenn die Manager sich weigerten, ihren Forderungen nachzukommen. Dazu gehörten Proteste gegen Zwangsverlegungen in die Städte anderer Fabriken und ein Streit um Lohn.
Streiks, Proteste und Arbeitsniederlegungen, die jetzt stattfinden, sind Staatsgeheimnisse, aber die Statistiken der Vergangenheit scheinen darauf hinzuweisen, dass sie zunehmen. Streiks werden in der Regel schnell und brutal von den Sicherheitsdiensten der Unternehmen und von der Polizei abgebrochen, Streikführer entlassen und oft inhaftiert.
Wir werden uns nicht durch den perversen Individualismus retten, den uns unsere Konzernherren und gefälligen Massenmedien verkaufen, der unser Vorankommen auf Kosten anderer fördert. Wir werden uns retten, indem wir solidarisch mit Arbeitern innerhalb und außerhalb der Vereinigten Staaten zusammenarbeiten. Diese kollektive Macht ist unsere einzige Hoffnung. Amazon-Beschäftigte der Hulu-Garment-Fabrik in Phnom Penh, Kambodscha, und der Global-Garments-Fabrik in Chittagong, Bangladesch, führten kürzlich einen weltweiten Aktionstag an, um Amazon dazu zu bringen, allen Arbeitern, gleich wo sie leben, faire Löhne zu zahlen. Daran müssen wir uns orientieren. Andernfalls werden die Arbeiter in einem Land gegen die Arbeiter in einem anderen Land ausgespielt. Karl Marx und Friedrich Engels hatten recht. Arbeiter aller Länder, vereinigt euch. Du hast nichts zu verlieren außer deine Ketten.
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