Am Vorabend des Gipfeltreffens zwischen Joe Biden und Wladimir Putin muss festgestellt werden: Dass Russland sich Gesprächen „verweigert“, ist eine Falschbehauptung. Und: Die USA sind kein Vorbild für Frieden und Freiheit, einerlei wer dort an der Regierung ist. Seit mehr als einem halben Jahrhundert gehen von dort zerstörerische Ideologien und grauenhafte Kriege aus. Europa hat sich einem durch nichts gerechtfertigten US-Machtanspruch einhellig ergeben. Von Wolfgang Bittner.
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Am 22. Juni 1941 begann das nationalsozialistische Regime den Krieg gegen die Sowjetunion. Etwa vier Millionen Soldaten waren von deutscher Seite im Einsatz gegen den „jüdischen Bolschewismus“, wie es im Hitler-Jargon hieß, und viele sahen Deutschland nicht wieder. Auf sowjetischer Seite verloren in diesem furchtbaren Krieg etwa 27 Millionen Menschen ihr Leben.
Heute leben wir wieder in kriegerischen Zeiten. Nachdem Anfang der 1990er-Jahre ein friedliches Europa in Sicht war, wird nun schon seit Jahren gegen Russland gehetzt, intrigiert und aufgerüstet. Die Situation spitzt sich gerade in den letzten Monaten gefährlich zu. Soll der Frieden in Europa erhalten bleiben, muss die Aggressions- und Sanktionspolitik gegen Russland unverzüglich beendet werden, und auch das permanente Hetzen und Lügen.
Einer der Protagonisten dieser unsere Existenz gefährdenden heimtückischen Politik ist der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Kürzlich behauptete er in einem Interview mit der „Welt“, Russland verweigere sich Gesprächsangeboten der NATO.[1] Im Spiegel hieß es: „Stoltenberg drängt Russland erneut zu Gesprächen.“ Doch eine positive Antwort aus Moskau sei ausgeblieben.[2] Das ist eine der üblichen böswilligen Lügen, die von den Vasallen und Einflussagenten der USA und ihrer NATO ständig verbreitet und von den Medien beflissen übernommen werden. Tatsache ist, dass bereits 2014 die Gespräche im NATO-Russland-Rat abgebrochen wurden, die USA fast alle friedenserhaltenden Verträge wie zum Beispiel den INF-Vertrag gekündigt und Gesprächsangebote Russlands ignoriert haben.
Die USA sind kein Vorbild für Frieden und Freiheit, einerlei wer dort an der Regierung ist. Seit mehr als einem halben Jahrhundert gehen von dort zerstörerische Ideologien und grauenhafte Kriege aus, die ihrem Gründungsanspruch, wie in der Unabhängigkeitserklärung von 1776 und in der Verfassung von 1787 niedergelegt, Hohn sprechen. Europa hat sich diesem durch nichts gerechtfertigten Machtanspruch einhellig ergeben. Die USA können überall in der Welt in kürzester Zeit Krisen inszenieren, wie es gerade passt. Ob hier langfristige Pläne umgesetzt werden oder kurzfristiges Chaos den Interessengruppen dient – nach jedem dieser Schachzüge steht die Welt näher am Abgrund.
Tragisch ist, dass Deutschland, trotz der traurigen Erfahrungen im Ersten und im Zweiten Weltkrieg, jetzt wieder gegen Russland in Stellung gebracht wird, militärisch wie propagandistisch. Wie aktiv die deutsche Bundesregierung unter Führung von Angela Merkel gegen Russland agiert, wurde kürzlich wieder schlagartig deutlich im Fall Nawalny. Alles über dessen angebliche Vergiftung mit Nowitschok blieb bisher unaufgeklärt, und das liegt hauptsächlich daran, dass Deutschland nicht mit den russischen Behörden zusammenarbeitet. Warum nicht, ist die Frage.
Dass Frau Merkel Nawalny im Krankenhaus besucht hat, war eine diplomatische Fehlleistung sondergleichen und ein ungeheuerlicher Affront gegenüber Russland. Dieser Einflussagent, der in den USA einen Lehrgang als Regime Changer absolviert hat, war bereits wenige Tage nach seinem Klinikaufenthalt in der Berliner Charité schon wieder auf den Beinen. Er reiste während seiner „Rekonvaleszenz“, die ja offensichtlich keine war, mit deutschen Bodygards durchs Land. Und er produzierte mit Unterstützung aus den USA einen Propagandafilm über einen angeblichen Palast Putins am Schwarzen Meer. Inzwischen stellte sich heraus, dass es sich um einen im Rohbau befindlichen Hotelkomplex handelt.
Dass Nawalny wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen in Haft genommen wurde, ist aus juristischer Sicht nicht zu beanstanden. Jetzt lamentiert er – ebenso wie seinerzeit die Ukrainerin Julia Timoschenko – über die Zustände im Gefängnis und will eine Sonderbehandlung. In anderen Ländern wäre er schon lange wegen Hochverrats angeklagt worden und hätte wahrscheinlich eine langjährige Freiheitsstrafe zu erwarten.
Die Hinterhältigkeit und Dreistigkeit der europäischen, insbesondere der deutschen US-Lakaien ist bodenlos. Kurz vor dem 80. Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion sagte der US-Einflussagent und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen, im Deutschlandfunk: „Wenn wir dem Kremlchef die Aggression und die Unterdrückung und die Ausweitung der Gewalt durchgehen ließen, dann würde das Schule machen. … dass Wladimir Putin Krieg führt innerhalb und außerhalb Europas… Es werden Menschenrechtsverletzungen begangen, Herr Nawalny ist auf politische Verantwortung des Kreml vergiftet worden, er wird jetzt gefoltert in einem russischen Straflager. Es sitzen ungezählte Menschen in Gefängnissen, weil sie ihre Meinung sagen. Es ist verboten, die Meinung zu sagen. Es gibt militärische Interventionen in der Ukraine, in Moldau, in Georgien, in Syrien, auch in Libyen mit Hilfstruppen, alles das findet ja statt.“[3]
Eine dringend erforderliche Antwort auf solche ständig wiederholten Unterstellungen und Lügen wäre rückhaltlose Aufklärung und Wiederaufnahme friedlicher, gutnachbarlicher Beziehungen zu Russland.
Grundlegend festzustellen ist Folgendes:
- Die USA beanspruchen Westeuropa als ihr Einflussgebiet, das sich ihren Interessen wirtschaftlich wie militärisch unterzuordnen hat.
- Der Regimewechsel in der Ukraine wurde jahrelang subversiv vorbereitet. Die USA investierten unter anderem durch die CIA über fünf Milliarden Dollar dafür.
- Die Strategie der „westlichen Allianz“ war von vornherein darauf angelegt, sich die Ukraine als ein Brückenland von großer geostrategischer Bedeutung und auch als Wirtschaftsraum und Tor zu den Ressourcen Russlands einzuverleiben.
- Das Ziel ist, Russland durch Wirtschaftssanktionen, Beeinflussung der Kapital- und Energiemärkte und durch die aufgezwungenen Aufwendungen für Nachrüstung in den Ruin zu treiben. Putin wird niedergemacht, Russland soll ebenfalls destabilisiert und als machtpolitischer Faktor in der internationalen Politik ausgeschaltet werden. Europa würde dann zum absoluten Einflussgebiet der USA.
- Der US-General Wesley Clark, zeitweise Oberbefehlshaber der NATO, hat 2007 in einem Interview rückblickend gesagt, dass nach 9/11 schon die Bush-Administration den Krieg gegen sieben Länder geplant habe. Das waren außer Afghanistan der Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und letztlich noch der Iran.
- Die westlichen Medien betreiben in ihrer Mehrzahl in schamloser Weise Regierungspropaganda, ein Teil sogar Kriegshetze. Einer immer skeptischer werdenden Öffentlichkeit wird diese Propaganda als objektiv und die Aggressionspolitik des Westens als notwendig angeblich zum Schutz der „westlichen Wertegemeinschaft“ verkauft, die Fakten werden umgelogen. Kritiker dieser unverantwortlichen Berichterstattung verfallen einer dreisten Gegenpropaganda; sie werden diffamiert und sind von Existenzentziehung bedroht, wie sich nicht nur in dem beispiellosen Vorgehen gegen Befürworter des Nord-Stream-2-Projekts gezeigt hat.
- Durch den Regierungswechsel in den USA von Trump zu Biden hat sich die Gefahr für den Weltfrieden nicht verringert, im Gegenteil. Joe Biden, der alle US-Präsidenten der vergangenen Jahre beraten hat, Vizepräsident und Außenminister war, ist wesentlich mitverantwortlich für die Interventionskriege der USA in aller Welt sowie in Europa für den Angriffskrieg gegen Jugoslawien und die Destabilisierung der Ukraine. Und er betreibt die Kriegsvorbereitungen gegen Russland konsequent weiter.
Zu fordern ist erstens der Austritt Deutschlands aus der NATO, die seit Langem ihre eigenen Statuten nicht mehr einhält und sich zu einem Aggressionsbündnis entwickelt hat. Zweitens müssten die Truppenstationierungsverträge gekündigt und ein Abzug sämtlicher fremder Truppen aus Deutschland gefordert werden. Denn solange sich immer noch fremdes Militär auf deutschem Territorium aufhält, steht die Berliner Regierung unter Kuratel der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, insbesondere der USA. Drittens ist eine Normalisierung der Beziehungen zu anderen Staaten insbesondere zu Russland anzustreben.
Auf diese Forderungen werden die USA niemals eingehen, vielmehr werden sie alles zu verhindern suchen, was Deutschland unabhängiger macht und was das Verhältnis zu Russland normalisieren würde. Zurzeit ist Biden auf dem Weg, eine Allianz westlicher Staaten gegen das Jahrhundertprojekt One-Belt-One-Road zu schmieden, und er beabsichtigt offensichtlich, den Krieg in der Ukraine erneut anzuheizen. Darauf deuten Äußerungen seines Außenministers Antony Blinken und von US-Einflussagenten wie Cem Özdemir, Norbert Röttgen, Robert Habeck und anderen russlandfeindlichen Parlamentariern hin.
Der russische Präsident Putin hat bereits 2001in seiner friedenspolitischen Rede vor dem Deutschen Bundestag von einem gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum von Wladiwostok bis Lissabon gesprochen und immer wieder Kooperation angeboten. Dem setzen die USA ihren unipolaren Anspruch mit einer Aggressionspolitik und militärischen Einkreisung Russlands entgegen. Was ist also unter diesen Bedingungen von dem Gipfeltreffen zwischen Joe Biden und Wladimir Putin am 16. Juni in Genf zu erwarten? Joe Biden ist der dienstälteste russophobe US-Politiker, ein hochgefährlicher Kriegstreiber, der es schließlich bis ins Präsidentenamt geschafft hat und nun den guten Onkel aus Amerika spielt. Die Menschheit darf gespannt sein.
Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. Kürzlich erschien im Verlag zeitgeist sein Buch „Deutschland – verraten und verkauft. Hintergründe und Analysen“.
Titelbild: charnsitr / Shutterstock
[«1] spiegel.de/ausland/nato-generalsekretaer-stoltenberg-ruft-russland-zu-treffen-auf-a-c10b4c01-d32c-4040-b546-7a0d2b182a95
[«2] www.welt.de/politik/ausland/article231626487/Stoltenberg-Beziehungen-zwischen-Nato-und-Russland-haben-Tiefpunkt-erreicht.html
[«3] Norbert Röttgen (CDU) zu Russland – “Ich bin überhaupt nicht für eine Politik des Wartens” (deutschlandfunk.de)