Woher kommt das SARS-CoV-2? Das Revival der Laborhypothese

Woher kommt das SARS-CoV-2? Das Revival der Laborhypothese

Woher kommt das SARS-CoV-2? Das Revival der Laborhypothese

Ein Artikel von Rainer Fischbach

Lange Zeit galt die These, das SARS-CoV-2-Virus entstamme nicht eines natürlichen Ursprungs, sondern sei menschlichen Ursprungs und womöglich bei einer Panne in einem Labor freigesetzt worden, als abseitig – und dies, obwohl die US-Präsidenten Trump und Biden samt ihrer Dienste diese Erklärung offenbar ernsthaft in Betracht zogen und ziehen. Rainer Fischbach ist dieser Frage für die NachDenkSeiten nachgegangen und ist dabei auf interessante Beobachtungen gestoßen.

Zu den schlimmsten Langzeitfolgen des politischen Umgangs mit SARS-CoV-2 und seiner medialen Begleitung gehört eine aus Angst geborene psychische Deformation, die in vielfältigen Symptomen Gestalt annimmt.[1] Eine dieser Gestalten ist die einer Blockade jeglicher rationalen Auseinandersetzung mit nahezu allen Aspekten des Virus, seiner Wirkungen und ganz besonders seiner Herkunft. Vermutungen, dass die nicht unmittelbar in der Natur läge, sondern vielmehr menschliche Intervention in Form genetischer Manipulation in einem Labor mit anschließender Freisetzung — durch welche Umstände oder aus welchen Motiven auch immer — beteiligt gewesen wäre, wurden durch prominente und auch laute Stimmen aus der Scientific Community sehr schnell zurückgewiesen und in den dominierenden Medien vehement bekämpft. Wie bei vielen anderen Fragen war und ist bei solchen Vermutungen immer noch das V-Wort ganz schnell bei der Hand und noch schneller, wenn ein als disqualifiziert geltender Akteur, in diesem Fall Donald Trump, sie äußert.

Offenkundig ist, dass die Vermutung, dass das Virus einem chinesischen Labor entstamme, durch Akteure, die eine Konfrontation des Westens mit China betreiben, begierig aufgegriffen und verbreitet wird. Jedoch ist weder dem Frieden zwischen den Völkern noch der Weltgesundheit gedient, wenn jene Vermutung aus diesem Grund ununtersucht gelassen wird, zumal es starke und sich zunehmend verdichtende Indizien für sie gibt. Eine Untersuchung ist in höchstem Interesse aller Völker, auch des chinesischen, da die Indizien auf ein fragwürdiges Forschungsprogramm und eine entsprechende Forschungspraxis hindeuten, die sich keinesfalls auf China beschränken, sondern Interessenten und Finanziers auch außerhalb Chinas finden. Tatsächlich werden sie weltweit verfolgt und bergen schwer einzuschätzende Gefahren für die Weltgesundheit. Angesichts dieser Situation nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, von einem »Verschwörungsmythos« zu reden und zu behaupten, dass »unter Wissenschaftlern […] weltweit ein breiter Konsens darüber [herrscht], dass das Coronavirus weder künstlich hergestellt wurde noch aus einem Labor entwichen ist«,[2] bedeutet, sein Publikum irrezuführen. Denn tatsächlich gibt es diesen Konsens nicht.

Wenn Teilnehmer in der Debatte um COVID-19 und seine Herkunft das V-Wort in den Mund nehmen, um die Gegenseite abzuwerten, und reklamieren, den überwältigenden Konsens der Wissenschaft auf ihrer Seite zu haben und vor allem moralisch im Lager derer zu stehen, die heroisch den Kampf gegen das Virus führten, ist kritische Vorsicht angebracht. Tatsächlich war es im März letzten Jahres ein von mehreren Wissenschaftlern, darunter auch Christian Drosten, unterzeichneter Brief an die renommierte medizinische Zeitschrift The Lancet,[3] der sich genau jener Mittel bediente, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und damit auch Erfolg hatte. »We stand together to strongly condemn conspiracy theories suggesting that COVID-19 does not have a natural origin«, wurde dort erklärt, und behauptet »scientists from multiple countries have published and analysed genomes of the causative agent, severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2), and they overwhelmingly conclude that this coronavirus originated in wildlife, as have so many other emerging pathogens«. Und schließlich versicherte man den »science and health professionals of China, […] that we stand with you in your fight against this virus«. Auch ein kurz darauf in Nature Medicine erschienener weiterer Brief,[4] der versuchte, die bloße Deklaration des Lancet-Briefs durch Argumente zu untermauern, verfehlte seine beabsichtigte Wirkung nicht: In den Mainstream-Medien gilt die Labortheorie des Virusursprungs bis heute als erledigt.

Dass die Unterzeichner des Lancet-Briefs für ausgeprägte, unter Verstoß gegen die Standards des wissenschaftlichen Publizierens undeklariert gebliebene, Interessen standen, die schon durch eine genauere Untersuchung und erst recht durch eine Bestätigung der Labortheorie schweren Schaden nehmen würden, wurde erst langsam publik.[5] Die EcoHealth-Allianz, mit der die meisten Unterzeichner in Verbindung stehen, sofern sie dort nicht sogar wie Peter Daszak, der Initiator des Briefs, als Vorsitzender Schlüsselfunktionen ausüben, fungiert als Schaltstelle zwischen Forschungsprogrammen, Forschungseinrichtungen und Geldgebern — wobei die Forschung, die dort im Zentrum des Interesses steht, sehr viel mit Viren und den Möglichkeiten, deren Virulenz zu steigern, zu tun hat, während sich unter den Geldgebern US-Behörden wie das Verteidigungsministerium (DoD, Department of Defense) und die nationalen Gesundheitsbehörden (NIH, National Institutes of Health) befinden und unter den Empfängern auch das Wuhan Institute of Virology (WIV) auftaucht.[6] Letzteres Institut forscht in der Stadt, in der SARS-CoV-2 zuerst auftauchte, seit vielen Jahren, bis 2020 finanziert durch Mittel der NIH, die es durch Vermittlung der EcoHealth-Allianz erhielt, in Kooperation mit US-Forschern an tierischen Coronaviren, insbesondere daran, wie genetische Veränderungen diese befähigen könnten, auf den Menschen überzugehen. Neben dem WIV gibt es mit dem Wuhan Center for Disease Control and Prevention (WHCDC) in Wuhan ein zweites Institut, wo vergleichbare Forschung stattfindet.

Tatsächlich trafen die Behauptungen, dass der natürliche Ursprung des SARS-CoV-2 über jeden Zweifel erhaben sei, auf nachdrücklichen Widerspruch, der von den Mainstream-Medien jedoch weitgehend ignoriert wurde. Interessanterweise kam der Widerspruch kaum aus dem Umkreis der Humanmedizin bzw. der dort angesiedelten Virologie, sondern aus den Naturwissenschaften, genauer: eher deren zweiter Reihe, und wurde auch auf entsprechenden Plattformen publiziert.[7] Rossana Segreto, die Studien dazu eigenmotiviert parallel zu ihrer Arbeit an der Universität Innsbruck durchgeführt hatte und erst nach sieben fehlgeschlagenen Anläufen ein Journal fand, das ihre Ergebnisse publizieren wollte, traf außerhalb der Fachwelt und in einigen Alternativmedien lediglich in regionalen österreichischen Medien wie der Tiroler Tageszeitung und dem Kurier[8] auf ein Echo, wobei Letzterer sich im, vermutlich nicht vom Autor des Artikels formulierten, Titel zwar des V-Wortes nicht enthalten mochte, doch im Text ebenso wie die Erstere ihre Argumentation in groben Zügen sachlich wiedergab.

Unter den Spiegelungen in den Alternativmedien sticht die Behandlung durch den Wiener Psychiater Raphael Bonelli hervor — nicht nur durch die von ihm gewohnte ruhig distanzierte und differenzierte Art, sondern auch durch das Eingeständnis, dass er zunächst ein Denkverbot hätte überwinden müssen; nämlich das, sich auf etwas einzulassen, was eine Instanz im Kopf schon aufgrund gewisser struktureller Eigenschaften und sprachlicher Schlüssel als Verschwörungstheorie markiert hätte.[9] Bonelli identifizierte damit einen Mechanismus, der nicht nur bezüglich des SARS-CoV-2, sondern auch anderer Themen wie etwa 9/11 eine rationale Auseinandersetzung ausschließt und das gesellschaftliche Klima vergiftet: die Gewissheit, Äußerungen ohne Würdigung von Argumenten und Tatsachen schon anhand von gewisse formalen Merkmalen — Wortwahl, argumentative bzw. narrative Struktur — oder ihrer Nähe zu bzw. ihres Bezugs auf bereits für auszuschließende gehaltene Instanzen als indiskutabel klassifizieren zu können. Man bewegt sich dabei in einem nur noch selbstreferentiellen, abgeriegelten Universum. Doch die Wahrheit von Aussagen ist keine Eigenschaft, über die rein sprachimmanent zu entscheiden wäre. Das haben weite Teile der Linken ebenso vergessen wie die Kanzlerin, die meint, ihr stehe eine »faktenbasierte Sprache« zur Verfügung.[10]

Ganz anders als Rossana Segreto und ihren Koautoren erging es dem Hamburger Physikprofessor Roland Wiesendanger, der als Fachfremder, anders als jene, nicht primär bzw. allein inhaltlich mikrobiologisch argumentierte, sondern aus einer Vielzahl von Quellen ein Patchwork von Indizien erstellte, die den Laborursprung des Virus nahelegen sollen:[11] er löste damit bei ZDF, NDR, DW etc. die üblichen, oft im Gewand des »Faktenchecks« daherkommenden Reflexe aus. Einzig die Neue Zürcher Zeitung, die sich auch sonst in der Sache COVID-19 nicht durchgängig die verbissene Herangehensweise deutscher Medien zu eigen macht, gewährte, Noblesse oblige, Wiesendanger ein faires Interview.[12] Daraus ergibt sich kein gutes Bild, weder von den Verhältnissen innerhalb der Wissenschaften noch zwischen ihnen oder gar der Weise, in der die Medien mit ihnen umgehen. Während Tabus und Gruppenzwang in der Medizin recht wirksam zu sein scheinen, ist in den Naturwissenschaften, zumindest in deren zweiter Reihe, mehr Neigung zum Widerspruch erkennbar und bei genügender Ausdauer sogar eine Publikationsplattform dafür zu finden; wobei die populären Medien alles, was nicht mindestens von einem aktuellen oder emeritierten Lehrstuhlinhaber oder einer sonst hinreichend bekannten Person stammt, schlicht ignorieren und im anderen Fall rücksichtslos niedermachen, sofern es nicht in ihr vorgefasstes Weltbild passt.

Möglicherweise müssen einige Politiker, Journalisten und Großintellektuelle jetzt die tonnenweise verteilten V-Wörter wieder hinunterwürgen, nachdem der von ihnen so geliebte neue US-Präsident nun immerhin vorsichtig in Erwägung zu ziehen bereit scheint, was sein Vorgänger zur Gewissheit erklärt und in zweifellos plumper Weise um sich geworfen hat: den Verdacht, dass SARS-CoV-2 im WIV durch genetisches Engineering entstanden und durch mangelnde Vorsicht daraus entkommen sein könnte.[13] Delikat ist an der Angelegenheit, dass sich daraus eben nicht in plumper Trump‘scher Weise ein einseitiger Vorwurf gegen China basteln lässt, sondern dass zunächst die USA selbst, genauer: US-Behörden und Wissenschaftsorganisationen, tief darin verstrickt sind und dass darüber hinaus ein ganzes, weltweit verfolgtes und von US-Akteuren zwecks Umgehung von verschärften nationalen Regeln in ausländische Zentren verlagertes Forschungsprogramm, das schon zuvor in der Kritik gestanden hat, sich dadurch als zu gefährlich und von höchst fragwürdigem Nutzen erweist. Dieses Programm zielt auf das, was im Fachjargon gain of function (GOF) genannt wird, also darauf, Varianten von Viren und Bakterien zu erzeugen, die für Menschen erhöhte Infektiösität und Pathogenität aufweisen, um, so die Rechtfertigung, der Natur oder einem Angreifer, der solche als Waffen einsetzen möchte, mehrere Schritte voraus zu sein. Fatal jedoch, wenn solche Forschung, wie mit einigem Grund vermutet, am WIV auch noch unter unzureichenden Sicherheitsbedingungen stattfindet.[14]

Das offenkundig werdende Scheitern der GOF-Forschung hat auch Konsequenzen für die Biowaffenkonvention,[15] ein 50 Jahre altes Rüstungskontrollabkommen, dessen Worte sich schön anhören, doch bisher praktisch folgenlos blieben. Die Biowaffenkonvention verbietet zwar die Entwicklung, den Besitz und den Einsatz von biologischen Waffen, doch steht ihr kein Kontrollregime zur Seite. Vor allem jedoch erlaubt sie in Artikel X.1 biologische Forschung »for the prevention of disease, or for other peaceful purposes«. Doch unter dieser vorgeblichen Zielsetzung lassen sich selbstverständlich auch offensiv einsetzbare Agenzien, d.h. pathogene Mikroorganismen oder Toxine entwickeln, denn über die muss man erst verfügen, um Gegenmittel entwickeln zu können, mit denen man einem Angreifer oder auch nur den Launen der Natur voraus sein möchte. Der Unterschied von defensiver und offensiver Forschung liegt lediglich in der Deklaration. Die auf GOF zielende Forschung ist also prinzipiell immer von dual use, d.h. von militärischer nicht zu unterscheiden. Dagegen wirksam werden könnte erst eine geschärfte Biowaffenkonvention, die auch solche Entwicklungen unter dem Vorwand defensiver Forschung untersagt und dieses Verbot wirksam kontrolliert.

Wenn die Sache mit SARS-CoV-2 etwas beweist, dann sicher, dass respiratorische Viren wie die Coronaviren keine besonders geeignete Plattform für die Entwicklung von Biowaffen abgeben. Sie lassen sich nicht präzise gegen ein Ziel richten, ihre Verbreitung lässt sich kaum eingrenzen und vor allem sind sie gegen die primären Ziele von Waffen – gesunde, arbeits- und kampffähige Menschen – nahezu unwirksam. Doch ohne Zweifel gibt es in der Welt der Viren und Bakterien Effektiveres. Vor dem Hintergrund der Attentate, die im Herbst 2001 auf Journalisten und Politiker mittels Anthrax-Bakterien verübt wurden, die eindeutig zu einem Stamm gehörten, der in einem Labor der US-Army auf höchste Infektiösität und Pathogenität gezüchtet worden war, nährt die GOF-Forschung in Wuhan und noch mehr der Versuch führender Wissenschaftler, US-amerikanischer und chinesischer Beamter, die in diese Dinge verwickelt sind, weniger durch Argumente, sondern durch autoritäre Deklarationen und sozialen Druck sowohl die Öffentlichkeit als auch die Forschergemeinschaft von der naheliegenden Vermutung einer Rolle jener Forschung bei der Entstehung des SARS-CoV-2 und darauf gerichteten Untersuchungen abzubringen, den weitergehenden Verdacht, dass in diesem Zusammenhang nicht nur Pathogene entwickelt, sondern damit auch bestehende Rüstungskontrollverträge systematisch weiter ausgehöhlt werden, als sie es ohnhin schon sind.[16] Vor allem jedoch scheinen einige Akteure eine Strategie der gezielten Desinformation zu verfolgen. Doch anscheinend geht die nicht mehr auf.

Das Ende Mai dieses Jahres publik gemachte Umdenken der US-Regierung war das Ergebnis einer Reihe von Ereignissen in den Wochen zuvor: Am 5. Mai war im renommierten Bulletin of the Atomc Scientists, wo man der Laborhypothese immer schon offener gegenübergestanden hatte,[17] ein Übersichtsartikel von Nicholas Wade erschienen, der die Argumentation für die Laborthypothese in eine Sprache übersetzte, die sie für ein breiteres Publikum zugänglich machte.[18] Ein Übriges tat ein Brief an das Wissenschaftsmagazin Science, in dem Prominente aus der ersten Reihe der Wissenschaften sich aus der Deckung wagten, indem sie ihre Unzufriedenheit mit dem bisherigen, durch die WHO verantworteten Gang der Erforschung der Ursprünge des SARS-CoV-2 artikulierten und nachdrücklich eine angemessene Berücksichtigung der bisher nur unzureichend gewürdigten Hypothese des Laborursprungs forderten.[19] Auch wenn das Umdenken der demokratischen US-Regierung für viele Beobachter der Sache allein noch kein Motiv wäre, die Laborhypothese in Betracht zu ziehen, so doch die Sachgründe, die der Artikel von Wade fachlich aufbereitet:

  1. Die geringe Plausibilität eines natürlichen Ursprungs: Alle Versuche, das ursprüngliche tierische Reservoir, aus dem, und den evolutiven Pfad zu bestimmen, auf dem das SARS-CoV-2 auf den Menschen übergegangen sein könnte, sind bisher erfolglos geblieben. Dies steht in starkem Kontrast zum 2002/2003 aufgetauchten SARS-CoV-1, bei dem das innerhalb von 4 Monaten, und zum 2012 aufgetauchten MERS-CoV, bei dem dies in 9 Monaten gelang. Mehr noch, die Wirte der Viren, die die größte Ähnlichkeit mit SARS-CoV-2 aufweisen, gehören einer Subspezies der Hufeisennasen, einer Fledermausart an. Die Heimat dieser Subspezies liegt im südwestchinesischen Yunnan, 1.500km vom zentralchinesischen Wuhan entfernt. Der Aktionsradius dieser Fledermäuse beträgt maximal 50km. Niemand kann erklären, wie das Virus, ohne Spuren zu hinterlassen, von dem einen zu dem anderen Ort gelangen und sich dabei an den neuen Wirt Mensch anpassen konnte. Sicher ist jedoch, dass Mitarbeiter des WIV Coronaviren von diesen Fledermäusen in Yunnan gesammelt und damit experimentiert haben.
  2. Strukturelle molekularbiologische Merkmale des Virus: Die Virionen, die in der frühen Verbreitungsphase des SARS-CoV-2 gefunden wurden, weisen zwei bemerkenswerte Merkmale auf: Sie waren bereits sehr gut auf den neuen Wirt angepasst, d.h. entsprechend dazu in der Lage, in menschliche Zellen einzudringen, und vor allem genetisch homogen. In den Verwandten des SARS-CoV-2 ist an der Stelle, wo der sehr effektiv aufgebaute Eindringmechanismus der Stachelproteine (englisch-fachsprachlich ist das die Receptor-bindung Domain) codiert ist, im Genom keine Einfügung vorhanden. In der Natur wurden bisher keine Übergänge zu einer so deutlichen und wirksamen Anpassung gefunden. Eine auf menschlichen Eingriff zurückgehende punktuelle Quelle liegt deshalb nahe.
  3. Die Existenz von entsprechenden Forschungsprogrammen: Wie bereits ausgeführt, wurde am WIV mit Finanzierung durch EcoHealth an der Manipulation von Coronaviren gearbeitet, die lediglich durch eine willkürlich enge Auslegung des Begriffs nicht als GOF-Forschung deklariert werden musste: Man arbeitete nicht daran, die Pathogenität bzw. Infektiösität einer der bekannten humanpathogenen Arten wie SARS-CoV-1, MERS-CoV etc. zu steigern, sondern von noch nicht so klassifizierten wilden Arten.
  4. Die fragwürdige Qualität der Sicherheitsvorkehrungen: Tatsächlich gab es immer wieder Lecks in mikrobiologischen Laboren und Mängel führten in Wuhan auch schon zu Beanstandungen durch chinesische Behörden. Das WIV verfügt zwar über Einrichtungen, die dem höchsten Sicherheitsniveau BSL-4 (biosafety level 4) entsprechen, doch scheint ein beständiges Problem nicht nur dort darin zu bestehen, dass solche Einrichtungen keinesfalls immer benutzt werden, wenn dies angezeigt wäre. Gründe dafür liegen zum Teil darin, dass viele Mitarbeiter über keine ausreichende Qualifikation zur Arbeit auf BSL-4 verfügen, vor allem jedoch darin, dass selbst bei vorhandener Qualifikation diese Arbeit als zu mühsam und belastend empfunden wird — weshalb meist auf dem nicht adäquaten BSL-3 oder sogar BSL-2 gearbeitet wird. Dass schon im Herbst 2019 Mitarbeiter des WIV mit COVID-19-ähnlichen Symptomen erkrankten, verstärkt den entsprechenden Verdacht. Dass bei den betreffenden Mitarbeitern heute ein Test auf SARS-CoV-2-spezifische Antikörper negativ ausfällt, hat wenig zu sagen, da inzwischen bekannt ist, dass diese Antikörper relativ schnell verschwinden.

Der Sachverhalt, dass vorhandene Einrichtungen nicht angemessen genutzt werden, deutet auf ein globales Skalierungsproblem hin: Etwas, was im theoretischen Idealfall korrekt funktioniert, tut dies nicht mehr, wenn es vervielfältigt und in der Fläche ausgerollt wird. Möglicherweise gibt es mehr hochriskante Forschung in den Biowissenschaften als Forscher, die nicht nur dazu qualifiziert sind, sie unter den angemessenen Sicherheitsvorkehrungen auszuführen, sondern auch bereit sind, die damit einhergehenden Belastungen im Alltag zu ertragen. Die Geschichte von COVID-19 ist auch sonst voll von Beispielen für solche Skalierungsprobleme: so z.B. zu glauben,

  • dass RT-PCR-Tests korrekt ausgeführt und interpretiert werden, wenn man das tägliche Volumen solcher Tests weltweit tausendfach steigert,
  • dass FFP-2-Masken korrekt getragen werden, wenn man zig Millionen ungeschulte und zum Teil extrem schwach motivierte Bürger dazu zwingt,
  • dass man eine anspruchsvolle Produktion von neuartigen Impfstoffen einfach so von null auf hunderte Millionen Einheiten hochfahren kann,
  • oder dass die Verabreichung dieser Impfstoffe in solchen Mengen unter Einhaltung aller Regeln der ärztlichen Kunst — d.h. unter Beachtung von Forderungen wie der, dass zunächst ermittelt wird, ob sie für den Patienten überhaupt sinnvoll ist, dass er über die Risiken umfassend aufgeklärt wird und eine hinreichende Überwachung und Nachsorge erhält — erfolgen wird,

ist schlichtweg naiv und ein starkes Indiz dafür, dass Politiker, Journalisten und Großintellektuelle, die sich dem hingeben, unter fortgeschrittenem Wirklichkeitsverlust leiden.

Die Geschichte der Laborhypothese sei, wie Nicholas Wade kürzlich in einem Gespräch ausführte, eine Geschichte des Versagens der organisierten Wissenschaften, ihrer großen Journale und der Publikumsmedien. Sie ist bisher auch eines der Politik. Die Fragen, die sich daran knüpfen — insbesondere solche einer Kontrolle hochriskanter Forschung und eines effektiven Verbots von Biowaffen — sind zu wichtig, um sie in einem Wettlauf gegenseitiger Beschuldigungen und konfrontativer Aktionen untergehen zu lassen. Es herrscht bisher sowohl auf der chinesischen als auch auf der US-Seite ein Mangel an Transparenz. Nicht nur müsste China offenlegen, was am WIV und am WHCDC im fraglichen Zeitraum vor sich ging, sondern die USA auch, wie stark die Verwicklung der NIH und von EcoHealth als Schaltstelle darin war. Dies alles weniger, weil COVID-19 die globale Katastrophe wäre, für die sie ausgegeben wird — das war vielmehr die global disproportionale Antwort der Politik darauf — sondern weil es hier um Forschungsprogramme und Praktiken sowie deren militärisch-politische Implikationen geht, deren Bedeutung weit über die von SARS-CoV-2 hinausgeht.

Titelbild: Gorodenkoff/shutterstock.com


[«1] Eine Auseinandersetzung mit diversen Aspekten dieser Deformation bieten die Beiträge in Hannes Hofbauer, Stefan Kraft (Hrsg.): Herrschaft der Angst: Von der Bedrohung zum Ausnahmezustand, Wien: Promedia, 2021.

[«2] Marc Püschel: Tricksen mit dem Virus, junge Welt, 28. Mai: 1, jungewelt.de/artikel/403193.ablenkungsman\%C3\%B6ver-tricksen-mit-dem-virus.html.

[«3] Charles Calisher, Dennis Carroll, Rita Colwell, Ronald B Corley, Peter Daszak, Christian Drosten et al.: Statement in support of the scientists, public health professionals, and medical professionals of China combatting COVID-19, The Lancet 395(10226), March 07, 2020, doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30418-9.

[«4] Kristian G. Andersen, Andrew Rambaut, W. Ian Lipkin, Edward C. Holmes & Robert F. Garry: The proximal origin of SARS-CoV-2, Nature Medicine 26, 17. März 2020, 450-452, doi.org/10.1038/s41591-020-0820-9.

[«5] Sainath Suryanarayanan: EcoHealth Alliance orchestrated key scientists’ statement on »natural origin« of SARS-CoV-2, USRTK, 18. November 2020, usrtk.org/biohazards-blog/ecohealth-alliance-orchestrated-key-scientists-statement-on-natural-origin-of-sars-cov-2/.

[«6] Ein Bild des institutionellen und finanziellen Netzwerks von EcoHealth liefert Gunnar Jeschke: Netzwerken für Fortgeschrittene: Was ist die kürzeste Verbindung von Wuhan zum Investment-Banking? Freitag Blog, 11. April 2021, freitag.de/autoren/gunnar-jeschke/netzwerken-fuer-fortgeschrittene.

[«7] Wichtige Publikationen sind Karl Sirotkin, Dan Sirotkin: Might SARS-CoV-2 Have Arisen via Serial Passage through an Animal Host or Cell Culture? A potential explanation for much of the novel coronavirus’ distinctive genome. BioEssays 42(10), Oktober 2020, doi.org/10.1002/bies.202000091; Rossana Segreto, Yuri Deigin: The genetic structure of SARS‐CoV‐2 does not rule out a laboratory origin: SARS-CoV-2 chimeric structure and furin cleavage site might be the result of genetic manipulation, BioEssays 43(3), März 2021, doi.org/10.1002/bies.202000240; Rossana Segreto, Yuri Deigin, Kevin McCairn, Alejandro Sousa, Dan Sirotkin, Karl Sirotkin, Jonathan J. Couey, Adrian Jones, Daoyu Zhang: Should we discount the laboratory origin of COVID-19? Environmental Chemistry Letters, 25. März 2021, doi.org/10.1007/s10311-021-01211-0; Yuri Deigin, Rossana Segreto: SARS-CoV-2′s claimed natural origin is undermined by issues with genome sequences of its relative strains, BioEssays, 27. Mai 2021, onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/bies.202100015.

[«8] Forscher: Labor als Coronavirus-Ursprung ist nicht auszuschließen, Tiroler Tageszeitung, 15. Januar 2021, tt.com/artikel/30773308/forscher-labor-als-coronavirus-ursprung-ist-nicht-auszuschliessen; Coronavirus aus Labor entwichen? Innsbrucker Mikrobiologin befeuert Verschwörungstheorie, Kurier, 14. Januar 202, kurier.at/wissen/wissenschaft/innsbrucker-mikrobiologin-befeuert-verschwoerungtheorie-coronavirus-aus-labor-entwichen/401155779.

[«9] Raphael Bonelli: Brisante Hinweise zum Ursprung der Pandemie: Wird die nächste Verschwörungstheorie wahr? RPP Institut, 16. Januar 2021, youtube.com/watch?v=YcWlRczjDQc.

[«10] Merkel nennt Verschwörungsideologien »Angriff auf unsere ganze Lebensweise«, Spiegel, 15. Dezember 2020, spiegel.de/politik/deutschland/angela-merkel-zu-verschwoerungsideologien-angriff-auf-unsere-ganze-lebensweise-a-95cb7814-515f-48e1-8092-9384ecd22e7c.

[«11] Roland Wiesendanger: Studie zum Ursprung der Coronavirus-Pandemie, ResearchGate, Februar 2020, doi.org/10.13140/RG.2.2.31754.80323.

[«12] Alexander Kissler: «Nirgends war die Ablehnung so wüst wie in Deutschland»: Roland Wiesendanger verteidigt seine umstrittene Corona-Studie, Neue Zürcher Zeitung, 24. Februar 2020, nzz.ch/international/physiker-wiesendanger-verteidigt-seine-umstrittene-corona-studie-ld.1603480.

[«13] Demetri Sevastopulo: How Biden came around to the Wuhan lab-leak theory, Financial Times, 31. Mai 2021, ft.com/content/923e0256-7f7e-43ef-b4fe-64c066b8b70b.

[«14] Kiran Stacey: Covid-19 lab-leak theory puts Wuhan research in spotlight, Financial Times, 28. Mai 2021, ft.com/content/7fef48f1-88a4-48f7-8263-c50384643b7f.

[«15] Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling ofBacteriological(Biological) and Toxin Weapons and on their Destruction. Opened for Signature at London, Moscow and Washington. 10 April 1972, ihl-databases.icrc.org/applic/ihl/ihl.nsf/xsp/.ibmmodres/domino/OpenAttachment/applic/ihl/ihl.nsf/BACF97285A9CB2A2C12563CD002D6C88/FULLTEXT/IHL-68-EN.pdf.

[«16] Dazu Glenn Greenwald: The FBI’s Strange Anthrax Investigation Sheds Light on COVID Lab-Leak Theory and Fauci’s Emails, Substack, 3. Juni, greenwald.substack.com/p/the-fbis-strange-anthrax-investigation.

[«17] Milton Leitenberg: Did the SARS-CoV-2 virus arise from a bat coronavirus research program in a Chinese laboratory? Very possibly, Bulletin of the Atomic Scientists, 4. Juni 2020, thebulletin.org/2020/06/did-the-sars-cov-2-virus-arise-from-a-bat-coronavirus-research-program-in-a-chinese-laboratory-very-possibly/.

[«18] Nicholas Wade: Did people or nature open Pandora’s box at Wuhan? Bulletin of the Atomic Scientists, 5. Mai 2021, thebulletin.org/2021/05/the-origin-of-covid-did-people-or-nature-open-pandoras-box-at-wuhan/.

[«19] Jesse D. Bloom, Yujia Alina Chan, Ralph S. Baric et al.: Investigate the origins of COVID-19, Science 372(6543), 14. Mai 2020, 694, doi.org/10.1126/science.abj0016.

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