Am vergangenen Donnerstag wurde das Nordlink genannte Unterseekabel für Starkstrom zwischen Deutschland und Norwegen offiziell seiner Bestimmung übergeben. Derweil befindet sich die Celtic Interconnector genannte Verbindung zwischen der Republik Irland und der Bretagne noch in der Planungsphase. Beide Kabel sollen laut den Betreibern und Konstrukteuren für mehr Versorgungssicherheit und eine bessere Verteilung des Stroms sorgen und Spitzenlasten bzw. Überschüsse vermeiden helfen. Laut den Betreibern von Nordlink „dürfte das zugunsten der Verbraucher sein“. Nach einem Ortstermin beim geplanten Anlandepunkt im Süden Irlands, dem Anschauen eines Webinars und Recherchen im Internet bleiben allerdings noch einige, auch grundsätzliche Fragen offen zu diesem Projekt, welches mit 500 Millionen Euro rund zur Hälfte von der EU finanziert werden soll. Von Moritz Müller.
Am Celtic Interconnector sind die staatliche irische Netzbetreibergesellschaft Eirgrid sowie deren französisches Gegenstück RTE beteiligt. Diese Firmen planen den Bau und würden das Kabel, welches über eine Kapazität von 700 MW verfügen soll, nach der Fertigstellung auch betreiben. Auf der Webseite von Eirgrid kann man deren Informationen zum Kabel finden.
2009 gab es eine Machbarkeitsstudie, die sich mit der Verbindung des Stromnetzes der Insel Irland mit den Nachbarn Großbritannien und Frankreich beschäftigte. Die damals noch nicht Celtic Interconnector genannte Verbindung mit der Bretagne war in der Studie eine von mehreren Optionen.
Es gibt bei Eirgrid mittlerweile eine ganze Seite mit Dokumenten zum Interconnector. Dort findet man detaillierte Karten der geplanten Anlandepunkte und wie die Umspannwerke realisiert werden sollen, aber eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse findet sich nicht. Und das legt den Schluss nahe, dass dies entweder nie gemacht wurde oder dass man die Ergebnisse nicht veröffentlichen wollte. Dies ist natürlich nur eine Vermutung, aber auch die Tatsache, dass die mir vorliegenden diesbezüglichen Anfragen eines Anliegers der geplanten Streckenführung nicht beantwortet wurden, passt in dieses Bild.
Trotzdem ging die Planung danach richtig los und es sind mittlerweile einige Millionen Euro in diese Planungen geflossen. Dies führte zu vielfältigen Vorschlägen, wie man die Streckenführung realisieren könnte. Mittlerweile hat sich Claycastle, zwei Kilometer südlich der Ortschaft Youghal im Osten der Grafschaft Cork, als der Punkt herauskristallisiert, an dem das Kabel nach 500 km unter dem Meer wieder an Land kommen soll. Hier glaubt man gute Bedingungen gefunden zu haben, da es sich nicht um die in der Umgebung vorherrschende Felsenküste, sondern um eine weite Flussebene mit Schwemmland handelt und somit das Kabel verhältnismäßig leicht unter die Erde zu bringen ist.
Die ersten Kilometer der Strecke verlaufen durch ein als Vogelschutzgebiet ausgewiesenes Moor. Das ist wahrscheinlich billiger, als wenn man Milchbauern für ihre Weiden entschädigen müsste. Danach soll die Trasse der Nationalstraße N25 folgen, die hierfür aufgegraben werden müsste.
Um zwei Ortschaften herum ist die Planung noch nicht ganz so klar. Es wird auch eine Konverterstation benötigt, in der der Gleichstrom des Unterseekabels in Wechselstrom umgewandelt wird. Von dort soll der Wechselstrom nach einigen weiteren unterirdischen Kilometern in Knockraha in das irische Netz eingespeist werden.
Ein offizieller Bauantrag für diese Arbeiten ist noch nicht gestellt worden.
Es gab auch diverse Anhörungen, in denen es zumeist um Fragen des lokalen Baumanagements und des Naturschutzes ging, und ob von der Leitung eine Gefahr durch Elektrosmog ausgeht. Fragen zum ökonomischen Sinn des Gesamtprojekts wurden in dem Webinar, das ich mir anschaute, nicht behandelt.
Was mir auch auffiel, war die Gegenwartsform, welche alle Planer bei dem Webinar benutzten. Durchgehend hörte man Sätze wie: „dann graben wir“, „dann stellen wir es wieder her“. Im Englischen, wo man auf die jeweilige Zeitform sehr achten muss, klang dieses Weglassen von Futur oder Konditional sehr merkwürdig, als sei die Realisierung des Projektes schon eine ausgemachte Sache und der noch nicht einmal eingereichte Bauantrag nur eine Formalität. Mit Planen, Projektieren und dem Erstellen von Studien lässt sich natürlich auch schon Geld ausgeben und verdienen.
Nun neugierig geworden, machte ich mich auf nach Youghal, wo mir ein Ortskundiger bei einem längeren Strandspaziergang die Details zeigte. Der Strand ist fast 5 km lang und an manchen Stellen so breit, dass er fast wie eine Wattlandschaft anmutet (siehe Titelfoto).
Als Erstes fallen einem die derzeit verwaisten Läden und Restaurants an der Promenade auf, die nach einigen hundert Metern aus Beton und Asphalt als 1,7 km langer, erhöhter Weg aus Tropenholz weiterführt. Auch die in regelmäßigen Abständen hinaufführenden Treppen sind aus diesem Holz.
Laut meinem Begleiter handelt es sich um als unbedenklich zertifiziertes Bongossi-Holz, aber man fragt sich bei der schieren Menge schon, ob die Erbauer sich mit der Frage von Regenwaldschutz oder Klimawandel auseinandergesetzt haben.
Auch dass der Weg so nah am stürmischen Atlantik entlangführt und Teile des Dünenbewuchses für den Bau weichen mussten, stimmt nachdenklich. Ich frage mich, wie lange diese Hölzer hier den Elementen standhalten werden und ob sie als lebende Bäume in Afrika nicht einen besseren Zweck erfüllt haben. Pikanterweise nennt sich das Bauwerk auch noch Öko-Strandpromenade (Eco Boardwalk). Eine vorbildliche Nutzung von George Orwells Neusprech. Man sagt etwas, was aber das genaue Gegenteil bedeutet.
Die Claycastle genannte Stelle am Strand fällt eigentlich nur dadurch auf, dass auch die dahinterliegende Ballyvaughan-Marsch sehr tief liegt, wie es sich für ein Feuchtgebiet gehört. Neben der Störung der dortigen Vögel ist eine weitere Befürchtung der Kritiker des Projektes, dass die Betonprofile, in denen die Kabel verlaufen, nicht zu 100 Prozent dicht sein bzw. bleiben werden. Dies würde einerseits zur Folge haben, dass das Moor an den undichten Stellen austrocknet, weil die Röhre wie eine Drainage wirkt, und dass andererseits bei hohen Fluten Salzwasser tief in das Moor eindringen kann.
Bei unserer Wanderung sprachen wir dann natürlich über den Celtic Interconnector und welchen Effekt diese Leitung auf die beteiligten Länder haben wird. Die Versorgungssicherheit ist in Frankreich und Irland eigentlich ähnlich, auch wenn nicht nur die irischen Angaben aus dem Jahr 2010 etwas alt sind. Somit stellt sich die Frage, ob ein an einem Punkt ankommendes Kabel, welches als solches einem Kraftwerk von 700 MW ähnlich ist, sofern auf der anderen Seite die entsprechenden Stromkapazitäten vorhanden sind, hier einen großen Unterschied machen würde.
Die Stromerzeugungskapazitäten sind im Fall von Irland und der Bretagne zurzeit recht unterschiedlich gelagert. Irland hat in den letzten Jahren sehr viel auf Windenergie gesetzt und plant, diese vor allem vor der Küste weiter auszubauen. Es sind auch schwimmende Windenergieparks vor der Westküste geplant. Einer davon soll seinen Strom beim derzeit größten irischen Kohlekraftwerk Moneypoint, welches 2025 vom Netz gehen soll, einspeisen. Die französische Elektrizitätsgesellschaft EDF hat sich schon Anteile am irischen Windenergiesektor gesichert.
In der Bretagne, die nicht über ein eigenes Atomkraftwerk verfügt, müssen gerade weitere Kapazitäten geschaffen werden, um mit dem Bedarf Schritt zu halten, und es wird deshalb ein neues Gaskraftwerk gebaut, welches auch mit allem möglichen Ölen befeuert werden kann. Der Strom aus diesem Kraftwerk wird auch aufgrund von CO²-Aufschlägen wohl teurer werden als der irische Strom aus erneuerbaren Energien.
In der Machbarkeitsstudie von 2009 wird auch erwähnt, dass Frankreich Nettostromexporteur ist und es viel vorhersehbaren und billigen Grundlaststrom aus den französischen Atomkraftwerken gebe, und dass dieser dann durch den Celtic Interconnector nach Irland fließen könne. Wie man dieser Buchbesprechung zumindest tendenziell entnehmen kann, ist dies aber auch mit Vorsicht zu genießen. Es hat den Anschein, als seien die französischen Reaktoren eher marode, was ja auch kein Wunder ist, wenn bei vielen die geplante Betriebsdauer von 40 Jahren bald erreicht ist.
Zwar wird über eine Verlängerung der Laufzeiten um weitere 10 Jahre gesprochen, aber nach Ansicht der Buchautoren würde dies Investitionen von 100 Milliarden Euro erforderlich machen. Allerdings hat die französische Atomaufsicht am Donnerstag eine Verlängerung der jeweiligen Laufzeiten auf mehr als 50 Jahre abgelehnt. Das 1999 in Betrieb genommene Atomkraftwerk Civaux 2 hat damit aber noch nicht einmal die Hälfte seiner Laufzeit erreicht und könnte theoretisch noch bis 2049 in Betrieb bleiben.
Die Kosten für den Rückbau und die Lagerung des Atommülls über Generationen sind in den 100 Milliarden Euro nicht enthalten. Ob man sich mittels eines Verbindungskabels an dieser Misere moralisch, aber auch finanziell beteiligen will, ist auch eine Frage, die Eirgrid zumindest erörtern sollte.
In der Bretagne ist sicher auch viel Potential für Windenergie vorhanden, aber die würde dann wohl auch zu ähnlichen Zeiten erzeugt wie die Windenergie in Irland. Generell kann man sagen, dass der Strom auf dem liberalisierten Strommarkt von billig nach teuer fließt. Es ist also wahrscheinlich, dass Elektrizität für den irischen Verbraucher aus diesem Grund, und weil die langen Leitungen bezahlt werden müssen, teurer wird.
In Südnorwegen sind die Strompreise seit der praktischen Inbetriebnahme von Nordlink angestiegen und auf dieser Karte sieht man gut das Preisgefälle in den unterschiedlichen Regionen.
Was sich auch auf die Preise auswirken wird, ist eine Regel der EU, nach der bis 2025 70 Prozent der grenzüberschreitenden Stromlieferungen für den gewerblichen Handel verfügbar sein müssen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit dieser Tatsache und kommt zu dem Schluss, dass auch dies den Strom für die Verbraucher um 6 Prozent teurer machen wird.
Im Grunde geht es hier um die alte Frage, ob man große Infrastrukturen in öffentlicher und hoffentlich demokratisch kontrollierter Hand baut und behält oder ob man dem Glaubenssatz des „freien“ Marktes folgt und diese Einrichtungen für Handel und Spekulation öffnet. Die Befürworter der Privatisierung sprechen von Wettbewerb und Effizienz, aber private Gewinne müssen auch von jemandem, in diesem Fall den Verbrauchern, finanziert werden. Die Riester-Rente ist so ein Beispiel, wo das Umlageverfahren, welches mit wenigen Prozenten Verwaltungskosten auskam, teilweise aufgegeben wurde zugunsten privater Versicherungen, die ein Mehrfaches an „Betriebskosten“ benötigen.
Bei der fast 600 km langen Leitung zwischen Frankreich und Irland kommen auch noch Leitungsverluste hinzu, welche am geringsten sind, wenn das Kabel mit der vollen Leistung von 700 MW betrieben wird. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass sowohl auf der einen Seite 700 MW gebraucht werden, während auf der anderen Seite 700 MW Überschuss zur Verfügung stehen, oder umgekehrt. Nur in diesen beiden Fällen läuft die Verbindung mit voller Effizienz.
Dies sind vor allem Fragen und wir Strandwanderer mögen mit unserer Skepsis danebenliegen. Sind wir oder die Befürworter des Celtic Interconnector auf dem (Tropen-)Holzweg? Dass diese Fragen anscheinend entweder nicht gestellt wurden oder nicht richtig gehört oder beantwortet wurden, ist bei einem so großen Projekt allerdings schwer verständlich.
Es steht zu befürchten, dass, wenn diese grundsätzlichen Fragen nicht ausreichend erörtert werden, der mit einer Milliarde Euro nicht billige Celtic Interconnector so eine Eigendynamik entwickelt, dass er dann einfach gebaut werden „muss“, auf Kosten der EU-Steuerzahler und Stromkunden. Oftmals verteuern sich Großprojekte auch noch erheblich, in Irland z.B. die Dubliner Straßenbahn, oder der Flughafen Berlin-Brandenburg oder das Paradebeispiel Stuttgart 21. Dann wandert noch mehr Geld vom Kunden zum Dienstleister.
Das nun offiziell in Betrieb genommene Nordlink-Kabel zwischen Norwegen und Deutschland wird auch in diesem Artikel der FAZ nicht nur positiv gesehen. In dem Text wird allerdings die These aufgestellt, dass Norwegen neben Gas nun auch Strom nach Deutschland exportieren wird und somit die Vorteile auf der norwegischen Seite liegen. Das mag für die Stromerzeuger gelten, aber für die Stromkunden wirkt sich ins Ausland verkaufter Strom als Verknappung aus, die sich wie oben erwähnt dann als Verteuerung bemerkbar macht.
Hierzu passt auch die Bemerkung des Sprechers des Netzbetreibers Tennet: „Insgesamt dürfte das zugunsten der Verbraucher sein“. Man fragt sich wirklich, wie es sein kann, dass man ein Stromkabel für 2 Milliarden Euro baut und danach erscheinen bei den Betreibern die Worte „dürfte … sein“ in ihren Prognosen, wenn es um die Verbraucher geht.
Insgesamt stellt sich die Frage, ob die Energiewende – und eigentlich müsste es Umweltschutzwende heißen – mit solchen Großprojekten überhaupt zu schaffen ist. Vielleicht liegt die Zukunft doch eher in intelligenterer Nutzung unserer Ressourcen und dezentralen Strukturen. Alles, was weit transportiert werden muss, erzeugt auf die eine oder andere Art und Weise Druck auf unser Ökosystem.