Der Ko-Vorsitzende der Grünen redet sich beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine um Kopf und Kragen: heute Morgen im Deutschlandfunk hat er noch einmal nachgelegt. Habeck geht entweder unbedarft der ukrainischen Propaganda auf den Leim oder er ist bereit, rücksichtslos deutsch-europäische Anliegen für transatlantische Interessen zu opfern. Scharfe Ressentiments gegen Russland drohen zum letzten verbliebenen grünen Markenzeichen zu werden. Von Tobias Riegel.
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Robert Habeck, Ko-Vorsitzender der Grünen, fordert, Waffenlieferungen an die Ukraine zu ermöglichen – zur „Verteidigung“, wie er sagt. Indirekt möchte er wohl auch eine brandgefährliche NATO-Mitgliedschaft des Landes nicht ausschließen. Die Forderung nach Waffenlieferungen in ein akutes Krisengebiet ist nicht nur prinzipienlos, weil es den letzten Resten pazifistischer Elemente im Wahlprogramm der Grünen widerspricht, wo es heißt, „Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in Kriegsgebiete“ würden sich verbieten. Es ist auch verantwortungslos, weil es einen uns sehr nahen Konflikt anheizen würde und eine immer direktere Konfrontation mit Russland bedeuten würde.
Außerdem ist Habecks Position geschichtsvergessen – nicht nur, was die deutsch-russische Geschichte betrifft, sondern auch, was die Entstehungsgeschichte des Ukraine-Konflikts angeht: Dieser Konflikt ist die direkte Folge des Maidan-Umsturzes von 2014 und der vorausgegangenen massiven Einmischung von westlicher Seite unter starker Beteiligung auch grünen Personals. Die Betonung, er habe doch „nur“ Defensivwaffen gemeint, ist entweder naiv oder bewusst irreführend: Zum einen sind die Grenzen zwischen defensiv und aggressiv bezüglich Waffen fließend. Zum anderen würde ein Überschreiten dieser Grenze und damit ein prinzipielles Goutieren von Waffenlieferungen die Tür für immer weitere Begehrlichkeiten der ukrainischen Regierung öffnen.
Die NachDenkSeiten haben in zahlreichen Artikeln die Hintergründe des Maidan-Umsturzes und des daraus folgenden Ukraine-Konflikts beleuchtet, eine Auswahl finden Sie unter diesem Beitrag.
Habeck handelt gegen die Interessen der Bürger
Habecks Schwarz-Weiß-Position von einer Ukraine, die angegriffen wird und darum jedes Recht habe, sich zu verteidigen, leugnet auch die Tatsache, dass es die ukrainische Maidan-Regierung war, die 2014 mit einer „Anti-Terror-Operation“ gegen den Donbass den innerukrainischen Konflikt zu einer kriegerischen Auseinandersetzung machte. Welche Seite hier eher der Aggressor ist, war immer eindeutig: Die „Volksrepubliken“ haben keine Anstalten gemacht, auf Kiew zu marschieren – Kiew hat seine Truppen (darunter rechtsradikale „Freiwilligenverbände“) gen Donbass marschieren lassen. Die ukrainische Regierung weigert sich zudem bis heute standhaft, ihren Verpflichtungen aus dem Friedensabkommen nachzukommen.
Die Grünen hätten zwar eine „pazifistische Tradition“, sagt nun Habeck – auch wenn diese Tradition von Parteifreunden offen in Zweifel gezogen wird (immerhin gibt es Einzelstimmen, die das noch versuchen hochzuhalten, wie Antje Vollmer). Aber, so Habeck, die Grünen hätten auch eine Tradition der Hilfe gegenüber der Ukraine. Ein Prinzip ist aber nichts wert, wenn es nicht allgemeingültig ist. Eine Ausnahme beim Ukraine-Konflikt entwertet die gesamte Position. Aus „persönlicher“ Verbundenheit gravierende geostrategische Gefahren zu provozieren, die gegen die Interessen der deutschen und europäischen Bürger gerichtet sind, ist im besten Falle sträflich naiv: Habeck erscheint hier als jemand, der entweder völlig unbedarft der ukrainischen Propaganda auf den Leim geht oder rücksichtslos die deutsch-europäischen Interessen für transatlantische Interessen zu opfern bereit ist.
Habeck stellt Ursache und Wirkung auf den Kopf
Das alles erscheint (wie so oft) eine Nummer zu groß für Robert Habeck. Außerdem versucht er, den Konflikt zu emotionalisieren, anstatt ihn kühl einzuordnen. Zusätzlich redet er, wie gesagt, der Geschichtsvergessenheit das Wort, indem er beim Ukraine-Konflikt, wie viele andere westliche Stimmen, Ursache und Wirkung auf den Kopf stellt.
Habeck redet sich bei dem Thema aktuell um Kopf und Kragen. Inzwischen hat er eine Nacht darüber geschlafen, er hätte also nun zurückrudern können. Aber er tritt im Gegenteil heute Morgen in einem Interview mit dem Deutschlandfunk eine radikale Flucht nach vorn an. Das spricht auch dafür, dass die Position im Einklang mit den anderen grünen Führungspersonen ist, denn inzwischen müssten sie Gelegenheit gehabt haben, sich darüber abzustimmen. Man kann ihm für diese Klarheit auch dankbar sein: Die Illusion, Habeck könnte als Korrektiv zu den antirussischen Ansichten der Ko-Vorsitzenden Annalena Baerbock fungieren, sollte sich nun erübrigt haben.
Man fragt sich: Was können Habeck und Baerbock, was können die Grünen mit dieser gefährlichen und bei den deutschen Bürgern nicht beliebten Eskalation gegen Russland gewinnen? Was versprechen sie sich davon, dass scharfe Ressentiments gegen Russland zum letzten verbliebenen grünen Markenzeichen zu werden drohen? Wiegt ein Schulterklopfen der transatlantischen Strukturen und deren Vertreter in der Ukraine die Antipathien auf, die sie in Deutschland mit dieser Eskalation hervorrufen?
Titelbild: Markus Wissmann / Shutterstock
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