Landesmedienanstalt: Verfahren gegen KenFM

Landesmedienanstalt: Verfahren gegen KenFM

Landesmedienanstalt: Verfahren gegen KenFM

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die Landesmedienanstalt Berlin geht weiter gegen das Portal KenFM vor. Der konkrete Vorgang und die durch den neuen Medienstaatsvertrag prinzipiell ermöglichte Drangsalierung von Internet-Publikationen birgt Aspekte der Heuchelei und könnte potenziell gefährlich für die Meinungsvielfalt werden. Von Tobias Riegel.

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Die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) hat ein Verfahren gegen das Internetportal KenFM eingeleitet. Begründung: „Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht“. Konkret gehe es um vier Meinungsbeiträge zur Corona-Politik, wie der Gründer des Portals, Ken Jebsen, in einem Beitrag zu dem Vorgang erklärt. In den monierten Artikeln wurden fehlende Quellen angemahnt. Auf Aufforderung der MABB seien alle Quellen nachgereicht worden. Auch diese seien nicht akzeptiert worden. Das Portal KenFM will nach eigener Aussage alle juristischen Mittel nutzen, um dagegen vorzugehen. Am 14. Mai werde Jebsen von der MABB zu den Vorwürfen angehört: „Da das Angebot nicht ausreichend angepasst wurde und auch die Prüfung der Stellungnahme zu keiner anderen Einschätzung führte, höre die Medienanstalt Berlin-Brandenburg Ken Jebsen nun förmlich an“, so die MABB laut Medienberichten.

MABB: „Untersagung einzelner Aussagen“, Zwangsgeld und Sperrung des gesamten Mediums möglich

Das weitere Verfahren beschreibt die MABB folgendermaßen, wie etwa der Tagesspiegel“ berichtet: Sollte KenFM keine „neuen und überzeugenden Argumente vorbringen“ oder „Anpassungen beziehungsweise Änderungen der Inhalte und Beiträge vornehmen“, könne die Landesmedienanstalt bei einem Verstoß „einen förmlichen Bescheid mit den erforderlichen gesetzlichen Maßnahmen“ erlassen. Möglich sind demnach eine Beanstandung oder gegebenenfalls „eine Untersagung einzelner Aussagen/Beiträge“ aus dem Angebot von KenFM. Wenn nötig, könne zur Durchsetzung ein Zwangsgeld von bis zu 50.000 Euro festgesetzt werden.

Die MABB betone, dass „alle Maßnahmen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen“ müssen. „Eine Sperrung des gesamten Kanals kommt daher nur als Ultima Ratio bei wiederholten und systematischen Verstößen in Betracht, wenn sich mildere Mittel als wirkungslos erweisen.“ Weitere Hintergründe hat etwa RT beschrieben, zwei Schreiben der MABB hat KenFM veröffentlicht, hier und hier. Das Portal war bereits in der jüngeren Vergangenheit von anderer Seite bedrängt worden, so hat etwa YouTube den Kanal von KenFM endgültig gesperrt.

Offizielles Ziel: Gegen „Desinformation“

Der konkrete Vorgang und das durch den neuen Medienstaatsvertrag ermöglichte prinzipielle Konstrukt, dass Landesmedienanstalten in der nun erlebten Form gegen Internet-Publikationen vorgehen können, birgt Aspekte der Heuchelei und kann potenziell gefährlich für die Meinungsvielfalt sein.

Dass man sich mit der Kritik am Vorgehen der Landesmedienanstalten nicht mit allen Beiträgen auf KenFM inhaltlich gemein macht, ist selbstverständlich. Das Portal pauschal als „rechts“ zu bezeichnen, wie es nun oft geschieht, geht außerdem weit am Ziel vorbei. Auch aus Motiven der Meinungsvielfalt sollte das Vorgehen der MABB kritisiert werden: Die Gefahr, dass man künftig viele Andersdenkende mit den Sanktions-Möglichkeiten des neuen Medienstaatsvertrags sabotieren könnte, nachdem sie von massiven Kampagnen pauschal als „rechts“ eingeordnet wurden, ist groß.

Weitere Aspekte des neuen Medienstaatsvertrags, der das Vorgehen der Landesmedienanstalten gegen Internet-Publikationen möglich macht, haben die NachDenkSeiten kürzlich in dem Artikel „Alternativmedien im Visier der Medienanstalten“ beschrieben. Begründet würden die neuen Sanktionsmöglichkeiten auch mit der Tatsache, dass viele Internet-Medien nicht dem Presserat unterliegen würden. Im Gegensatz zum Presserat können die Landes-Medienanstalten von sich aus tätig werden und müssen nicht erst auf Beschwerden reagieren. Der neue Medienstaatsvertrag decke erstmals nicht nur die Grundsätze für den Rundfunk in Deutschland ab: Er greife auch bei Internetplattformen, die journalistische Inhalte bereitstellen. Ziel des Vertrags sei, gegen „Desinformation“ vorzugehen und „journalistische Sorgfalt“ sicherzustellen. Die Schwelle dürfte laut einem kritikwürdigen Artikel auf „Netzpolitik“ so niedrig sein, „dass bereits Facebook-Seiten und Telegram-Kanäle der Aufsicht der Medienanstalten unterliegen“ würden.

Gefahr der Ungleichbehandlung

Dass sich die Landesmedienanstalten aber nicht als „Geschmacksdompteure“ verstünden, schreiben MABB-Direktorin Eva Flecken und Tobias Schmid, der Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, in einem Gastbeitrag für den Fachdienst „epd“, wie Medien berichten: „Unser gesetzlicher Auftrag ist nicht, die Wahrheit der Veröffentlichungen zu überprüfen, sondern das publizistische Handwerk.“

Abstrakt betrachtet, hört sich das schön an: Wer wöllte sich journalistischer Sorgfaltspflicht verschließen? Das große Problem mit dem neuen Staatsvertrag erwächst unter anderem aus einer in der Praxis wahrscheinlich eintretenden massiven Ungleichbehandlung zwischen Alternativmedien einerseits und großen privaten oder öffentlich-rechtlichen Medien andererseits: Wird eine ähnlich strenge Messlatte an die journalistische Sorgfaltspflicht großer „etablierter“ Medien angelegt? Soll die auf der Propaganda-Ebene bereits praktizierte Einteilung in „gute“ und „böse“ Medien nun auch einen „offiziellen“ Segen mit den entsprechenden empfindlichen Folgen erhalten?

Den Aspekt der Ungleichbehandlung haben die NachDenkSeiten kürzlich in dem Artikel „Millionen für die großen Medien – Zensur für die Alternativ-Medien“ beschrieben:

„Durch die Verdammung der Alternativ-Medien sollten die großen Medien im Vergleich heller strahlen – obwohl sich einige der großen deutschen Medien an monströsen Fake-News-Kampagnen etwa zum ‚Maidan‘ oder zum Krieg gegen Syrien beteiligt haben. Zu solchen umfangreichen Kampagnen wären die Alternativ-Medien gar nicht in der Lage. Nimmt man das als Ausgangspunkt, so sind einige große Medienkonzerne erheblich stärker an Desinformation beteiligt als alle Alternativ-Medien und RT-Deutsch zusammen.“

Titelbild: StunningArt / Shutterstock