Philippinen: Das Regime von Rodrigo R. Duterte versagte bei der Covid-19-Pandemiebekämpfung auf ganzer Linie. Nun lässt es seine militärischen Kettenhunde selbst gegen jene los, die sich in Eigenregie zu helfen wissen. Von Rainer Werning.
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Anfang April ereignete sich in General Trias, einer Stadt in der südlich von Manila gelegenen Provinz Cavite, ein Aufsehen erregender Fall. Dort war u.a. der 28-jährige Darren Manaog Peñaredondo von lokalen Polizeikräften aufgegriffen worden, als er trotz bestehender Ausgangssperre für sich und seine Familie Wasser holen wollte. Zur „Strafe“ wurden Peñaredondo und andere Quarantäne-Verletzer von den diensthabenden Polizisten gezwungen, insgesamt 300 Liegestütze und Kniebeugen zu absolvieren. Der Cousin des Opfers, Adrian Luceña, sagte später gegenüber Reportern, Darren, der ein Herzleiden hatte, war nach seiner Rückkehr kaum in der Lage zu gehen. Er taumelte, konnte keine Treppen mehr steigen, brach zusammen und sein Gesicht färbte sich violett. Trotz mehrerer Versuche, ihn wiederzubeleben, verstarb er am übernächsten Tag.
Ebenfalls Anfang April kritisierte Human Rights Watch, dass Quarantäne-Regelbrecher während einer der weltweit harschesten und am längsten andauernden Lockdowns von der Polizei und lokalen Beamten in der Provinz Laguna, auch südlich von Manila gelegen, in Hundekäfige eingesperrt und andere gezwungen wurden, in brütender Mittagshitze auszuharren. Für das Regime sind diese Menschen „Kriminelle“ und „Schwerverbrecher“, die genauso martialisch gejagt werden wie „Drogenabhängige“ und „Kommunisten“. Bei selbst harmlosen Verstößen gegen die strikten Quarantäne-Verordnungen gilt der unmissverständliche Befehl Dutertes an „seine Soldaten“ und „seine Polizisten“: „Wenn es Ärger gibt oder zur Gewalt kommt und euer Leben in Gefahr ist, dann schießt sie tot.“ Er, der Präsident, decke ein solches Verhalten und stehe notfalls dafür gerade. Wie selbstherrliche Warlords patrouillieren heute bis buchstäblich an die Zähne bewaffnete Polizisten und Soldaten in den zahlreichen Armenvierteln auf dem Archipel. Gleichzeitig dienen sie als makabre Kulissen solcher Dokumentarfilme und Reportagen wie On the President’s Order (2019) und Dutertes Methoden im Schatten des Virus (2020).
Staatsversagen
Und dann das! Mitte April ging plötzlich aus Sicht der antikommunistischen Betonmischer und Hardliner innerhalb der philippinischen Streitkräfte (AFP) ein neues bösartiges kommunistisches Gespenst im Lande um – das Gespenst der sogenannten „community pantries“. Da hatte es doch glatt die 26-jährige Ana Patricia Non gewagt, als erste Person im Großraum Manila einen Bambuskarren mit Lebensmitteln öffentlich aufzustellen und diese an die Ärmsten der Armen kostenlos zu verteilen. Gemäß dem Motto in Filipino: „Magbigay ayon sa kakayahan, kumuha ayon sa panga-ngailangan.” („Gib‘, was immer du kannst, nimm‘ nur, was du brauchst.“) Sie appellierte damit an „bayanihan“, was für Filipinos der Inbegriff unmittelbarer Nachbarschaftshilfe ist. Zur Illustration wird gern auf solche Dorfszenen verwiesen, wo Menschen in Gemeinschaftsanstrengung gefertigte Bambus- oder Nipahütten auf Schultern gestemmt von einem Ort zur neuen Heimstätte transportieren. Frau Nons Appell fand in Windeseile überall im Lande Nachahmer.
„Die Hungernden zu ernähren und die Menschen miteinander zu verbinden“, konstatierte Prinz Kennex R. Aldama, Sozialwissenschaftler und Vizepräsident der Philippinischen Soziologischen Gesellschaft, am 22. April im Onlinemagazin Rappler, „sind die beabsichtigten Ziele der Gemeinschaftsverpflegung. Aber ihr kontinuierliches Auftauchen sagt uns noch etwas Anderes: die Schwäche des Staates. (…) Die Gemeinschaftsverpflegung ist eine bedeutende Bewegung. Aber sie kann uns nicht vor der Pandemie retten, und zwar aus dem entscheidenden Grund, dass sie für einen bestimmten Zweck konzipiert sind. Sie füllen den Magen, aber sie können das Virus nicht ausrotten. Sie können einer Familie zu einem bestimmten Zeitpunkt Essen auf den Tisch bringen, aber die langfristigen Auswirkungen dieser Pandemie erfordern eine Reihe von Programmen und Maßnahmen, die unsere Mittel zum Überleben der Menschheit sichern: Nahrung, Gesundheit, Arbeitsplätze, Bildung und Technologie.“
Und Aldama ergänzte:
„Duterte selbst hat durch seine populistische Rhetorik versucht, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die komplexen Probleme wie illegale Drogen, Bestechung und Korruption sowie territoriale Streitigkeiten nur von ihm selbst gelöst werden können. Er hat in seinen Reden sogar die Fähigkeit des Rechtsstaates und die Rolle der demokratischen Institutionen herabgewürdigt.
In seinen wöchentlichen Ansprachen an die Nation über die Reaktion unseres Landes auf die Pandemie bleibt sein Stil derselbe. Er war zuversichtlich, dass das Virus auf natürliche Weise verschwinden wird. Er versicherte uns, dass die Impfstoffe bald da sein werden und dass wir einfach abwarten sollten. Aber was die Menschen brauchen und von der Regierung fordern, geht weit über reine Rhetorik hinaus. Was uns retten wird, sind nicht die Worte und der vereinfachende Ansatz eines starken Mannes in diesem schwachen Staat, sondern konkrete und effektive Lösungen mit langfristigem Nutzen wie Massentests, Impfungen und gute Krankenhausleistungen.
Die aktuelle Situation offenbart die Unzulänglichkeiten und Grenzen der derzeitigen Regierung. Mit falschen Prioritäten, Korruption im Gesundheitssystem und unklaren und unwirksamen Lösungen zur Bekämpfung der Pandemie können die Menschen spüren, dass sie nicht ihre Hoffnungen auf den starken Mann setzen können.“
„Die Gemeinschaftsverpflegungsstellen sind Ausdruck einer neuen Solidarität“, heißt es in einer am 18. April publizierten Studie, die in Gemeinschaftsarbeit zwischen der Philippinischen Soziologischen Gesellschaft (PSS) und Oxfam Philippines entstand, „die aus dem kollektiven Trauma während der Pandemie entstanden ist. Jetzt, da sich die Menschen in diesen emanzipatorischen ‚viralen‘ Räumen versammelt haben, sollten diese gegen den Zynismus derjenigen verteidigt werden, die ihr noch nicht erwachtes politisches Potenzial fürchten. Die Gemeinschaftsspeicher sind noch keine Versammlungs- oder Demonstrationsorte, aber die materiellen Bedingungen des Mangels und der Frustration könnten sie in sehr naher Zukunft zu offenen Orten des Widerstands machen.“ Der Anthropologe und Kolumnist der Tageszeitung Philippine Daily Inquirer, Gideon Lasco, twitterte die in diesem Zusammenhang schon fast subversiv anmutende Frage: „Wie kommt es, dass so kleine Initiativen mit so wenig so viel erreichen und unsere Regierung mit so viel nur so wenig zustande bringt?“
Schroffe soziale Gegensätze
„Das Versäumnis, das Virus einzudämmen, und die mangelnde fiskalische Unterstützung bedeuten, dass die Philippinen die langsamste Erholung in der Region erleben“, konstatiert die in London ansässige Denkfabrik Capital Economics in ihrem Wirtschaftsausblick vom 21. April. Tatsächlich durchläuft der Inselstaat mit seiner 108 Millionen Einwohner zählenden Bevölkerung seine verheerendste Wirtschaftskrise. Immer mehr Menschen hungern, weil die COVID-19-Pandemie neben einem rasanten Anstieg von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung zum Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um knapp zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr führte. Die mit Abstand schlechteste wirtschaftliche Performance in der gesamten Region Ostasien/Westpazifik.
Die düstere Sichtweise deckt sich mit den Einschätzungen von Ratingagenturen ebenso wie mit jenen der Weltbank und der in Manila beheimateten Asiatischen Entwicklungsbank (ADB), wonach die COVID-19-Situation (Stand am 6. Mai: 1,080 Millionen Infizierte; 17.991 Tote) in den Philippinen „katastrophal“ sei. Dieselben Institute gehen davon aus, dass das Land bis mindestens Anfang 2023 das Schlusslicht in der gesamten Region bleiben wird.
Laut einer im März 2021 publizierten Umfrage des Asian Development Bank Institute (ADBI) mussten 67 Prozent der philippinischen Haushalte binnen eines Jahres Einkommenseinbußen von mehr als 25 Prozent aufgrund der Pandemie hinnehmen. An zweiter Stelle rangiert Indonesien mit 64 Prozent der Haushalte und an letzter Stelle Malaysia mit 40 Prozent. Eine weitere Aufschlüsselung der Daten zeigt, dass mehr philippinische Haushalte während der Pandemie die stärksten Einkommenseinbußen erlitten als in allen anderen neun Mitgliedsstaaten der Vereinigung südostasiatischer Nationen (ASEAN). Bei etwa 21 Prozent der philippinischen Haushalte fiel das Einkommen um mehr als 75 Prozent. In drei Ländern (Kambodscha, Indonesien und Thailand) mussten 11 Prozent der Haushalte während der Pandemie einen solchen Einkommensrückgang hinnehmen; Vietnam verzeichnete mit vier Prozent den geringsten Wert. Einen Einkommensrückgang von mehr als 50 Prozent hatten 41 Prozent der philippinischen Haushalte zu verzeichnen. Indonesien liegt mit 27 Prozent der Haushalte an zweiter Stelle, während Vietnam mit 15 Prozent den niedrigsten Wert aufwies.
„Die mangelnde Kontrolle der Pandemie, die Unfähigkeit, Impfstoffe zu beschaffen, und die relative Entfernung von den Exportlieferketten tragen dazu bei, dass die Philippinen zu den mit Abstand schwächsten Ländern der Region gehören”, konstatiert Moody’s Analytics in ihrem Report vom 18. April. Korruption im Gesundheitssektor und die vergleichsweise mickrige Bereitstellung von lediglich 117 Milliarden Peso für die Pandemiebekämpfung im Vergleich zu avisierten 1,1 Billionen Peso für ehrgeizige Infrastrukturvorhaben offenbaren zudem eine falsche Prioritätensetzung des Regimes. Gerade einmal vier Prozent des laufenden Staatsbudgets sind für die Bekämpfung von Covid-19 vorgesehen. Und nur 1,3 Prozent der Bevölkerung sind bis dato geimpft.
Als Archipel mit über 7.000 Inseln gehören die Philippinen überdies zu den anfälligsten Ländern der Welt für Naturkatastrophen. Darüber hinaus, resümiert die renommierte medizinische Fachzeitschrift The Lancet, wurde der langjährige Kampf gegen Infektionskrankheiten durch den Anstieg von nicht übertragbaren Krankheiten aufgrund von Änderungen des Lebensstils und einer Zunahme von Risikoverhaltensweisen verstärkt. Diese Probleme haben die Bevölkerung für die schweren negativen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie prädisponiert. Neben den direkten gesundheitlichen Verlusten durch die Pandemie und die damit verbundene politische Reaktion gibt es indirekte gesundheitliche Verluste, die schwer abzuschätzen sind – zum Beispiel, wenn Ressourcen für das Gesundheitswesen von anderen wichtigen Bereichen abgezogen wurden.
Als schriller Kontrast zu alledem: Das kumulierte Vermögen der 17 philippinischen Milliardäre beläuft sich gegenwärtig auf 45,6 Milliarden Dollar (2,2 Billionen Peso), basierend auf der aktuellen Forbes-Liste – etwa der Hälfte des laufenden Staatshaushalts in Höhe von 4,5 Billionen Peso (93,7 Milliarden US-Dollar). Trotz oder wegen der Coronavirus-Pandemie vermochten die philippinischen Milliardäre ihren Reichtum zu vergrößern. Laut Forbes führt die Liste unter den weltweit 2.755 erfassten Milliardären den Immobilienmagnaten Manuel Villar als reichsten Filipino auf. Dessen Vermögen stieg um 28,6 Prozent von 5,6 Milliarden Dollar (271 Milliarden Peso) im Jahr 2020 auf 7,2 Milliarden Dollar (349,45 Milliarden Peso) im Jahr 2021 an.
Antikommunismus allerorten
So rasch sich die „community pantries“ landesweit verbreiteten, so knallhart erfolgten die Reaktionen der staatlichen „Sicherheits“kräfte. Vor allem seitens des Frontmanns in punkto „nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung“, Generalleutnant Antonio G. Parlade, Jr. Gegenüber Lokalreportern erklärte der General am 20. April wörtlich: „Das ist eine Person, Anna, Patricia, richtig? Dasselbe mit Satan. Satan gab Eva einen Apfel. Da hat alles angefangen.“ „Ich beziehe mich hier auf die große Organisation“, fügte Parlade hinzu, „die wohl hinter all dem steckt. Wieso wurden sie (die ‚community pantries‘ – RW) plötzlich aus dem Boden gestampft? Warum haben sie nur ein einziges Thema?“
Was zu erwarten war, ließ nicht lange auf sich warten. Frau Non und ihre Mitstreiter wurden eingeschüchtert und gezwungen, ihre Aktionen einige Tage einzustellen. Derweil wurde ihre Idee gekapert und rasch instrumentalisiert. Im Norden der größten südlichen Insel Mindanao entstanden auf Anweisung des Büros der Nationalpolizei in der Region X eigene Nahrungsmittelstände mit der Bezeichnung „BARANGAYanihan“, um als kombinierte Polizei-Gemeinde-Aktivität „die Herzen und Hirne der Bevölkerung“ für sich zu gewinnen.
Für Parlade und seine engsten Vertrauten stand sofort fest, dass die „community pantries“ eigentlich „kommunistisches Teufelswerk“ und aus dem politischen Untergrund gesteuert sind. Manipuliert von der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) und ihrem bewaffneten Arm, der Neuen Volksarmee (NPA), um so neue Mitglieder zu rekrutieren. Seit der Jahreswende 1968/69 führen sie einen erbitterten Guerillakrieg gegen die Zentralregierung in Manila. In ganz Südostasien, wo die meisten kommunistischen Parteien längst von der politischen Bühne verschwunden sind, bilden die Philippinen eine Ausnahme. Dort, so die Position der CPP/NPA, existiere mit den „drei Hauptübeln Feudalismus, Imperialismus und bürokratischer Kapitalismus“ ein legitimes Angriffsziel, um damit gleichzeitig Massenarmut, grassierender Korruption und omnipräsenten politischen Dynastien einen Riegel vorzuschieben.
Kein Wunder, dass sämtlichen Regierungen in Manila seit der Ära des Despoten Ferdinand E. Marcos (1965-86) die CPP/NPA ein Dorn im Auge sind. Um diesen endgültig das Rückgrat zu brechen, unterzeichnete Duterte am 4. Dezember 2018 die Exekutivorder 70. Sie legt fest, dass die Counterinsurgengy (Aufstandsbekämpfung) fortan als „gesamtnationale Aufgabe“ gilt. Der laut dieser Order frischgekürten Nationalen Task Force zur Beendigung des lokalen kommunistischen bewaffneten Konflikts (NTF-ECLAC) obliegt es, des Präsidenten Counterinsurgengy-Strategie bis zum Ende seiner Amtszeit Ende Juni 2022 auf Teufel komm raus erfolgreich umzusetzen. Dirigiert wird die NTF-ECLAC von hochrangigen Militärs und ehemaligen Generalstabschefs mit Duterte als ihrem Vorsitzenden und eben Generalleutnant Parlade als ihrem Sprecher.
In Personalunion ist Parlade aber auch Oberbefehlshaber des Südluzon-Kommandos der Streitkräfte (AFP), das in den südlich von Manila gelegenen Provinzen für die Counterinsurgengy verantwortlich ist. Dort kam es vor allem seit Jahresbeginn zu einer systematischen Hatz auf fortschrittliche Gewerkschafter, Arbeiter- und Bauernführer, Fischerleute sowie kritische Studenten, Kirchenleute und Umweltschützer. Allein am 7. März, landesweit als „Blutsonntag“ bekannt, wurden im Großraum Manila neun Sozialaktivisten ermordet und sechs weitere mit fadenscheinigen Begründungen verhaftet. Allesamt Opfer des „red-tagging“, der Brandmarkung als „terroristische Kommunisten“, was zum Markenzeichen unter Parlade geworden ist.
Parlade genießt überdies das Privileg, sich in der ältesten Tageszeitung des Landes, in der Manila Times, mit seinen antikommunistischen Hetztiraden als Kolumnist äußern zu können. In zahlreichen seiner dort publizierten Texte beklagt er sich darüber, dass es die staatlichen Organe in der Vergangenheit leider versäumt hätten, nicht schon viel früher die CPP/NPA „beseitigt zu haben“. Die mit ihnen geführten Friedensverhandlungen seien vertane Zeit gewesen und hätten die jeweiligen Regierungen in Manila lediglich eingelullt. Insgeheim zählt Parlade zu jener AFP-Garde, die gern die „Jakarta-Methode“ exekutiert sähe.
In seinem Buch The Jakarta Method: Washington’s Anticommunist Crusade and the Mass Murder Program that Shaped Our World (New York 2020: PublicAffairs) beschreibt der Autor Vincent Bevins, wie u.a. in Indonesien Mitte der 1960er Jahre die damals weltweit drittgrößte kommunistische Partei, die Kommunistische Partei Indonesiens (PKI), im Zuge der Machtergreifung durch General Suharto nahezu physisch liquidiert wurde. Suharto und seine Komplizen, tatkräftig assistiert vom US-amerikanischen Geheimdienst CIA, „arbeiteten“ buchstäblich Schwarze Listen mit den Namen von PKI-Funktionären unterschiedlichen Grads sowie einfache PKI-Mitglieder und -Sympathisanten „ab“ – das Todesurteil für mindestens eine Million Menschen.
Dynastische Ambitionen
Die antikommunistischen Rundumschläge von General Parlade richteten sich in den vergangenen Wochen auch gegen Mitglieder des Abgeordnetenhauses, bekannte Schauspielerinnen und sogar Angestellte im Senat. Das hat selbst Senatoren und den Nationalen Sicherheitsberater Hermogenes C. Esperon, Jr. auf den Plan gerufen, die das Image der AFP durch das wilde Gebaren Parlades ramponiert sehen. Gegenüber den NDS erklärte der seit über drei Jahrzehnten im niederländischen Utrecht im Exil lebende Gründungsvorsitzende der CPP, José Maria Sison:
„Der hochgradige Psychopath und Killer Duterte und seine militärischen Kettenhunde, allen voran Parlade, sind momentan die besten Rekrutierer für unsere Sache. Letzterer sieht überall und in allem rot – und handelt es sich dabei nur um Tomaten. Schließlich erkennen die Menschen glasklar, dass der Wahlspruch der ‚community pantries‘ von den Herrschenden tagtäglich ins Gegenteil verkehrt wird: ‚Nehmt, was ihr kriegen könnt und lasst für andere nichts mehr übrig.‘“
Ende April eskalierte der Schlagabtausch zwischen den Kontrahenten. Als der Ruf laut wurde, die kumulierte Summe von annähernd 25 Mrd. Peso (umgerechnet 525 Millionen US-Dollar) für das diesjährige Budget der NTF-ELCAC sowie des Etats für „vertrauliche und geheimdienstliche“ Zwecke des Präsidialamtes für die dringendere Pandemiebekämpfung einzusetzen, beschimpfte Parlade die Senatoren als „dumm“. Schließlich hätten diese Ende 2020 den jeweiligen Budgets zugestimmt.
Hinter diesem Streit wittern Regimegegner bereits das Schmieren der präsidialen Wahlkampfmaschinerie. Anfang Mai 2022 stehen die nächsten allgemeinen Wahlen an. Bereits heute gilt die Bürgermeisterin von Davao City, der größten (Hafen-)Stadt im Süden, im Rennen um das höchste Staatsamt als mit Abstand aussichtsreichste Kandidatin. Es ist dies keine Geringere als Sara Duterte-Carpio, die Tochter des Präsidenten. Sie beerbte ihren Vater im Sommer 2016, nachdem dieser seit 1988 die längste Zeit als Chef in Davaos Rathaus residiert hatte. Und nebst Sara „thronen“ in trautem Familienbusiness Bruder Pablo als Vizebürgermeister und Bruder Paolo als Kongressabgeordneter des 1. Distrikts von Davao City.
Inday Espina-Varona, eine der landesweit prominentesten Bloggerinnen und scharfe Regimegegnerin, sandte diesem Autor kürzlich eine Mail, in der es heißt:
„Die Philippinen stehen am Rande der roten Zone. Dennoch hören wir immer noch auf Apologeten, die versuchen, die Realität zu verdrehen. Sie geben fast schon den Patienten in den Krankenhäusern die Schuld daran, dass wartende Patienten draußen auf Parkplätzen sterben. Aber sie haben nicht gehandelt, als es um die wirtschaftliche Absicherung von Notfällen ging. Die Gefahrenzulage kommt in manchen Bereichen ein Jahr zu spät. Heute ruft das Regime nach Helden. So viele sind gestorben. So viele sind krank. Duterte indes hat nichts unversucht gelassen, Helden für das Verbrechen, Richtiges zu tun, zu stürzen. Er stiftet laufend Verwirrung und hindert das Volk daran, zusammenzufinden. Wenn der Präsident schon keine Führungspersönlichkeit sein kann, sollte er wenigstens von der Bühne abtreten und gehen.“
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