Gegen einen Richter des Familiengerichts Weimar wird wegen Verdachts auf Rechtsbeugung ermittelt, seine Wohn- und Diensträume wurden durchsucht. Derweil hat die „Bundesnotbremse“ den Rechtsweg der Bürger laut Kritikern erheblich eingeengt. Und das Bundesverfassungsgericht hat fast alle Eilanträge zur Corona-Politik abgewiesen. Von Tobias Riegel.
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Gegen den Richter des Familiengerichts Weimar, der eine vielbeachtete Entscheidung gegen Maskenpflicht an Schulen gefällt hat, wird nun von der Staatsanwaltschaft Erfurt wegen Rechtsbeugung ermittelt. Außerdem wurden seine Wohn- und Diensträume durchsucht und sein Handy beschlagnahmt. Berichte zu diesen Vorgängen in großen Medien, die dem Richter und seinem Urteil zur Maskenpflicht überwiegend kritisch gegenüberstehen, finden sich etwa hier oder hier.
Der Vorwurf der Rechtsbeugung wird damit begründet, dass das Familiengericht nicht befugt gewesen sei, überhaupt in dieser Sache gegen Schulen zu entscheiden, da dies in die Verantwortung der Verwaltungsgerichte falle. Die Staatsanwaltschaft Erfurt sieht laut Medienberichten „Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte willkürlich seine Zuständigkeit angenommen hat, obwohl es sich um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit handelte, für die ausschließlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist“.
Fragen zur Fürsorge für das Wohl eines Kindes
Der Familienrichter hatte sich bei seiner Entscheidung zu den Schulen auf §1666 Abs. 4 BGB gestützt. Familienrichter können nach §1666 BGB aus Gründen der Fürsorge für das Wohl eines Kindes Anordnungen treffen, die sich vor allem auf natürliche Personen im Umfeld des Kindes beziehen. In Absatz 4 wird diese Befugnis noch auf „Dritte” ausgedehnt. Eine zentrale, nun zu klärende Frage ist, ob auch eine öffentliche Einrichtung wie eine Schule als ein solcher „Dritter“ definiert werden kann. Der Tatbestand der Rechtsbeugung kann vorliegen, wenn ein Richter gegen zwingende Rechtsvorschriften verstößt und er einen klaren Gesetzeswortlaut vorsätzlich ignoriert. Das betont auch der Anwalt des Richters, Gerhard Strate, in einem Interview:
„Der Betroffene muss bewusst das Recht verletzen. Es muss ein Vorsatz bestehen. Das kann man hier, wenn man sich die unendlich sorgfältige Begründung des Beschlusses vom Amtsgericht Weimar anschaut, aber nicht mal im Ansatz sagen.“
Die „Tagesschau” sieht das (wie fast alle großen Medien) folgendermaßen:
„Was ist in Weilheim und Weimar passiert? Die beiden Gerichtsentscheidungen haben einfach die Schulen der jeweiligen Kinder als “Dritte” im Sinne des Gesetzes gesehen.
Die Schulen sollen es laut den Beschlüssen also unterlassen, die vorgeschriebene Maskenpflicht durchzusetzen. Doch das ist juristisch schon deshalb fragwürdig, weil der Rechtsstaat für solche Rechtsfragen eigentlich ganz andere Wege vorsieht: Ob das Handeln der Verwaltung Recht und Gesetz entspricht, ist von den Verwaltungsgerichten zu prüfen. Sie sind unter anderem dazu da, den Bürger vor einem übergriffigen Staat zu schützen, sind also auch zuständig für Fragen zur Rechtmäßigkeit von Corona-Maßnahmen.“
Strate hat nach eigenen Angaben Einsicht in die Ermittlungsakten beantragt, habe diese aber noch nicht einsehen können. Die vorgenommene Hausdurchsuchung bei seinem Mandanten bezeichnet er als „ein skandalträchtiges Vorgehen“. Dies sei ein „unmittelbarer Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit“. Der Richter habe zwar eine andere Rechtsposition vertreten, als das Verwaltungsgericht wenig später eingenommen habe, das mache ihn aber nicht zum Rechtsbeuger, so Strate. Das Motiv der Einschüchterung will der Anwalt der Staatsanwaltschaft in Erfurt angesichts der angeordneten Hausdurchsuchung nicht unterstellen, „aber es läuft darauf hinaus, dass es diese Wirkung entfaltet“.
Begründungen und mündliches Verfahren abwarten
Die Entscheidung des Familiengerichts war bereits vorher vom Verwaltungsgericht Weimar teilweise kassiert worden. In der Begründung bescheinigte das Verwaltungsgericht Weimar etwa dem Robert Koch-Institut, „in einem transparenten Verfahren“ würden dort „die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse umfassend berücksichtigt“. Zur „Charakterisierung“ etwa des vom Familiengericht bestellten Sachverständigen und Psychologie-Professors Christof Kuhbandner wurde vom Verwaltungsgericht auf einen tendenziösen Beitrag im Deutschlandfunk verwiesen. Zur abschließenden Bewertung des „Masken-Urteils“ des Familiengerichts Weimar sollte abgewartet werden, ob im beantragten mündlichen Verfahren solche eher schwach erscheinenden inhaltlichen Begründungen Bestand haben werden, wie die NachDenkSeiten bereits beschrieben haben.
Für eine abschließende Bewertung und Kommentierung der Ermittlungen gegen den Familienrichter sollten ebenfalls der Ausgang und die ausführlichen Begründungen abgewartet werden. Festzustellen ist aber, dass der Eindruck eines drastischen Vorgehens entstanden ist, das umso überzeugender begründet werden muss.
Medien beklagen „Wildwest-Rechtsstaat“
Gerichtsentscheide, die sich gegen Corona-Maßnahmen stellen, wurden in einigen Medien in zum Teil unseriöser Schärfe kritisiert. So fragt etwa das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, warum „Richter dem Virus helfen“ würden:
„Wer als Richter immer erst die Eskalation abwarten will aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, hilft bis dahin dem Virus – und macht die dann nötigen Eingriffe noch gravierender und langwieriger.“
Die „taz“ sieht wegen der Urteile von Weimar und Weilheim gar einen „Wildwest-Rechtsstaat“ aufziehen und fürchtet:
„Auch in der Justiz gibt es QuerdenkerInnen und Geistesverwandte.“
Engt die „Notbremse“ den Rechtsweg für Bürger ein?
Diese Sorge dürfte nun vorerst etwas gedämpft sein: Laut Kritikern hat die neue „Bundesnotbremse“ das Potenzial, die Ebene der Verwaltungsgerichte teilweise auszuschließen, wie etwa die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. So klagt etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post mit vier Mitstreitern, vertreten durch den Freiburger Rechtsprofessor Dietrich Murswiek, gegen die „Notbremse“, unter anderem aus folgendem Grund: Mit dem direkt geltenden “Maßnahmegesetz” entfalle jede Möglichkeit für die Verwaltung, die Beschränkungen zum Beispiel örtlichen Gegebenheiten anzupassen – dies sei unverhältnismäßig.
Zudem sei den Bürgern damit der Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten abgeschnitten, es bleibe allein der Gang zum Verfassungsgericht, so Florian Post laut SZ.
Verfassungsgericht: Fast alle Corona-Eilanträge abgelehnt
Doch wie aussichtsreich ist im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen für die Bürger dieser Gang zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG)? Die Corona-Eilanträge beim BVerfG wurden fast alle abgelehnt, wie Medien berichten. Auch von den 283 Verfassungsbeschwerden (bis Mitte Februar) seien bereits 231 abgelehnt und drei zurückgenommen worden. Im Jahr 2020 bezogen sich laut Bericht 240 Beschwerden auf Corona-Fragen, 170 davon seien mit einem Eilantrag verbunden gewesen. Hinzugekommen seien 72 reine Eilanträge. Im Jahre 2021 kamen demnach bis Mitte Februar weitere 43 Verfassungsbeschwerden mit Corona-Bezug hinzu, davon 23 mit verbundenem Eilantrag. Weitere sieben reine Eilanträge gingen ein. Die Bilanz:
„Erfolg hatten beim BVerfG bisher nur drei Eilanträge, alle bereits im April 2020.“
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