Während eine Welle der Empörung aus Anlass der „Maskenaffäre“ medial durch die Republik schwappt und dabei auch das Kernproblem des Lobbyismus und der Korruption erfasst, versucht sich der Unionsfraktions-Vorsitzende Ralph Brinkhaus darin, diese Wogen etwas zu glätten. Mit reichlich zweifelhaften Argumenten. Ein Kommentar von Lutz Hausstein.
Die Markus-Lanz-Sendung vom Dienstag hatte im ersten Teil die sogenannte Maskenaffäre zum Thema, bei der es darum geht, dass der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein für die Vermittlung von Atemschutzmasken einen Betrag von 660.000 Euro erhalten haben soll, während sein CDU-Kollege Nikolas Löbel auf eine „Provision“ von immerhin noch 250.000 Euro gekommen ist. Da dieser Skandal mitten in die Verhandlungen über verbindliche Regeln zu einem Lobbyregister platzte als auch so kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz für die CDU eher zur Unzeit kommt, versuchte Ralph Brinkhaus bei Markus Lanz am 9. März etwas Druck aus dem Kessel zu nehmen.
Nun gehört es ja zum Grundverständnis der Union, dass sie schon seit Jahrzehnten beständig ihre angebliche Wirtschaftskompetenz heraushebt, wobei man bei komprimierter Betrachtung über diesen langen Zeitraum zwangsläufig zu der Einsicht gelangen muss, dass sie damit eigentlich ihr ausgeprägtes Verhältnis zur Wirtschaft i.S.v. Unternehmen meint. Dabei ist es dem in der Diskussionsrunde ebenfalls anwesenden Sascha Lobo zu verdanken, dass er es nicht bei diesen beiden Fällen belässt, sondern einen größeren Bogen zum CDU-Vorsitzenden Armin Laschet und dessen Sohn Joe Laschet schlägt. Und es ist Markus Lanz anzurechnen, dass er diesen Ball nicht fallen lässt, sondern mit Verweis auf „den Zerstörer“ Philipp Amthor an Ralph Brinkhaus weiterspielt. Immer wieder argumentiert Brinkhaus butterweich und haarscharf an der Realität vorbei, um angebliche Aktivitäten der Union zum Schutz vor Korruption belegen zu wollen. Da dies Sascha Lobo Brinkhaus nicht durchgehen lässt, entwickelt sich im Laufe der Sendung ein bemerkenswerter Schlagabtausch zwischen beiden, in dem der CDU-Politiker zunehmend um Fassung ringt.
Nachdem Markus Lanz weiter auf Philipp Amthors Lobbyismus zugunsten von „Augustus Intelligence“ insistiert, antwortet Ralph Brinkhaus (Lanz-Sendung ab 12:13 min) folgendermaßen:
„Er hat sich öffentlich entschuldigt für die Sache. Er ist unter 30 noch. Und ich glaube mal, er hat auch das Recht, noch eine zweite Chance zu kriegen.“
Nun bin ich wahrhaftig niemand, der für einen anderen Menschen „ewige Verdammnis“ aufgrund eines Fehlverhaltens oder selbst wegen Schlimmerem fordert. Jeder sollte die Chance erhalten, sich zu einem späteren Zeitpunkt rehabilitieren zu können. Dieser Rehabilitation muss jedoch zwangsläufig eine ausreichend lange Phase vorausgehen, sich mit seinem Vergehen intensiv auseinanderzusetzen, die Fehlerhaftigkeit einzusehen und zu verarbeiten und in einem zukünftigen moralischen Kompass zu verinnerlichen. Nichts davon ist im Falle Philipp Amthors geschehen. Er hat öffentlich-medial einen kleinen Klaps auf die Finger bekommen, während sich der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) schützend vor seinen Parteikollegen gestellt hat. Und als wäre nichts geschehen, steht Amthor nicht einmal ein Jahr nach seiner Lobbyismus-Affäre auf Listenplatz 1 der CDU-Landesliste für die Bundestagswahl in diesem Jahr, der ihm die absolute Sicherheit gewährt, auch in der nächsten Legislaturperiode wieder im Bundestag zu sitzen.
Regelrecht drollig ist allerdings Brinkhaus‘ „Argument“, dass Philipp Amthor unter 30 sei. Wenn er denn so jung ist, dass er sein Handeln und dessen Folgen noch nicht vollumfänglich zu begreifen vermag, dann stellt sich doch die Frage, wie man einem so jungen Menschen die Verantwortung übertragen kann, mit seinem Abstimmungsverhalten, seinen Parlamentsinitiativen und sonstigen Aktivitäten über das Wohl und Wehe von 80 Millionen Menschen in diesem Lande – und de facto ja auch noch darüber hinaus – entscheiden zu können. Zur Entschuldung Philipp Amthors dessen Alter als „Argument“ anzubringen, bedarf schon einer gewissen Chuzpe.
Nein, Herr Brinkhaus, dieser Versuch, die Union reinzuwaschen, ist gründlich in die Hose gegangen. Oder um mit den Worten von Sascha Lobo zu sprechen: eine lustige Unverschämtheit.
Titelbild: Screenshot ZDF