Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Corona
  2. Sanktionsspirale gegen Russland: Der Verlierer heißt nicht Putin, sondern Maas
  3. Journalistische Recherchen sind zeitlich aufwendig
  4. Salvadore Draghi ‒ Das letzte Ass der EU
  5. Lateinamerika will Bergbaukonzerne an Zügel nehmen
  6. Treppauf, treppab, Straße für Straße
  7. Ausbeutung auf Gemüsehöfen – Erntehelfer sollen selber zahlen
  8. Chancengleichheit und Klimapolitik müssen zusammen gedacht werden.
  9. Ich werde nicht wieder antreten
  10. Cancel Culture – da, wo der Liberalismus stirbt

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Corona
    1. Streeck gegen Merkel-Kurs: „Müssen aufhören, uns von Lockdown zu Lockdown zu hangeln“
      Wir müssen definieren, ab welcher Schwelle die Infektionszahl und die Belegungen kritisch werden. Wir haben bisher nicht abgesteckt, wo genau und in welchem Maße wir Probleme mit Kapazitäten haben. In diesem Zusammenhang habe ich auch einen Stresstest für das Gesundheitssystem vorgeschlagen.
      Ein Vorschlag, der für viel Kritik sorgte…
      Streeck: Ja, und das ist schade. Denn ein solcher Test kann Menschenleben retten. Es geht darum herauszufinden, wann ein Gesundheitssystem überlastet ist und bei welcher Belegung kritische Grenzen erreicht sind.
      Wie lässt sich das herausfinden?
      Streeck: Ein Stresstest ist ja nicht, dass wir die Krankenhäuser wirklich stressen, sondern eine Computersimulation. Es geht darum, Programme zu entwickeln und Szenarien durchzuspielen: Was passiert etwa, wenn es zum Beispiel in Greifswald einen großen Ausbruch gibt und das Krankenhaus überbelegt ist? Nach Berlin kann man nicht verlegen, da es dort zum Beispiel Covid-19-Infektionen auf der Intensivstation gibt – wohin verlegen wir dann? Haben wir Abkommen mit Polen? Wie wird der Transport geregelt sein? Die Desinfektion der Krankenwagen? Wie sorgt man für einen reibungslosen Ablauf? Kurz gesagt: Wir sehen, ob wir richtig geplant haben – und wo wir noch nachrüsten müssen.
      Das Problem, das ich im Augenblick in vielen Bereichen sehe: Wir leben nur im Jetzt, anstatt unsere Zukunft zu planen. Das ist gefährlich. Viel wichtiger wäre es, jetzt schon über den Herbst 2021 nachzudenken. Die Beratungsgremien der Regierung sollten jetzt schon Langzeitstrategien entwickeln, anstatt sich von Lockdown zu Lockdown zu hangeln.
      Quelle: Focus Online
    2. Corona-Mutanten nicht verantwortlich für steigende Infektionen: Virologe Stöhr widerspricht Merkel
      Deutschland im Februar 2021: Wir befinden uns immer noch mitten in der Pandemie. Die Todeszahlen sinken zwar, doch die Neuinfektionen stagnieren. Die bundesweite Inzidenz liegt bei 60,5 (Stand 23.02.2021). Trotz eines Lockdowns, der mittlerweile seit November 2020 beziehungsweise Januar 2021 gilt. Woran könnte das liegen?
      Der Virologe und Epidemiologe Klaus Stöhr gibt im Interview mit dem „Deutschlandfunk“ eine Einschätzung der Lage ab. Stöhr war Leiter des Globalen Influenza-Programms sowie SARS-Forschungskoordinator der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Damit ist er in der Wissenschaft kein Unbekannter.
      In dem Gespräch nimmt der Wissenschaftler auch Stellung zu den Forderungen Berliner Amtsärzt:innen. Diese möchten nämlich, dass Lockerungen nicht mehr von starren Inzidenzwerten abhängig gemacht werden. „Die Amtsärzte sind eigentlich die, die die Pandemie vor Ort bekämpfen“, erklärt Stöhr. Es sei „nicht zielführend, Eindämmungsmaßnahmen an Inzidenzen von 20/35/50“ zu koppeln, heißt es in ihrer Stellungnahme. Klaus Stöhr begrüßt eine solche Strategie. Man müsse die Inzidenzen nach Altersgruppen aufschlüsseln. „Bei Kindern und Jugendlichen sind logischerweise höhere Inzidenzen möglich als bei alten Menschen“, sagt der Virologe und Epidemiologe.
      Quelle: FR Online
    3. Bedroht Corona-Politik unsere Grundrechte? Wissenschaftlerin warnt vor “schleichendem Prozess”
      Seit fast einem Jahr wird unser Leben durch Verordnungen bestimmt, die der Eindämmung des Coronavirus dienen. Doch welche Auswirkungen hat das auf unsere Gesellschaft? Ein Gespräch mit der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, die vor einer schleichenden Gewöhnung an Grundrechtseinschränkungen warnt und daran appelliert, wieder mehr Wissenschaftspluralismus zuzulassen. […]
      Eine breite Impfung der Bevölkerung könnte einen möglichen Ausstieg bedeuten.
      Guérot: Das kann ich nicht sehen. Die aktuelle Impf-Debatte zeigt in meinen Augen vor allem, dass es inzwischen anscheinend nicht mehr Konsens ist, dass Grundrechte weder verhandel- noch teilbar sind. An dem Tag, an dem Außenminister Maas ins Gespräch gebracht hat, man müsse Geimpften ihre Grundrechte wieder zurückgeben, bin ich wirklich sehr erschrocken. Denn daraufhin ist eine breite Diskussion darüber ausgebrochen, dass der Zeitpunkt noch zu früh sei, und man hat ihm parteipolitische Motive unterstellt. Was nicht passiert ist, ist, dass breite Teile der Gesellschaft entschieden zurückgewiesen haben, dass Grundrechte an Bedingungen geknüpft sind. Der Tabubruch hatte in diesem Moment also bereits stattgefunden. […]
      Der Staat darf Bürger in einer Pandemie einschränken, um die Volksgesundheit nicht zu gefährden. Was er nicht darf, ist Teile der Bevölkerung hierfür zu schädigen. Das, was im Moment gemacht wird, ist eine Triage auf einer anderen Ebene. Wir retten Leben auf Kosten derjenigen, die nicht ins Krankenhaus gekommen sind, keine Operation hatten, einen Herzinfarkt erleiden. Auf Kosten derjenigen, deren Krebserkrankungen nicht erkannt werden, auf Kosten von misshandelten Kindern und derjenigen, die Suizid begehen. Der Staat hat aber nicht das Recht, Bürger zu schädigen. Er darf nicht entscheiden, welches Leben schützenswert ist und welches nicht.
      Quelle: Nordbayern

      dazu: Staatsrechtler zu Corona-Politik »Die Gesamtsumme der Beschränkungen ist verheerend«
      Lockern oder Lockdown? Die Politik dürfe den Gesundheitsschutz nicht dauerhaft über andere Grundrechte stellen, warnt Staatsrechtler Hinnerk Wißmann. Die geplante Öffnung der Friseure hält er rechtlich für »wagemutig«. […]
      SPIEGEL: Immer wieder kippen Gerichte einzelne Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Was sagt das über die Politik der Bundesregierung?
      Wißmann: Die meisten Maßnahmen der Bundesregierung und der Landesregierungen haben vor den Gerichten Bestand. Und das ist in der Logik der Gerichte auch nachvollziehbar. Sie beurteilen in der Regel eine einzelne Maßnahme für einen einzelnen Antragsteller. Dabei spielt oft eine Rolle, dass das konkrete Verbot wegen einer Befristung zunächst nur noch kurze Zeit gilt, und viele Tatsachen können im Eilrechtsschutz nicht hinreichend ermittelt werden. Allerdings besteht die Gefahr, dass man so den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Das ist letztlich ein Strukturproblem des deutschen Verfassungsstaats: Wir verlassen uns darauf, dass Gerichte die Rechtmäßigkeit beurteilen. Das funktioniert gut, solange es nur einzelne Einschränkungen gibt. Die Gerichte sind aber nicht für eine Gesamtbeurteilung zuständig. Das wäre Aufgabe der Regierung und des Bundestags, die ja ebenfalls grundrechtsgebunden sind.
      SPIEGEL: Können Sie ein Beispiel nennen?
      Wißmann: Mein Sohn ist 14 Jahre alt und geht seit Monaten nicht mehr in die Schule. Das ist vielleicht gar nicht sein größtes Anliegen, auch wenn darum zu Recht viel gestritten wird. Aber er kann auch kein Fußball in seinem Verein spielen. Er kann keine Freunde treffen. Er darf seine Großeltern nicht besuchen. Jedes einzelne Verbot führt nur zu einem geringen Grundrechtseingriff, den kein Gericht aufhebt. Aber die Summe kostet ihn sein Leben als soziales Wesen, jeden Tag ein wenig mehr, in einer Lebensphase, die nicht einfach aufgeschoben werden kann. Dramatisch ist die Lage etwa für viele Studierende, die vom Campus ausgesperrt sind und ohne Job in kleinen Zimmern ausharren müssen. Nicht jeder kann zurück zu seinen Eltern.
      Quelle: DER SPIEGEL

      und: „Grundrechte gelten nicht nur in sonnigen Zeiten“
      Der Journalist Heribert Prantl ist ein Verfechter der Grundrechte. Die Lockdown-Politik in der Corona-Krise kritisiert er schon lang. Auch von den Kirchen ist er enttäuscht. Warum, das erklärt er im pro-Interview.
      pro: Sie haben öfter kritisiert, dass die Grundrechte im Kampf gegen Corona eingeschränkt wurden. Und unsere Politiker argumentieren, dass das notwendig war, um der Pandemie Herr zu werden. Hätte es denn Alternativen gegeben?
      Heribert Prantl: Grundrechte heißen so, weil sie auch in Zeiten der Not und der Katastrophe gelten. Wir erleben die größten, heftigsten, tiefgreifendsten Grundrechtseinschränkungen seit Beginn der Bundesrepublik. Die Maßnahmen gegen Corona überschreiten auch das, was nach den Regeln der Notstandsgesetze möglich wäre. Das Parlament ist weit weniger eingeschaltet als vorgesehen.
      Natürlich gibt es die Möglichkeit, Grundrechte einzuschränken, solange das nicht ihren Wesenskern berührt. Genau das ist aber bei einigen Maßnahmen der Fall: wenn Geschäfte, Restaurants, Kultureinrichtungen geschlossen werden, wenn Hunderttausenden von Menschen damit die Existenzgrundlage wegbricht. Die generellen, pauschalierenden Eingriffe in die Grundrechte durch Verbote, Ausgangssperren, Schul- und Betriebsschließungen sind heikel. Sie werden nicht weniger heikel dadurch, dass man sich den Zutritt zu den verschlossenen Grundrechten – aktuell durch eine Impfung – wieder erwerben kann.
      Es ist zu wenig danach gefragt worden, wie geeignet, verhältnismäßig und erforderlich diese Eingriffe waren und sind. Mir geht es darum: Wenn Grundrechte eingeschränkt werden, dann bitte weniger generalisierend, sondern weit differenzierter, als es bislang geschieht.
      Quelle: pro

    4. Menschen lassen sich coronagerecht dressieren
      Nicht nur Sittiche, Hunde und Leguane – auch Menschen lassen sich dressieren: Benehmt euch seuchensicher, dann gibt’s Leckerli! […]
      Der Knackfrosch ist die Inzidenzzahl. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hält „ein Belohnungssystem“ für „besonders geeignet“. Wenn „eine niedrige Inzidenz automatisch Lockerungen bedeutet und eine steigende Inzidenz ebenso automatisch zu harten Einschränkungen führt“, sei „für jeden verständlich, warum es lohnenswert ist, sich an bestimmte Maßnahmen zu halten“. Die Frau kennt sich aus mit Risikominimierung und Kontaktfolgenabschätzung. Nach einer Silvesterparty entwickelte sie, lange vor Corona, die legendäre „Eine-Armlänge“-Abstandsregel. – Halt, bevor der Text weitergeht, kurz zum Tierschutz: Den Pürierstab ausschalten! Zudem verbietet es sich, Wellensittiche mit „harten Einschränkungen“ zu schurigeln, etwa durch Käfigarrest.
      Die Politik erzieht Bürger, indem sie ihnen Grundrechte verabreicht oder entzieht, und das anhand einer extrem suspekten Kennziffer. Das hat was, gerade für jemanden, der sich eher für mündig hält denn für einen, bei aller Sympathie, Ziervogel. Somit wird ein Kneipenbesuch zum, auf Managerdeutsch, Inzidenz-Incentive. Das Volk kann ihn sich verdienen. Es braucht sich nur seuchensicher zu benehmen. Dann gibt’s Leckerli. Der Mensch hat nämlich, wenn er sich anstrengt, die Natur im Griff. Aber so was von. Sollte das Virus grassieren, kann das nur am Schlendrian liegen. Da muss Vater Vorsorgestaat streng sein.
      Quelle: Berliner Zeitung
    5. Gründe für Kultur ohne Lockdown
      Dass ich als Mitspieler in meinem neuesten Sketch einen der prominentesten deutschen Friseure, Shan Rahimkhan, eingeladen habe, zeigt, dass es da keinerlei Neid gibt auf Friseure wegen deren Wiedereröffnung zum 1. März. Mir geht aber die Begründung von Markus Söder, die Frisur hätte mit Menschenwürde zu tun, während die Kultur stillgelegt bleibt, gewaltig auf den Zeiger.
      Ich bin nun wahrlich kein Corona-Leugner. Ich bin geimpft, arbeite vor und hinter der Kamera nur mit Getesteten und habe meine beiden Berliner Theater – am Schlosspark und die Wühlmäuse – auf eigene Kosten mit vorbildlicher Hygiene ausgestattet. Ich lehne auch Härten in der Pandemiebekämpfung nicht generell ab. Aber die Dosis macht’s!
      Zumal die Gesundheitsämter seit 20 Jahren derart runtergewirtschaftet sind, dass sie weder die Infektionsketten nachverfolgen, noch einzelne Kultureinrichtungen bewerten können. Und dann hat die Regierung sogar noch den letzten Sommer verschlafen.
      So blieb nur noch ein Lockdown ohne Augenmaß. Heute werden allenfalls noch Parteiveranstaltungen von Gesundheitsämtern genehmigt. Aber hat Kultur nicht endlich im Grundgesetz dasselbe Privileg verdient wie Parteien?
      Quelle: Dieter Hallervorden auf Telepolis
    6. Bund zahlte 2020 fast 80 Mio. Euro für Corona-Beratung
      Die Bundesregierung hat im Kampf gegen die Corona-Krise deutlich mehr Geld für Beratungsfirmen ausgegeben als bisher bekannt. 2020 flossen bereits 78 Mio. Euro. Insgesamt schlossen die Ministerien sogar Verträge für mehr als 100 Mio. Euro ab
      Die Bundesregierung hat in der Corona-Krise im vergangenen Jahr fast 80 Mio. Euro für Berater ausgegeben. Das geht aus einer Aufstellung des Gesundheitsministeriums für die Linksfraktion im Bundestag hervor, die Capital vorliegt. Bei den Ausgaben handelt es sich um sogenannte Beratungs- und Unterstützungsleistungen, die die Bundesministerien zur Bewältigung der Corona-Pandemie eingekauft haben.
      Die Aufträge reichen von der Beratung bei der Beschaffung von Schutzmasken bis zu Analysen für den Corona-Rettungsfonds WSF. Insgesamt hat der Bund im Jahr 2020 Verträge mit einem Gesamtvolumen von 103 Mio. Euro mit externen Dienstleistern abgeschlossen, die im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Pandemie stehen. Von dieser Summe flossen bis zum 31. Dezember bereits 78,4 Mio. Euro.
      Damit hat der Bund mehr als doppelt so viel für Corona-Beratung ausgegeben wie bisher angegeben: Noch im Dezember hatte die Bundesregierung die ihr bekannten Ausgaben mit lediglich 33 Mio. Euro beziffert. Zudem hatte sie sich über Monate geweigert, konkrete Auftragnehmer und Auftragswerte öffentlich zu benennen und dies mit dem Schutz von Betriebsgeheimnissen der Unternehmen begründet.
      Gesundheits- und Wirtschaftsministerium vorne
      Auf die erneute Anfrage des Linken-Finanzexperten Fabio De Masi liegt nun erstmals ein vollständiger Überblick über die Corona-bedingten Beraterausgaben vor…
      Quelle: Capital
    7. Autoindustrie und Corona-Krise – war da was?
      Daimler legt gute Zahlen vor, trotz der Corona-Seuche. Die Jahresbilanz des Autobauers offenbart drei Gründe, warum die gesamte Branche überraschend stark durch die Krise kommt.
      Der Vorstandschef von Daimler tut gar nicht lange rum. “Einige der großen Player sind gut durch die Krise gekommen”, sagt Ola Källenius, als er am Telefon die Zahlen des vergangenen Jahres kommentiert. “Wir auch.” Das stimmt wohl: 2020 verbuchte Daimler einen operativen Gewinn von 6,6 Milliarden Euro, ein Plus von 50 Prozent, bei einem Umsatz von 154 Milliarden Euro. Die Dividende soll auf 1,35 Euro je Aktie steigen, nach 90 Cent im Jahr zuvor.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung unseres Lesers T.B.: Daimler hat letztes Jahr 700 Mio. ¬ durch Kurzarbeit gespart, erzielt jetzt einen Gewinn von 4 Mrd. ¬ (Nach Abzügen) und zahlt 1,4 Mrd. an die Aktionäre aus. Direkter kann Steuergeld nicht in die Kassen der Aktionäre fließen. Was aber das Traurigste daran ist, es passiert direkt vor unserer Nase, wird sogar von der Tagesschau erwähnt und niemanden scheint es zu stören. Der Daimler-Chef redet sogar von einem Staat, der gut funktioniert. Noch dazu baut Daimler massiv Stellen ab und die Politik schaut zu und applaudiert. Bei VW, Audi und BMW wird es nicht anders laufen und die anderen DAX Konzerne werden auch folgen (siehe hier).

    8. Die dritte Welle rollt auf Deutschland zu – die mediale Vorbereitung läuft bereits
      Die dritte Corona-Welle wird bereits angekündigt und medial vorbereitet – in zahlreichen Varianten, Wiederholungen und querbeet durch den deutschen Mediengarten. Bei der Tagesschau verkündet der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: “Wir sind am Beginn der dritten Welle”. Im MDR wird gewarnt: “Beginn der dritten Corona-Welle steht bevor” und bei der Deutschen Welle wird gefragt: “Rollt die dritte Corona-Welle auf Deutschland zu?”. Der Tagesspiegel sieht bereits “Anzeichen für die dritte Welle”. Die FAZ fragt: “Baut sich langsam die dritte Welle auf?”. Im Bayerischen Rundfunk wird nicht nur von einer möglichen “dritten Corona-Welle” berichtet, sondern direkt von einer befürchteten “vierten oder fünften Welle”. (…)
      Zur Absicherung der angekündigten dritten Welle werden von den verschiedenen Medienakteuren diverse Experten herangezogen – angefangen bei dem Charité-Virologen Christian Drosten, der dem Spiegel bereits Ende Januar von seinen “schlimmen Befürchtungen” bezüglich des Frühjahrs und des Sommers berichtete, die nun von der Schweriner Volkszeitung aufgegriffen wurden als Drostens “düstere Corona-Prognose für den Sommer”.
      “Wenn die alten Menschen und vielleicht auch ein Teil der Risikogruppen geimpft sein werden, wird ein riesiger wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, politischer und vielleicht auch rechtlicher Druck entstehen, die Corona-Maßnahmen zu beenden. Und dann werden sich innerhalb kurzer Zeit noch viel mehr Leute infizieren, als wir uns das jetzt überhaupt vorstellen können. Dann haben wir Fallzahlen nicht mehr von 20.000 oder 30.000, sondern im schlimmsten Fall von 100.000 pro Tag.” (…)
      Am 18. November 2020 titelte der Deutschlandfunk Nova in Bezug auf neurowissenschaftliche Forschungen: “Wiederholungen lassen uns falsche Aussagen glauben”. Das sei zurückzuführen auf den sogenannten “Wahrheitseffekt”.
      “Je öfter wir Aussagen hören, desto eher neigen wir, sie zu glauben – dafür sorgt unser Gehirn. Das macht uns manipulierbar. Aber wir können uns schützen.” (…)
      Der Neurowissenschaftler Henning Beck erklärt, dass Unsicherheit Menschen anfälliger für den Wahrheitseffekt macht – sie werden “verführbar”. Entscheidend sei dabei die Häufigkeit einer Aussage. Wenn das Gehirn viele ähnliche Informationen erhalte, müsse es sich in einem Moment der Unsicherheit Klarheit bieten. Häufigkeit und Wiederholungen würden dann als Wichtigkeit interpretiert, andere Informationen zunehmend ausgeblendet. Schutz vor der Manipulation bietet laut Beck lediglich eine solide Allgemeinbildung: “Allgemeinbildung, Grundwissen macht Menschen weniger verführbar”.
      Quelle: Mark Hadyniak in RT Deutsch
  2. Sanktionsspirale gegen Russland: Der Verlierer heißt nicht Putin, sondern Maas
    Am Montag war Russland-Tag in Brüssel. Allerdings anders, als es sich die EU-Außenminister vorgestellt haben dürften.
    Noch bevor sie über neue Sanktionen im Fall Nawlany berieten, drohte der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow bereits Vergeltung an. Neue Strafen würden nicht unbeantwortet bleiben, sagte er.
    Und während sich Heiko Maas und Co. im hermetisch abgeriegelten Ratsgebäude vor der wieder einmal ausgesperrten Presse versteckten, stahlen ihnen Nawalnys Berater die Show.
    Im Scheinwerferlicht der Fernsehkameras erklärten sie, wie die EU dem russischen Zaren Wladimir Putin “am besten” schaden kann.
    Nawalnys Mitarbeiter Leonid Wolkow forderte die Minister auf, die Regierungspartei “Einiges Russland” anzugreifen, aber auch Sanktionen gegen Kreml-nahe Oligarchen zu verhängen.
    Die EU will vier unbekannte Schergen abstrafen
    Eine Provokation, die allen diplomatischen Gepflogenheiten Hohn spricht. Doch sie macht mehr Eindruck als die Reisesperren gegen vier Russen, die die EU nun verhängen will
    Als mögliche Betroffene gelten Generalstaatsanwalt Igor Krasnow und Ermittlungskomitee-Chef Alexander Bastrykin. In Brüssel werden auch die Namen des Chefs des Gefängnisdienstes, Alexander Kalaschnikow, sowie des Leiters der Nationalgarde, Viktor Solotow, genannt.
    Diese angeblichen “Sünder” kennt kaum einer im Westen…
    Der Verlierer des Tages ist deshalb nicht Putin, sondern Maas. Er wird von allen vorgeführt: von den amerikanischen Freunden, den russischen Nawalny-Anhängern – und den Osteuropäern, die Nord Stream am liebsten wegbomben würden.
    Doch Maas machte gute Miene zum bösen Spiel, das die Haltlosigkeit der deutschen Europapolitik zeigt. Am Ende gratulierte er auch noch US-Außenminister Blinken, der bereits mit neuen Sanktionen gegen deutsche Unternehmen droht.
    Blinken hatte sich per Video in das Außenminister-Treffen eingeklinkt und wurde als “bester Partner” gefeiert…
    Quelle: Lost in Europe

    dazu: Sanktionen führen in die Sackgasse
    Pressemitteilung von Andrej Hunko, 22. Februar 2021
    „Die Fixierung auf immer neue Sanktionen treibt die diplomatischen Beziehungen der EU zur Russischen Föderation auf einen Tiefpunkt. Durch einen Abbruch der Beziehungen, der als Reaktion Russlands möglich ist, ist nichts gewonnen. Auch denjenigen Menschen, die in Russland völlig zurecht gegen Korruption, Polizeigewalt und Autoritarismus auf die Straße gehen, bringt eine diplomatische Eiszeit nichts“, erklärt Andrej Hunko, stellvertretender Vorsitzender und europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, zur politischen Grundsatzentscheidung der EU-Außenminister für neue Sanktionen gegen russische Funktionäre. Hunko weiter:
    „Erstmals will die EU nun die sogenannten Magnitzki-Sanktionen einsetzen. So wichtig der Einsatz für Demokratie und Menschenrechte ist, so wenig zielführend sind diese Sanktionen. Sie sind rechtsstaatlich zweifelhaft und kaum effektiv bei der Erreichung der proklamierten Ziele. Seit Jahren ist klar, dass die EU-Sanktionen viel Schaden anrichten, aber wenig Nutzen bringen. Viel wichtiger wäre es, multilaterale Institutionen wie den Europarat, die OSZE und die UNO zu stärken und deren etablierte Verfahren zur Konfliktbeilegung zu nutzen.
    Offensichtlich sind unterdessen die doppelten Standards und der geopolitische Charakter der Sanktionen. Saudi-Arabien wird trotz gravierender Menschenrechtsverletzungen mit Waffen beliefert und zu Polizeigewalt in ihren Mitgliedsstaaten schweigt die EU. Kein kritisches Wort findet sich zum Fall Assange oder den in Spanien inhaftierten katalanischen Abgeordneten. Dass die Türkei die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) angeordnete Freilassung der Oppositionellen Selahattin Demirtas und Osman Kavala ignoriert, führt zu keinerlei Konsequenzen.
    Auch die vom EGMR des Europarates erlassenen einstweiligen Maßnahmen für Alexej Nawalny werden nun offenbar mit herangezogen, um die Sanktionen zu rechtfertigen. Ein Blick auf Statistiken zu deren Umsetzung zeigt jedoch wieder einmal, wie mit zweierlei Maß gemessen wird: Bei der Nicht-Umsetzung solcher Maßnahmen 2019 ist die Türkei (225) vor Schweden (66) und Frankreich (64) Spitzenreiterin. Russland ist auf Platz 6 (45) und Deutschland auf Platz 10 (16). In keinem anderen Fall dienen sie allerdings als Grundlage für Sanktionen.“
    Quelle: Die Linke

  3. Journalistische Recherchen sind zeitlich aufwendig
    Im «Fall Nawalny» berichten viele Medien zu simpel – ein gutes Beispiel, was es braucht, um an mehr Informationen zu kommen.
    Der für Russland zuständige Auslandredaktor der NZZ, Andreas Rüesch, hat am Samstag, 13. Februar 2021, als Aufmacher auf der NZZ-Frontseite einen Leitartikel zu Russland publiziert. Das Thema war Nawalny und Putins Zukunft. In seinem Text kommen die Wörter «Opposition» und «Oppositionelle» zwar etliche Male vor, aber Rüesch hat – absichtlich oder fahrlässig – darauf verzichtet, zu sagen, wie denn diese Opposition in Russland überhaupt aussieht.
    Dass Nawalny gegen Putin Opposition macht, wissen wir ja nun alle. Aber wofür steht Nawalny? Was ist das politische Programm dieses Putin-Kritikers, der mitten in der Covid-19-Pandemie und trotz aller Corona-bedingten Versammlungsverbote zu Demonstrationen aufrief? Und wer steht hinter Nawalny? Ist er der richtige Mann, von den westlichen Ländern zum Freiheitshelden hochstilisiert zu werden?
    Am 20. August 2020 wurde, wie vermutet wird, Nawalny vergiftet. Seither sind sechs Monate vergangen. Und noch immer wird er behandelt, als ob er «die» Opposition in Russland vertrete. Selbst das «Echo der Zeit» von Schweizer Radio SRF, etwas vom Besten, was man in puncto internationaler Information «konsumieren» kann, hat erst kürzlich, am 16. Februar, in einem kurzen Bericht aus der russischen Provinz zum ersten Mal durchblicken lassen, dass Nawalny nicht einfach «der» Repräsentant der Opposition ist, sondern, im Gegenteil, von gewissen Gruppierungen der Opposition sogar klar abgelehnt wird – mit gutem Grund. (…)
    Den westlichen NATO-freundlichen Medien ist es gelungen, in der breiten Bevölkerung die Behauptung, in den russischen Medien gäbe es nur eine, vom Kreml diktierte Ansicht, in ein – vermeintliches –«Allgemeinwissen» zu verwandeln. Informationen aus Russland werden deshalb a priori als Propaganda und als falsch abgetan. Wer Russisch versteht und spricht, weiss natürlich, dass dies nicht der Realität entspricht. Nichtsdestotrotz gelten Infos aus Russland generell als unglaubwürdig und können deshalb für Recherchen westlicher Journalisten kaum gebraucht werden. Wo also zusätzliche Informationen holen?
    Infosperber hat am 30. Januar darauf aufmerksam gemacht, dass Mark Episkopos, ein Mitarbeiter des (konservativen) US-amerikanischen Polit-Magazins «The National Interest» etwas genauer hingeschaut und darauf hingewiesen hat, dass Nawalny nicht in jeder Hinsicht derjenige Oppositionelle ist, der vom Westen unterstützt werden sollte, weil er in den vergangenen Jahren auch politische Gruppen unterstützt hat, die mitnichten westliche Werte vertreten. Gerade auch, weil Mark Episkopos kein Russland-Freund ist, sind seine Beobachtungen beachtenswert. (…)
    Auch in deutscher Sprache gibt es zusätzliche Infos über Nawalny, wenn man sie sucht. Auf der Website Anti-Spiegel etwa kämpft der deutsche Thomas Röper, der seit langem in Russland lebt, zwar vor allem gegen die völlig einseitigen Darstellungen des Nachrichten-Magazins «Der Spiegel», aber oft tut Röper das eben, indem er berichtet, wie es wirklich war oder wie es ist. Und da kann man dann auch über Nawalny Dinge erfahren, die man sonst in den deutschsprachigen Medien kaum lesen kann. Etwa wie sich Nawalny vor Gericht verteidigte, nachdem er von einem 94-jährigen Veteranen wegen Verleumdung eingeklagt worden war. Nawalny hatte ihn in einem Video als «Verräter» und «Arschkriecher» bezeichnet. Ein ebenfalls lesenswerter Artikel.
    Lesenswert sind auch immer die täglichen Analysen der deutschen Plattform «German-Foreign-Policy», zu Nawalny und zur Opposition in Russland zum Beispiel hier.
    Quelle: Infosperber

    dazu auch: Wer ist Nawalnys Vertrauter Leonid Wolkow, der EU-Vertreter zu Moskau-Sanktionen berät?
    Er ist in Litauen und den USA willkommen, berät die europäischen Regierungen in Sanktionsfragen und ist stolz auf die Studienzeit in einem US-Zentrum mit CIA-Verbindung. Den Kampf gegen die Ungerechtigkeiten „des Putin-Regimes“ riskiert der Mitstreiter von Nawalny Leonid Wolkow jedoch zu verlieren…
    Am heutigen Montag haben sich die EU-Außenminister auf die Vorbereitungen der Strafmaßnahmen für Moskau im Fall Alexej Nawalny geeinigt. Während Nawalny wegen der Verstöße gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren vor Gericht musste, rief das Team seines Antikorruptionsfonds (FBK) zu Protestaktionen auf. Es gibt aber noch eine Person außerhalb des FBK, die sich mächtig und machtgierig gibt: Leonid Wolkow, Nawalnys Wahlkampfleiter bei der Bürgermeisterwahl in Moskau 2013 und Präsidentschaftswahl 2018 – für deutsche Medien unmittelbarer Vertrauter Nawalnys. Was macht ihn so auffällig?
    Am 8. Februar besprach der 40-Jährige nach eigenen Angaben samt dem in London lebenden Exekutivdirektor des FBK, Wladimir Aschurkow, mit Vertretern der EU-Staaten ein „Paket von persönlichen Sanktionen“ gegen den „engsten Kreis der Unterstützer von Wladimir Putin“. Konkret nannte Wolkow als Ziel möglicher Sanktionen unter anderem die Oligarchen Roman Abramowitsch und Alischer Usmanow, die RT-Chefin Margarita Simonjan, den Banker Andrej Kostin und den hohen Regierungsbeamten Igor Schuwalow. Auch die Botschafter der USA, Großbritanniens und der Ukraine sprachen den Berichten zufolge mit Wolkow. Die polnische Delegation bestätigte später das Gespräch.
    (…) Anders als Nawalny vor fast elf Jahren absolvierte Wolkow erst 2018 das renommierte Maurice R. Greenberg World Fellows Program für „aufstrebende globale Führungskräfte“ am Jackson Institute for Global Affairs an der Yale University. „Ja, dies ist das gleiche Programm, an dem Alexej Navalny 2010, Swjatoslaw Wakartschuk 2015 und viele andere coolste Leute teilgenommen haben“, schrieb Wolkow stolz auf seiner Webseite.
    (…) Jemand, der „ein bisschen“ Putin unterstütze, würde die „faschistische“ OMON unterstützen, suggeriert Wolkow weiter, also sollten alle System-Liberalen sofort die Frontlinie überqueren und Nawalny unterstützen. Die Narrative eines Kampfes „gegen die faschistische Macht“ taucht vor allem bei Nawalny öfter auf…
    Doch die Realität sieht anders aus. Eine landesweite Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Levada vom Anfang Februar zeigt, dass die öffentliche Ablehnung von Nawalny schneller wächst als dessen Unterstützung…
    Quelle: sna

  4. Salvadore Draghi ‒ Das letzte Ass der EU
    Mario Draghi wird im In- wie im Ausland als der große Retter gefeiert. Doch die Frage ist nicht nur, ob er die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen kann, sondern um welche es sich genau handelt.
    (…) Der Umbau der Institutionen
    Was Renzi nun ritt, das zweite Kabinett Conte zu stürzen, hat wenig Relevanz. Nur in einem waren sich die Eliten weitgehend einig: ja keine Neuwahlen. Schon verbreitete sich der Geruch des alten Bipolarismus, dessen ungeschriebenes Gesetz nun wieder eine Rechtskoalition vorgesehen hätte. Doch der Quirinal spielte nicht mit, abermals betätigte sich Präsident Mattarella als Zerstörer der Verfassung, nicht als deren Bewahrer.
    Das ständige Eingreifen des Präsidenten weist den Weg, den Renzi schon 2016 beschreiten wollte: Präsidentialismus als Antwort auf die Krise der Demokratie und der Souveränität, die spätestens mit der Finanzkrise begann. Schon seit Jahrzehnten ringen die Eliten um den autoritären Umbau der Institutionen. Die progressive Verfassung von 1948 ist ihnen ein Dorn im Auge, weil sie ein technokratisches Durchexerzieren neoliberaler EU-Vorgaben erschwert. Durch den Umbau soll der Rückzug der italienischen Demokratie auf Dauer gestellt werden.
    Damit würde man sich nach zwei Richtungen hin absichern: Einerseits den ständigen Streit innerhalb der Eliten im Zaum halten und andererseits die latente Opposition aus dem Volk nachhaltig von den Institutionen fernhalten….
    Here comes Draghi
    (…) Entsprechend vage ist Draghis Regierungsprogramm, er spricht von der Reform der Justiz, der öffentlichen Verwaltung und des Steuersystems – nichts, was nicht auch aus der Sicht der meisten Italiener veränderungsbedürftig wäre…
    Viel bedeutender ist Draghis Saga von den guten und schlechten Schulden. Gute Schulden seien jene, die zu produktiven Investitionen genützt werden würden. Das ist eine große, eine sehr große Ansage. Draghi setzt alles auf eine Karte, nämlich die als Corona-Hilfen freigemachten Subventionen und Kredite, die von der EU als Meilenstein oder »Hamilton-Moment« gefeiert werden. Doch in der Realität sind die Gelder, die Italien erwarten darf, im Verhältnis zum notwendige Nachfrageimpuls klein und potentiell an sehr harte neoliberale Auflagen gebunden, die den halbkeynesianischen Versuch der Wirtschaftsankurbelung zum Scheitern bringen könnten.
    Ob die Operation funktionieren wird, kann also ob vieler Fragezeichen bezweifelt werden. Die soziale Krise ist enorm und die politische Ruhe wird nur durch den Corona-Ausnahmezustand aufrechterhalten. Nachfragestärkende Maßnahmen müssten schnell und massiv kommen, um politische Wirkung zu entfalten, zumindest bis zu den nächsten Wahlen. Doch genau das kann und darf die EU nicht zulassen, denn es steht die De-facto-Verfassung der EU-Verträge auf dem Spiel…
    (…) Warum Draghi das letzte Ass ist
    Italien bleibt also ein soziopolitischer Vulkan, für die italienischen Eliten genauso wie für die EU. Nicht nur Berlusconi, Monti und Renzi haben sich an ihm verbrannt – auch der Zauberer Draghi wird ihn nicht zum Erlöschen bringen können.
    Von Draghi wird vielmehr etwas anderes erwartet. Er soll in dem kurzen Zeitfenster des in Scherben liegenden Populismus einen institutionellen Coup zu landen, der die parlamentarische Demokratie fundamental beschneidet. An ihre Stelle soll ein bonapartistisches System gesetzt werden, mit dessen Hilfe sozialpolitische Forderungen strukturell noch effektiver niedergehalten werden können, als das in der Vergangenheit bereits der Fall war…
    Quelle: Makroskop
  5. Lateinamerika will Bergbaukonzerne an Zügel nehmen
    Was die Schweiz nicht will, machen lateinamerikanische Länder vor. Sie stärken Umweltschützer und Indigene gegen Bergbaukonzerne.
    Am «Internationalen Tag der Mutter Erde» im April wird das so genannte Escazú-Abkommen offiziell zelebriert werden, in Kraft getreten ist es bereits jetzt im Februar. Mexiko hat mit der Ratifikation des Abkommens im letzten November den Durchbruch möglich gemacht. Als geradezu «historisches Umwelt- und Menschenrechtsabkommen» würdigte «Amnesty International» den Vertrag, als dieser vor drei Jahren ausgehandelt war.
    Abkommen für Umweltdemokratie
    Der Vertrag steht für eine Wende im wirtschaftlich und politisch höchst umstrittenen Bereich der Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Er verspricht mehr Bürgerbeteiligung in Umweltbelangen – oder wie es im Abkommen offiziell heißt – den «Zugang zu Justiz, Information und öffentliche Teilhabe in Umweltangelegenheiten in Lateinamerika und in der Karibik». Es geht um Transparenz, um Partizipations- und Klagerechte und Schutzmechanismen bei Bergbauprojekten, Abholzung, großen Staudämmen in abgelegenen und trotzdem besiedelten Gebieten. Private und öffentliche Unternehmen sollen Nachhaltigkeitsberichte erstellen und darin ihre sozialen und ökologischen Bilanzen offenlegen. Es ist «das weltweit erste Dokument, das Verfahrensgarantien zum Schutz von Aktivisten festschreibt, die sich für die Bewahrung natürlicher Ressourcen einsetzen», hat die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin jüngst das Abkommen gewürdigt…
    Wirkung über Lateinamerika hinaus
    Der Vertrag sollte auch international Wirkung zeigen, wenn sich neuerdings auch Deutschland und auch die EU selbst daran machen, den Unternehmen Sorgfaltspflichten zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Lieferketten aufzuerlegen. Die Umsetzung des Escazú-Abkommens in Lateinamerika und der Karibik und die neuen Lieferkettenregulierungen in Europa würden sich ergänzen: Europäische Unternehmen müssten bei Importen aus Lateinamerika und der Karibik darauf achten, ob ihre Lieferanten sich an die Vorgaben des Escazú-Abkommens halten…
    Quelle: Infosperber
  6. Treppauf, treppab, Straße für Straße
    Während Deutschland im Homeoffice arbeitet, schultern die Lieferanten so viel wie sonst nur vor Weihnachten. Ist es solidarisch, nicht zu bestellen? […]
    Der Arbeitsdruck für Paketboten ist seit Pandemiebeginn enorm, der Gesundheitsschutz hingegen nicht. Daniel* liefert für DHL Päckchen aus; seinen echten Namen will er nicht veröffentlicht sehen. „Es ist seit April 2020 jeden Tag wie sonst nur kurz vor Weihnachten“, sagt er. „Wir arbeiten ohne Verschnaufpause.“ 15 Prozent mehr Pakete habe DHL im vergangenen Corona-Jahr ausgeliefert. Das bedeutet eine Profitsteigerung für das Unternehmen, von der Daniel aber nichts merkt. Im Gegenteil: In seinem Arbeitsvertrag sind 38,5 Stunden pro Woche vereinbart. „Ich arbeite fast jede Woche eher 60 Stunden“, sagt er. Eigentlich müssten Überstunden ausgezahlt werden. Daniel sagt: „Unsere Vorgesetzten zweifeln an, dass wir Überstunden machen. Wir bekommen die nicht ausgezahlt.“ Und: „Wer versucht, sich dagegen zu wehren, muss mit Sanktionen rechnen.“ Abmahnungen. Oder Kündigungen. Wie sieht es mit Streik aus? „Schwierig. Unsere Betriebsräte unterstützen uns nicht.“ Und mit Hygienemaßnahmen? „Mein Schutz sind ein Wasserkanister und Seife im Auto. Das war’s.“ Die größte Angst machen Daniel die Schichtwechsel: „Unsere Vorgesetzten haben versucht, das zu entzerren, aber beim Beladen der Lkws treffen wir trotzdem alle aufeinander.“
    Quelle: der Freitag
  7. Ausbeutung auf Gemüsehöfen – Erntehelfer sollen selber zahlen
    Saisonkräfte aus Osteuropa sollen auch dieses Jahr bis zu fünf Monate sozialversicherungsfrei arbeiten dürfen. Das fordern Agrarverbände.
    Deutsche Landwirte wollen in diesem Jahr ausländische Saisonkräfte wieder fünf Monate oder 115 Arbeitstage ohne gesetzliche Krankenversicherung etwa zur Spargelernte beschäftigen. Der Bauernverband und andere Branchenorganisationen forderten vor Kurzem die Bundesregierung auf, „auch 2021 eine versicherungsfreie Beschäftigung für bis zu 115 Tage zuzulassen“.
    Auf diesem Weg angestellte Ost­eu­ro­päe­r*in­nen etwa müssen beispielsweise bei einer Corona-Erkrankung laut der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) die Behandlungskosten mitunter selbst zahlen. Zudem würden der deutschen Sozialversicherung hohe Summen an Beiträgen verloren gehen. 62 Prozent der Ende Juni 2019 registrierten rund 100.000 ausländischen Aushilfskräfte hatten nur eine Beschäftigung ohne reguläre Sozialversicherung, wie eine statistische Auswertung zeigt, die die Bundesagentur für Arbeit auf taz-Anfrage erstellt hat.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Endlich einmal werden diese Arbeitsverhältnisse nicht als “Arbeitsmigration” verniedlicht, sondern mit dem richtigen Namen, “Ausbeutung”, bezeichnet. Keine Sozialversicherungsabgaben (= radikale Lohnkürzung), und oft wird nicht einmal der mickrige deutsche Mindestlohn gezahlt. Unsäglich, aber die Bauern und Agrarministerin Klöckner werden sich wohl wieder einmal durchsetzen, obwohl als einzige Gefahr droht, dass “Deutschland mehr Gemüse importieren” müsste. Nein, selbst beim Gemüse will Deutschland Exportrekorde aufstellen oder zumindest autark sein, und auch beim Spargel ist Lohndumping das oberste Gebot.

  8. Chancengleichheit und Klimapolitik müssen zusammen gedacht werden.
    Um den internationalen Verpflichtungen in der Klimapolitik nachzukommen, muss Deutschland weitreichende politische Entscheidungen treffen. Manche Menschen werden davon profitieren, andere werden verlieren. Solche Verteilungswirkungen können finanzielle Belastungen, Jobperspektiven oder Lebens- und Konsumgewohnheiten betreffen. Dies stößt auf Widerstand – vor allem bei Menschen, bei denen ohnehin schon ökonomische oder kulturelle Verlustängste bestehen. Deshalb sollte Klimapolitik den Bürger:innen als Teil eines Zukunftsprogramms angeboten werden, das auf den Zusammenhalt der Gesellschaft setzt, indem es sozioökonomische Verteilungsfragen innerhalb Deutschlands stärker und mutiger adressiert.
    Ein solches Zukunftsprogramm muss neben der Belastung von Haushalten durch die Klimapolitik insbesondere die Vermögensungleichheit und die Erbschaften in den Blick nehmen: Seit der Wiedervereinigung haben sich die Vermögen der oberen Hälfte verdoppelt, während die untere Hälfte praktisch gar kein Vermögen hat, allenfalls ein negatives. Das Volumen jährlicher Erbschaften liegt inzwischen bei 400 Milliarden Euro – ein Achtel des Bruttoinlandsprodukts. Auch sie verteilen sich auf die glücklichere obere Hälfte. Außerdem sind Erbschaften aus historischen Gründen in Ostdeutschland viel niedriger als im Westen.
    Es ist zwar richtig und gerecht, dass Menschen darüber verfügen können, was nach dem Tod mit ihrem Vermögen geschieht. Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht müssen wir aber auch im Blick haben, was das für die nachfolgende Generation bedeutet. Eine Erbschaft ist das Gegenteil von Chancengleichheit und der Belohnung von Leistung. Schon die Aussicht auf eine große Erbschaft kann Weichen für das ganze Leben stellen. Sie beeinflusst unsere Studienwahl, ob wir mit einer guten (oder schlechten) Idee eine Firma gründen, wie viel wir arbeiten müssen und für manche gar, ob wir überhaupt arbeiten. …
    Ein weiterer Punkt, der die Klimapolitik mit der Ungleichheit in Deutschland verbindet, ist die Bildung – die ebenfalls zunehmend vererbt wird. In den Nachkriegsjahrzehnten verhalf der Zugang zu höherer Bildung vielen Menschen aus der Arbeiterklasse zum sozialen Aufstieg. Heute hängt der Bildungserfolg immer stärker von den elterlichen Ausgangsbedingungen ab – der Bildungsnähe also. Auch sie ist ungleich verteilt: Jedes achte Kind in Deutschland lebt bei Eltern, die selbst keine abgeschlossene Ausbildung haben.
    Quelle: FR Online
  9. Ich werde nicht wieder antreten
    Es gibt in verschiedenen politischen Spektren und vor allem in den sozialen Medien die Tendenz, Politik nur noch über Moral und Haltungen zu debattieren. Ich halte dies für einen Rückschritt. Werte und Moral sind das Fundament politischer Überzeugungen. Wer jedoch meint, dass alleine die „richtige Haltung“ über “richtig oder falsch” entscheidet, versucht in Wahrheit den Streit mit rationalen Argumenten zu verhindern.
    Eine solche Debattenkultur hat nichts mit Aufklärung zu tun, sondern ist Ausdruck eines elitären Wahrheitsanspruchs, wie ihn die Kirche im Mittelalter bediente. Vor allem verstärkt dies aber Spaltungen in der Gesellschaft, wovon rechte Demagogen weltweit profitieren. Dies hilft Kräften wie der AfD, sich als Anwältin der kleinen Leute aufzuspielen, obwohl ihnen die Schweizer Franken zu den Ohren heraus kommen. […]
    Parteien in der Tradition der Arbeiterbewegung waren immer lebensnah. Sie kannten die Lebenswirklichkeit der Menschen, die von ihrer Hände Arbeit lebten. Sie haben Grundwerte wie Solidarität durch Verankerung in der Lebenswelt der Beschäftigten verteidigt. Die Debatten der Meinungsführer in den akademischen Milieus, die Codes der digitalen Empörung und Hashtags, die häufig nur wenige Stunden überdauern und nichts kosten, sind dafür kein Ersatz.
    Das Leben ist voller Widersprüche: Wir müssen mehr Kapitalismuskritik und weniger erhobenen Zeigefinger wagen. Ein Akademiker mit hohem ökologischen Bewusstsein und hohem Einkommen, der öfters eine Fernreise unternimmt, verfügt über einen höheren ökologischen Fußabdruck als eine „Umweltsau“, die sich keinen Urlaub leisten kann. […]
    Identität ist wichtig im Leben. Sie darf aber nicht dazu führen, dass nur noch Unterschiede statt Gemeinsamkeiten zwischen Menschen betont werden und sich nur noch „woke“ Akademiker in Innenstädten angesprochen fühlen. Eine Politik, die nur noch an das Ego und die individuelle Betroffenheit, aber nicht mehr an die Gemeinschaft appelliert, ist auch Donald Trump nicht fremd.
    Viele Menschen teilen unsere Werte. Aber wir gewinnen nichts, wenn wir weltfremd wirken oder Stress in der Gesellschaft tabuisieren, weil wir Angst haben, auf konkrete Probleme auch konkrete Antworten liefern zu müssen. Dies schließt übrigens „linken Populismus“ überhaupt nicht aus. Wir müssen populärer werden – aber mit Hand und Fuß und den richtigen Schwerpunkten.
    Die Corona-Krise ist eine enorme Chance für die politische Linke, auf Angriff zu spielen und Staats- und Marktversagen im Gesundheitssystem sowie bei der kritischen Infrastruktur zu thematisieren. Die wachsende Ungleichheit, die Macht der neuen Daten- und Techkonzerne, die mächtiger sind als die größten Banken und Öl Tycoons, die extremen Anpassungskosten und wiederkehrenden Schocks durch den Klimawandel, die Aufrüstung, der Krieg und der Terror in den internationalen Beziehungen – all dies macht linke Antworten nötiger denn je.
    Quelle: Fabio De Masi

    Anmerkung Jens Berger: Der Verzicht samt der ausführlichen Begründung ist eine schallende Ohrfeige für die zur Zeit dominanten Flügel in der Linkspartei. Mit Fabio De Masi geht einer der wenigen Politiker mit finanzpolitischem Sachverstand. Das ist jammerschade. Den heimatlosen linken Wählern laufen die wählbaren Politiker weg.

    dazu: Worte, die etwas bedeuten
    Kassel, Strategiekonferenz der Linkspartei, 2020. Auf der Bühne steht Christian Leye, Landessprecher der Linken in NRW. Es geht, mal wieder, um Identitätspolitik. Er sagt: „Meine Frage lautet: Wo ist in unserer Politik die Identität des Facharbeiters? Wo ist die Identität der alleinerziehenden Mutter?“ Neben ihm lauert Daniela Trochowski von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die eigentlich die Rolle der Moderatorin einnehmen sollte und stattdessen Leyes Statement durch Kopfschütteln und angewiderte Mimik kommentiert.
    Leye spricht weiter: „Es geht mir nicht darum, dass wir jetzt alle nach Malle fahren und Sangria trinken. Wenn wir aber anfangen zu schmunzeln, nur weil jemand gern nach Malle fährt …“ Da fällt sie ihm ins Wort: „Das heißt Mallorca! Es ist eine spanische Insel!“ Zustimmendes, gehässiges Gelächter im Publikum. Nie zuvor lieferte das eine Lager der gespaltenen Linkspartei dem gegnerischen Lager so schnell einen Beweis für die Stichhaltigkeit der formulierten Kritik.
    Die Szene verweist aber noch auf etwas anderes: In der Politik nutzen die besten Inhalte nichts, wenn die Ansprache der Zielgruppen nicht stimmt. Die Erhöhung des Mindestlohns, die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, die Abschaffung von Hartz IV, bezahlbarer Wohnraum für jeden – all das steht im Programm der Linken, all das läge im Interesse der Bevölkerungsmehrheit, all das wollen die meisten Mallorca-Urlauber; und all das führt dennoch nicht dazu, dass die Linke schon jetzt darüber nachdenken kann, ob sie bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 nun doch nur 30 Prozent erreichen kann oder vielleicht sogar deutlich mehr. Ganz im Gegenteil wird sie sich womöglich sogar mit einem einstelligen Wahlergebnis begnügen müssen.
    Quelle: der Freitag

    dazu auch: Klarheit statt Vernebelung
    Die Verteidigung des Wahlprogrammentwurfs der beiden scheidenden Vorsitzenden der Partei Die Linke durch Bernd Riexinger in der jungen Welt vom 15. Februar ist besser als der Entwurf. Anlass zur Kritik an diesem Entwurf gibt es reichlich, und die Formulierung dieser Kritik sollte nicht als Falschbehauptung und Geltungsdrang abgetan werden. Dazu ist der Anlass auch viel zu ernst.
    Wir fragen uns dabei, warum die beiden Parteivorsitzenden mit ihrem Entwurf an die Öffentlichkeit vorgeprescht sind, ohne die inhaltliche Expertise der Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaften abgefragt oder den Text mit dem Parteivorstand vorher auch nur beraten zu haben. Und wer den Beitrag von Bernd Riexinger in der jW liest, mag kaum glauben, dass er und Katja Kipping den von ihnen verantworteten, 137 Seiten umfassenden Entwurf bis ins Detail studiert haben. »Wir sind gegen jegliche Auslandseinsätze der Bundeswehr, und wir werden uns an keiner Regierung beteiligen, die aufrüstet und auf Militarisierung setzt«, bekräftigte der Kovorsitzende in der jW ausdrücklich. Doch im Entwurf des Wahlprogramms findet sich diese klare Positionierung leider nicht. Und während Riexinger dem Antiimperialismus in der jW das Wort redet, taucht im Entwurf zum Wahlprogramm noch nicht einmal der Begriff »Imperialismus« auf. Weltweite soziale Gerechtigkeit sei durchzusetzen, indem man den »entfesselten Raubtierkapitalismus (…) endlich an die Leine« nehmen wolle.
    Hätte Riexinger einiges von dem, was er in der jW geschrieben hat, schon in den Programmentwurf genommen, dann gäbe es in der Tat weniger Anlass zur Widerrede. Allein, uns bleibt jetzt nur die konkrete Kritik am Wahlprogrammentwurf der Vorsitzenden, auch weil fälschlicherweise der Eindruck entstanden ist, es handele sich um ein Dokument der Partei Die Linke.
    Die Verteidigung des Entwurfs nach dem Muster, es stünde doch viel Gutes und Richtiges drin, ist nicht haltbar, da sich an zentralen Stellen widersprüchliche Formulierungen finden. Zentrale und nach wie vor aktuelle Forderungen aus unserem Wahlprogramm 2017 tauchen dafür nun nicht mehr auf.
    Quelle: Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke, Ellen Brombacher, Lydia Krüger, Steffen Niese, Isabelle Casel, Andrej Hunko, Justo Cruz in junge Welt

  10. Cancel Culture – da, wo der Liberalismus stirbt
    Sie sind die neuen Jakobiner: Eliten und ihre journalistischen Höflinge, die ihre “moralische Überlegenheit” herausstellen, indem sie diejenigen verdammen und zum Schweigen bringen, die sich nicht der “politisch korrekten Sprache” anpassen. Ein Kommentar von Chris Hedges. […]
    Zu verstehen heißt nicht, zu verzeihen. Aber wenn die herrschenden Eliten und ihre Höflinge, die sich als Journalisten ausgeben, damit fortfahren, diese Menschen genüsslich aus der Medienlandschaft auszulöschen, sie als weniger wertvolle Menschen anzugreifen oder, wie Hillary Clinton sie “deplorables” (“erbärmlich”) zu nennen, und sich gleichzeitig weigern, die groteske soziale Ungleichheit anzusprechen, die die “Erbärmlichen” verletzlich und verängstigt gemacht hat, dann wird das lediglich ein immer größeres Maß an Extremismus, staatlicher Repression und Zensur schüren.
    Die Cancel Culture, eine Hexenjagd durch selbsternannte moralische “Schiedsrichter der Rede”, ist zum Boutique-Aktivismus einer liberalen Klasse geworden, der der Mut und die organisatorischen Fähigkeiten fehlen, um die tatsächlichen Machtzentren herauszufordern – den militärisch-industriellen Komplex, die tödlich militarisierte Polizei, das Gefängnissystem, die Wall Street, das Silicon Valley, die Geheimdienste, die uns zur am meisten bespitzelten, beobachteten, fotografierten und überwachten Bevölkerung in der Geschichte der Menschheit machen, die fossile Brennstoffindustrie und ein politisches und wirtschaftliches System, das von der oligarchischen Macht erfasst wird.
    Quelle: RT Deutsch

    Anmerkung unseres Lesers B.M.: Niemand hat mir bisher besser begründet, warum der “Kampf gegen Rechts” auch bei uns in die falsche Richtung zeigt.

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