Leserbriefe zum Artikel über Experten, die bestätigen, die Erde sei eine Scheibe …
Zu diesem Beitrag – Experten bestätigen: Die Erde ist eine Scheibe. Wahlweise: Die Coronazahlen steigen wieder. Oder: Die Mutanten!! Oder: Die 3. Welle! – sind einige interessante und kontroverse Leserbriefe erschienen. Aus gegebenem Anlass erinnere ich daran, dass wir selbstverständlich auch Leserbriefe wiedergeben, die nicht unserer Meinung entsprechen. – Die Leserbriefe sind in der Reihenfolge des Eingangs bei den NachDenkSeiten geordnet.
1. Leserbrief
Lieber Albrecht Müller,
es ist faszinierend mitzuerleben, wie Sie buchstäblich von Tag zu Tag immer schärfer werden in Ihren Artikeln, in denen Sie die gegenwärtige ‘Politik’ angreifen, die man nur noch als Weg in den technokratischen Faschismus bezeichnen kann. Ja, die ‘Wissenschaft’ wird uns auch noch überzeugen wollen, dass “die Erde eine Scheibe ist”!
Wir wünschen Ihnen viel Kraft durchzuhalten!
Liebe Grüße!
Helene+Ansgar Klein
2. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Müller und Redaktion der Nachdenkseiten,
ich schätze die Nachdenkseiten aufgrund ihrer kritischen Sicht auf die außenpolitische Entwicklung der Bundesrepublik, ihrem innenpolitischen Blick aus linker Perspektive und mit Blick zurück auf Etappen der deutschen Geschichte und ihren kritischen Betrachtungen zur Gegenwart, oft mit Verweisen auf interessante andere Quellen von Informationen. Ich nehme an, vielen Besucherinnen und Besuchern ihrer Seite geht es genauso.
In besagtem Artikel benutzen Sie Ihrerseits Herrn Maaßen, den früheren Chef des Verfassungsschutzes, in der Rolle eines Experten und bescheinigen ihm so in der Sache eine Expertise. Ein Anstieg der Coronazahlen wird in seiner wissenschaftlichen Faktizität bestritten und mit der scheinwissenschaftlichen Aussage in eins gestellt, dass die Erde eine Scheibe sei. Letztlich konstruiert Herr Maaßen mit dieser Veröffentlichung ja selbst die Aussage: Ein Ministerium, letztlich Frau Merkel als Bundeskanzlerin selbst, lenkt in der Corona-Frage mit wohlverschleierten, ggf. bösen Absichten und entgegen jeder Realität (die Erde ist eine Scheibe) die gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands. Sie unterstellen damit nicht nur einigen, sondern einer Vielzahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ganz unterschiedlicher Einrichtungen und Institute, dass sie sich sehenden Auges in der beschriebenen Weise einspannen und mißbrauchen lassen. Sicherlich kennt Herr Maaßen qua seines früheren Amtes eine Vielzahl von Menschen, bei denen das geht. Dass Sie ihn aber zu Ihrem Zeugen machen, ist eindeutig ein Griff ins Klo, besser gesagt, in den Abgrund, der rechts lauert. Nicht umsonst, hört man auf Pegida- und auf Querdenker-Demonstrationen gerne die Aussage von der Merkel-Diktatur und die Merkel muss weg – Rufe. So ist auch das Filmchen von Maaßen gemeint und Sie bedienen das an dieser Stelle. Ich empfinde das als Skandal !
Wiederholt beweisen die Nachdenkseiten in ihrer Aufstellung in der Corona-Frage, dass sie selbst im Grundsatz die Thematik falsch verarbeiten, denn sowohl die Gestalt der Erde als auch das Virus ist ein hartnäckig Ding in der Realität und auch beim Virus geht es um die Erde in ihrer Gesamtheit, das haben Sie ja hier und da selbst und mit Verweisen auf andere Quellen dargestellt. Leider blenden Sie zu sehr Erfahrungen aus anderen Ländern aus, die durchaus mit Lockdown, aber nicht nur damit, Erfolge erzielen konnten. Es steht doch wohl inzwischen fest, dass Staaten, die intelligent testen (können) und damit sehr schnell jeglichen Ausbruch erkennen und konzentriert mit auch sehr strengen Eindämmungsmaßnahmen begrenzen und beenden, erfolgreich sind und diesen Erfolg unter Einbeziehung des Impfens verstetigen können. Genau diese Staaten haben im Ergebnis die geringsten ökonomischen, gesellschaftlichen und sozialen Sorgen.
Genau dies aber gelingt dem sogenannten Westen gerade in seinen Vorzeigeländern in Europa und Amerika nicht gerade gut und die Bundesrepublik Deutschland blamiert sich mit ihren verantwortlichen Gremien, die in provinzielles Gehabe abgleiten, in Länder-Fürstentümer oder in die Talk-Show. Natürlich wird auf diese Weise Politik gemacht und zum Schluss wird wahrscheinlich herauskommen, dass Frau Merkel und Herr Söder unter dem Strich einen Erfolg verkaufen können und dafür Stimmen kassieren. Das haben Sie bereits selbst dargelegt und genau das gilt es ja zu untersuchen.
In nicht wenigen Detail-Betrachtungen leisten die Nachdenkseiten auch in der Corona-Frage eine gute Arbeit, aber sie überdehnen den grundsätzlichen Ansatz immer dann, wenn scheinbar entlarvend zur ganz großen Strippenzieher-Geschichte gegriffen wird und man selbst meint, die Lösung präsentieren zu können. Die gute Arbeit im Detail wird durch den heutigen Auftritt oder den kläglichen Aufruf “Macht das Tor auf. Bitte.” v. 09. Februar unterminiert und findet falsche Adressaten. Die Anzahl der Klicks mag steigen, aber im Gegensatz zu Ihnen bin ich der Meinung, dass es den Mob gibt und es Aufgabe ist, sich in Fragen von Vernunft, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft von ihm abzugrenzen. Dabei wünsche ich Ihnen Erfolg und vor allen Dingen wünsche ich, dass durch falsche Einschätzung der Corona-Thematik nicht Ihre aus meiner Sicht wichtige Rolle in anderen Themenbereichen beschädigt wird und wichtiges Publikum vergrätzt zurück bleibt.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Jacoby, Wiesbaden
Anmerkung Albrecht Müller: Wie an anderer Stelle schon vermerkt, halte ich die Verwendung des Begriffes Mob zur Bezeichnung einer anderen Gruppe in unserer Gesellschaft für im Ansatz undemokratisch. Mir jedenfalls widerstrebt diese aus meiner Sicht selbstherrliche Betrachtung der Gesellschaft. Wenn ich schon den Begriff Mob gebrauchen wollte, dann würde ich ihn zum Beispiel auch auf jene Kreise anwenden, die mit der falschen und dramatisierenden Interpretation des demographischen Wandels seit zwei Jahrzehnten damit beschäftigt sind, ein gutes System der Altersvorsorge zu ruinieren.
3. Leserbrief
Liebe NachDenkSeiten-Redaktion,
zum heutigen Beitrag “Experten bestätigen: Die Erde ist eine Scheibe. …” von Albrecht Müller möchte ich anmerken:
Von Hans-Georg Maaßen mag man halten, was man will. Wie eine deutsche Behörde — aus seiner Sicht — funktioniert, schildert er ziemlich gut. Man könnte meinen, er hätte einmal im Schulministerium von NRW gearbeitet (vgl. meine Artikel “Distanzunterricht: Verlangt das Schulministerium von Schülern und Lehrern etwas Unmögliches?” und “NRW-Zentralabitur: Das Schulministerium hat immer recht“).
Ministerialbeamte sind zwar “abhängig”, wie Albrecht Müller schreibt, aber sie haben die Pflicht zu remonstrieren. Im Beamtenstatusgesetz (§ 36 (2)) ist zu lesen:
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit.
Allein der Zweifel (“Bedenken”) an der Rechtmäßigkeit einer Anordnung rechtfertigt und erfordert bereits die Remonstration. “Blinder Gehorsam ist illegal”, heißt es auf dieser Seite des “dbb beamtenbund und tarifunion”.
Laut Johannes Rux (“Das Remonstrationsrecht. Eine Tradition des liberalen Rechtsstaats?”) ist die Pflicht zur Prüfung der Rechtmäßigkeit “umfassend zu verstehen, sie schließt auch die Prüfung der Zweckmäßigkeit ein”. In Rux’ Beitrag heißt es ferner:
Entscheidend für die Demokratisierung des Beamtentums ist demnach nicht die Frage “Remonstrationspflicht” oder “Widerstandsrecht”, sondern der demokratische Geist der Rechtsordnung insgesamt: Die kontrollierbare Verpflichtung des Beamten auf die rechtsstaatliche Ordnung, die uneingeschränkte Gewährung der Grundrechte für Beamte und die umfassende Rechtsschutzgarantie ermöglichen erst die demokratische Gestaltung der öffentlichen Verwaltung.
Die rechtsstaatliche Umgebung hat dazu geführt, dass die “Remontrationspflicht” heute Wirkung zeigen kann. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Beamten diese Pflicht kennen und wahrnehmen.
Wenn man Maaßens Schilderung glaubt, sind wir weit weg von einem demokratisierten Beamtentum.
PS
Der Kölner Stadt-Anzeiger titelte vergangene Woche (19.2.2021, Seite 1): “Mutiertes Virus schürt Furcht vor dritter Welle”. In dieser Überschrift ist alles drin: die Mutante, die Angst, die dritte Welle. Seit wann kann ein Virus “Furcht schüren”?
Mit freundlichem Gruß
Alexander Roentgen
PS
Rux’ Artikel “Das Remonstrationsrecht. Eine Tradition des liberalen Rechtsstaats?” finden Sie hier.
4. Leserbrief
Sehr geehrte Damen und Herren:
Danke für Ihren interessanten Artikel. Als Beispiel für eine Studie, die als Rechtfertigung der Corona-Politik dienen kann, biete ich diesen Artikel aus Telepolis an: heise.de/tp/features/Bundesregierung-bestellte-Schock-Gutachten-statt-Impfstoff-5050329.html
Aus dem E-Mailverkehr zwischen dem Innenministerium und den Wissenschaftlern geht wohl hervor, daß man möglichst drastische Folgen im Falle von “keinem Lockdown” als Ergebnis haben wollte. Zu der von Ihnen genannten Studie über Großdemos und Corona-Ausbrüchen fällt mir folgendes ein:
Dieser Zusammenhang wurde schon im Dezember letzten Jahres in einigen Kommentaren im Internet vermutet. Ein Beispiel dafür ist: scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/verschwoerungsfragen-34-wie-anne-frank-oder-sophie-scholl-sein-die-psychologie-von-opferneid-und-schuldabwehr/#comment-107691
Die Kommentatorin “Sandy” sieht also in der Großdemonstration in Leipzig die Ursache für den Anstieg der Infektionen in Sachsen. Dieser war in der Tat beträchtlich, wenn es aber auch andere Erklärungen (Grenzverkehr mit Tchechien) gibt. Zu bemerken ist, daß dieses Phänomen eigentlich nur im November so deutlich auftrat, obwohl es in den Monaten davor (Sommer und Frühherbst) auch Demonstrationen ohne einen folgenden Anstieg gab. Es wurde in dieser Studie auch kein direkter nachweis (positives Testergebnis und Teilnahme ander Demonstration) gemacht. Es gibt also an dieser Studie einiges zu kritisieren.
Gruß
R.K.
5. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Müller,
in der Medienwissenschaft gibt es die Theorie der “opportunen Zeugen” von Lutz Hagen. Diese besagt, dass Medien eher Experten auswählen und zu Wort kommen lassen, die zur redaktionellen Linie des Mediums passen. Hagen hatte diese Theorie im Rahmen seiner Analyse der Berichterstattung zur Volkszählung im Jahr 1987 entwickelt. Es dürfte auch für die Politik gelten, dass sich Politiker eher auf “opportune Zeugen” berufen, die ihre Thesen stützen. Man muss allerdings auch berücksichtigen, dass es gewisse “Quellenroutinen” in den Medien und in der Politik geben dürfte: Wer einmal eine gute Expertise geliefert hat, wird leichter wieder gefragt werden. Bei neuen Sprechern dürfte aber die Theorie der “opportunen Zeugen” greifen.
Zur Rolle von wissenschaftlichen Experten in der Öffentlichkeit kann ich Ihnen den sehr lesenswerten Aufsatz von Hans Peter Peters in einem Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie (1994) empfehlen. Auf wenigen Seiten wird da die Funktion von Experten in öffentlichen Diskursen dargestellt.
Mit freundlichen Grüßen
N. Krause
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