Aktuell drohen diversen Online-Medien Sanktionen. Die Sorge, dass künftig viele Andersdenkende mit den Straf-Möglichkeiten des neuen Medienstaatsvertrags sabotiert werden könnten, ist begründet. Die Heuchelei, mit der sich Fake-News-Produzenten großer Medien pauschal über die Alternativmedien erheben, ist nicht akzeptabel. Von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Verschiedene Landes-Medienanstalten nutzen aktuell den Ende 2020 in Kraft getretenen Medienstaatsvertrag der Bundesländer, um gegen Internetmedien vorzugehen. Welche Medien betroffen sind, ist teils noch unbekannt, namentlich genannt wird in einem Bericht des „Deutschlandfunks“ (DLF) etwa das Portal „KenFM“. Der DLF fasst das Spektrum der betroffenen Internetseiten unter dem weitgefassten Label „umstrittene Online-Portale aus dem rechten Spektrum und dem Spektrum der Verschwörungsideologien“ zusammen. Da das Verdikt „rechtes Spektrum“ laut „offizieller“ Lesart neben den tatsächlich Rechtsextremen auch seriöse Kritiker an der Regierung treffen kann, ist die Aussage schwer zu deuten. Das unter anderem erwähnte Portal „FlinkFeed“ fällt aber wohl in diese Kategorie.
Laut Berichten haben Medienanstalten 13 sogenannte Hinweisschreiben an Online-Medien verschickt, die nicht Mitglied des Presserates seien. Im Fall des Kanals „KenFM“ verfolge man in Berlin-Brandenburg den Anfangsverdacht, dass journalistische Grundsätze nicht eingehalten worden seien. Es drohen laut Medien Sanktionen.
Im Gegensatz zum Presserat könnten die Landes-Medienanstalten von sich aus tätig werden und müssen nicht erst auf Beschwerden reagieren, so der DLF. Die Medienaufseher können demnach als schärfste Sanktion sogar anordnen, die monierten Inhalte aus dem Netz zu nehmen.
„Mächtiges Mittel“ gegen „Desinformationen“
Die „staatsfern“ organisierte Medienaufsicht war laut Medienberichten bisher vor allem für private Fernseh- und Radiosender zuständig. Darum sei es kaum möglich gewesen, „Angebote im Netz einzuschränken, die journalistisch anmuten, aber Halbwahrheiten und Verschwörungsmythen verbreiten“, wie der DLF bedauert. Das habe sich geändert, seit der neue Medienstaatsvertrag in Kraft ist.
Gegenstand der aktuellen Hinweisschreiben seien laut DPA etwa in Nordrhein-Westfalen „handwerkliche Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht“, wie zum Beispiel das Fehlen von Quellen in den Artikeln. Auch Bilder, die aus ihrem ursprünglichen Kontext genommen würden und in einen anderen Kontext gesetzt würden, seien thematisiert worden, so die Berichte. Inhalte der Artikel oder darin geäußerte Meinungen würden angeblich nicht bewertet, die Portale hätten nun die Möglichkeit, bis zum 1. März zu reagieren, hieß es.
Der neue Medienstaatsvertrag decke erstmals nicht nur die Grundsätze für den Rundfunk in Deutschland ab: Er greife auch bei Internetplattformen, die journalistische Inhalte bereitstellen. Ziel des Vertrags sei, gegen „Desinformation“ vorzugehen und „journalistische Sorgfalt“ sicherzustellen. Die Schwelle dürfte laut einem kritikwürdigen Artikel auf „Netzpolitik“ so niedrig sein, „dass bereits Facebook-Seiten und Telegram-Kanäle der Aufsicht der Medienanstalten unterliegen“, wie das Medium frohlockt:
„Der Staatsvertrag könnte sich also als ein mächtiges Mittel erweisen, um die Verbreitung von Desinformationen auf diesen Plattformen einzudämmen.“
Gilt die „journalistische Sorgfaltspflicht“ auch für Konzernmedien?
Abstrakt betrachtet, hört sich das alles sehr schön an: Wer wollte sich gegen journalistische Sorgfaltspflicht verschließen? Wenn diese Sorge sich auf alle Medien gleichermaßen beziehen würde, wäre sie sogar sehr zu begrüßen, das soll hier betont werden. Regulierung von medialen Auswüchsen ist nicht prinzipiell schlecht. Das große Problem mit dem neuen Staatsvertrag erwächst unter anderem aus einer in der Praxis wahrscheinlich eintretenden massiven Ungleichbehandlung zwischen Alternativmedien und Etablierten: Soll die auf der Propaganda-Ebene bereits praktizierte Einteilung in gute und böse Medien nun auch einen „offiziellen“ Segen mit den entsprechenden empfindlichen Folgen erhalten? Die Journalistikprofessorin Marlis Prinzing stellt weitere Fragen:
„Mich würde interessieren, wer genau die Entscheidung trifft, welche Online-Medien angeschrieben werden. Mich würde interessieren, wie genau die Kriterien sind. Ich finde außerdem wichtig zu wissen, wer sich denn da eigentlich gegebenenfalls an diese Regulierungs-Einrichtung dann wenden kann.“
Außerdem hält die von großen Medienkonzernen gegenüber Alternativmedien hochgehaltene Moral ganz prinzipiell nicht stand, wie die NachDenkSeiten kürzlich in dem Artikel „Millionen für die großen Medien – Zensur für die Alternativ-Medien“ geschrieben haben:
„Durch die Verdammung der Alternativ-Medien sollten die großen Medien im Vergleich heller strahlen – obwohl sich einige der großen deutschen Medien an monströsen Fake-News-Kampagnen etwa zum „Maidan“ oder zum Krieg gegen Syrien beteiligt haben. Zu solchen umfangreichen Kampagnen wären die Alternativ-Medien gar nicht in der Lage. Nimmt man das als Ausgangspunkt, so sind einige große Medienkonzerne erheblich stärker an Desinformation beteiligt als alle Alternativ-Medien und RT-Deutsch zusammen. (…) Auch wenn man die Augen nicht vor problematischen und verrohenden Entwicklungen „im Netz“ verschließt: Die Quelle der aufwendigen politischen Manipulationen sprudelt immer noch vor allem in den Redaktionen großer Medien.“
Fake-News-Produzenten in vielen großen Medien
Im selben Artikel wird beschrieben, dass diese großen, mutmaßlichen Fake-News-Produzenten im Vergleich zu Alternativmedien nicht nur relativ unbehelligt bleiben: Sie sollen laut einem neuen Vorhaben großzügig mit Steuergeldern gefördert werden, während die Konkurrenz im Netz eingeschüchtert wird.
Die eventuelle Sanktionierung von Alternativ-Medien, etwa wegen aus dem Kontext gerissener Bilder, kann aber auch als Bumerang auf die großen Medien zurückfallen, weil die Latte für Berichte dadurch höher gehängt wird. An dieser Latte müssten sich dann eigentlich auch die Redakteure von ARD oder Spiegel messen lassen. Leider gibt es aber keine Instanz, die diese Gleichbehandlung angemessen durchsetzen könnte: Zu einig sind sich viele große Medien in ihren eigenen Verfehlungen und in ihrem Willen, Kritik daran aggressiv abzuwehren. In welchem kritischen Zustand sich Teile der großen Medien unter anderem bei den Themen „Corona, Nawalny, Krieg und Frieden“ befinden, haben wir in vielen Beiträgen beschrieben, kürzlich etwa in diesem Artikel. Und Albrecht Müller hat zum Thema gerade formuliert:
„Es wäre um vieles sinnvoller, wenn sie sich die unendliche Welt der Manipulation und Meinungsmache der herrschenden Medien, leider auch der öffentlich-rechtlichen Medien, vornehmen würden. Allein die dort betriebene Aggression gegen Russland, der Feindbildaufbau und wirkliche Kriegshetze würden ausreichen, um den Stab über den etablierten Medien zu brechen.“
Internet: Zwischen Meinungsfreiheit und Verrohung
KenFM ist ein zugespitztes und kontroverses Meinungsportal – mir persönlich gefallen keineswegs alle Meinungen, die dort vertreten werden. Aber die Motive, wegen denen der Kanal nun immer weiter unter Druck gesetzt wird, sind durchschaubar und sie sind abzulehnen. Das Portal pauschal als „rechtsextrem“ zu bezeichnen, geht weit am Ziel vorbei. Aus Motiven der Meinungsvielfalt sollte man KenFM gegen die aktuellen Angriffe verteidigen, auch wenn man nicht mit allen dortigen Aussagen einverstanden ist.
Andererseits würden einige der nun angeblich betroffenen Internetmedien von den NachDenkSeiten mutmaßlich nicht empfohlen werden.* Es ist nicht zu leugnen, dass es (auch) im Internet fragwürdige Medien gibt und teils ein Trend zur Verrohung festzustellen ist. In diesem Artikel soll es aber vor allem um zwei Prinzipien gehen: Die Gefahr, dass man künftig viele Andersdenkende mit den Sanktions-Möglichkeiten des neuen Medienstaatsvertrags sabotieren könnte, nachdem sie von massiven Kampagnen pauschal als „rechts“ eingeordnet wurden, ist groß. Die Heuchelei, mit der sich Fake-News-Produzenten großer Medien pauschal über die Alternativmedien erheben, ist nicht akzeptabel.
* 17.02.2021 13:45 Uhr: Der Satz wurde leicht gekürzt, um die Darlegung eindeutiger zu gestalten.
Titelbild: monticello / Shutterstock