Leserbriefe zu „Sigmund Jähns Namen soll verschwinden, weil er DDR-Bürger war“

Ein Artikel von:

Frank Blenz macht in diesem Beitrag darauf aufmerksam, dass die CDU in Halle an der Saale das nach dem Kosmonauten Sigmund Jähn benannte Planetarium umbenennen möchte. Aus dem Vogtland, der Geburtsregion des ersten Deutschen im All, „kommt die innige Bitte und Forderung: Das Planetarium trägt den Namen Sigmund Jähn und das soll auch so bleiben.“ Vielen Dank für die interessanten E-Mails. Es folgt eine Auswahl der eingereichten Leserbriefe. Zusammengestellt von Christian Reimann.


1. Leserbrief

Es ist zwar Sache der Hallenser, nach wem oder was sie ihr neues Planetarium nennen. Aber ich finde schon, dass Siegmund Jähn diese Ehrung verdient hätte. Nicht nur wegen seiner Leistungen als erster Deutscher im All, sondern auch für seine wissenschaftliche Arbeit für die ESA und die Kosmonauten-/Astronautenausbildung.

Ich kannte ihn auch nicht persönlich, aber was man so vernimmt, ist er immer irgendwie Mensch geblieben. Weitaus weniger Verdienste für den wissenschaftlichen Fortschritt der Menschheit sind vielen anderen Zeitgenossen dagegen schon zu Kopfe gestiegen … Dass er auch als Aushängeschild der DDR benutzt wurde – na und? Was hätte er dagegen tun sollen? Übrigens ging das vielen Künstlern in der DDR ähnlich. Das ist nun mal das Los derer, die ihren Beruf in der Öffentlichkeit ausüben. Und in seinem Falle war das mediale Echo eben sehr groß.

Zuzugeben bleibt, dass ich in meiner Lehrzeit einmal gegen meinen Willen zum Jubeln und Winken an die Straße geschickt wurde, als er mit seinem sowjetischen Kollegen Walery Bykowsky in Dresden einfuhr. Ich habe diesen Trubel gehasst, und er vermutlich auch. Doch im Nachhinein muss ich sagen: Wer hätte das mehr verdient, als diese beiden Kosmonauten? Damals – als Jugendlicher – habe ich das anders gesehen, klar.

Ich war und bin auch Christ, was mich stets, trotz oder gerade wegen meiner linken Anschauungen davon abgehalten hat, jener SED beizutreten. Auch weil ich diese verknöcherte Partei immer als eine Art Sammelbecken für kleinbürgerliche Karrieristen aller Schattierungen wahrgenommen habe. (Als dann die DDR zusammenbrach, sind sie ja auch in Massen ausgetreten …) Allerdings wäre ich auch nie auf die Idee gekommen, in die Blockflöten-CDU zu gehen! Was die Hallenser CDU jetzt ablässt, passt zu ihr: Immer mit dem Finger auf die anderen zeigen …

Dass Siegmund Jähn in der SED und der NVA Karriere gemacht hat, war seine Entscheidung und hat ihm sicherlich genützt, diesen Flug anzutreten. ABER OHNE SEINE FACHLICHEN LEISTUNGEN WÄRE ER NIE GEFLOGEN!

Wir waren schon mit unseren Kindern und vor etwa eineinhalb Jahren noch einmal mit unserem Enkel in der Raumfahrtausstellung in Morgenröthe-Rautenkranz und fanden das absolut sehenswert. Zuletzt lag dort ein Kondolenzbuch für Jähn, wo viele Einträge die Wertschätzung bezeugten, die er bei Raumfahrt-Interessierten hierzulande genoss.

Ich finde, man sollte die Kirche im Dorfe lassen und Menschen mehr danach beurteilen, was sie anderen waren oder getan haben. Insofern bleibt Siegmund Jähn ein Vorbild. Daran wird auch die CDU in ihrer ideologischen Verblendung nichts ändern können!

R. B.


2. Leserbrief

Ich bin Hallenser und finde diese Diskussion widerwärtig. Während es die Kurt-Georg Kiesinger Allee in Bremen gibt, der von ’33 bis ’45 in der NSDAP (danach CDU)  war, darf es nicht Sigmund Jähn Planetarium heißen, weil er in der SED war? Eine Heuchelei und schreiende Doppelmoral der CDU.

Von unserem Leser H.D.


3. Leserbrief

Sehr geehrte Nachdenkseiten-Redaktion, sehr geehrter Herr Blenz,

mit Verwunderung nahm ich heute die Überschrift eines Artikels zur Debatte um die Umbenennung des Planetariums in Halle zur Kenntnis:

“Sigmund Jähns Namen soll verschwinden, weil er DDR-Bürger war”

Die Nachdenkseiten reklamieren immer wieder für sich, auf Desinformation und Schlagseiten in den großen Medien aufmerksam zu machen. Das ist wichtig und richtig. Warum posten die Nachdenkseiten also so offensichtliche Falschinformation?
Der Autor, Herr Blenz, zitiert ausführlich aus der Jungen Welt. Nun ist die Junge Welt für sich schon ein Medium mit einer gewissen Schlagseite, was zum Teil auch in Ordnung und berechtigt ist. Die Junge Welt führt aber auch aus, dass der Streit daher rührt, dass er als Repräsentant der DDR-Diktatur und als IM der Staatssicherheit wirkte – und eben nicht, weil er lediglich “DDR-Bürger war”.

Als ehemaliger DDR-Bürger kann man in der BRD, wenn ich recht informiert bin, sogar Bundeskanzler werden.
Abgesehen davon teile ich die substanzielle Kritik an der Umbenennungsdebatte.

Mit freundlichen Grüßen
Marius Brauer


4. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktion,

vielleicht sollte sich doch einer mal mit der Rolle der CDU in der DDR beschäftigen. Bekanntlich ist die CDU der DDR ja nahtlos in die neue Zeit hinübergewechselt, so, als ob sie mit der DDR nie etwas zu tun gehabt hätte.

Dabei galten die “schwarzen SEDler” mancherorts als sogenannte “Tausendprozentige”, roter, als die SED selbst. Auf jeden Fall waren die Blockparteien keine Opposition – ganz im Gegenteil. Mit der Simulation eines Mehrparteiensystems haben sie aktiv zur Stützung der SED-Herrschaft beigetragen.

Beste Grüße
P.Sieber


5. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten,

zur unwürdigen Posse um Siegmund Jähn ist leider festzustellen, dass sich – offenbar inzwischen selbst auf kommunaler Ebene – leistungslose Hofschranzen gerne dadurch ins beste Licht zu setzen suchen, dass sie Menschen, die sich im Vergleich zu ihnen unendlich viel mehr Verdienste erworben haben, herabwürdigen. Das betrifft gleichermaßen auch (staatlich alimentierte) Vereine. Und derlei nutzloses Personal arbeitet sich natürlich bevorzugt an Wehrlosen (weil bereits verstorbenen) Menschen ab. Da hat man persönlich ja nichts zu befürchten. Es ist widerlich.

Vielleicht sollten sich die Hallenser CDU-Satrapen und assistierende Vereine ja einmal mit ihrer eigenen Leistungsbilanz beschäftigen, oder, besser noch: mit der im Berliner Kanzleramt ungeschoren residierenden IM “Erika”, deren frühe Karriere fatale Ähnlichkeiten mit der des so heftig Gescholtenen aufweist, die aber im Gegensatz zu diesem nichts Anerkennenswertes sondern nur unermessliche Schäden hinterlassen wird..

Ob die armen Würstchen in Halle das bereits ahnen und deshalb mit ihrem Kahlschlag schon mal denkbare Vergleichsmaßstäbe beseitigen wollen?

Freundliche Grüße,
Dr. H. Demanowski


6. Leserbrief

Hallo,
 
ich möchte einige Gedanken zum unsäglichen Namensstreit des Planetariums in Halle äußern. Zunächst stimme ich mit dem Artikel von Frank Blenz völlig überein.
 
Die Vorgänge und die veröffentlichten Argumente vorrangig der CDU im Stadtparlament von Halle/Saale verdeutlichen eindrucksvoll, wie wirkungsvoll auch noch 30 Jahre nach ihrer Verkündung die vom damaligen Minister K. Kinkel gestellte Aufgabe uneingeschränkt umgesetzt wird. Er forderte auf dem 15. Richtertag am 23.09.1991 in Köln, ..” Es muß gelingen daß SED System zu delegitimieren, daß bis zum bitteren Ende seine Rechtfertigung aus antifaschistischer Gesinnung….”

Die handelnden Personen sind in einem schwarz-weiß Schubladendenken gefangen. Völlig ausgeblendet werden historische Ereignisse und Zusammenhänge und die Entwicklung innerhalb der DDR. Besonders unverständlich ist der Fakt, dass diese Positionen von Ostdeutschen vehement vertreten werden. Ihr Leben beginnt wahrscheinlich immer erst 1990 und ihre Bildung und ihre Abschlüsse haben sie im Nirvana erreicht. Der Widerstand läßt grüßen.

Für mich entsteht der Eindruck, dass die Verfechter der Namensablehnung von S. Jähn, sich auf die vermeintliche Siegerseite stellen wollen. Realistisch denkende Menschen positionieren sich in diesem Zusammenhang anders. Siehe Ulf Merbold oder Alexander Gerst. Es bleibt zu hoffen, dass die Stadtbevölkerung stark bleibt und sich für den Namen Sigmund Jähn einsetzt.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Peter-Michael Diestel (auch CDU-Mitglied); …”Nicht Gräben zwischen den Menschen soll man in unserem desolaten Land aufreißen, sondern das Gemeinsame suchen.” (aus “In der DDR war ich glücklich. Trotzdem kämpfe ich für die Einheit” Seite 197.)
 
Herzliche Grüße und bleibt weiter so informativ
Rolf Köhler


7. Leserbrief

Liebe Redaktion, 

Was für eine Heuchelei! 
Angela Merkel hatte zu DDR-Zeiten das Amt der Kulturreferentin in der Jugendorganisation der SED (FDJ) inne, und war in dieser Eigenschaft nach eigenen Angaben für “Agitation und Propaganda” zuständig. Sie hat somit für das System, in dem auch Siegmund Jähn Karriere machte, geworben, um es mal sehr milde auszudrücken. Da war sie beileibe kein indoktrinierter Teenager, sondern bereits Studentin an der Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin, zu der sie kaum Zugang erhalten hätte, wäre sie nicht systemkonform gewesen.

Außerdem hat sie dafür gesorgt, dass Belege, die sie mit der Stasi in Verbindung brachten, nach der Wende verschwanden (zur Lektüre empfohlen: “Das erste Leben der Angela M.”).

Ein Beispiel unter vielen für das Anlegen doppelter Maßstäbe von Seiten der CDU.

Gruß
G. Fernekes


8. Leserbrief

Liebes NDS-Team,

aber so etwas ist doch völlig verständlich. Hatten doch immer schon Eroberer die Kulturen der Verlierer zerstört. Aus der jüngeren Zeit erinnert man sich doch noch wie z.B. die Taliban buddhistische Denkmäler in Afghanistan zerschossen. Weitere Beispiele gibt es unzählig viele. Das menschliche Niveau ist stets das gleiche: Es liegt bei Null.

Wollen wir nicht einfach eine Demokratiediskussion ( anderer Beitrag) beiseite lassen und einfach feststellen: Solange Menschen systematisch auf Kosten der anderen leben und dadurch Macht erlangen und ausüben, kann es den Zustand einer Demokratie einfach nicht geben. Alles Andere ist Selbstbetrug.

Mit den besten Grüßen von Ihrem Leser i.D.


9. Leserbrief

Guten Morgen,

fast hätte ich mal wieder meinen Kaffee verschüttet beim Lesen. Sigmund Jähn konnte also seine Leistung nur vollbringen, weil er nach Meinung eines CDU-Stadtrates “systemkonformer DDR-Bürger” war.

Da stellen wir doch mal ganz frech die Frage: an welche Bedingungen war denn ein Studium der Physik in der DDR gebunden?

Das sollte sich der Stadtrat mit Blick auf seine ebenfalls oberste Chefin mal überlegen.

Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Klein


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