Wir sind enttäuscht

Wir sind enttäuscht

Wir sind enttäuscht

Ein Artikel von: Redaktion

Die Beschlüsse von gestern zeigen: die politisch Entscheidenden im Bundeskanzleramt und in den Landesregierungen nehmen die menschlichen und sozialen und wirtschaftlichen Folgen ihrer Lockdown-Entscheidungen immer noch nicht ernst. Nach wie vor sind die willkürlichen Inzidenzwerte ihre einzige Zielgröße. Anstatt die Risikogruppen gezielt zu schützen, wird lieber das ganze Land stillgelegt – und das für mindestens vier weitere Wochen. Massive soziale, psychische, ökonomische und auch gesundheitliche Kollateralschäden werden dabei billigend in Kauf genommen. Dabei fällt auf, dass Politik und Medien ein Verhältnis unerträglicher Kumpanei eingegangen sind. Die gestrigen Beschlüsse werden nicht kritisch hinterfragt, es werden, vermutlich im Blick auf die kommenden Bundestagswahlen, Politikerinnen und Politiker von CDU und CSU hofiert. Von Albrecht Müller und Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

So gestern Abend im Heute Journal und heute früh im Deutschlandfunk wieder einmal Markus Söder. Und Angela Merkel im Plauderton. Kritisches Nachhaken unterbleibt, ein Hinterfragen der gesamten Corona-Politik findet noch nicht einmal im Ansatz statt. Stattdessen übernimmt man die offizielle Sprachregelung und serviert Söder und Merkel genau die Fragen auf dem Silbertablett, die diese dann mit vorbereitet klingenden Phrasen beantworten können.
Zu den Manipulationsschritten im Einzelnen; zum Beispiel Söder im Heute Journal:

  1. Wir haben Erfolg und dieser bisherige Erfolg ist das Ergebnis unserer Politik.
  2. Aber wir dürfen diesen Erfolg nicht gefährden.
  3. Es drohen nämlich neue Gefahren von der Mutation.
  4. Wir halten uns an die Inzidenzwerte. Die Maßzahl haben wir von 50 auf 35 verschärft usw.

Bei der Behauptung von 1 könnte man mit Recht fragen, wann denn der Erfolg sichtbar geworden ist. Hat er etwas mit der Politik zu tun? Und wenn ja, welche Maßnahmen haben denn konkret dazu beigetragen? Waren es zum Beispiel eher die Abstandsregeln oder der Lockdown, der unser ganzes menschliches und soziales Zusammenleben beschädigt?

Zu Ziffer 2 und 3 kann man nur sagen, dass hier die typische Manipulationsmethode angewandt wird: B sagen und A meinen. Man behauptet mit B, es droht ein neues Virus und das gefährdet die positive Entwicklung. Damit transportiert man, dass die bisherige Politik erfolgreich gewesen sei. Der Erfolg wird dabei als gegeben angenommen, die Nachteile und Kollateralschäden ignoriert. Auch die Gefährdung durch die Mutation wird weder relativiert noch hinterfragt. Man folgt vielmehr 1:1 der Sprachregelung der Regierung und der von ihr bestellten Experten.

Zu 4: Die Inzidenzwerte sind über weite Strecken willkürlich. Die Zielgrößen von 50 oder nun 35 wurden einmal ins Spiel gebracht, um die Kapazitäten der Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung zu berücksichtigen. Diese Werte sind daher allenfalls lokal von Bedeutung, haben aber als landes- oder gar bundesweite Größe weder Sinn noch Berechtigung. Ferner sind sie eine rein epidemiologische Größe, die nichts darüber aussagt, wer sich infiziert, ob die Infizierten erkranken und wenn ja dann wie schwer. Spezifischere Größen wie die Altersinzidenzen, die Belegung der Intensivbetten spielten einmal mehr keine Rolle; schon gar nicht auf regionaler Ebene. Für die Frage, ob ein Blumenladen in Husum öffnen darf oder nicht, spielt die Inzidenz in Passau aber keine Rolle. All das wird ignoriert und unnötige Schäden werden dabei toleriert. Menschen werden isoliert, ihnen wird das soziale Umfeld genommen. Und niemand geht auf die Barrikaden.

Deprimierend ist vor allem die Laufzeit der gestrigen Entscheidungen. Ganze vier Wochen lang soll der Lockdown fortgesetzt werden; ohne weitere Zwischenprüfung. Lediglich bei der Frage der Kita- und Schulöffnungen wurde den Ländern die Entscheidungshoheit eingeräumt. Die eigentlich angekündigte Festlegung auf einen verbindlichen und allgemeingültigen Stufenplan ist erst einmal auf das nächste Treffen in vier Wochen verschoben.

Wirklich erstaunlich und wirklich empörend ist die enge Verbindung von Medien und Politik. Zumindest in den genannten öffentlich-rechtlichen Sendern wie dem ZDF und dem Deutschlandfunk kommt nicht einmal in den Untertönen ein Stückchen kritischer Geist zum Vorschein. Nichts. Nur nachplappern dessen, was die Politiker vorsagen.

Und wie gesagt der beginnende Wahlkampf: Söder wieder auf allen Kanälen. Gestern auch der sächsische Ministerpräsident Kretschmer (CDU) mit einem langen Interview. Unmotiviert, aber wahlstrategisch verständlich. Und diese mediale Schützenhilfe wirkt, wie uns auch der Leserbrief unserer Leserin B. Zane wieder einmal bestätigt, den Sie im Anhang nachlesen können.

In der Debatte und Meinungsbildung fällt nach wie vor auf, dass ständig irgendwelche Experten eingeführt werden, so gestern Abend auch wieder bei heute und im Heute Journal ein Professor. Es handelt sich freilich immer nur um Experten, die die Regierungslinie vertreten. Kritische Experten kommen hier nicht zu Wort. Es werden inzwischen auch obskure Untersuchungen ins Feld geführt, die angebliche Wissenschaftler aus Mannheim und Berlin über die angeblichen Folgen für die Ausbreitung des Virus durch die Demonstrationen in Berlin und Leipzig ins Feld führen. Usw. usw. Stecken Politik und Medien unter einer Decke?

Titelbild: Phoenix

Anhang: Leserbrief von B. Zane

Danke für Ihren Beitrag heute zu M. Söder. Sie schreiben:

Irgendwelche sachlichen Gründe oder gar Erfahrungen der Menschen mit Markus Söder als Basis der Bewertung dieses Politikers haben diese Umfrageergebnisse nicht. Sie sind im Wesentlichen medial gemacht.

Das ist leider genau, was wir erleben. Die Menschen werden durch die Medien subtil gesteuert.

Am Samstag unterhielt ich mich mit meiner sehr engagierten Nachbarin (91).

Wir sind seit 42 Jahren Nachbarn und sie war ein Leben lang ein SPD bzw. Grünen-Wähler.

Sie überraschte mich KOMPLETT mit diesem Satz:

“Ich bin zwar nie eine CSU-Wählerin gewesen, aber der Söder, der macht einen guten Job.”

Das hat mich umgehauen. Es zeigt den Einfluss der Medien, besonders auf Menschen,

die viel Zeit vor dem Fernseher verbringen. Nach 42 Jahren sagt mir meine Nachbarin

zum ersten Mal, dass sie hinter Söder stehe. (Sie sprach explizit von Söder,

nicht von der CSU. Die Person war gemeint.) Das ist DIE MACHT DER MEDIEN!

Subtil und WIRKUNGSVOLL!

Danke für Ihre Beitrag. Traurige Grüße,
B. Zane

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