Leserbriefe zu „Gehört das Wort Mob zu Ihrem Sprachschatz? Ist es ein Wort, das unter Demokraten gebraucht werden kann? (Nr.2.)“

Ein Artikel von:

Im zweiten Artikel der Serie Leben wir wirklich in einer Demokratie? wird der Begriff „Mob“ untersucht, der zurzeit häufig von politischen Persönlichkeiten Verwendung findet. Albrecht Müller meint, dass das Wort „im Gedankenaustausch und im Streit unter Demokraten nichts zu suchen“ hat. Danke für die interessanten Leserbriefe. Hier folgt eine Auswahl. Zusammengestellt von Christian Reimann.


1. Leserbrief

Lieber Herr Müller,

Ihre Überlegungen Kampfwort „Mob“ teile ich.

Beim davon abgleiteten aus dem Englischen übernommenen „Mobbing“ sehe ich es anders: ich finde, das damit bezeichnete Verhalten ist verachtenswert und damit korrekt benannt.

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Meyer


2. Leserbrief

Guten Abend lieber Herr Albrecht Müller.
 
Ihrem heutigen Artikel (Nr.2) stimme ich voll und ganz zu! Das (Un-) Wort „Mob“ gehört gestrichen, bzw. vermieden. Immerhin bezeichnet man damit Menschen, deren Meinung man nicht teilen und deren Handlungen man auch nicht gut finden und billigen muss. Man kann ihr Tun im Einzelfall verurteilen, dennoch sollte man sie mit (einem Rest an) Respekt behandeln. Sie haben eine Würde, egal was sie tun und von sich geben. Mit diesem Begriff grenzt man nur weiter aus. Wir sind die Guten, die dort sind die Bösen. So einfach ist es aber nicht. Die Stigmatisierung hilft allenfalls denen, die nichts an den Verhältnissen ändern wollen.
 
Lieber Herr Albrecht Müller,
 
Ihrem Artikel vom vergangenen Freitag, über die Demokratie und ob wir wirklich in einer leben (Nr. 1) kann ich allerdings nicht voll und ganz zustimmen. Ebenso wenig Ihren dortigen Ausführungen in Ihrer Einführung aus Ihrem Buch, warum derzeit eine Revolution „(über-) fällig“ aber „verboten“ sei. Ich schätze Ihre Arbeit und die Ihrer Mitstreiter sehr, Herr Albrecht. Ich habe großen Respekt vor Ihrer Lebensleistung und Ihrem fortwährendem Engagement, aber dort kann ich Ihnen nicht folgen und bin anderer Meinung. Dies nicht nur, weil uns derzeit in der Republik andere Themen beunruhigen, sondern weil eine Revolution Lichtjahre entfernt ist und man sie auch nicht herbeischreiben kann. Außerdem bin ich der Meinung, dass wir kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsproblem haben. Die Republik befindet sich in einer „Müdigkeit“, die eine Revolution auf unabsehbare Zeit unrealistisch macht. Es gäbe natürlich zu diesem Thema vielmehr zu sagen, als nur so einem Schlagwort hinzuwerfen. Besser kann das der Philosoph Byung-Chul Han (BCH): „Man kann den Neoliberalismus nicht marxistisch erklären. In ihm findet nicht einmal die berühmte „Entfremdung“ von der Arbeit statt. Heute stürzen wir uns mit Euphorie in die Arbeit bis zum Burn-out. Burn-out und Revolution schließen sich aus“ – Zitat Ende. Nachzulesen in „Kapitalismus und Todestrieb“ und aktuell in „Palliativgesellschaft, beide erschienen bei Matthes & Seitz. Ich würde mich freuen, wenn Sie in der Redaktion Antworten geben, wie wir aus diesem Dilemma des leblosen Verharrens/der Müdigkeit wieder heraus finden können? Die von Ihnen in Ihren Büchern zurecht angeprangerten Zustände und Manipulationen sind doch hinlänglich bekannt, oder? Die Verhältnisse ändern sich nicht wirklich grundlegend. Beispielhaft erinnere ich an die Verhältnisse im Gesundheitswesen. Eine Revolution ist auch nicht verboten, (hat danach jemals ein Revolutionär gefragt?) sondern sie ist in absehbarer Zeit schlicht nicht denkbar und durchführbar. Und noch eine Bemerkung aus aktuellem Anlass aus BCH „Palliativgesellschaft“ die ich genauso sehe: „Die Pandemie versetzt dem Kapitalismus zwar einen Schock, von Ihr geht aber kein Gegennarrativ aus“. Auf diese zugegebener Maßen auch nicht gerade hoffnungsvollen Anmerkung von BCH brauchen wir Antworten/Auswege, wohin, wie und mit wem die Reise in eine bessere Welt ohne Ausbeutung des Menschen und der Natur gehen soll? Ich befürchte aber, dass die meisten Menschen sich mit den von Ihnen zu recht angeprangerten Verhältnissen arrangiert haben, auch weil sie derzeit (noch) zu den Gewinnern zählen, wenn der Preis dafür auch hoch ist. Die Anderen resignieren, oder noch schlimmer, suchen in der AFD ihr Heil und die Lösung all Ihrer Probleme. Diesen Zustand haben die etablierten Parteien mit zu verantworten. Die Linke und die, die sich dafür halten, muss doch, will sie nicht noch mehr in die Bedeutungslosigkeit emigrieren, endlich wach werden, es ist fünf nach zwölf, und ihr Konzept und Ihre Ansprache ändern, nötigenfalls auch ihr Personal auswechseln. Ich befürchte aber, dass dieser Wunsch ein Wunsch bleibt und er wahrscheinlich so realistisch ist, wie ein Ochs es merkt, wenn man ihm ins Horn petzt. Apropos Ochs! Die dümmsten Kälber wählen Ihre Metzger selber – leider immer noch.
 
Freundliche Grüße
Alexander Kessler


3. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller

Für Sie sind die Kapitol-Stürmer Demokraten (also, nicht die Parteimitglieder)? Und die Pegida-Typen mit dem Merkel-Galgen?

Interessantes Verständnis von “Demokraten” haben Sie da.

Für mich ist die Horde der wutschnaubenden Trump-Jünger der Inbegriff für einen Mob. Aber – weil es in der Westpresse kolportiert wird – wird wohl alles ganz anders gewesen sein, wie ja die Trumpisten und Q-Leute wissen.. und auch die NDS ahnen es laut. Wenn die deutliche Mehrheit einer Gruppe ein oder mehrere Merkmale aufweist, dann darf man auch mal “über den Kamm scheren”. Ausnahmen gibt es immer, rein homogene Gruppen sind eher selten.

Natürlich wird der Ausdruck inflationär gebraucht, wie alles mit dem man diffamieren kann, aber manchmal ist er auch völlig richtig am Platz.

Freundliche Grüße
S. Lehmann


4. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktion,

ich möchte kurz ein paar Anmerkungen zum Artikel

Gehört das Wort Mob zu Ihrem Sprachschatz? Ist es ein Wort, das unter Demokraten gebraucht werden kann?

von Hr Albrecht Müller loswerden:

Sie sprechen in Sachen Medienkompetenz ein wichtiges Thema an: Sprache ist Macht, und via Framing geben die verwendeten Begriffe eine Wertung mit – umso deutlicher, wenn wie in den im Artikel verwendeten Beispiel diese Begriffe durch verschiedene Medien hinweg benützt werden.

Allerdings halte ich das Beispiel für schlecht gewählt – der “Sturm auf das Kapitol” ist eine symbolische Geste und ein Angriff auf die amerikanische Demokratie. Diese Aktion mit “Gedankenaustausch und Streit unter Demokraten” zu umschreiben ist in meinen Augen Verharmlosung.

Ja, man darf Demonstranten nicht das Recht auf das laute und öffentliche Sagen ihrer Meinung absprechen. Man sollte ebensowenig alle Teilnehmer bei dieser Aktion Anfang Jänner über einen Kamm scheren wie man auch alle Teilnehmer an einer deutschen/österreichischen “Anti-Coronapolitik-Demo” pauschal mit Querdenkern gleichsetzen sollte.

Bei solchem Aktionismus allerdings geht es den Organisatoren nicht mehr um Gedankenaustausch. Es war eine Provokation, welche mit Absicht an diesem Tag auf die Institution des Kongresses stattfand. Monatelange Vorbereitung sowohl Seitens Donald Trump, welcher mit seinen Aussagen zum angeblichen Wahlbetrug die Situation forcierte wie auch der Organisatoren im Hintergrund haben hier die Grenze dessen DEUTLICH überschritten, was unter Demokraten Teil des Meinungsaustausches ist.

Sicher, es war kein Putsch. Aber es war eine aufgeheizte Menge, welche klar kalkuliert auf das Kapitol gehetzt wurde, um ein Zeichen zu setzen. Und hier finde ich “Mob” fast noch zu harmlos, da dies in meinen Augen eine spontane Entscheidung suggeriert.

Eine Demokratie muss sich vieles gefallen lassen: Wir haben in einer Demokratie sowohl die klassisch linken/rechten Positionen, die wir Ältere noch als Klassenkampf kennen, wir kennen die zynischen Haltungen der Neoliberalen, wir haben politische Auseinandersetzungen und Konfrontationen im öffentlichen Raum mit denjenigen, die Menschenrechte nicht für alle gelten lassen wollen.

Da wir unseren eigenen Standpunkt mit Hingabe verteidigen, obwohl uns bewusst ist, dass dieser Standpunkt eventuell auch Denkfehler und Fehlannahmen beinhalten kann, darum müssen wir dieses Recht auch den anderen zugestehen.

Ein wenn auch nur symbolisches Besetzen von demokratischen Organisationen, noch dazu mit unverhohlender Gewaltbereitschaft, gehört nicht dazu. Solche Aktionen MÜSSEN sogar als das benannt werden, was sie sind: Antidemokratischer, gesellschaftsspaltender Angriff auf die Grundfeste der Demokratie.

Ich würde es begrüssen, wenn sich die Nachdenkseiten nicht im Bestreben, ein Gegengewicht zu den Mainstream-Medien zu bilden, immer wieder in Fundamental-Opposition verrennen würden.

“Der Feind meines Feindes ist mein Freund” ist schlicht zu simpel. Wenn jemand sich gegen die Elite des Landes und die klar sichtbaren Probleme stellt macht ihn dies nicht automatisch zu einem Gleichdenkenden, welcher meine Unterstützung hat.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Wenn einmal ein Vorschlag, welchen ich für sinnvoll halte, von einer mir nicht genehmen Gruppe kommt – als Beispiel die kommunale Politik der FPÖ -, so macht dies den Vorschlag als solchen nicht schlecht. Auch sollte man sich in seinen Überzeugungen nicht danach richten, wer dies auch noch unterstützt – eine gute Idee wird nicht automatisch schlecht, nur weil Menschenfeinde sie aus welchen Gründen auch immer unerwartet unterstützen. Aber deswegen muss ich noch lange nicht jede Aktion, welche gegen “die da oben” ist, gutheissen.

MfG,
Marco Horn


5. Leserbrief

Guten Abend,

auch ich bin über die Wörter Mob und Pöbel entsetzt.

Waren die verzweifelten Menschen, die während der Französischen Revolution auf die Straße gingen und leider auch den Tod von Menschen forderten, immer schon Pöbel und Mob? Oder wurden sie es, weil sie kein Brot hatten und auch keinen Kuchen? Was sind die Franzosen, die heute noch ohne Not die blutrünstige Marseillaise als ihre Nationalhymne singen? Pöbel? oder gebildete Menschen, die auf den wütenden, weil verzweifelten Pöbel hinabsehen?

Herzliche Grüße
Ilse Bleier


6. Leserbrief

Lieber Herr Müller

Ich teile ihr Entsetzen und ihre Betroffenheit, die sie in den vergangenen Wochen immer wieder zum Ausdruck bringen

Bei dem Artikel zum ‘Corona-Mob’ stelle ich mir die Frage, wie oft bereits der ‘tiefe Staat’ seine maskierten Provokateure auf den Plan gerufen hat, damit Politik & Presse aufjaulen können.

Ihr Beitrag zum CIA und der Verbindung mit Söder hat mich zu dieser These inspiriert. Und ich erinnere mich noch lebhaft an die Kandidatur F.J.S. zur Bundestagswahl 1980 der mit vergleichbaren ‘WortschatzÄ’ auf die gesamte Linke eingeprügelt hat

MfG
Rainer Schulze


7. Leserbrief

Liebes Team der Nachdenkseiten!

Auch mich stört schon seit langem die ständige Benutzung des Begriffes “Mob”. Damit werden die Demonstranten beleidigt, welche die kriegstreibende Politik der Elite mit ihren “westlichen Werten” erkannt hat und versucht durch Proteste dagegen vorzugehen. Die Helfeshelfer dieser Politik sind die Medien, die von den Demonstranten als Lügenpresse bezeichnet werden. Somit ist der Ausdruck Mob eine Reaktion auf den Begriff Lügenpresse des politischen Gegners. Als Mob werden natürlich nur die regierungskritischen Demonstranten bezeichnet.  Dazu zählen die Querdenker, Pegidateilnehmer und Trumpanhänger, die das Capitol stürmten. Auch müsste man noch die Bauernproteste und die Gelbwesten mit dazu nehmen, denn auch sie haben der herrschenden Politik einiges vorzuwerfen. Aber hier ist man noch vorsichtig mit einer Beschimpfung.  Ausdrücklich nicht dazu zähle ich die “Fridays for future” Demos und die Antifa. Die “Fridays for futur” Demos bestehen sowie meist aus Mitgliedern der gehobenen Schicht, denen es egal ist, ob die Menschen in Kohlekraftwerken und Automobilfabriken ihre Arbeit verlieren und die kleinen Leute mit der Mineralölsteuer belastet werden, während ein kostenfreier Nahverkehr kein Thema ist. Auch die Teilnehmer der Antifa werden wohl nie mit Mitschimpfwörtern belegt werden, weil da ja das Establishment selbst mitmarschiert und im Gegensatz zu den kritischen Bewegungen die eigene Regierung unterstützt wird. Dort hat man ja auch schon Claudia Roth und Cem Özdemir gesehen. Die Demonstranten in China. Russland, Bellarus, Venezuela usw. würde man wohl nie als Mob bezeichnen, weil man diese für einen Umsturz in den jeweiligen Ländern braucht. Selbst wenn dort auch Gewalt von den Protestlern ausgeht, sind immer die im Auftrag der Regierung handelnden Polizisten die Schuldigen. So wollen es in jedem Fall unsere Medien sehen. Ich bin Herrn Müller sehr dankbar für die kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff “Mob”. Das war schon lange fällig.
 
Mit freundlichem Gruß
Harald Pfleger


8. Leserbrief

Schönen guten Morgen!

Aber na sicher gehört es zu meinem Sprachschatz, aber ich kann es selten nur gebrauchen. Ich kann mich nicht erinnern in Deutschland jemals so etwas wie einen Mob gesehen oder davon gehört zu haben.

Mob ist ausgrenzend, entweder man grenzt sich selber aus oder wie in den meisten Fällen der Nutzung wird die Menge ausgegrenzt, die da als Mob erkannt worden ist. Man gehört nicht dazu. Allerdings halte ich das Ausgrenzen selbst nicht nur für lebensfeindlich (siehe L. Margulis) sondern auch zusätzlich dazu auch für faschistoid. Sicher nicht die große Keule, aber ein Blutäderchen der Sprachentgrenzung vermittelt es Verachtung, Herablaßung und Arroganz wobei von Mächtigen genutzt dann noch Überheblichkeit dazukommt. Es bedeutet die Motive und Veranlaßungen der Gruppe, die da als Mob bezeichnet wird, weg zu wischen und zwar lapidar. Und waren es nicht die Black Panthers, die ‘respect man’ als Losung hatten? Respekt ist von dem Wort Mob sehr weit entfernt. Und ich halte es für legitim auf die Geisteshaltung des- oder derjenigen, der/die dieses Wort in sozialer Spannlage womöglich nutzt, als eine rechte zu schließen. Schattierungen von Pastell bis Vollton sind da durchaus beobachtbar.

So wie der Debattenraum beschränkt wird (naja zumindest wird es versucht) wird die Sprachnutzung hin zum Entmenschlichen verschoben. Immer mehr wird in den öffentlichen Raum getragen, daß es Menschen geben soll, die nicht dazu gehören. Worauf wird da vorbereitet? Ich wage es nicht darüber zu spekulieren – es liegt dort nämlich eine Dunkelheit, die schnell zu Furcht und Angst führt.
Jedoch muß das angesprochen werden und da bedanke ich mich ausdrücklich für den Artikel, denn diese Zusammenhänge, die ja von Sprachkritikern seit mehr als einem Jahrhundert erforscht werden, sind in der Öffentlichkeit seltener anzutreffen, obschon doch alle die Sprache nutzen.

Nun wer sich schon braindead nennt…

Mit freundlichen, och nee, herzlichen Grüßen
Joachim Schäfer


9. Leserbrief

Gehört das Wort Mob zu Ihrem Sprachschatz?
 
Nein, tut es nicht. Ich lehne solches Wording persönlich aus Gründen eines kulturvollen Diskurses ab. Sie haben Recht, Herr Müller: dieser Begriff  hat im Gedankenaustausch und im Streit unter Demokraten nichts zu suchen.

Das gilt im Umkehrschluss dann aber auch für ähnlich destruktive Begriffe wie “Corona-Diktatur” , “Ermächtigungsgesetz”, “Zwangsimpfung” oder “Linksfaschismus” , um noch die “harmloseren” Begriffe, die auf Befürworter*innen der Schutzmassnahmen bzw. Kritiker*innen von “Querdenken” angewendet wurden, zu nennen.

Von verbalen Bedrohungen oder sogar Gewaltandrohungen in einschlägigen Chatgruppen will ich gar nicht erst reden. Alles schon selbst erlebt.

Wenn alle,-trotz gegenteilger Ansichten,- verbal abrüsten würden, wäre schon mal ein erster positiver Schritt gemacht .
 
Aus diesem Grund weise ich Sie auch darauf hin,  dass ich in einer anonymisierten Form schreibe.
 
Freundliche Grüße
Rainbow-Warrior21


10. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller

mit grossem Interesse lese ich Ihre Beiträge zur kritischen Betrachtung des Demokratiestatus in Deutschland.

Wie ich in vergangenen Leserbriefen bereits bisweilen angemerkt habe, scheint mir Ihre diesbezügliche Skepsis nicht nur angebracht, als in den schweren Strauss-Jahren im und nach dem „Deutschen Herbst“ politisch sozialisierter Spross eines Juristenhaushaltes sehe ich darüber hinaus sogar viele Winkel und Dunkelfelder der derzeit aktuellen Staatsführung als wesentlich antidemokratischer bis glattweg kriminell-organisiert faschistoid an – wer als intellektuell durstiger Grundgesetz- und (bayerische) Verfassungsgutfinder unter Strauß aufgewachsen ist wie ich hat oftmals einen Faschismusdetektor entwickelt, der auch Jahrzehnte nach dem Tod des grossen Vorsitzenden ganz ordentlich funktioniert.

Nun sind „Anstand“ und „Moral“ zwar grundsätzlich erfreuliche oder sogar eventuell erwünschte Grundwerte des zivilisierten Humanisten, die von der radikalen Mitte pervertierte Form von sprachlichem Anstand, bekannt als das anglophone „political Correctness“-Konstrukt zur vorsorglichen Ausgrenzung all jener Diskutanten mit potentiell unliebsamen Beiträgen hingegen ist, meiner bescheidenen Meinung nach, nichts anderes als „Faschismus, getarnt als gute Manieren“, wie George Carlin das ebenso wortmächtig wie prägnant zusammengefasst hat.

Der „Mob“, in den von ihnen zurecht beanstandeten Kontexten regelmässig wider die ausserparlamentarische Opposition als generelles Ausgrenzungsverdikt eingesetzt, gehört eindeutig in exakt diese Kategorie von Faschismus, getarnt als gute Manieren.

An dieser Stelle im politischen Diskurs bin ich der Meinung, dass sich die linke (und die allgemein demokratische) Opposition sowohl innerhalb als auch um so mehr ausserhalb der Parlamente diesem Verdikt offen und mit allen Mitteln entgegenzustellen hat. Vor allem mit dem Mittel der Sprache und der Sprachregelungen: Die Spin-Doctors des Regimes versuchen ja eine Sprachregelung der Teilung zu installieren mit dem Mob –  nehmen wir sie also beim Wort, nehmen wir die Bezeichnung als generalisierende Auszeichnung für alle individuellen Selberdenker an, und revanchieren wir uns unsererseits mit Begriffen und Definitionen: 

Wo ein Mob ist, ist immer auch eine Junta die ihm in’s Bein schiesst. 

Wo ein Mob marschieren muss ist immer auch eine Junta die ihn dämonisieren und folglich terrorisieren muss um sich nicht mit berechtigten oppositionellen Forderungen wider das eigene (Terror-)Regime auseinandersetzen zu müssen. 

Die Erfindung dieses ominösen „Mobs“ ist doch schon eine hinreichende Begründung für die offensichtliche Notwendigkeit der es Regimes, seine terroristische Herrschaft des Geldes auf Kosten der demokratischen Mehrheit mit einer irgendwie konstruierten „divide et impera“ Mechanik zu verschleiern.

Dem selben Muster übrigens, divide et impera, folgt die unsägliche Zersplitterung der linken Seite des Spektrums in identitätspolitische Micro-Einheiten, die sich wie weiland Stalinisten und Trotzkisten gegenseitig an die Wand stellen und sich dem modernen Gulag der „Cancel-Cultur“ auszuliefern versuchen mit noch den verquastesten „shaming“ Methoden, deren gendervergiftete Identitätspolitikergehirne sich zu entblöden vermögen. 

So wie nun die „Niggers” der U.S. Subkulturen vor Jahrzehnten zunächst damit begonnen haben den Begriff samt der dahinter stehenden Ideologie für sich zu erobern und auf diese Weise verächtlich zu machen, wäre das aktive aufnehmen des Mob-Begriffs und seine (Um-)Besetzung mit der erzwungenen demokratischen Mitsprache aller Gesellschaftsteilnehmer die von eben diesem Mob gefordert wird eine Möglichkeit, sich als Gegenpol zum radikalen Mitteblock und seiner feudal-faschistoiden Diskussionsraum-Beschneidung und Ausgrenzung zu positionieren. 

Den leider überaus erfolgreichen Spindoctores der gültigen Geld-Junta als „Aussenfront“ muss man von der linken Seite des Spektrums her ebenso begegnen wie das die rechte Seite des Spectrums tut.

Querfrontvorwürfe lassen dabei wohl zumindest zeitweise nicht vermeiden, aber das Ziel „Rückkehr zum Klassenkampf“ ist es meines Erachtens wert, und die Forderung nach unzensiertem Mitspracherecht schliesst nunmal für gute Demokraten auch die Forderung danach ein, die G’schwollschädel und Rechtsaussen-Dogmatiker sich selber lächerlich machen zu lassen anstatt sie seinerseits vom Diskurs auszuschliessen.

Allerdings hat die linke Seite natürlich das zusätzliche Problem, dass dem Ziel „Rückkehr zum Klassenkampf“ in den eigenen Reihen am linken Rand die seit Jahren exponentiell zunehmende unsägliche Selbstzerfleischung durch identitätspolitische Amokläuferinnen in Kohortengrössenordnungen entgegensteht, am rechten Rand hingegen die versprengte Rumpf-SPD als Käuflinge und neoliberale Terrorgenossen des aktuell gültigen Feudalregimes, während rechts ausser der AFD als Ausdrucksform rechts von der CSU niemand mitmischt und die Schlagkraft zerstückelt, auch wenn die CSU natürlich unter Söder zunehmend an ihrer rechten Seite auszufransen droht, weil sich niederbayerisch-ländliche Landwirte und Handwerker mit Söders zeitweise schockierendem Gretaismus nicht anzufreunden in der Lage sind – hier hilft ihm aber Corona über ungeahnte Verwerfungen zwischen grünlichen Landeshauptstadt-Konservativen und der Hard-Core Bauern-CSU hinwegzuschreiten wie Jesus über das Wasser.

Warum schreib ich nun den ganzen Sermon? 

Weil ich glaube es könnte einen Versuch wert sein, sich aktiver gegen die bleierne political correctness der anderen zu behaupten, indem man Begrifflichkeiten seinerseits eine oder zwei Stufen „verschärft” und im Zusammenhang mit Hartz und Sozialdumping von ebenso menschenverachtendem wie grundgesetzwidrigem Austeritätsterror schreibt, im Zusammenhang mit Merz vom Feudalismus und seinen Feudalherren, im Zusammenhang mit Politverbrechern wie Scheuer (Verkehr) bis Scholz (Cum-Ex, Austeritätsterror und rote schwarze Null), wie Spahn (Datenschutz und Krankheitsausverkauf) bis Maas (Maas insgesamt) von Käuflingen und Klientel-Apparatschiks …. Das ist natürlich alles nur mit dem entsprechenden Humor und mit extrem spitzer Feder zu bewerkstelligen, weil das legalitäre System zwar vielleicht die Kunst zu schützen vermag (von Böhmermann bis Anstalt), bei Antifaschismus, Antikapitalismus und Anti-Establishment aber naturgemäss reflexartig die Hand schützen wird von der es gefüttert wird.

Wie den radikalen identischen Genderistinnen und den venagelten „affirmative action“ Feministinnen zu begegnen sein könnte weiß ich offen gestanden leider bis heute nicht, weil man Intelligenz und Überblick ja leider nicht als Tabletten oder Heilsaft löffelweise ausgeben kann auf Parteiveranstaltungen links von der radikale Mitte, dass aber der bitter nötige Klassenkampf nur mit einem massiven Bewusstseinsschub derer „unten“ zu bewerkstelligen sein wird ist sicher. 

Die angedachte Schärfung der Begrifflichkeiten könnte dabei eine grosse Hilfe sein, sobald die Leute anfangen sich mit ihrer eigenen Rolle auf der vernachlässigten Seite der Demokratur des Kapitals zu identifizieren und sich als politische Subjekte wahrzunehmen.

Ich hoffe, Ignaz Wrobel, Paul Panther und Theobald Tiger als einige Protagonisten einer ebenso intellektuellen wie scharfzüngigen antifaschistischen Linken würden mir recht geben.

Bei der Gelegenheit wie immer: Vielen Dank für die Unermüdlichkeit und Beharrlichkeit der Nachdenkseiten, egal wie scharf der etablierte Gegenwind auch pfeifen mag!

Beste Wünsche vom Alpenrand 

Michael Scheuer.


11. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,
 
so sehr ich die Nachdenkseiten als kritisches Korrektiv schätze, so sehr schießen Sie mit dem Mob-Artikel über das Ziel hinaus. Mal ganz abgesehen davon, dass Sie den Mob-Begriff ziemlich erläuterungsfrei verwenden und nicht einmal den Informationsgehalt des entsprechenden Wikipedia-Artikels erreichen, so macht es kaum Sinn, völlig verschiedene Verwendungsweisen des Stichworts „Mob“ in eine Reihe zu stellen.
 
Wie immer man den Angriffs auf das US-Kapitol auch bewerten mag, so erscheint mir die Rede vom „Mob“ in diesem Fall jedenfalls möglich und angemessen zu sein. Denn es geht um eine „aufgewiegelte Volksmenge“ (so die wörtliche Übersetzung) die sich in ihrem konkreten Verhalten von den Regeln demokratischer Auseinandersetzung komplett verabschiedet hat und die damit verknüpften Achtsamkeitsregeln daher auch nicht mehr ohne Weiteres in Anspruch nehmen kann. Selbst wenn ich die Schilderungen des Übergriffs, wie sie von Frau Ocasio-Cortez oder Herrn Graham überliefert sind, für übertrieben halten sollte: Mit Ihrem Angriff auf das Kapitol haben die Akteure deutlich gemacht, was sie von ihren Gegnern und der Demokratie halten: nämlich nichts.  Und wer sich solchermaßen völlig argumentfrei  und gewaltförmig verhält, der hat sich m.E. das Etikett „Mob“ in einem differenzierten -Sinne des Begriff durchaus verdient, zumal es sich in keiner Weise um eine wie auch immer begründbare „revolutionäre Situation“ handelt.
 
Zwar ist das Mob-Etikett in der Tat abwertend, und wenn man es gebraucht, dann unterstellt man/frau dem so bezeichneten Gegenüber, dass er/sie an nicht nur an argumentativer Auseinandersetzung uninteressiert ist, sondern seine (politische) Position als Gruppe gewalttätig durchsetzen will, und zwar ohne Rücksicht auf andere und in einer Situation, die alles andere als „revolutionär“ beschrieben und gerechtfertigt werden kann. Auch wenn man über die Motive und das Verhalten der Kapitolstürmer im Detail streiten mag  – systematisch und nüchtern betrachtet ist das Etikett „Mob“ in diesem Fall ebenso möglich wie gerechtfertigt, und es wäre eher wichtig, zu begründen, warum man/frau es verwendet. Und genau deshalb finde ich es umgekehrt höchst problematisch, wenn Sie in anklagendem Ton und erläuterungsfrei auf andere Fälle des Wortgebrauchs verweisen. Denn das trägt das nicht unbedingt zu einer Klärung bei, sondern bestärkt einen unreflektierten Begriffsgebrauch ebenso wie eine unreflektierte Gleichsetzung von links und rechts.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Wolfgang Bonß


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