Zahlreiche Künstler schweigen zu den aktuellen Vorgängen – im besten Fall: Viele Kulturschaffende unterstützen sogar die destruktiven Lockdown-Thesen von „Zero Covid“. Das ist die Fortsetzung eines bekannten Phänomens: Die Ignoranz der sozialen Fragen durch Teile des Kulturbetriebs. Von Tobias Riegel.
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Sprachlosigkeit ist ein zentrales Merkmal der aktuellen Zeit. Das Schweigen vieler Künstler bei der Kritik an der Corona-Politik verstärkt das ohnehin verbreitete Gefühl der Verlassenheit bei vielen Bürgern: Ausnahmen bestätigen die Regel, aber viele Parlamentarier und Redakteure sind bereits verstummt, wenn es um grundsätzliche Kritik an der Corona-Politik geht. Und die Kulturszene gesellt sich weitgehend dazu – wenn es nicht um die (berechtigte) Forderung nach finanzieller Hilfe für die eigene Branche geht.
„Solidarischer Lockdown“ – Künstler auf Irrwegen
Prominente Künstler sind nicht grundsätzlich berufen, die Politik zu erklären. Prominenz allein verleiht noch keinen Weitblick und keine Weisheit – Ausnahmen bestätigen die Regel. Künstler sind auch nicht grundsätzlich aufgefordert, sich öffentlich politisch zu positionieren: Die Wahl einer weltabgewandten und vor allem der Kreativität verpflichteten Künstler-Existenz wäre zu akzeptieren.
Dem stehen aber zwei Entwicklungen entgegen: Zum einen hat man sich trotz der genannten Einschränkungen daran gewöhnt, dass sich bekannte Film- oder Popstars in wohlklingenden Sätzen regelmäßig zur Weltlage äußern. Dieses Phänomen ist aber seit Corona erheblich abgeschwächt – zumindest wenn es um konkrete Kritik an der deutschen Lockdown-Politik geht, die über berechtigte Eigeninteressen hinausgeht.
Zum anderen begnügen sich viele Kulturschaffende nicht mit einem Schweigen, sondern fordern gar eine Verschärfung der auf fragwürdiger Datenbasis ausgerufenen Lockdown-Politik. So befinden sich unter den Erstunterzeichnern bei der extrem fragwürdigen Initiative „Zero Covid“ auch viele prominente bildende Künstler, Autoren oder Filmemacher. Die sich hinter der Phrase von einem „solidarischen Lockdown“ verbergenden sozialen Verwerfungen werden nicht angemessen in den Blick genommen.
„Kabarettisten“ als Verleumder der Corona-Kritiker
Neben den sich bis Corona eher allgemein und wohlgefällig zur Politik äußernden Künstlern gibt es die Vertreter, die sich selber wohl explizit als „politisch“ und als „unbequem“ einordnen würden. Aber auch im Bereich dessen, was früher politisches Kabarett genannt wurde, gibt es eine Entwicklung zur Comedy-Agitation: „Heute Show“ und „Extra Drei“ gehören zu den härtesten Verleumdern der Corona-Kritiker und der „undisziplinierten“ Bürger und verhalten sich über weite Strecken wie treue Verteidiger der Lockdown-Strategie der Regierung. Und während seriösen kritischen Künstlern mutmaßlich die großen Bühnen verwehrt werden, werden von vielen Medien fragwürdige und schrille Pop-Vertreter wie Xavier Naidoo dargestellt, als seien sie zentrale Figuren der Corona-Kritik, wie Jens Berger im Artikel „Wendler, Hildmann, Naidoo und Co. – Nebelkerzen zur Einengung des Debattenraums“ beschrieben hat. Hoffnung gibt es noch bei der „Anstalt“. Als positive Ausnahme wäre auch Michael Hatzius zu nennen.
Es gibt vermutlich viele weitere Gegenbeispiele, bei denen sich Künstler in den vergangenen denkwürdigen Monaten mutig geäußert haben. Möglicherweise werden diese Äußerungen aber ebenso unterdrückt wie zum Teil jene von kritischen Wissenschaftlern. Diese Künstler sollen hier nicht verschwiegen werden. Darum hier der Aufruf an die Leser: Wenn Sie auf kritische Äußerungen von Künstlerinnen oder Künstlern stoßen, oder auf Werke, die sich der aktuellen Entwicklung in kreativer, aber auch seriöser Weise entgegenstellen, dann schicken Sie uns doch einen Hinweis.
Keine Positionierung der Kulturszene
Diese Künstler-Kritik sollte aber über Forderungen nach finanzieller Hilfe für die eigene Branche hinausgehen, wie sie von zahlreichen prominenten Künstlern formuliert werden. Diese Forderungen sind legitim, sie sollen hier nicht kritisiert werden. Aber könnte man nicht langsam mal grundsätzlichere und die Gesamtgesellschaft betreffende Positionierungen aus der Kulturszene erwarten – zumindest von den Künstlern, die sonst auch in blumigen Worten die Politik kommentiert haben (etwa hier oder hier oder hier) und die bis Corona durchaus Kapital aus diesem „Engagement“ geschlagen haben? Wäre es nicht höchste Zeit für eine Positionierung zu dem inakzeptablen Umgang mit den Kindern? Zu den verbotenen Demonstrationen? Zur unseriösen Datenbasis, auf der alle Folgediskussionen zu Corona beruhen? Zur pauschalen Diffamierung aller Kritik als „rechts“? Zu zahlreichen anderen Aspekten der bedrohlichen Entwicklung seit März 2020?
Bei den Berufsvertretungen sieht es kaum anders aus: Der Berufsverband Bildender Künstler fordert zu recht finanzielle Unterstützung, aber auch nicht mehr. Der Deutsche Kulturrat verteidigte im Januar die Verlängerung des Lockdowns:
„Diese Maßnahmen sind leider notwendig, wenn man sich die aktuellen Todeszahlen durch den Coronavirus in Deutschland alleine in den letzten 24 Stunden von mehr als 1.000 Menschen ansieht.“
Konzert nur mit Impfung – Werden Künstler das mitmachen?
Eine Möglichkeit der politischen Positionierung für Künstler könnte es bald geben: Der Konzertveranstalter Eventim hat angekündigt, nur noch geimpfte Personen bei Konzerten einzulassen. Werden die jeweiligen Künstler dann bereit sein, vor einem in dieser Weise „ausgewählten“ Publikum zu spielen? Oder werden sie solche Konzerte aussparen? Zu der Ankündigung von Eventim sei hier auf den Artikel „Niemand hat die Absicht, einen Immunitätsausweis einzuführen“ verwiesen.
Grundsätzlich muss in der schaurigen „Neuen Normalität“ immer wieder betont werden: Kultur ist kein Luxus und die Kulturszene wird mit am härtesten von den aktuellen Maßnahmen getroffen. In einer Gesellschaft, die es zulässt, dass die Kultur für überflüssig erklärt wird, stimmt etwas nicht. Künstler verdienen also grundsätzlich Solidarität. Man muss sich auch immer wieder verdeutlichen, dass eine öffentliche Positionierung im Moment mit einer giftigen Diffamierung durch viele Medien und Politiker beantwortet wird und dementsprechenden Mut erfordert.
Schon vor Corona: Missachtung der sozialen Fragen
Einige hier geschilderte Phänomene waren auch schon vor Corona zu beobachten. Eine Missachtung der sozialen Fragen durch Teile des Kulturbetriebs wurde schon länger deutlich. Auch sind Teile der deutschen Kulturszene schon früher als Verteidiger einer offiziellen Politik in Erscheinung getreten. Zudem wurde bereits vor Corona immer wieder „kulturelle“ Meinungsmache im Sinne einer westlichen Geopolitik betrieben. Zu diesen Aspekten haben die NachDenkSeiten diverse Beiträge veröffentlicht, die Sie unter dem Artikel finden.
Ein aktuelles Gegenbeispiel zu den Schilderungen ist aber dieser engagierte Song des Musikers Guido de Gyrich. In seiner zugespitzten musikalischen Abrechnung mit den vielen momentan schweigenden prominenten Musikern in Deutschland fragt er: „Wo seid ihr alle hin?“
Titelbild: wernimages / Shutterstock
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