Die verlogene Berichterstattung um die „Denkfabrik“ am Tropf der Linken“
Ypsilantis “Denkfabrik” hängt am Tropf der Linken titelte Springers WELT am Donnerstag, den 23. September. „Die “linke Denkfabrik” von Andrea Ypsilanti (SPD) startet ihr erstes Projekt. Finanziert wird sie vor allem von der Linkspartei.“ Lesen wir in der Einleitung.
Wenn es beim nächsten mal um die Aktivitäten, „Studien“ und sonstigen Beeinflussungsversuche marktliberaler Initiativen, Denkfabriken und Institute geht, wird in WELT & Co. selbstverständlich nicht über die inhaltlichen, personellen und natürlich auch finanziellen Einflüsse durch Arbeitgeberverbände, Versicherungskonzerne und Finanzdienstleister berichtet werden. Martin Betzwieser.
Davon gibt es genug, hier ein paar Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Fügen wir „ISM“ (Institut Solidarische Moderne) ein „N“ zu, sind wir bei „INSM“, der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die seit Gründung 2000 nicht am Tropf der Arbeitgeberverbände Metall und Elektro hängt, sondern mit bis zu zehn Millionen Euro im Jahr gemästet wird. Einige der Aktivisten finden Sie hier und es gibt personelle Überschneidungen zu anderen aufgeführten Denkfabriken.
- Das Institut zur Zukunft der Arbeit ist ein Sammelbecken von Arbeitgeber-Lobbyisten, politischer Prominenz, Vertretern aus der Finanzwirtschaft (z.B. Bert Rürup) und auch Journalisten (Es kann also keine Unwissenheit sein, dass solche Hintergründe in der Presse verschwiegen werden). Der Direktor für Arbeitsmarktpolitik Hilmar Schneider wollte vor ein paar Jahren Erwerbslose versteigern lassen, um die Kosten für Sozialtransfers gegenfinanzieren zu lassen.
- Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unter der Leitung des Ober-Sachverständigen Wolfgang Franz wird im wissenschaftlichen Beirat, im Aufsichtsrat und in einem Förderverein im Wesentlichen von Vertretern der Industrie, der Arbeitgeberlobby und verschiedener Versicherungs- und Finanzdienstleister getragen.
- Das Institut der deutschen Wirtschaft ist nicht nur einfach arbeitgebernah – wie fast immer geschrieben und berichtet wird – sondern wird von der Wirtschaft getragen und finanziert.
- Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) wird von Unternehmen der Deutschen-Bank-Gruppe finanziert.
Wenn journalistische Laien so etwas herausfinden können, dann können das natürlich auch journalistische Profis herausfinden, aber sie wollen nicht oder dürfen nicht oder können nicht.
Also geht es weder in diesem Punkt noch im weiteren Verlauf dieses Artikels um eine ausgewogene und faire Kommentierung sondern um knallharte Meinungsmanipulation.
Seit der Gründung des Instituts im Januar gab es keine Berichterstattung, an die ich mich erinnern kann. Jetzt startet das erste wahrnehmbare Projekt des Instituts und ist sofort Anlass für einen Kommentar, in dem das Institut als das Institut von Andrea Ypsilanti dargestellt wird. Dabei ist es nicht ihr Institut sondern sie ist nur eine von vielen Akteuren und Akteurinnen, wenn auch eine der bekanntesten. Beachten Sie die Bildüberschrift: „Ypsilanti gescheitert“; Ypsilanti, die ewig Gescheiterte? Das Scheitern als politische Lebensleistung? Das Institut und seine Pläne sind schon zum Scheitern verurteilt?
Im Text wird dann behauptet, als offizielle „Kooperationspartner“ tauchen aber neben dem Allgemeinen Studierendenausschuss der Universität Frankfurt nur zwei Parteien auf: die Europäischen Grünen und der „Verein der Bundestagsfraktion Die Linke“ auf. Das bezeichne ich als Unwahrheit, denn bereits vor diesem Artikel waren als Kooperationspartner der Tagung Abgeordnete der SPD aufgeführt.
Am Freitagabend war ich bei der Eröffnungsveranstaltung im Studierendenhaus auf dem Campus Frankfurt-Bockenheim und hatte vor dem Beginn der Podiumsdiskussion Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch mit Andrea Ypsilanti. Ob es eine finanzielle Unterstützung durch SPD oder SPD-Gremien gebe oder Versuche dazu, welches Interesse es bei der SPD an den Aktivitäten ihrer ehemaligen Landesvorsitzenden bestehen, fragte ich sie. Ihre Antwort lautet zusammengefasst: Es gibt Unterstützung aus der SPD, auch namhafte und einflussreiche Mitglieder und Abgeordnete unterstützen das Institut teilweise großzügig. Beträge könne sie auswendig nicht nennen und wolle das hier auch nicht. Es gehe hier auch weniger um das Institut und dessen Pläne sondern wieder darum, eine konkrete Zusammenarbeit mit der Linkspartei herbeizuschreiben und sie als politische Person erneut fertig zu machen.
Hermann Scheer war da und die Annahme, dass er zu den Unterstützern gehört, ist wohl nicht zu abenteuerlich; er ist einer der Mitinitiatoren des Instituts.
Nachdem Andrea Ypsilanti bei den hessischen Landtagswahlen unter besonderer Mithilfe von journalistischen Schreibtischtätern politisch hingerichtet wurde, sind solche Artikel wie hier in der Welt das gelegentliche Blumensträußchen, aber das Grab wird nicht gewässert. Die erste Reihe im Saal war für Pressevertreter/innen reserviert – und blieb leer. Kein/e einzige/r Pressevertreter/in war anwesend und gab sich entsprechend zu erkennen. Gäbe es ein wirkliches Interesse an den finanziellen Hintergründen und an journalistischer Fairness, wäre hier die Gelegenheit gewesen, in aller Öffentlichkeit zu fragen. Bis jetzt (Samstag 25. September um 23:30 Uhr) konnte ich keinen Artikel zu dieser Podiumsdiskussion finden.