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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Bundestagsabgeordnete setzen sich für Julian Assange ein
  2. Jeremy Corbyns Projekt für globale Gerechtigkeit
  3. Alarm wegen Corona-Mutation – dabei wissen wir über Virus-Variante wenig
  4. They Said Tax Cuts for the Rich Would Create Jobs. It Never Happened.
  5. Corona verschärft Arbeitsbedingungen: Knochenjob Paketzusteller
  6. Neues Bündnis Klinikrettung.de fordert sofortigen Stopp der Schließungen von Krankenhäusern
  7. Die Hartz-4-Hackerin
  8. Kampf gegen die Raubritter von heute
  9. Flexibel in die Armut
  10. Lockdown-Politik ist endgültig gescheitert – das rächt sich bei Impfung
  11. COVID-19: Armut erhöht Infektions- und Sterberisiko
  12. Ex-Verfassungsrichter Papier: Bundestag hätte über Verteilung abstimmen müssen
  13. Auf dem Holzweg
  14. Populisten und Experten
  15. Verzicht muss man sich leisten können
  16. Es geht dabei um ›Targeted Killing‹, gezieltes Töten
  17. The CIA’s Secret Global War Against the Left
  18. Es geht nicht um ein paar wehleidige Kulturschaffende

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Bundestagsabgeordnete setzen sich für Julian Assange ein
    Der Kreis der Politikerinnen und Politiker, die Freiheit für den WikiLeaks-Gründer Julian Assange fordern, wird größer. Nun gibt es seit Montag die Arbeitsgemeinschaft „Freiheit für Julian Assange“, der Abgeordnete fast aller im Bundestag vertretenen Parteien angehören.
    „Wir haben diese Arbeitsgemeinschaft gegründet aus der großen Sorge um das Leben des Journalisten und WikiLeaks-Gründers Julian Assange, der in kritischem Gesundheitszustand seit über anderthalb Jahren im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Isolationshaft sitzt und über dessen Auslieferung an die USA am 4. Januar 2021 entschieden wird“, erklärten die Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Die Linke), Bijan Djir-Sarai (FDP), Frank Heinrich (CDU), Frank Schwabe (SPD) und Margit Stumpp (Bündnis 90/Die Grünen).
    Man wolle ein klares Zeichen für den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit setzen, die durch die drohende Auslieferung von Julian Assange gefährdet sei. Die Abgeordneten wollen sich dafür einsetzen, dass Assanges Auslieferung an die USA verhindert wird.
    Quelle: Berliner Zeitung
  2. Jeremy Corbyns Projekt für globale Gerechtigkeit
    Der ehemalige Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn hat am vergangenen Wochenende das Project for Peace and Justice ins Leben gerufen, das Forschung und Aktivismus zu den Themen fördern soll, für die er sich sein Leben lang stark gemacht hat. Das Projekt, das für den 17. Januar eine globale Konferenz angekündigt hat, verspricht Kampagnen gegen Krieg sowie konzertierten internationalen Aktionen gegen Klimawandel und soziale Ungleichheit eine Plattform zu bieten.
    Vor dem Start sprach Corbyn mit JACOBIN über die Krisen, denen sich die Menschheit gegenwärtig ausgesetzt sieht, über politische Hoffnungszeichen sowie darüber, wie sein Projekt die Anti-Kriegsbotschaft vorantreiben wird, für die er sich als Labour-Vorsitzender so vehement eingesetzt hat.
    Seitdem Biden die Präsidentschaftswahl für sich entschieden hat, spricht er davon, die »Führungsrolle« der USA in der Welt wiederherstellen zu wollen. Er hat angekündigt, dass er zum Pariser Klimaabkommen zurückkehren wird, doch er hat Trump auch dafür kritisiert, die NATO vernachlässigt zu haben und China gegenüber nicht hart genug gewesen zu sein. Glaubst Du, dass sich die Biden-Regierung ernsthaft der Bekämpfung von Corona-Krise und Klimawandel zuwenden wird, oder geht es ihr einfach um eine Wiederherstellung der US-Hegemonie?
    Die Lage ist ziemlich widersprüchlich. Biden hat sich, auch noch nachdem er die Nominierung der Demokratischen Partei bereits gewonnen hatte, immer weiter von der Agenda von Bernie Sanders distanziert. Es ist zu begrüßen, dass er sich dem Pariser Abkommen wieder anschließen und sich stärker an den internationalen Bemühungen gegen den Klimawandel beteiligen will – ohne die enge Einbindung der USA sowie Chinas und Indiens ist es so gut wie unmöglich, sich dem Ziel der Klimaneutralität auch nur anzunähern.
    Mir bereitet es Sorgen, dass Biden vorhat, die amerikanische Führungsrolle im asiatisch-pazifischen Raum und in der NATO zu bekräftigen. Er schlägt vor, den riesigen Verteidigungsetat der USA beizubehalten oder sogar noch zu erhöhen. Die britische Regierung hat bereits eine ganz erhebliche Erhöhung ihrer Rüstungsausgaben angekündigt – und zugleich ihren Entwicklungshilfeetat unter das gesetzlich vereinbarte Mindestmaß abgesenkt.
    Die Covid-19-Krise hat gezeigt, dass echte Sicherheit nur dann zu gewährleisten ist, wenn wir die gesundheitlichen Anliegen der gesamten Welt ernst nehmen. Stattdessen hören wir auf beiden Seiten des Atlantiks zunehmend eine Rhetorik, die an den Kalten Krieg erinnert, weshalb ich eine weitere Konfrontation zwischen der NATO und Russland für wahrscheinlich halte. Ich habe einiges an der russischen Regierung zu kritisieren – ich sehe die Situation dort realistisch. Aber es gibt keine sichere Zukunft für niemanden, solange sich die USA und Russland oder China weiter anfeinden.
    Quelle: Jacobin
  3. Alarm wegen Corona-Mutation – dabei wissen wir über Virus-Variante wenig
    […] irologe Christian Drosten warnt allerdings vor voreiliger Panik. So sei das Virus „gar nicht so neu“. Bereits seit Ende September breite es sich in England aus. Auch in Italien, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und Australien seien schon Fälle nachgewiesen worden – das Virus dort anders als gerade in Südostengland „aber nicht hochgekocht“, erläutert der Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité im Gespräch mit dem „Deutschlandfunk“.
    Auch in Deutschland gebe es vermutlich schon Infektionen mit der Virusform, wenngleich sie hierzulande bisher nicht explizit nachgewiesen worden ist. In keinem dieser Länder habe sich das Virus bisher groß vermehrt. […]
    Den schon jetzt etwa von Premierminister Boris Johnson verbreiteten Tenor, die Mutation sei in jedem Fall ansteckender als die bisher bekannte Variante, hält Drosten auf Basis der bisher verfügbaren Daten ebenfalls für fraglich. „Die britischen Wissenschaftler haben eigentlich gesagt: Das könnte was sein, wir wissen es nicht, wir werden aber innerhalb von einer Woche schon entscheidende neue Informationen kriegen.“
    Auch die kommunizierten 70 Prozent, um die die Virus-Variante ansteckender sein soll als der Ursprungserreger, stellt der Charité-Direktor in Frage.
    Quelle: Focus

    passend dazu: Ins Brexit-Streitthema Fischfang scheint Bewegung zu kommen
    Großbritannien soll der EU bei den Fangrechten nun doch entgegenkommen. Wie Medien berichten, haben die Briten ihre Forderungen deutlich heruntergeschraubt. Ob das reicht für einen Handelspakt, bleibt offen. […]
    Schon jetzt bahnt sich in Großbritannien ein Reise- und Transportchaos an. In den vergangenen Tagen hatten sich auf der britischen Seite des Eurotunnels und vor den Fährverbindungen auf den Kontinent lange Lastwagenstaus aufgebaut – teils wegen des Weihnachtsfrachtverkehrs, teils aber auch wegen der Unsicherheit vor dem Brexit-Stichtag. Seit dem Wochenende kommt nun die Abschottung der EU vor dem mutierten und möglicherweise besonders ansteckenden Coronavirus in Großbritannien hinzu.
    Frankreich und andere EU-Staaten haben die Grenzen zum Vereinigten Königreich geschlossen. Lastwagen können nicht mehr über den Ärmelkanal setzen – wo sonst normalerweise in der Vorweihnachtszeit etwa 10.000 Lkw hin und her queren.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung Jens Berger: Der ganze Trubel um die „neue“ Mutation und die Einschränkungen des Personen- und Warenverkehrs nach Großbritannien kommen Boris Johnson sicher nicht ungelegen, kann er so doch das zu erwartende Chaos, das am 1. Januar eintreten wird, wenn Großbritannien wahrscheinlich „ohne Deal“ aus der Europäischen Zollunion und dem Europäischen Binnenmarkt aussteigen wird, auf die Corona-Pandemie schieben. Insofern ist der Verdacht, dass Großbritannien die Mutation ein wenig hochspielt, durchaus eine rationale Vermutung.

  4. They Said Tax Cuts for the Rich Would Create Jobs. It Never Happened.
    For forty years, governments around the world have been cutting taxes on the rich, claiming that the result would be more jobs and higher incomes. A new study shows how catastrophically wrong that policy has been.
    In March 1988, UK chancellor Nigel Lawson tabled his famous “tax reform budget.” Though the Thatcherite offensive against social democracy had already been underway for years, the document was in some ways the ultimate summation of its political project — legislating a bonanza of tax cuts disproportionately benefiting the wealthiest people in Britain. Slashing corporation and inheritance taxes, the pièce de résistance was undoubtedly a cut in the top income tax rate from 60 percent to 40 percent. As the late G. A. Cohen once observed, the cut “enlarged the net incomes of those whose incomes were already large, in comparison with the British average, and of course, in comparison with the income of Britain’s poor.”
    That wasn’t how Lawson justified it, of course. “Prudent financial policies,” he argued during the budget’s tabling, “have given business and industry the confidence to expand, while supply side reforms have progressively removed the barriers to enterprise,” before promising to introduce “a number of measures designed to improve the performance of the economy still further, by changing the structure of taxation.”
    Lawson’s rhetoric was by no means isolated to Britain. By the late 1980s, states all over the world were embracing tax cuts as something of an economic panacea: the removal of a needless impediment to prosperity, individual freedom, and the proper functioning of markets. “Economic performance,” as Lawson and so many others implied, would quickly improve as capital was invested more efficiently and companies used their newly untaxed revenue to expand and increase employment in the process.
    These arguments have long been disputed, but a recently published study by the International Inequalities Institute at the London School of Economics offers new empirical evidence to strengthen the case. Drawing on data from eighteen OECD countries, authors David Hope and Julian Limberg use a metric of their own design to investigate the macroeconomic implications of tax cuts for the rich over a period of fifty years (1965–2015) — specifically in relation to income inequality, growth, and unemployment. Employing a comprehensive approach that includes various kinds of tax cuts, Hope and Limberg find that their major outcome has, predictably, been to increase the share of wealth owned by the richest 1 percent.
    Quelle: Jacobin
  5. Corona verschärft Arbeitsbedingungen: Knochenjob Paketzusteller
    Morgens um 6 Uhr im Verteilzentrum von “Go! Express und Logistics” in Berlin: Paket um Paket, Päckchen um Päckchen finden ihren Weg auf das Verteilband und werden dann händisch in die wartenden Auslieferfahrzeuge gewuchtet.
    Die Branche läuft vor Weihnachten immer unter Volllast – aber in diesem Jahr ist die Situation durch den Lockdown und die dadurch weiter steigende Nachfrage bei den Onlinehändlern schon extrem.
    Rund vier Milliarden Paketsendungen dürften dieses Jahr in Deutschland verteilt werden. Jetzt kurz vor Weihnachten sind es 21 Millionen pro Tag. Die Paketlieferbranche boomt. Fünf große und tausende kleine Versanddienstleister mit mehreren Hunderttausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leben davon. Es ist einerseits eine “Jobmaschine” auch für ungelernte Arbeitskräfte, die es sonst auf dem Arbeitsmarkt schwer haben. Doch andererseits ist es für Verteiler und Zusteller auch ein Knochenjob.
    Einer von ihnen ist Patrick. Er arbeitet für einen großen deutschen Paketdienst, dessen Namen er nicht nennen möchte. Auch seinen richtigen Namen und seinen Wohnort möchte er nicht nennen. Gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio beschreibt er teilweise beklemmende Zustände: “Das ist eine schwere Arbeit, manche Pakete wiegen 40 Kilo. Es sind viele Pakete, es ist viel Stress. Immer die Treppen rauf und runter. Stundenlang keine Pause und wenn ich mal austreten muss, dann uriniere ich in eine Flasche.”
    In seinem Unternehmen, so Patrick, müssten die Fahrer die Pakete, die sie nicht schaffen, am nächsten Tag zusätzlich abliefern – und manchmal auch noch weitere 30, 40 Pakete zusätzlich übernehmen, wenn Kollegen krank werden. Deren Lieferungen würden dann auf die anderen Fahrer verteilt.
    Zusätzlich erschwere die Pandemie die Arbeit: “Ich mache mir Sorgen wegen Corona. Ich muss manchmal 250 Pakete am Tag schaffen und da treffe ich mindestens 200 Kunden. Das ist durchaus gefährlich für mich. Und ich habe ja auch noch meine Frau und die beiden Kinder.”
    Quelle: Tagesschau
  6. Neues Bündnis Klinikrettung.de fordert sofortigen Stopp der Schließungen von Krankenhäusern
    Ziel des Bündnisses ist es, den sofortigen Stopp von Schließungen von Krankenhäusern zu bewirken. In Deutschland werden zum Jahresende zwanzig Krankenhäuser geschlossen sein, doppelt so viele wie im Durchschnitt der letzten Jahre. Betroffen sind im Corona-Jahr 2.144 Betten und circa 4.000 Stellen.
    Dazu Laura Valentukeviciute, Vorstand von Gemeingut in BürgerInnenhand:
    „Das Bündnis Klinikrettung hat sich gegründet, um klar machen: Die Menschen in Deutschland brauchen wohnortnahe stationäre Versorgung. Durch die aktuelle Politik gibt es immer weniger Kliniken. Aber es gibt nicht weniger Kranke. Im Gegenteil: Aktuell füllen sich die Intensivstationen mit beängstigendem Tempo.“
    Klaus Emmerich, Klinikvorstand i.R. und aktiv im Bündnis Klinikrettung, führt aus:
    „Östlich der Metropolregion Nürnberg schlossen seit 2004 zehn von 34 Krankenhäusern, vier allein im Jahr 2020, drei seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Es ist Wahnsinn, dass das Krankenhaus Vohenstrauß im März und April noch Corona-Patienten intensivmedizinisch betreute, im zweiten Lockdown aber nicht mehr zur Verfügung steht.“
    Quelle: Gemeingut in BürgerInnenhand
  7. Die Hartz-4-Hackerin
    Das Schreiben des Jobcenters kommt am 20. des Monats: Leistungseinstellung, das war’s, Ende. Am 28. hätte das Amt eigentlich 424 Euro überweisen sollen. Stattdessen wird kein Geld kommen. Warum? Was ist mit Miete, Essen und Trinken? Panik.
    Knapp zehn Prozent aller Menschen, die Hartz 4 beziehen, werden jedes Jahr sanktioniert. Oft wird das Geld gekürzt, manchmal komplett gestrichen. Gründe gibt es viele, oft sind es Missverständnisse, oft geht es schnell: Die alleinerziehende Mutter verpasst einen Termin bei der Arbeitsagentur, weil das Kind krank ist. Die Selbstständige ist überfordert, der Langzeitarbeitslose hat den Überblick verloren – und die finanzielle Absicherung bricht weg.
    Hartz-4-Sanktionen; ein Leben mit dem Minimum, ein Leben in Angst, dass selbst das nicht reicht. Das darf so nicht sein, findet Helena Steinhaus. Die 32-Jährige hat eine Vision: Sie will das Sozialsystem hacken. Den Druck nehmen, fairer machen. Anreize statt Zwang.
    Mit dem Verein Sanktionsfrei unterstützt sie Hartz-4-Empfänger, wenn das Jobcenter den Regelsatz kürzt oder streicht. „Wir leisten erste Hilfe.“ Die Anwälte des Vereins legen Widerspruch gegen die Bescheide der Behörde ein. Und Steinhaus will noch mehr: Die Sanktionen so vieler Menschen wie möglich ausgleichen. Ist genügend Geld im Solidartopf, fließt das gekürzte oder gestrichene Geld vom Konto des Vereins auf das Konto der Betroffenen – schnell und unbürokratisch, ohne Bedingungen, ohne bohrende Fragen.
    Die Idee dahinter: Die Unterstützung von Sanktionsfrei nimmt Druck, gibt Halt und das Gefühl, wertgeschätzt zu werden. „Sanktionen bedeuten immer existenzielle Probleme“, sagt Steinhaus. Schon eine Kürzung um zehn Prozent sei bei nur 424 Euro ein riesiges Problem.
    Quelle: FR
  8. Kampf gegen die Raubritter von heute
    Die Welt tritt in eine Ära enormer Veränderungen ein, die durch unsere kollektive Reaktion auf die durch die Pandemie verursachten menschlichen und wirtschaftlichen Verwüstungen bestimmt wird. Während sich Covid-19 über die gesamte Welt ausbreitet, müssen progressive Kräfte, denen noch an einer Politik des Gemeinwohls und an der Würde der Arbeit liegt, den Aufstieg von Amazon an die Spitze einer beinharten Wirtschaft als Aufruf zum Handeln betrachten.
    Als in der Krise nicht systemrelevante Geschäfte schließen mussten, konnte Amazon seinen Marktwert auf über 1,5 Billionen US-Dollar fast verdoppeln; der Gewinn stieg im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 200 Prozent. Allein in den Vereinigten Staaten wird Amazon voraussichtlich von jedem Dollar, der in der Weihnachtszeit ausgegeben wird, satte 42 Cent einstreichen. Jeff Bezos, schon zuvor der reichste Mann der Welt, ist noch reicher geworden und baut sein Imperium in nie dagewesenem Umfang aus.
    Das Arbeitstempo in den Amazon-Warenlagern ist seit jeher brutal und gnadenlos, Arbeitsunfälle kommen deutlich häufiger vor als in vergleichbaren Unternehmen. Doch seit die Kunden mit Beginn der Covid-19-Krise den E-Commerce stärker nutzen, haben sich die Bedingungen noch weiter verschlechtert. Mit steigendem Auftragsvolumen waren Abstand und Händehygiene offenbar nicht mehr mit den Umsatzzielen vereinbar.
    In einigen europäischen Ländern konnten sich die Gewerkschaften gegen das Gebaren des Unternehmens zur Wehr setzen, doch in Ländern wie den USA, wo der Konzern einen konsequent gewerkschaftsfeindlichen Kurs fährt, wurden Beschäftigte, die mehr Sicherheit anmahnten, kurzerhand entlassen. Der größte Profiteur der Coronakrise feuert lieber Beschäftigte und macht Kritiker mundtot, als Probleme zu lösen und mit den Sozialpartnern zu verhandeln.
    Quelle: IPG
  9. Flexibel in die Armut
    In den kommenden Tagen veröffentlicht die »Ethecon-Stiftung Ethik und Ökonomie« auf ihrer Website ein Dossier über Amazon anlässlich der Verleihung des Negativpreises »Dead Planet Award 2020« an den Konzernchef Jeffrey Bezos. Wir veröffentlichen daraus vorab einen Ausschnitt über die Ausbeutungsmethoden des Versandhändlers und danken der Stiftung und ihrem Geschäftsführer Niklas Hoves für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.
    Seit den 1990er Jahren lagern viele große Unternehmen wachsende Teile ihrer Arbeit an Fremdunternehmen mit geringeren Lohnkosten aus, was als »Outsourcing« bekannt ist. Amazon spitzte diese verstärkte Form der Ausbeutung weiter zu und verlagerte Teile seiner Entwicklungskosten online an einen Schwarm (»Crowdsourcing«) von Subunternehmen in Niedriglohnländern, selbstausbeuterische Startup-Unternehmen und selbst an freiwillige, völlig unbezahlte private Internetnutzer.
    Das gelang Amazon mit einer Plattform namens »Mechanical Turk« (M-Turk). Diese wurde als Entwicklungsplattform zur Abarbeitung von »Human Intelligence Tasks« (HITs, Programmieraufgaben) Ende 2005 ins Leben gerufen und erfreute sich innerhalb kürzester Zeit einer rasch ansteigenden Beachtung in der Entwicklerszene. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz erledigen nicht etwa Maschinen die Aufgaben von Menschen, sondern Menschen arbeiten ihnen von Computern gestellte Aufgaben ab. Amazon führte so eine digitale Tagelöhnerei ein und kombinierte finsterste Arbeitsbedingungen mit elektronischer Komplettüberwachung. Amazon verkauft online Mikrojobs für Cent-Beträge. Das bedeutet Arbeit auf Zuruf, für Hungerlohn, auf eigenes Risiko und ohne jegliche soziale Absicherung.
    Einen großen Teil seiner digitalen Tagelöhner, die sich selbst als »Turker« bezeichnen, setzt Amazon in der Eigenwerbung und Marktmanipulation ein: »Einer Umfrage unter Turkern zufolge würden sie über 40 Prozent der angebotenen Arbeitsaufträge im weitesten Sinne als ›Spam‹ klassifizieren. Das umfasst das Einrichten von Fake-Accounts für E-Mail, Twitter, Facebook oder andere Webseiten, Captchas lösen, gefälschte Bewertungen für Produkte schreiben, Likes für Artikel und Videos verteilen. Alles geturkt«. So manipuliert Amazon die Öffentlichkeit.
    Quelle: junge Welt
  10. Lockdown-Politik ist endgültig gescheitert – das rächt sich bei Impfung
    Deutschland ist im Lockdown – schon wieder. Während die Politik im Sommer noch bezweifelt hatte, dass es jemals wieder so weit kommen würde, hat Infektiologe Matthias Schrappe genau das vorhergesagt. Seit Monaten fordert er einen Strategiewechsel bei der Pandemiebekämpfung. (…)
    Matthias Schrappe: Tatsächlich haben wir die Entwicklung komplett richtig vorhergesagt, das ist aus meiner Sicht auch keine Zauberei gewesen. Aber deswegen verfällt jetzt niemand in Selbstzufriedenheit. Die weiter hohen Infektionszahlen zeigen jedoch, dass die Strategie allein darauf zu setzen, Kontakte zu beschränken und nachzuverfolgen, gescheitert ist und ein Strategiewechsel unvermeidlich ist. Mit einem Lockdown können Sie die Zunahme bei den Fallzahlen zwar kurzfristig eindämmen, Sie gewinnen Zeit, aber Sie können die Pandemie damit nicht gezielt steuern. Wenn wir nicht endlich auch das zweite Bein einer sinnvollen Pandemie-Politik berücksichtigen, dann werden die Fallzahlen, sobald die Beschränkungen gelockert werden, wieder hochgehen.
    Worin besteht dieses zweite Bein bei der Pandemiebekämpfung?
    Schrappe: Wir dürfen den Schutz der besonders verletzlichen Bevölkerungsgruppen nicht weiter missachten. Der jetzige Lockdown ist eine Konsequenz aus der einseitigen Politik der Bundesregierung, die nur auf die Beschränkung und Nachverfolgung von Kontakten setzt. Die Präventionsstrategie bei Infektionskrankheiten muss aber immer auf zwei Beinen aufbauen: Das erste ist natürlich die Kontaktbeschränkung und -nachverfolgung. Aber es geht zweitens immer auch um einen gezielten Schutz der besonders Schutzbedürftigen. Wenn es in der Klinik einen Ausbruch eines gefährlichen Krankenhauskeims gibt, dann bekämpft man das auch mit Beschränkungen, aber gleichzeitig werden besonders Gefährdete, wie zum Beispiel Krebspatienten während einer Chemo, sofort aus der Schusslinie genommen und gesondert darauf geachtet, dass sie sich nicht anstecken. Das ist das kleine Einmaleins der Epidemiologie. Und das sagen wir seit April. Die Bundesregierung ist darauf nur seither noch nie eingegangen. Auf einem Bein steht man aber eben äußerst wacklig.
    Quelle: Focus Online
  11. COVID-19: Armut erhöht Infektions- und Sterberisiko
    Menschen aus ärmeren Wohnorten haben sich während der ersten Erkrankungswelle in Schottland häufiger mit SARS-CoV-2 infiziert und das Sterberisiko auf Intensivstation war laut einer Studie in Lancet Regional Health – Europe (2020; DOI: 10.1016/j.lanepe.2020.100005) doppelt so hoch wie in den reicheren Gegenden, was nicht nur auf einen Mangel an Intensivbetten zurückzuführen war.
    Armutsforschung hat in Großbritannien Tradition. Die Statistikbehörden veröffentlichen regelmäßig einen Index, der das Ausmaß der Deprivation durch die Parameter Einkommen, Beschäftigung, Gesundheit, Bildung, Qualifikation und Ausbildung, Haushaltsgröße, Infrastruktur und Kriminalität misst. Nazir Lone von der Universität Edinburgh hat den „Scottish Index of Multiple Deprivation“ jetzt mit der Häufigkeit vom intensivmedizinischen Behandlungen und der Mortalität in Beziehung gesetzt.
    Bis zum 20. Juni wurden in ganz Schottland 735 Patienten mit COVID-19 auf Intensivstationen behandelt. Davon stammten 24,9 % aus den Quintil mit dem höchsten Deprivations-Index, verglichen mit 13,6 % aus dem Quintil aus den am wenigsten benachteiligten Gegenden.
    Ein Grund für das erhöhte Erkrankungsrisiko dürften die häufigeren kardiovaskulären Risikofaktoren der Bewohner ärmerer Gegenden sein. Die Intensivpatienten aus den ärmeren Regionen litten häufiger unter Diabetes (15,3 versus 9,0 %) und unter Atemwegserkrankungen (13,1 % versus 4,0 %). Ingesamt 15,3 % (versus 7,0 %) wiesen 2 oder mehr Begleiterkrankungen auf, die bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 das Erkrankungsrisiko erhöhen.
    Ein weiterer Grund für das höhere Erkrankungsrisiko könnten die beengten Lebensverhältnisse sein, die es erschweren, die notwendige Distanz zu potenziell erkrankten Menschen zu wahren. Menschen aus ärmeren Gegenden nutzen häufiger öffentliche Verkehrsmittel und können sich seltener ins Home-Office zurückziehen, weil sie öfter manuellen Arbeiten nachgehen. Lone konnte den Beitrag dieser Faktoren zum Erkrankungsrisiko allerdings nicht untersuchen.
    Quelle: Ärzteblatt

    Anmerkung JK: In Deutschland dürfte die Situation nicht wesentlich besser sein. Dazu gibt es aber keine Untersuchungen und keine aufgeregten Artikel in den Mainstreammedien, wohl auch weil den im gemütlichen Home Office sitzenden „Qualitätsjournalisten“ jede Vorstellung und jedes Verständnis für die Lage der unteren Klassen fehlt. Soviel auch zur immer wieder angeführten Behauptung alle „Maßnahmen“ dienten nur dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Hätte die politische Elite wirklich Interesse an einem umfassenden Gesundheitsschutz der Bevölkerung, dann müsste sie nicht nur für ein gut ausgebautes öffentliches Gesundheitssystem sorgen, sondern auch etwas gegen Armut und prekäre Lebensverhältnisse unternehmen.

  12. Ex-Verfassungsrichter Papier: Bundestag hätte über Verteilung abstimmen müssen
    Am 27. Dezember soll in Deutschland mit den Impfungen gegen Covid-19 begonnen werden. Darüber, wer zuerst geimpft werden darf, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Verordnung unterzeichnet. Doch die Unterschrift des CDU-Politikers reicht nach Ansicht des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, nicht aus, um eine so weitreichende Regelung zu treffen.
    »Die grundsätzliche Entscheidung, nach welchen Kriterien die für den Schutz des Lebens und der Gesundheit zurzeit nur begrenzt zur Verfügung stehenden Behandlungen ermöglicht werden, ist so wesentlich für den verfassungsrechtlich geforderten Schutz des Lebens und der Gesundheit gleichberechtigt für jedermann, dass diese nicht dem alleinigen Ermessen der Regierung oder des Ministers überantwortet sein kann«, sagte Papier den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
    Papier mahnte nun, nur das vom Volk unmittelbar gewählte Parlament verfüge über die für solch schicksalhafte Entscheidungen wie die Priorisierung des Impfstoffs notwendige demokratische Legitimation. Ob und nach welchen allgemeinen Kriterien einzelne Personengruppen bei der möglicherweise lebensrettenden Impfung bevorzugt würden, müsse »der parlamentarische Gesetzgeber selbst treffen«. Dies gelte jedenfalls dann, wenn Impfungen »für eine erhebliche Zeit nicht allen impfwilligen Personen zur Verfügung stehen«.
    Quelle: Spiegel
  13. Auf dem Holzweg
    Weil Holz als klimafreundlicher, erneuerbarer Rohstoff gilt, ist der Verbrauch in der EU stark angestiegen. Europas Wälder speichern deshalb sehr viel weniger CO2, als sie könnten. […]
    Genau das ist geschehen. Der mit Abstand größte Anteil an den erneuerbaren Energien in der EU – nämlich fast zwei Drittel – macht inzwischen die Biomasse aus, die Hälfte davon Holz. Dagegen kommen Wind, Sonne, Geothermie sowie Gezeiten- und Wellenkraftwerke zusammen nur auf 21 Prozent, Wasserkraft auf 14 Prozent.
    Die Energiewende in Europa – und weltweit – wird damit nicht zuletzt durch das Verfeuern von Holz, Abfällen und Biokraftstoffen angetrieben.
    Doch die Nutzung von Holz ist keineswegs so klimafreundlich, wie vielfach angenommen wird. Wird Holz verbrannt, wird zwar nur das CO2 freigesetzt, das der Baum zuvor aufgenommen hat. Ein CO2-neutraler Energieträger ist Holz dennoch nicht.
    Quelle: Klimareporter
  14. Populisten und Experten
    Die eigentliche politische Krise in diesem Seuchenjahr liege, so heißt es oft, in der hartnäckigen Weigerung gewöhnlicher US-Amerikaner, die Autorität von Experten anzuerkennen. Da wütet eine Pandemie – und die Massen toben im Schwimmbad herum. Sie plappern dumme Verschwörungstheorien nach, verbreiten zweifelhafte medizinische Empfehlungen über soziale Medien, machen ihre Besorgungen ohne Maske, feiern auf der Straße. Und dann der Idiot von einem Präsidenten, der den Rat seiner Fachleute in den Wind schlägt, jeden außer sich selbst für die Katastrophe verantwortlich macht und eine Behandlung mit Desinfektionsmittel empfiehlt.
    Dieser fundamentale Konflikt zwischen Ignoranten und Aufgeklärten ist schon seit Jahren ein Leitmotiv der Politik in den USA. Liberale, so glauben wir, seien der objektiven Wirklichkeit näher, sie hören auf das, was hochdekorierte Wissenschaftler sagen. Republikaner dagegen lebten in einer Welt der Mythen und Fabeln, in der die Wahrheit nichts gilt. Der Klub unserer Meinungsmacher verteilt entsprechende Punkte: Wir sind die Schlauen, die anderen die Dummen.
    Die Pandemie hat dem Konflikt eine nie dagewesene Dringlichkeit verliehen. Vernünftige Amerikaner erklären feierlich ihren ewigen und unbeirrbaren Glauben an die Wissenschaft, und führende Politiker der Demokraten mahnen unser heimgesuchtes Land, die Erkenntnisse medizinischer Spezialisten so zu beherzigen, als wären sie das Wort Gottes.
    Unsere „Vordenker“ haben auch eine Theorie zum Verständnis von ignorantem, krankheitsförderndem Verhalten entwickelt: Die Menschen, die ein solches an den Tag legten, seien nicht einfach dumm, sondern einer ausgefeilten Philosophie des Anti-Expertentums namens Populismus aufgesessen. Deren Vertreter – die Populisten – seien ungebildete Idioten, die Gebildete verachten und Fachkundige verhöhnen. Sie glaubten an Vorahnungen statt an Gelehrsamkeit, sie würden den Rat der Ärzteschaft missachten, sie priesen die Weisheit des Pöbels und seien allesamt Rassisten. Der Populismus sei der Feind der Wissenschaft, im Krieg mit dem gesunden Menschenverstand; ein Wegbereiter für Krankheiten, wenn nicht gar die Krankheit selbst. (…)
    Doch: Der Grund unseres verheerenden Versagens bei der Bekämpfung des Coronavirus liegt zuallererst nicht in der außerordentlichen Dummheit Donald Trumps – auch wenn diese durchaus eine Rolle gespielt hat –, sondern in unserem Gesundheitssystem, dem die Gesundheit der Bevölkerung gleichgültig ist und das medizinische Versorgung als Luxusgut behandelt. Es treibt Menschen mit den Kosten für eine ganz normale Behandlung in den Ruin, verweigert ihnen den Zugang, wenn sie nicht versichert sind, und entzieht ihnen die Versicherung, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren – und Millionen verlieren durch die Pandemie gerade ihren Job.
    Quelle: Le Monde Diplomatique
  15. Verzicht muss man sich leisten können
    Nachhaltig kaufen, wenig Menschen treffen, nicht reisen: Verzicht scheint gerade in Coronazeiten geboten. Doch man muss ihn sich leisten können, sagt die Autorin Anna Mayr. Der Verzicht der Armen werde nicht anerkannt. Über sie rümpfe man die Nase.
    Liane von Billerbeck: Vor Weihnachten mehren sich seit einigen Jahren die Aufrufe zum Konsumverzicht, für Klimaschutz, Müllvermeidung und neuen Minimalismus. In diesem Jahr sind wir außerdem noch alle zum Maßhalten aufgerufen und dazu, uns mit möglichst wenig Menschen zu treffen, um die anderen zu schützen. Nur manchmal geraten diese Verzichtsaufrufe schnell von oben herab.
    Meine Gesprächspartnerin kommt aus einer Ruhrgebietsfamilie, die hatte kein Auto, eine kleine Wohnung, hat wenig gekauft und ist nicht gereist, und ihr ökologischer Fußabdruck muss sehr gut gewesen sein. Nur wurde sie dafür nicht gelobt, obwohl permanent verzichtet wurde, weil man arm war. Fragen wir uns: Ist diese Debatte ums Verzichten nicht verdammt exklusiv?
    Darüber will ich jetzt reden mit Anna Mayr. Sie ist Journalistin im Hauptstadtbüro der „Zeit“, hat ein viel beachtetes Buch geschrieben, das sie „Die Elenden“ genannt hat, und darin kritisiert sie auch den Umgang mit sozial Schwachen.
    Sie sind selbst mit Hartz IV ausgewachsen, Verzicht war also alles andere als fremd, sondern begann buchstäblich mit dem täglich Brot. Wann ist Ihnen eigentlich zum ersten Mal aufgefallen, dass Sie anders als andere Leute nie dafür gelobt wurden, dass Sie quasi permanent verzichten mussten?
    Mayr: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, zum ersten Mal Ärger bekommen wegen des Verzichts hab ich in der siebten Klasse. Da erinnere ich mich an eine Schulaufgabe, wo wir angeben sollten, was der Unterschied zwischen „brauchen“ und „wünschen“ ist, und ich hab bei brauchen hingeschrieben: neue Schuhe, weil ich die wirklich gebraucht hätte, weil ich eben kein Paar mehr hatte. Das hatte ein Loch. Und die Lehrerin sagte daraufhin, nein, nein, das ist, was du dir wünschst, weil quasi dieser Unterschied gar nicht vorstellbar war, dieses, was sich jemand, der arm ist, tatsächlich auf die Brauchen-Liste schreibt.
    von Billerbeck: Das heißt, das waren nicht die gelben Schuhe, die man als 397. Paar brauchte, sondern das eine Paar.
    Mayr: Genau. Was natürlich total nachhaltig ist, würde man aus heutiger Perspektive sagen, nur ein Paar Schuhe zu besitzen und das aufzutragen, bis es kaputt ist. Das machen arme Leute jeden Tag, gilt aber in unserer Gesellschaft nur als gut, wenn man dann ein Paar 400-Euro-Schuhe kauft aus nachhaltigem Leder oder vegan oder was weiß ich.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  16. Es geht dabei um ›Targeted Killing‹, gezieltes Töten
    Kampfdrohnen dienen nicht dem Schutz von Soldatenleben. Brisantes Thema lediglich vertagt. Ein Gespräch mit Florian D. Pfaff
    Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich in der vergangenen Woche dafür ausgesprochen, die Entscheidung über die Anschaffung bewaffneter Drohnen zu vertagen, und sie somit vorerst verhindert. Sind Sie erfreut über diesen Beschluss?
    Wir haben an dem Verzicht auf Kampfdrohnen ja fleißig mitgewirkt. Ganz glücklich sind wir trotzdem nicht, weil das taktische Manöver, ein brisantes Thema vor der Wahl im kommenden Jahr nicht zu diskutieren, keine Lösung darstellt.
    Wie kommt es, dass sich ein Zusammenschluss aktiver und ehemaliger Angehöriger der Bundeswehr wie das »Darmstädter Signal« gegen die Anschaffung von Drohnen ausspricht?
    Das »Darmstädter Signal« besteht aus einem Arbeits- und einem Förderkreis. Beide Kreise engagieren sich – auf ihre Weise – für eine erfolgreiche und wirksame Sicherheitspolitik. Zu unserem Arbeitskreis laden wir alle ein, die in der Bundeswehr sind oder waren, sofern sie den Mut aufbringen, sich ohne Tabus zu informieren und vorurteilsfrei zu diskutieren. Der Förderkreis unterstützt. Dem kann jeder beitreten. Das Problem sind nicht fehlende Drohnen. Das Geld dafür könnte besser investiert werden.
    Aber es wird doch von den Drohnenbefürwortern stets angeführt, dass diese das Leben von Soldaten schützen würden?
    Das ist nicht ihr Zweck. Das sind ja keine »Schutzdrohnen«. Um die Truppe gegen Angreifer im Kampf zu schützen, gibt es bereits Drohnen, die die Position des Gegners aufklären. Bekämpfen kann man den Feind dann abhängig davon, wie weit die eigenen Waffen reichen. Bei Kampfdrohnen geht es um »Targeted Killing«, also gezieltes Töten, ohne dass sich dort eigene Truppen aufhalten.
    Unsere Politiker haben ja auch behauptet, sie wollten uns vor Terror schützen, und haben trotzdem an der Erschaffung von Al-Qaida mitgewirkt. Das Argument des Schutzes ist offenbar für unsere Öffentlichkeit gedacht, damit die nicht murrt, wenn die militärischen Fähigkeiten um das Töten fernab eigener Truppen erweitert werden sollen. Die Aussage, Soldaten schützen zu wollen, ist besonders deshalb verlogen, weil man sie gar nicht erst in kontraproduktive, rechtswidrige und lebensgefährliche Angriffskriege schicken dürfte, wenn man um sie besorgt wäre. Die Bereitschaft zu sinnloser Gefährdung von Soldatenleben widerlegt alle vorgeschobenen Fürsorgeargumente.
    Quelle: junge Welt
  17. The CIA’s Secret Global War Against the Left
    Forty-five years ago, under a cloak of secrecy, Operation Condor was officially launched: a global campaign of violent repression against the Latin American left by the region’s quasi-fascist military dictatorships. The US government not only knew about the program — it helped to engineer it.
    In Buenos Aires, a former Chilean general returns home, opens his garage door, and is blasted thirteen feet in the air when his car explodes, incinerating his wife. A conservative opponent of the country’s military dictatorship and his wife take an afternoon walk on the streets of Rome and are swiftly gunned down. On a rainy autumn morning, a car blows up in the middle of Washington, DC’s Embassy Row, killing two of the three inside: a leader of Chile’s opposition in exile and his newlywed American friend.
    These were just some of the most prized scalps claimed by Operation Condor, officially inaugurated forty-five years and two days ago. With South America in the grip of military dictatorships and rocked by the same kinds of social and political movements that were demanding change all over the world in the 1960s and ’70s, a handful of the continent’s governments made a pact to work together to roll back the rising tide of “subversives” and “terrorists.”
    What followed was a secret, global campaign of violent repression that spanned not just countries, but continents, and featured everything from abduction and torture to murder. To say it was known about by the US government, which backed these regimes, is an understatement: though even this simple fact was denied at the time, years of investigations and document releases since then mean that we now know the CIA and top-ranking US officials supported, laid the groundwork for, and were even directly involved in Condor’s crimes.
    Quelle: Jacobin
  18. Es geht nicht um ein paar wehleidige Kulturschaffende
    Würden Albert Einstein und Hannah Arendt heute wegen ihrer Kritik an Israel als Antisemiten diffamiert? Wir wissen es nicht. Nun können kontrafaktische Behauptungen nicht wahr oder falsch sein, sondern nur mehr oder weniger plausibel. Ist die Behauptung plausibel? Susan Neiman, die in dieser Zeitung für diese Äußerung harsch kritisiert wurde, hat die beiden prominenten jüdischen Deutschen ins Feld geführt, um auf einen Sachverhalt aufmerksam zu machen, der Anlass zur Besorgnis geben sollte.
    Diese Besorgnis haben eine Reihe von Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen unter dem Etikett „GG 5.3 Weltoffenheit“ vor kurzem öffentlich zum Ausdruck gebracht. Es geht um die Tatsache, dass hierzulande Menschen, darunter auch viele jüdische Künstler und Intellektuelle, als Antisemiten mundtot gemacht oder an öffentlichen Auftritten gehindert werden (sollen), weil sie auf irgendeine Weise mit der BDS-Bewegung in Verbindung gebracht werden – und sei es nur, dass sie die Ziele dieser Bewegung zur Diskussion stellen wollen. Mehr als tausend Künstler und Intellektuelle aus aller Welt haben sich mittlerweile GG 5.3 angeschlossen. Der Grund ihrer Besorgnis wurde umgehend performativ bestätigt, die Reflexe funktionierten zuverlässig: Alle Teilnehmer an der Initiative wurden in der „Bild“-Zeitung, auf Twitter und anderswo als Israelhasser verleumdet, die ihre antisemitische Fratze enthüllt hätten. Nun habt euch nicht so, kommentierte das die F.A.Z.
    Es geht aber nicht um ein paar wehleidige Kulturschaffende. Es geht um die bedrohliche Polarisierung des Diskussionsklimas in Deutschland, die es zunehmend schwerer macht, komplexe, zu Recht umstrittene und keineswegs eindeutige Sachverhalte überhaupt zu thematisieren. Mindestens dreierlei ist diskussionsbedürftig. Erstens ist umstritten, wo die Grenze verläuft zwischen Antisemitismus und Kritik an der israelischen Regierungspolitik. Die derzeitige offiziöse Definition des Antisemitismusbegriffs durch die International Holocaust Remembrance Association (IHRA) verwischt diese Grenze und macht es leicht, jedwede Kritik an der Netanjahu-Regierung zu diskreditieren.
    Quelle: FAZ

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