Zwei aktuelle Gesetzesvorhaben bedrohen die Meinungsvielfalt zusätzlich: Während etablierte Medienkonzerne mit Steuergeldern unterstützt werden sollen, ermöglicht der Staatsvertrag den Landesmedienanstalten die Zensur von Alternativ-Medien. Von Tobias Riegel.
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Die Meinungsvielfalt ist in Deutschland schon lange bedroht: Ein breiter Konsens unter zahlreichen großen Medien führt zu einer sehr eingeschränkten und eintönigen Kommunikation – diese Entwicklung ist in vielen Bereichen und seit geraumer Zeit zu beobachten, unter anderem bei den Themen „liberale Wirtschaftsordnung“, „Krieg und Frieden“ oder „Werte des Westens“. Selten aber war das Phänomen der medialen Selbstzensur so offensichtlich wie aktuell seit dem Ausrufen der „Pandemie“ oder im Vorfeld der US-Wahlen. Mit der abnehmenden Relevanz der zunehmend gleichlautenden großen Medien wächst die Relevanz der Alternativ-Medien, aber auch die „Gefahr“, die von ihnen ausgeht.
Dieser „Gefahr“ der Entwicklung eines breiteren Meinungsspektrums soll nun durch zwei Gesetzesvorlagen entgegengetreten werden. So sollen auf der einen Seite laut Berichten die großen Privatmedien eine 220 Millionen schwere Unterstützung für „digitale Innovation“ vom Steuerzahler erhalten – also auch von jenen zahlreichen Steuerzahlern, die den großen Privatmedien aus guten Gründen höchst skeptisch gegenüberstehen. Auf der anderen Seite ermöglicht der gerade von den Landesparlamenten angenommene Medienstaatsvertrag „ausdrücklich“ auch die „Regulierung“ von Alternativ-Medien im Internet, wie Medien berichten.
„Bestechung“ für eine konforme Berichterstattung?
An den Subventionen für die etablierten Medien muss zum einen prinzipiell und zum anderen im Detail Kritik geübt werden. So ist es prinzipiell zumindest fragwürdig, wenn der Staat private Medien „unterstützt“ – könnte man das auch als „Bestechung“ für eine konforme Berichterstattung bezeichnen oder als den Versuch, einen angeschlagenen Verbündeten aufzupäppeln? Im Detail ist an dem konkreten Vorhaben vor allem zu kritisieren, dass sich die Förderung an der Auflage orientieren soll: Wer also bereits hat, dem werde noch zusätzlich gegeben, wie der Medienwissenschaftler Christopher Buschow in der taz betont.
Allerdings ist es auch kompliziert, angemessene Kriterien für eine Förderungswürdigkeit von Privatmedien festzulegen – man kann die Gelder ja nicht vom Inhalt abhängig machen, zumindest nicht offiziell. Man könnte aber fragen, warum die zum Teil millionen- oder gar milliardenschweren deutschen Verleger (hier findet sich ein Ranking des „Presse-Adels“) überhaupt Steuergelder benötigen, wie auch Buschow in der taz fragt, der in dem Zusammenhang die Verschwiegenheit der Medienverlage beklagt:
„Schwer zu sagen. Wir wissen zu wenig darüber, wie es den Verlagen wirklich geht. Dass ausgerechnet Unternehmen, die mit Journalismus, also Aufdeckung und Transparenz, Geld verdienen, selbst so intransparent sind, ist doch erstaunlich. Grüne, Linke und auch Verdi hatten gefordert, dass die Subventionen daran geknüpft werden, dass die Verlage ihre Bücher öffnen – das ist nun nicht vorgesehen.“
Tragisch sei auch, dass weder im Parlament noch in den Ausschüssen über die Förderung debattiert worden sei: „Das Geld tauchte von heute auf morgen im Nachtragshaushalt auf – ohne, dass vorher Ziele für die Förderung festgelegt wurden, ohne, dass wissenschaftlicher Rat eingeholt wurde.“ Aus einer kleinen Anfrage der Links-Partei würde deutlich, dass „ganz überwiegend Lobbyisten und Verbände“ gehört worden seien.
Medien, „die im Netz Unwahrheiten verbreiten“
Zu dieser fragwürdigen Stärkung privater Medienkonzerne durch die Öffentliche Hand kommt aktuell eine weitere bedenkliche Entwicklung hinzu: Medien, „die im Netz Unwahrheiten verbreiten“ würden, können bald „dafür belangt werden“, schreibt etwa das Medium „netzpolitik.org“ in einem kritikwürdigen Artikel. Spätestens Mitte November sollen die Alternativ-Medien demnach unter der Aufsicht der Landesmedienanstalten stehen. Vorgesehen sei dies im Medienstaatsvertrag, dem gerade die Landesparlamente zugestimmt haben. Die neuen Regelungen ersetzten den Rundfunkstaatsvertrag, der seit 1991 gelte – und sie würden nun auch ausdrücklich eine „Regulierung“ von Internetmedien ermöglichen.
Ob die Berichterstattung im Netz auf einer Website oder auf anderen Kanälen stattfinde, spiele dabei keine Rolle: Der Staatsvertrag bezieht sich demnach auf Telemedien mit journalistisch-redaktionellen Angeboten im Allgemeinen. Die Schwelle dürfte damit gering genug sein, „dass bereits Facebook-Seiten und Telegram-Kanäle der Aufsicht der Medienanstalten unterliegen“, frohlockt „Netzpolitik“ und fährt fort:
„Der Staatsvertrag könnte sich also als ein mächtiges Mittel erweisen, um die Verbreitung von Desinformationen auf diesen Plattformen einzudämmen.“
In einer bedenklichen Kritiklosigkeit skandalisiert der Artikel aber nicht die Zensurpläne selber, sondern, dass die Landesmedienanstalten „nicht ausreichend gerüstet seien“, um diesen Kampf gegen die Meinungsvielfalt aufzunehmen.
Um dieser Zensur zu entgehen, bliebe den Internetmedien die Möglichkeit, sich einer Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anzuschließen – also „einer Art Presserat speziell für Angebote im Netz“. Dieser würde das Angebot dann anstelle der Medienanstalt regulieren. Eine solche Einrichtung müsse allerdings zunächst durch eine Medienanstalt anerkannt werden. Und selbst wenn ein Medium eigentlich von einer Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle reguliert würde, könne die zuständige Medienanstalt laut Staatsvertrag trotzdem einschreiten, so „Netzpolitik“.
Mit warmen Worten für problematische Ziele
Es ist kein neues Phänomen, dass bedenkliche Ziele mit warmen Worten angepriesen werden: Bei diesem Vorgehen werden die wahren (langfristigen) Ziele versteckt. Wenn also das Fernziel beispielsweise die allgemeine Vorratsdatenspeicherung ist, dann kann man diese mit den warmen Worten des Kampfes gegen Kinderpornografie (zunächst mit Beschränkungen) einführen. Diese Beschränkungen können später still und leise wegfallen, um die Überwachung auf alle Bürger auszuweiten. Ähnlich könnte es im Fall der Presse-Subventionierung gehen: Angepriesen als vorübergehende „Transformationshilfe“ könnte sie sich verstetigen und gefährliche Tendenzen für die Meinungsvielfalt auslösen. In Bezug auf den Medienstaatsvertrag bestehen die warmen Worte im proklamierten „Kampf gegen Rechts“ oder gegen „den Hass“ – einmal eingeführt, kann die Zensur langfristig aber potenziell alle kritischen Äußerungen treffen.
Die Fake News der Medienkonzerne
Angesichts der Pläne zur staatlichen Kontrolle der Alternativ-Medien kann einmal mehr auf den mutmaßlich angestrebten und von Albrecht Müller definierten „Wippschaukel-Effekt“ verwiesen werden: Durch die Verdammung der Alternativ-Medien sollten die großen Medien im Vergleich heller strahlen – obwohl sich einige der großen deutschen Medien an monströsen Fake-News-Kampagnen etwa zum „Maidan“ oder zum Krieg gegen Syrien beteiligt haben. Zu solchen umfangreichen Kampagnen wären die Alternativ-Medien gar nicht in der Lage. Nimmt man das als Ausgangspunkt, so sind einige große Medienkonzerne erheblich stärker an Desinformation beteiligt als alle Alternativ-Medien und RT-Deutsch zusammen.
Durch diese Feststellung spricht man „die Alternativ-Medien“ – zwischen denen es erhebliche Unterschiede gibt – natürlich nicht pauschal von Fehlentwicklungen oder Manipulationsversuchen frei. Die Feststellung illustriert aber die Falschheit der Darstellung, „das Internet“ sei die erste Quelle der großflächigen Manipulationen. Auch wenn man die Augen nicht vor problematischen und verrohenden Entwicklungen „im Netz“ verschließt: Die Quelle der aufwendigen politischen Manipulationen sprudelt immer noch vor allem in den Redaktionen großer Medien.
Titelbild: Hadrian / Shutterstock