Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Corona
  2. Der Krieg um Berg-Karabach – oder: Warum “Neutralität” Parteinahme ist
  3. „So redet man nicht miteinander“ – SPD-Chef Walter-Borjans kritisiert Moskaus Tonfall
  4. “Rund 30 Prozent der allgemeinen Regelkontrollen werden wegfallen”
  5. Trojaner für Whatsapp: Der Verfassungsschutz liest mit
  6. Digitale Identität – Die Blockchain weiss alles – kommt die totale Überwachung?
  7. Genosse Killerdrohne
  8. Klimawahl? Schicksalswahl!
  9. Resonanzstörung – Zur Zuspitzung der Mensch-Natur-Beziehung
  10. Fakten gecheckt – Diskussion vertagt

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Corona
    1. Zurück zu Augenmaß und Fakten: Der Corona-Diskussion droht eine gefährliche Schieflage
      Ich habe lange gezögert, diesen Beitrag zu schreiben. Als Arzt bin ich verpflichtet, Menschenleben zu retten. Das ist das oberste Gebot für Mediziner und Teil des hippokratischen Eides.
      Ich fürchte aber derzeit, dass die Diskussion über die Corona-Situation in Deutschland in eine gefährliche Schieflage geraten könnte, die zwar den gesundheitlichen Schutz vor dem Virus in hohem Maße berücksichtigt, aber andere, ebenfalls essenzielle Dinge aus den Augen verliert und dabei auch gerne einmal Fakten übersieht.
      Wer in diesen Tagen generell (nicht punktuell) nach „Zügel anziehen“ und „Verschärfungen“ ruft, missversteht aus meiner Sicht den notwendigen Schutz vor Covid-19. Wir können der Eindämmung der Pandemie nicht alles unterordnen. Überspitzt formuliert: Wir hätten dann in Deutschland möglicherweise die wenigsten Corona-Opfer, dafür aber Kollateralschäden in unerträglicher Dimension.
      Ich meine damit nicht nur die wirtschaftlichen Kosten, Existenzgefährdungen, Staatsschulden und die Vernichtung von Teilen des Kunst- und Kulturbetriebs. Psychologen warnen vor Traumen bei Kindern und Jugendlichen, der Vereinsamung alter Menschen.
      Wir dürfen nicht nochmals zulassen, dass Patienten wie zu Zeiten des Lockdowns nicht mehr zum Arzt gehen, es einen Rückstau von Operationen gibt oder Herzinfarkte nicht behandeln werden, weil Menschen fürchten, sich in Kliniken anzustecken. Solche Ängste vor einer Infektion sind schlicht überzogen.
      Gesundheitspolitik in Pandemiezeiten heißt auch, Augenmaß zu bewahren und zu Besonnenheit in der Bewertung aufzurufen. Wer die Maßstäbe verrückt, und sei es aus gut gemeintem Schutz der Bevölkerung, trägt zu einer Spaltung und Radikalisierung der Gesellschaft bei.
      Quelle: Handelsblatt
    2. RKI: Corona-Fallsterblichkeit deutlich gesunken
      Der Anteil der Toten sinkt nach einem Höhepunkt im Frühling bis Ende des Sommers massiv. Seitdem liegt die Fallsterblichkeit in Deutschland unter einem Prozent.
      Weit weniger als jeder Hundertste der gemeldeten Corona-Infizierten in Deutschland ist zuletzt an oder mit Beteiligung der Infektion gestorben. Das geht aus dem Lagebericht des Robert Koch-Instituts (RKI) von Dienstagabend hervor. Demnach liegt der Anteil Verstorbener an allen laborbestätigten Sars-CoV-2-Infektionen seit der Kalenderwoche 34 (17.8. bis 23.8.) bei deutlich unter einem Prozent.
      Quelle: Berliner Zeitung

      dazu auch: Charité-Epidemiologe: „Kein Grund zu Angst und Panik“
      Stefan Willich ruft zu einem nüchternen und gelassenen Umgang mit dem Corona-Virus auf. Wenn die aktuellen Regeln eingehalten würden, seien sie ausreichend.
      Die aktuelle Lage bei den Corona-Erkrankungen ist ernst zu nehmen, aber „kein Grund zu Angst und Panik“. Dies sagte Stefan Willich, der Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der Berliner Charité, der Berliner Zeitung. Willich: „Wir haben zum Glück bisher eine geringe Auslastung der Krankenhäuser. Es gibt zwar einen Zuwachs bei den Infektionen, aber viele der positiv getesteten Personen sind entweder nicht erkrankt oder haben nur geringe Symptome.“ Das Berliner Gesundheitssystem habe „viel Luft, bis die entsprechende Ampel auf Rot springen müsste“, so Willich.
      Für Willich ist der rationale Umgang mit dem Virus entscheidend: „Wir müssen uns daran gewöhnen, mit dem Virus zu leben. Es wird nach meiner Einschätzung noch mindestens ein Jahr dauern, bis wir einen Impfstoff haben, der ausreichend getestet, wirksam und sicher ist. Wahrscheinlich sogar eher länger, wenn wir die bisherigen Erfahrungen nehmen.“ Willich glaubt, dass für Deutschland Maßnahmen wie Mindestabstand und, wenn das nicht möglich ist, Mund-Nasen-Schutz sowie Hygiene und die konsequente Nachverfolgung von Kontakten bei bestätigten Infektionen ausreichend seien: „Wenn wir diese Regeln einhalten, dann kann uns in Deutschland nicht viel passieren.“ Es bestehe keine Notwendigkeit, „über einen Lockdown zu diskutieren“.
      Quelle: Berliner Zeitung

    3. Wissenschaftler zweifeln an Corona-Maßnahmen: “Besorgniserregende Fehlentwicklungen”
      Eine Gruppe von Wissenschaftlern, Kassenmanagern und Medizinern um den renommierten Gesundheitsökonomen Gerd Glaeske hat Bund und Ländern vorgeworfen, mit falschen Konzepten auf die steigende Zahl von Corona-Infizierten zu reagieren. Es gebe eine Reihe von “besorgniserregenden Fehlentwicklungen”, heißt es in einem Thesenpapier, das dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. „Es überwiegt der Eindruck, dass die Verantwortlichen auf den immergleichen Vorgehensweisen beharren und Maßnahmen sogar noch verstärken, an deren Wirksamkeit und Akzeptanz es aus wissenschaftlicher Sicht größte Zweifel geben muss“, kritisieren die Autoren.
      Sie warnen Bund und Länder nachdrücklich davor, die Bevölkerung mit immer neuen Drohungen vor einem erneuten Lockdown zur Disziplin bewegen zu wollen. Dieser anhaltende und als alternativlos bezeichnete Bezug allein auf die Verantwortlichkeit des Einzelnen führe „zu Ermüdung, Abwendung und Flucht in falsche Heilslehren, aber nicht zu einer Verbesserung der Wirksamkeit der vorgeschlagenen beziehungsweise angeordneten Maßnahmen“, wird argumentiert.
      „Dies gilt vor allen Dingen im Zusammenhang mit einer Drohkulisse, die aus den impliziten Versatzstücken ‚langdauernder Winter‘, ‚Weihnachten im Lockdown‘ und ‚es könnte für Sie kein Intensivbett mehr frei sein’ zusammengesetzt ist“, so die Autoren, zu denen unter anderem der Chef des Verbandes der Betriebskrankenkassen, Franz Knieps, gehört.
      Quelle: RedaktionsNetzwerk Deutschland
    4. Erwiderung auf Kritik an Stellungnahme „COVID-19: Wo ist die Evidenz?“
      Die Stellungnahme des EbM-Netzwerks „COVID-19: Wo ist die Evidenz?“ wurde in der Öffentlichkeit kritisiert. Wir haben die wesentlichen Aussagen herausgegriffen, zu denen uns konkrete wissenschaftliche oder handwerkliche Fehler vorgehalten werden. Zu diesen Punkten möchten wir hier Stellung beziehen.
      Zum Öffnen und Schließen des Erläuterungstextes zum jeweiligen Kritikpunkt klicken Sie auf die grünen Symbole an der rechten Seite.
      Die Liste wird nach und nach vervollständigt.
      Quelle: Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.

      Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten haben auf die Stellungnahme des EbM-Netzwerks hingewiesen.

    5. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier warnt: «Auch wer die Gesundheit der Bevölkerung schützen will, darf nicht beliebig in die Grundrechte eingreifen»
      Die Politik muss die Massstäbe ihres Handelns offenlegen, einen naturwissenschaftlichen Automatismus gibt es nicht, das Parlament sollte aus dem Dämmerschlaf erwachen: Papier kritisiert die Schieflagen in der politischen Debatte um das Coronavirus. […]
      Unserer rechtsstaatlichen Demokratie entspricht es, dass alle wesentlichen Entscheidungen zur Ausübung sowie zur Einschränkung der Grundrechte vom Parlament getroffen werden. Nur das Parlament ist durch Wahlen vom Volk hierzu legitimiert; die Exekutive hat sie zu vollziehen, nicht zu ersetzen. Vergessen wir bitte nicht, dass alle Entscheidungen im Zuge der Corona-Krise seit Mitte März politische Abwägungsentscheidungen waren. Es gibt keinen naturwissenschaftlichen Automatismus. Virologie, Medizin, Epidemiologie stellen Prognosen auf, wie sich diese oder jene Massnahme auswirken könnte. Abwägen und entscheiden muss die Politik, in einem demokratischen Rechtsstaat also das Parlament. Stehen beispielsweise die Nachteile einer Schulschliessung in einem angemessenen Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen? Diese Entscheidung kann nur die Politik durch ein verfassungsgemässes Werturteil treffen. Dazu fehlen der Naturwissenschaft die Massstäbe. Der Parlamentsvorbehalt ist aber über Monate hinweg vernachlässigt worden.
      Quelle: NZZ

      dazu: Die Parlamente in der Pandemie: Es bleibt so verfassungswidrig wie es ist
      Mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 an die “Kolleginnen und Kollegen” hat nunmehr auch der Bundestagspräsident (also gewissermaßen der parlamentarische Spielführer) eine Stärkung des Parlaments gefordert, “um den Eindruck zu vermeiden, Pandemiebekämpfung sei ausschließlich Sache von Exekutive und Judikative”.
      Diesem Anliegen wird der Entwurf des dritten Bevölkerungsschutzgesetzes aber nicht gerecht. Der zentrale § 5 IfSG soll nämlich nicht verändert werden. Das hat zwar zur Folge, dass zum 31. März 2021 die gesetzesvertretenden Rechtsverordnungen nach § 5 Abs. 4 S. 1 IfSG außer Kraft treten würden. Aber § 5 Abs. 2 IfSG selbst ist nicht befristet. Wenn tatsächlich geplant wäre, das Rechtsverordnungsregime auslaufen zu lassen, müsste der Entwurf des dritten Bevölkerungsschutzgesetzes ja vorsehen, dass die in den Rechtsverordnungen geregelten Inhalte in die jeweiligen Gesetze überführt werden – jedenfalls wenn man unterstellt, dass sie zur Pandemiebekämpfung wirklich so wichtig und dringlich sind, wie es das Ministerium suggeriert. Aber nichts dergleichen findet sich in dem Referentenentwurf. Das nährt die Vermutung, dass die Frist in § 5 Abs. 4 S. 1 IfSG im nächsten Jahr dann doch noch verlängert werden wird und alles so verfassungswidrig bleibt wie es ist.
      Sollte es so kommen, werden auch die drei insoweit bereits geübten Fraktionen von FDP, Linken und Bündnis90/Die Grünen Farbe bekennen und einen gemeinsamen, mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung verbundenen Normenkontrollantrag gegen § 5 Abs. 2 IfSG stellen müssen. Denn in dieser für das verfassungsrechtliche Gefüge so fundamentalen Frage bedarf es dringend rechtlicher Klarheit.
      Quelle: LTO

      dazu auch: Studie: Regierungen nutzen Coronakrise als Vorwand für Überwachung und Zensur
      Die Coronakrise beschleunigt den Trend zu Online-Zensur und Überwachung – so lautet die zentrale These der US-Organisation Freedom House in ihrem neuen Bericht zum Stand der “Internetfreiheit”. Regierungen in aller Welt hätten die Pandemie als Vorwand zur Einschränkung und Missachtung von Rechten genutzt, kritisieren die Autoren.
      Die Geschichte zeige, dass in Krisenzeiten eingeführte Techniken und Gesetze oft von Dauer seien, sagte Adrian Shahbaz, Co-Autor der am Mittwoch veröffentlichten Studie. “Im Rückblick werden wir Covid-19 genau wie den 11. September 2001 als Zeitpunkt sehen, an dem Regierungen neue, aufdringliche Mittel zur Kontrolle ihrer Bürger dazugewonnen haben.”
      Freedom House konzentriert sich in seiner Studie auf drei Hauptthemen: Überwachung, Zensur sowie den Zerfall des Internets in nationale Teilnetze unter dem Schlagwort der “Cyber-Souveränität”. Insgesamt ging der von Freedom House ermittelte Grad der Internetfreiheit im zehnten Jahr in Folge zurück. (…)
      In mindestens 28 der insgesamt 65 untersuchten Länder hätten die Regierungen Online-Inhalte blockiert oder zensiert, um kritische Berichte zu Covid-19 zu unterdrücken, heißt es im Kapitel über Zensur. (…)
      In 45 der 65 untersuchten Länder wurden laut Freedom House Journalisten oder ganz normale Bürger festgenommen oder angeklagt, weil sie sich online zu Covid-19 geäußert hatten. Sie hätten falsche Informationen verbreitet, die die öffentliche Ordnung gefährden könnten, so habe dabei oft der Vorwand gelautet. (…)
      Deutschland kommt in der neuen Studie auf 80 von 100 möglichen Punkten, genau wie im Jahr zuvor. Punktabzüge gibt es unter anderem aufgrund des NetzDG, das Plattformen zum Löschen von Inhalten verpflichtet.
      Quelle: heise online

    6. Spahn will dauerhaft mehr alleinige Macht
      An der Corona-Politik von Bund und Ländern ist der Bundestag bisher nicht beteiligt. Während die Kritik an dem Sonderregime der Exekutive lauter wird, sorgt ein Eilverfahren aus dem Bundesgesundheitsministerium zusätzlich für Irritation: Minister Spahn will seine Pandemie-Sonderrechte massiv ausweiten. (…)
      Der Koalitionspartner SPD kündigte allerdings Widerstand gegen die Pläne an. “Das wird so nicht kommen”, hieß es aus der SPD-Bundestagsfraktion. Einer Entfristung der Verordnungsermächtigung für den Minister werde die SPD nicht zustimmen: Hier gehe es um “weit reichende Grundrechtseingriffe”. Die SPD bemängelte zudem, dass das Ministerium die Vorlage “sehr kurzfristig” in die Abstimmung gegeben habe. “Corona-Schutzmaßnahmen sind nötig”, erklärte der Rechtsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner. “Aber sie müssen rechtmäßig sein, und dazu brauchen wir im Infektionsschutzgesetz eine präzisere Rechtsgrundlage und gesetzlich geregelte Standardmaßnahmen.” (…)
      Die Linksfraktion forderte ebenfalls eine bessere Einbindung des Bundestags in die Corona-Bewältigung. Die Bund-Länder-Spitzenrunden träfen “quasi als große Ersatzregierung alle Entscheidungen an den Parlamenten vorbei” und entzögen sich damit der Kontrolle, kritisierte Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte im “Spiegel”. “Mit dieser schleichenden Entmachtung von Bundestag und Länderparlamenten muss Schluss gemacht werden.”
      Quelle: n-tv
    7. Milliarden für Impfstoffe in den Sand gesetzt?
      Vorverträge in Milliardenhöhe, aber keine Transparenz: Dies will das Europaparlament nicht länger hinnehmen. Im Streit um die Entwicklung und Herstellung von Corona-Impfstoffen drohen die Europaparlamentarier, den Geldhahn zuzudrehen.
      Es geht um bis zu 2,7 Milliarden Euro, die die EU-Behörde für so genannte „Advance Purchase Agreements“ – also Vorverträge – und den Erwerb eines Impfstoffs bereit gestellt hat.
      Vorläufige Deals wurden bereits mit AstraZeneca, Sanofi-GSK sowie Johnson & Johnson abgeschlossen. Um welche Summen es geht und wie es um die Haftung steht, will die EU-Kommission aber nicht verraten.
      Das treibt die Europaabgeordneten auf die Palme. „Vor dem Hintergrund, dass die Impfstoffe auch mit dem Geld der Steuerzahler entwickelt werden, ist es besonders wichtig, dass das öffentliche Interesse an wissenschaftlicher Sorgfalt, Sicherheit und Transparenz abgesichert wird“, schreibt der grüne Europaabgeordnete R. Andresen in einem Brief an Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
      Bisher habe die EU-Behörde aber keine Angaben zur Beschaffung der erhofften Impfstoffe und den Vertragskonditionen gemacht. Außerdem sei immer noch unklar, wie die Kommission sicherstellen will, dass ein Impfstoff gerecht an alle Bedürftigen ausgeliefert wird, so Andresen, der als einziger Deutscher im Haushaltsausschuss sitzt.
      „Die Impfstoffmilliarden dürfen nicht einfach in den Pharmakonzernen verschwinden, deshalb brauchen wir Transparenz über die Vertragsbestimmungen“, sagte Andresen. Die Grünen drohen sogar damit, Gelder im EU-Haushalt für das Jahr 2021 einzufrieren, wenn die Kommission nicht endlich Einsicht gewährt.
      Von der Leyen und Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides berufen sich auf Geschäftsgeheimnisse. Würde man sensible Informationen veröffentlichen, so könne dies die Ausschreibung von Lieferverträgen erschweren und die Arbeit der Kommission behindern. Dies gelte auch für die Haftungsklauseln und Entschädigungs-Regeln.
      Auf der anderen Seite steht aber das Vertrauen der Bürger in die geplante Impf-Kampagne, warnt der französische Europaabgeordnete Pascal Canfin. „Wir werden weiter Druck auf die Kommission machen“, sagte der liberale Vorsitzende des Umweltausschusses der taz. Gerade in einer Krise wie der Corona-Pandemie sei Transparenz nötig.
      Quelle: Lost in Europe

      Lesen Sie dazu bitte auf den NachDenkSeiten: Covid-19-Impfstoffentwicklung – eine Debatte ist dringend nötig, findet aber nicht statt und Corona-Impfstoffentwicklung – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie lieber erst gar nicht.

    8. Corona: Öffentliche Investitionen reduzieren Unsicherheit
      Die Infektionszahlen steigen wieder und mit ihr wächst die wirtschaftliche Unsicherheit. Damit sich die Wirtschaft wieder erholen kann, muss der Staat weiter in die öffentliche Infrastruktur investieren. Denn gerade in schlechten Zeiten können so Wirtschaftsleistung und Beschäftigung erhöht werden. […]
      Die IWF-Studie zeigt auch, dass der Staat diese Investitionen ohne weiteres über Schulden finanzieren kann. Denn wenn Unternehmen investieren und die Beschäftigung zunimmt, steigen auch die Steuereinnahmen. Und wenn die Wirtschaft wieder wächst, wird auch der öffentliche Schuldenstand im Verhältnis zum BIP kleiner.
      Es ist deshalb gut, dass die deutsche Schuldenbremse auch im kommenden Jahr ausgesetzt bleibt. Doch auch danach darf sie die nötige Investitionsausweitung nicht behindern. Außerdem ist es fatal, dass Bund und Länder sich verpflichtet haben, die Corona-Schulden zum Teil unnötig kurzfristig zu tilgen. Allein der Bund wird in den Jahren 2023 bis 2025 jährlich sechs Milliarden Euro in die Tilgung stecken müssen, ab 2026 bis 2042 sogar 11 Milliarden Euro pro Jahr. Mittel, die für Investitionen deutlich sinnvoller eingesetzt wären – auch im Sinne einer sicheren und stabilen Wirtschaftsentwicklung.
      Quelle: DGB klartext
  2. Der Krieg um Berg-Karabach – oder: Warum “Neutralität” Parteinahme ist
    Die pseudoneutrale Berichterstattung in den meisten deutschen Qualitäts- und auch einigen Alternativmedien bedient sich eines Tricks, den man neumodisch mit einem nicht besonders schönen, aber eingängigen Wort als “Bothsideism” bezeichnen könnte. Das heißt: Man verwendet Argumentationsmuster und Formulierungen, die suggerieren, hier würden zwei gleichrangige, vor allem: gleich schuldige Kontrahenten mit vergleichbar starken Waffensystemen einander attackieren. Der beliebteste Satz lautet entsprechend: “Armenien und Aserbaidschan werfen sich gegenseitig vor …” Hier muss einiges geradegerückt werden.
    Bereits die Bevölkerungszahlen sprechen für sich: In Aserbaidschan leben um die zehn Millionen Menschen, in Armenien knapp drei Millionen und in Karabach/Arzach, wie erwähnt, knapp 150.000. Aserbaidschan ist dank sprudelnder Erdölquellen und gewaltiger Gasfelder ein sehr reiches Land – was allerdings nicht bedeutet, dass der Reichtum auch der Bevölkerungsmehrheit zugute käme. Armenien und erst recht Arzach verfügen dagegen kaum über nennenswerte Bodenschätze. “Hayastan – Karastan” (“Armenien – Land der Steine”) lautet bezeichnenderweise ein bekanntes armenisches Sprichwort.
    Beide von Armeniern bewohnten Länder sind arm – was sich natürlich nicht zuletzt auf den Rüstungshaushalt und damit auf die Ausstattung der Streitkräfte auswirkt. Bereits im Krieg Anfang der 1990er Jahre waren die Armenier, was Truppenstärke wie Quantität und Qualität der Waffensysteme angeht, den hochgerüsteten Aserbaidschanern hoffnungslos unterlegen. (Den Armeniern gelang es dennoch, den Konflikt zu ihren Gunsten zu entscheiden.) In den letzten Jahren hat Aserbaidschan mithilfe feudaler Petrodollareinnahmen massiv aufgerüstet: Zwischen 2009 und 2018 betrugen die Ausgaben für das Militär umgerechnet 24 Milliarden US-Dollar, während Armenien im gleichen Zeitraum vier Milliarden US-Dollar für die Rüstung ausgab. Mittlerweile ist der aserbaidschanische Militäretat ungefähr so groß wie der gesamte Staatshaushalt Armeniens. …
    Bezogen auf Karabach haben die Armenier beider Länder nur ein Interesse: die Sicherung des Status quo und – mittelfristig – die internationale Anerkennung als selbständiger Staat. Zu glauben (oder zu suggerieren), ausgerechnet das kleine Arzach habe das hochgerüstete Aserbaidschan zu dem neuen kriegerischen Konflikt provoziert, ist daher absurd!
    Quelle: Telepolis
  3. „So redet man nicht miteinander“ – SPD-Chef Walter-Borjans kritisiert Moskaus Tonfall
    Einer der beiden SPD-Vorsitzenden, Norbert Walter-Borjans, hat die Warnung des russischen Außenministers Sergej Lawrow bemängelt, wonach Russland den Dialog mit der EU einstellen könnte. In einem Pressegespräch hat der SPD-Chef von Moskau einen Umgang „auf Augenhöhe“ verlangt.
    „Wenn jetzt der russische Außenminister an dieser Stelle sagt, wenn die (Regierungen der EU-Staaten) das nicht einsehen, hat das einen Tonfall, der sagt: Wir haben eine Sichtweise, wenn ihr die nicht tragt, dann habt ihr selbst zu verantworten, dass es jetzt eben klemmt. Da würde ich sehr dafür werben, dass man so nicht miteinander redet, sondern, dass man den anderen ernstnimmt. Und dass man eben auch ernstnimmt, was ihn bedrückt“, sagte der SPD-Chef in einer Pressekonferenz am Mittwoch gegenüber Sputnik.(…)
    Walter-Borjans stellte klar, dass er hinter der Entscheidung des Europäischen Rats steht, Sanktionen gegen einige Personen und Organisationen in Russland im Zusammenhang mit dem Fall um Nawalny aufzulegen. Er sei hier in Übereinstimmung mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD), der maßgeblich die Sanktionen gegen Moskau vorangetrieben hat. Und das, obwohl Walter-Borjans zu Sanktionen eher eine skeptische Einstellung besitze:
    „Ich halte nicht viel von Sanktionen, die am Ende mehr Menschen des Landes treffen, als diejenigen, die es zu verantworten haben. Insofern finde ich es wichtiger, wenn man sich einen bestimmten Personenkreis anguckt. Das gilt ja nicht nur für das Thema Russland, es gilt ja auch für das Thema Belarus und andere auch“, unterstreicht der SPD-Ko-Vorsitzende.
    Jedoch vertraue er im Fall des russischen Bloggers zu 100 Prozent den Untersuchungsergebnissen der Mediziner und Analysten in Deutschland, „dass es sich um eine Vergiftung mit Nowitschok gehandelt hat“. Damit sei es ein Problem, das nicht nur einen Staat betreffe. „Aber hier geht es wirklich darum, dass wir gemeinsam ein Abkommen unterzeichnet haben, das die Verbreitung und Anwendung chemischer Waffen ächtet, und dass ganz offenbar dieser Punkt nicht eingehalten worden ist.“
    Vor einigen Tagen hatte die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) bekannt gegeben, dass die in den biomedizinischen Proben von Nawalny gefundenen Substanzen nicht auf der Liste der verbotenen Substanzen stehen würden. Sie seien nach ihren Eigenschaften denen von Nowitschok ähnlich.
    Quelle: Sputnik

    Anmerkung Christian Reimann: Der Zustand der SPD-Spitze ist offensichtlich noch schlimmer als ihn Oskar Lafontaine hier beschrieben hat. Auch der Ko-Bundesvorsitzende der SPD richtet Vorwürfe gegen Russland ohne einen Beweis für eine Beteiligung oder gar Täterschaft des russischen Staates im Fall Nawalny vorzutragen. Er „vertraue (…) zu 100 Prozent den Untersuchungsergebnissen der Mediziner und Analysten in Deutschland“. Die haben offenbar lediglich eine Vergiftung, jedoch nichts über die Täterschaft feststellen können. Nehmen Herr Walter-Borjans und die Bundesregierung – insbesondere Bundesaußenminister Maas – die Sorgen der russischen Regierung ernst? Das könnte bezweifelt werden. Vielmehr verfestigt sich der Eindruck, dass das Spitzenpersonal der SPD sich von der Ost-Politik der Brandt-Ära längst verabschiedet hat.

  4. “Rund 30 Prozent der allgemeinen Regelkontrollen werden wegfallen”
    Maik Maschke ist Vizechef des Berufsverbands. Er warnt vor einer Aufweichung des Verbraucherschutzes und sieht auch die Berliner Alleingänge kritisch. (…)
    Ein weiteres Problem ist ja auch, dass viele Kontrollen mangels Personal gar nicht stattfinden.
    Uns fehlen derzeit in Deutschland rund 1500 Lebensmittelkontrolleure, um die gesetzlich vorgeschriebenen Regelkontrollen durchführen zu können. In Deutschland ist in erster Linie der Unternehmer für die Lebensmittelsicherheit zuständig, wir Kontrolleure überprüfen das. Wie oft das passiert, richtet sich nach der Risikobeurteilung und einem darauf basierenden Punktesystem. Dieses System ist jetzt verändert worden. Die neue Vorschrift tritt in diesen Tagen in Kraft.
    Was ändert sich?
    Die Kontrollfrequenzen werden deutlich gesenkt. Rund 30 Prozent der allgemeinen Regelkontrollen werden wegfallen. Man passt die Aufgabe dem derzeit vorhandenen Personal an und nicht umgekehrt. Davon profitieren alle Kreise und Städte, die die Vorgaben bislang nicht schaffen. Das führt aber zu einer deutlichen Schwächung des Verbraucherschutzes.
    Quelle: Der Tagesspiegel

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Eine “Reform” a la Julia Klöckner: Kontrollen werden an das vorhandene (unterbesetzte) Personal angepasst, nicht das Personal an die Notwendigkeiten.

  5. Trojaner für Whatsapp: Der Verfassungsschutz liest mit
    Nach langem Ringen bekommt der Bundesinnenminister ein Gesetz, mit dem auch der Verfassungsschutz Trojaner einsetzen darf, um Verdächtige auszuspähen. Die Opposition vermutet einen Deal zwischen SPD und Union.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung unseres Lesers I.G.: Da ist er wieder, der Terrorismus-Vorwand! Lobbyregister? nein danke! Rassismus-Studie Polizei/Bundeswehr? nein danke! Aber wenn es um die Überwachung der eigenen Bürger geht, ist ein Generalverdacht natürlich vollkommen angemessen.

    dazu: Bundesregierung beschließt Staatstrojaner für alle Geheimdienste
    Alle 19 Geheimdienste von Bund und Ländern dürfen demnächst heimlich Geräte hacken. Die Bundesregierung hat einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Lange hatte die SPD Bauchschmerzen, jetzt ist sie umgekippt. Auch die Vorsitzende Saskia Esken war dagegen, jetzt trägt sie den Kompromiss mit.
    Quelle: netzpolitik.org

    Anmerkung unseres Lesers M.W.: Ob Saskia Esken eine geeignete SPD-Vorsitzende ist, kann ich nicht beurteilen. Fest steht, als “staatlich geprüfte Informatikerin” ist das Totalversagen.

  6. Digitale Identität – Die Blockchain weiss alles – kommt die totale Überwachung?
    Eine mächtige Allianz von Konzernen und Behörden arbeitet an einer transnationalen digitalen Identität für alle. Das bringt Risiken mit sich.
    «Jeder siebte Mensch ist ausgeschlossen von staatlichen Leistungen, weil er seine Identität nicht nachweisen kann», sagt Dakota Gruener, Leiterin der Organisation ID2020 in New York City. «Im Internet herrscht ein Wildwuchs virtueller Identitäten. Mangel an effizienter Identitätskontrolle kostet uns jährlich hunderte Milliarden US-Dollar.»
    Das will ID2020 ändern. Eine Allianz von Hightech-Konzernen wie Microsoft und Accenture und der Rockefeller-Stiftung, von Hilfsorganisationen wie CARE und der Impfallianz GAVI. Zu den Kooperationspartnern zählen die US-Regierung, die EU-Kommission und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR.
    ID2020 plant, ergänzend zu staatlichen Systemen, eine transnationale digitale Identität. Hier sollen alle Informationen über den Einzelnen zusammenfliessen: Ausbildungs- und Impfnachweise, Finanzstatus; Accounts bei Facebook, vom Smartphone produzierte Daten.
    Quelle: SRF
  7. Genosse Killerdrohne
    Aufrüstung der Bundeswehr
    Sozialdemokratische Schauspielkunst: Die SPD stellt Bedingungen für die Beschaffung von Kampfmaschinen, die ohnehin erfüllt werden
    Nun hat sich auch die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, zur Bewaffnung von Bundeswehr-Drohnen geäußert. Das Thema sei »entscheidungsreif«, erklärte Högl am Dienstag dem Hauptstadtstudio der ARD in einem Interview. Sie nannte gleichzeitig Bedingungen für unbemannte Kampfeinsätze mit den aus Israel geleasten »Heron TP«. Demnach dürften die Drohnen in Mandatsgebieten der Bundeswehr »nicht von Berlin aus gesteuert« werden. Technisch wäre dies zwar möglich; im Entwurf des Leasingvertrags mit dem Rüstungskonzern Airbus hat das Verteidigungsministerium die hierfür notwendigen Bodenstationen aber ausgespart. Die Wehrbeauftragte stellt also eine Forderung auf, die vom Militär vorauseilend erfüllt wird…
    Absurd ist der Wunsch, dass es »keine völkerrechtswidrigen Einsätze« mit Bundeswehr-Drohnen geben soll. Eigentlich, so sollte man meinen, eine Selbstverständlichkeit für alle Waffensysteme, bemannt oder unbemannt…
    Die eigentliche Sprengkraft der Aussagen der Wehrbeauftragten ergibt sich aus ihrer Mitgliedschaft in der SPD. Seit zwei Legislaturperioden eiert die Partei als Zünglein an der Waage um die Frage der Bewaffnung der »Heron TP« herum. Während die Basis Kampfdrohnen überwiegend ablehnt, fliegt die Führung mit vollem Schub voraus. Im Verteidigungsministerium wird bereits an einer Vorlage für einen Bundestagsbeschluss gearbeitet; der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zufolge hat auch Fritz Felgentreu, Obmann der SPD im Verteidigungsausschuss, darauf gedrängt…
    Quelle: junge Welt

    dazu: Högl: Pro-Kampfdrohnen
    Die neue Wehrbeauftragte Eva Högl, von der es eigentlich hieß, sie stünde der (eher) linken SPD-Parteiführung nahe, hat sich nun laut Zeit Online für die Bewaffnung von Drohnen ausgesprochen: „Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, hat sich für die Beschaffung bewaffneter Drohnen ausgesprochen: ‚Ich hoffe sehr, dass noch in dieser Legislaturperiode über die Anschaffung entschieden wird‘, sagte Högl im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. ‚Der Koalitionsvertrag ist klar, die Diskussion hat stattgefunden, die Rahmenbedingungen sind klar. Ich halte das für entscheidungsreif.‘“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

  8. Klimawahl? Schicksalswahl!
    In einem Jahr ist Bundestagswahl. Diese Wahl ist die letzte Wahl, die wir auf dieser Ebene haben, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern. Wir müssen die Wahl zur Klimawahl machen.
    (…) Wir müssen als eigentlicher Souverän mit einem irren Aufwand Lobbyarbeit betreiben, Petitionen schreiben, demonstrieren gehen und Bürgerbegehren machen, obwohl wir jetzt schon alle auf dem Zahnfleisch daherkommen und wissen, dass uns das nicht helfen wird, wenn es die, die handeln könnten, trotzdem verschleppen….
    Wir brauchen Regierungen, die es einfach machen und es uns damit einfach machen. Ich dachte mir damals: Wir haben zweifellos die ganze Zeit über viel Gutes gemacht in unseren Organisationen, aber wie wäre es, wenn alle sich und ihre Organisationen einmal zurücknähmen und für ein paar Monate an einem Strang zögen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, womit jeder sogar weniger Arbeit hätte?…
    (…) Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir noch viel mehr Formen zivilen Ungehorsams sehen werden, so wie die Bundesregierung und die GroKo die Gesellschaft radikalisieren. Aber ich bin nicht zuversichtlich, ob das reichen wird. Zumal die Kosten der Repression durch die Möglichkeiten der Massenüberwachung drastisch fallen und sich die Frage nach der Nachhaltigkeit stellt. Es müsste einmal gelingen, sich nicht spalten zu lassen. Diese Tendenzen gibt es leider überall. Es muss aber doch möglich sein, im Namen eines eigentlich gemeinsamen Ziels für einen begrenzten Zeitraum zusammenzuarbeiten, Kritik intern zu behandeln und Egos beiseite zu lassen…
    Dabei ist für mich mittlerweile vollkommen klar, dass es vollkommen sinnlos ist, zu lobbyieren und alle uns zustehenden demokratischen Mittel auszuschöpfen, solange in den Parlamenten Abgeordnete sitzen, denen der Wille des Souveräns im besten Falle egal ist. Im schlimmsten Fall arbeiten sie sogar gegen das Gemeinwohl zu Gunsten weniger…
    Es wird aber etwas passieren müssen und es ist zu befürchten, dass dies genauso unkoordiniert wie in der Coronakrise erfolgen wird, je spürbarer die Auswirkungen der Klimakrise werden. Diese Szenarien werden Demokratie und Gesellschaft auf eine harte Probe stellen, die zu lösen wäre, wenn endlich auch die schreiende Ungerechtigkeit angegangen und eine Umverteilung des vorhandenen Reichtums angepackt würde. Aber auch dazu fehlt ganz offensichtlich bei den derzeitig herrschenden Politiker:innen der notwendige Wille. Wie könnte das geändert werden?
    Ein großes Problem ist: Wir arbeiten alle über unsere Kräfte, auch weil wir uns in immer neuen, uns aufgezwungenen Kämpfen aufreiben und verzetteln. Wir haben es mit mächtigen Gegnern zu tun. Eine gewaltige Klimaschmutzlobby mit exzellenten Beziehungen, hoch vernetzt und vor allem mit unvorstellbaren finanziellen und zeitlichen Ressourcen, die uns allen fehlen. Und was uns fehlt, ist der kleinste gemeinsame Nenner, der alle an einem Strang ziehen lässt. Die anderen schaffen das recht gut mit einem nicht gerade gemeinwohlorientierten Nenner: Profitmaximierung…
    Quelle: medium.com
  9. Resonanzstörung – Zur Zuspitzung der Mensch-Natur-Beziehung
    So viel Wissenschaft war selten. Virologen sagen uns, wie gefährlich die Lage ist, Ökonomen, was der Lockdown kostet, Sozialwissenschaftler, wer was zu verkraften hat. Dass die Empfehlungen nicht nur je nach Experte, sondern auch je nach Wissenschaftsdisziplin voneinander erheblich abweichen, zeigt sich täglich. Entscheiden muss die Politik. Doch der mangelt es an Orientierung.
    Ihnen gehe es ausschließlich um das „Allgemeinwohl“, beteuern politisch Verantwortliche, wenn ihnen partei- und karrieretaktische Motive unterstellt werden. Aber was heißt „Allgemeinwohl“ eigentlich? Das kann keine Frage des Bauchgefühls sein. Wer politische Verantwortung trägt, kommt ohne verlässliches Wissen nicht aus. Was also tun, wenn die Einzelwissenschaften zu keinem Konsens über das „Allgemeine“ kommen? Das „Allgemeine“ ist zu groß für die Einzelwissenschaft, es sprengt die Disziplingrenzen des herrschenden Wissenschaftsbetriebs. In ihm mag es zwar hervorragende Experten für Virologie, Ökonomie und Sozialwissenschaft geben, aber keine Experten für das allgemeine Wohl….
    Der gegenwärtig herrschende Maßstab der Ökonomen, das in Geld gemessene Bruttoinlandsprodukt, taugt dazu jedenfalls nicht, weil es bekanntlich alle und alles über einen Kamm schert.
    Beschleunigung, Entschleunigung, Besinnung
    Läge es nicht nahe, so der Vorschlag, statt des Geldes, das ja oft in einem Atemzug mit der Zeit genannt wird („Zeit ist Geld“), probehalber einmal die Zeit selbst ernst zu nehmen, ohne sie gleich auf das Geld zu beziehen? Die Zeit verbindet tatsächlich alle und alles, sie ist universeller und älter als das Geld…
    Eine erste Erkenntnis könnte sein, dass der derzeitige Tunnelblick auf Corona der Komplexität der Lage nicht angemessen ist. Es gibt bekanntlich noch andere Krisen, die uns die Globalisierung mit ihrer eigenartigen Beschleunigungsdynamik in den letzten Jahrzehnten beschert hat…
    Das Problem einer durch Markt, Geld und Kapital angetriebenen Globalisierung ist in der Tat die Formel „Zeit ist Geld“. Sie stürzt den Globus in einen gnadenlosen Konkurrenzkampf um die möglichst schnelle Verwandlung aller natürlichen und menschlichen Ressourcen in Geld….
    (…) Nur Kreisläufe sind nachhaltig, Durchläufe nicht (exponentielle Veränderungen sind potenziell tödlich). Prinzipien wie Reflexivität, Reziprozität (Wechselseitigkeit) und Regenerativität können konkretisieren, wie Resonanz in Bezug auf Innenwelt, Mitwelt und Umwelt ermöglicht werden kann. Klar müsste auf alle Fälle sein: Der Mensch hat kein angeborenes Recht, seinen eigenen Lebensraum immer mehr auszudehnen, Treibhausgase beliebig in die Atmosphäre zu blasen, Mitmenschen fast ohne Gegenleistung für sich arbeiten zu lassen und sich bei all dem auf ökonomische „Sachzwänge“ zu berufen, die er tatsächlich selbst geschaffen hat. (Der Mensch hat aber sehr wohl ein angeborenes Recht auf Arbeit, von der er leben kann, als „zivilisatorisches Minimum“, wie Oskar Negt treffend feststellt.)
    Eine Resonanzstrategie müsste vor allem klare Prioritäten für das menschliche Wirtschaften setzen: Die Finanzwirtschaft dient der Realwirtschaft, die Realwirtschaft dem Menschen, mit all seinen wirklichen Bedürfnissen und wirklichen Fähigkeiten – nicht umgekehrt…
    Quelle: ÖDP journal
  10. Fakten gecheckt – Diskussion vertagt
    «Faktencheck» ist in Mode, das ist zu begrüssen. Die Methode hat aber auch ihre Tücken: Bei der Prüfung von Einzelaussagen darf der grössere Meinungskontext nicht verloren gehen. Denn das Ganze des Gesagten erschliesst sich nicht immer bloss aus der Summe seiner Einzelteile. …
    Das Prinzip des hermeneutischen Zirkels besagt, dass ich zum Verständnis der Einzelaussage stets den grösseren Äusserungskontext berücksichtige und umgekehrt aus den Details das übergeordnete Aussageanliegen abzuleiten versuche. Kennzeichnend für den Faktencheck hingegen ist die Isolation der Einzelaussage, die dann jeweils auf Herz und Nieren geprüft wird. Das im grösseren Zusammenhang Gesagte wird, Behauptung für Behauptung, klinisch untersucht. Auf diese Weise wird man dem übergreifenden Anliegen der Sprecherin oder des Verfassers aber kaum gerecht. Oft lassen sich auch Expertinnen und Experten zu überspitzten Aussagen hinreissen oder greifen zur Untermauerung ihrer Aussagen zu mangelhaft recherchierten Belegen; gelegentlich behaupten sie Dinge, die schlichtweg falsch sind. Umso wichtiger ist es, ihre Aussagen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu korrigieren. Das Prinzip der hermeneutischen Billigkeit besagt aber, bei alledem das generelle Anliegen der Sprecherin oder des Sprechers im Auge zu behalten, denn dieses gilt es zu verstehen. Gut zuzuhören, heisst hier nicht nur, kritisch zu sein, sondern auch, so lange wie irgend möglich den Aussagen des Gegenübers insgesamt Plausibilität zu unterstellen.
    Die zerstückelnde Methode des Faktenchecks hingegen neigt dazu, den Blick auf den Äusserungszusammenhang auszublenden. Suggeriert wird, dass das Ganze des Gesagten sich aus der Summe seiner Einzelteile ergebe. Der Faktencheck urteilt portionsweise – «falsch» / «teilweise richtig» / «nicht belegt» / «grossenteils falsch». Der Eindruck bei den Lesern ist desolat: So bleibt das Gesagte zerpflückt und zerfleddert zurück – und zugleich häufig ein wichtiges Anliegen auf der Strecke.
    Fakten ersetzen keine Haltungen. Kein Faktencheck erspart uns die Arbeit, Positionen auszuhandeln. Faktenchecks versprechen der Leserin und dem Leser geistige Orientierung, und oft vermögen sie sie ihnen auch zu geben. Sie können ihnen aber niemals die Mühe abnehmen, sich in politischen Fragen ein Urteil zu bilden. Ein Faktum macht noch keine Meinung, aus Fakten baut sich keine Haltung auf. Eine überbordende Nachfrage nach Faktenchecks wird in dem Augenblick zum Problem, in dem Fakten – und seien sie noch so richtig – Positionen ersetzen sollen. Oder wenn so getan wird, als könnten Evidenzen unmittelbar in Handlungsmaximen übergeführt werden. Dann allerdings herrscht das Diktat der Zahl und verdrängt die demokratische Meinungsfindung im Zeichen einer vorgeblichen «Alternativlosigkeit».
    Quelle: NZZ

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