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  1. Corona
  2. Haushaltsentwurf 2021: Die Rechnung kommt nach der Bundestagswahl
  3. Tarifpolitik (nicht nur) im Corona-Spagat
  4. Ukrainische Praktikanten für die Fleischfabriken
  5. Europäische Union: Handlungsfähigkeit langfristig sichern!
  6. “Ich hätte nicht gedacht, dass ich Jean-Claude Juncker so heftig vermissen würde”
  7. “Der Neoliberalismus hat ausgedient”
  8. Elektrische Unterstützung beim Radfahren: „Als Massenprodukt sind E-Fahrräder kritisch zu sehen“
  9. Die lebenden Toten
  10. Bundeswehroperationen im Weltraum
  11. Krieg im Jemen: Drohnen mit deutschen Modellflugzeugmotoren
  12. Im Mittel mehr Macht

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Corona
    1. Ausgangssperre nur für Arme in Madrid
      Nachdem sechs Wochen die Lage beschönigt wurde, greift die rechte Regionalregierung nun doch zum teilweisen Lockdown, um eine zweite allgemeine Ausgangssperre zu vermeiden
      Schon vor sechs Wochen hatte sich klar abgezeichnet, was auf die spanische Hauptstadtregion Madrid zukommt. Das wollte die Rechtsregierung in Madrid im Tourismussommer genauso wenig wahrhaben wie die sozialdemokratische Zentralregierung – und im Ausland ließ man sich zum Teil mit geschönten Zahlen an der Nase herumführen. Doch es war klar, dass sich die Realität und dauernd steigende Infektionszahlen nicht lange verheimlichen lassen würden. Inzwischen füllten sich die Krankenhäuser und die Intensivstationen in Madrid wieder mit Coronaviruspatienten, während Madrid unter den Augen der sozialdemokratischen Zentralregierung zum zentralen europäischen Hotspot wurde.
      Das spanische Gesundheitsministerium hat am Dienstag erneut 241 Tote gemeldet, 106 davon allein in Madrid. In den vergangenen sieben Tagen seien 468 Menschen an Covid gestorben, 171 in Madrid.
      Da inzwischen die Krankenhäuser und ihre Intensivstationen wie im Frühjahr wieder an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen und sich erneut in Madrid eine Katastrophe wie im Frühjahr abzeichnet, hat die rechte Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso am Montag schließlich doch Maßnahmen umgesetzt und eine Ausgangssperre für verschiedene Teile der Region verhängt.
      Quelle: Telepolis
    2. Covid-19: Hat Schweden die Herdenimmunität erreicht?
      Covid-19 ist in Schweden beendet, obgleich das Land keinen vollen Lockdown vollzogen hat. Bericht eines Arztes
      Covid ist in Schweden zu Ende. Auf den Titelseiten der Zeitungen erscheint es nicht mehr. Anfang August habe ich einen Bericht über meine Erfahrungen während der Pandemie als Notfallarzt in Stockholm geschrieben. Für die, die es nicht wissen, Schweden hat nie einen vollen Lockdown ausgeführt. Stattdessen gab es einen teilweisen Lockdown, der fast ausschließlich auf Freiwilligkeit beruht hat. Menschen, die in Büros arbeiten, wurde empfohlen, von zu Hause aus zu arbeiten. Es wurde empfohlen, wenn möglich die öffentlichen Verkehrsmittel zu meiden. Menschen über 70 mit schweren Erkrankungen wurde geraten, ihre Kontakte zu anderen Menschen zu begrenzen.
      Die einzige Beschränkung, die die Regierung von Beginn an angeordnet hat, war, dass nicht mehr als 50 Personen auf einmal in einer Gruppe zusammen sein durften. Als dann deutlich wurde, dass Covid vor allem für Menschen in Pflegeheimen gefährlich ist, wurde eine zusätzliche Beschränkung für Besuche dieser Einrichtungen erlassen. Zu keinem Zeitpunkt gab es eine Pflicht zum Tragen von Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit. Restaurants, Cafés, Friseure und Geschäfte sind durchgehend offen geblieben. Vorschulen und Schulen für Kinder bis 16 Jahre sind offen geblieben, Schulen für 16- bis 19-Jährige sind zum Fernunterricht übergegangen.
      Meine eigene Erfahrung ist, dass die Leute den freiwilligen Einschränkungen am Anfang sehr gut gefolgt sind, dass sie über die Zeit allerdings immer laxer geworden sind. Ein persönliches Beispiel: Meine Mutter und meine Schwiegereltern sind in den ersten sechs Wochen zu Hause geblieben. Danach wollten sie nicht mehr ohne ihre Enkelkinder sein.
      In meinem Artikel vom August habe ich berichtet, dass nach einer anfänglichen Spitze von März bis April die Covid-Erkrankungen in unserer Notaufnahme kontinuierlich gesunken sind, ebenso wie die Todesfälle in Schweden von 100 pro Tag auf dem Höhepunkt auf etwa fünf pro Tag im August.
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung Christian Reimann: Auf den erwähnten ersten Bericht des in Stockholm praktizierenden Arztes, Herrn Rushworth haben die NachDenkSeiten hier u.a. mit einer Anmerkung von Jens Berger hingewiesen. Auch angesichts der europaweit erfreulich undramatischen Daten könnten und sollten zwei Fragen geklärt werden:
      a) Ist ein Impfstoff überhaupt notwendig?
      b) Wie lange sollen die einschränkenden Maßnahmen noch andauern – wirklich bis ein Impfstoff zur Verfügung steht?

      Anmerkung Albrecht Müller: Wenn stimmt, was dieser schwedische Arzt beschreibt, dann haben die bei uns Verantwortlichen in Politik und Wissenschaft eindeutig auf die falsche Strategie gesetzt. Und wann ziehen die Verantwortlichen die Konsequenz, geben ihre Fehler zu und ziehen sich zurück?

    3. Entwicklungsminister Müller: „An den Folgen der Lockdowns werden weit mehr Menschen sterben als am Virus“
      Der CSU-Politiker spricht im Interview über die Notwendigkeit des Lieferkettengesetzes, seinen Ärger über die Wirtschaftsverbände und die EU-Flüchtlingspolitik.
      Quelle: Handelsblatt
  2. Haushaltsentwurf 2021: Die Rechnung kommt nach der Bundestagswahl
    Der Entwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz für den Bundeshaushalt 2021 sieht Ausgaben von 413,4 Milliarden Euro und eine Nettokreditaufnahme von 96,2 Milliarden Euro vor. Zum Vergleich: Im laufenden Jahr betrag die Ausgaben 508,5 Milliarden und die Nettokreditaufnahme 217,8 Milliarden Euro.
    Größter Einzelposten ist auch 2021 der Etat für Arbeit und Soziales. Für ihn veranschlagt Scholz 163,9 Milliarden Euro, 3,9 Prozent weniger als im laufenden Jahr. Der Verteidigungsetat hingegen soll um 2,6 Prozent auf 46,8 Milliarden Euro steigen. 2018 betrug der Wehretat noch 38,5 Milliarden Euro. Das bedeutet eine Steigerung um gut 21 Prozent.
    “Das ist ein Wahlkampfhaushalt zur Freude des Geldadels und der Rüstungsindustrie”, kommentiert Dietmar Bartsch den Haushaltsentwurf: “Die Rechnung der Krise wird den Bürgern nach der Bundestagswahl präsentiert. Dass diejenigen, denen es sehr gut geht in Deutschland, keinen gesonderten Beitrag zur Finanzierung der Krise leisten sollen, ist unfair und unsozial. So werden die einfachen Leute auch diese Krise bezahlen müssen”, so Bartsch.
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag

    dazu: Kabinett: Verteidigungshaushalt
    Der Welt zufolge will das Kabinett heute den Entwurf für den Haushalt 2021 beschließen, in dem der Militärhaushalt gegenüber diesem Jahr um 485 Mio. Euro auf 45,6 Mrd. Euro steigen soll. Hinzu kommen aber noch die Mittel aus dem Corona-Paket, die von der Welt auf 1,2 Mrd. Euro beziffert werden. Dabei handelt es sich „nur“ um die Corona-Gelder für 2021, insgesamt dürfte die Bundeswehr aus dem Paket im Umfang von 3,2 Mrd. profitieren (siehe IMI-Standpunkt 2020/027).
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

    Anmerkung Christian Reimann: Im Interview mit Paul Schreyer zu Covid-19: „Es ist an der Zeit, die Notbremse zu ziehen“ ist u.a. zu lesen:
    “Jens Spahn hat Anfang diesen Jahres im Gesundheitsministerium eine neue Abteilung für „Gesundheitssicherheit“ geschaffen – deren Gründung übrigens laut Spahn schon Ende 2019 geplant worden war. Geleitet wird diese Abteilung von Hans-Ulrich Holtherm, einem Bundeswehrgeneral, der bei seiner jetzigen Arbeit im Gesundheitsministerium Uniform trägt, den Corona-Krisenstab leitet und Spahn beim Krisenmanagement berät. Mit dieser Verschmelzung von Medizin und Militär liegt der Gesundheitsminister international voll im Trend. „Biosecurity“ meint einen Schutz vor Pandemien und vor Angriffen mit Biowaffen – also Viren, Bakterien und Giften. (…)
    Ein Biowaffen-Angriff oder auch ein Seuchenausbruch bedeuten für die verschiedenen beteiligten Gruppen ganz Unterschiedliches: Für die Bevölkerung ist es natürlich eine beängstigende und tödliche Bedrohung, eine extreme Verunsicherung. Für die Regierung ist es eine Krise, in der sie unter Druck gerät oder sich als Beschützer profilieren kann. Für die Pharmaindustrie ist eine Pandemie aber auch ein profitables Geschäftsfeld und für das Militär die Gelegenheit zur Untersuchung einer potenziell nutzbaren Waffe.”
    Die auch hierzulande praktizierte Kooperation von Gesundheitsministerium und Militär ist insbesondere in dieser merk-würdigen Coronazeit bemerkenswert.

  3. Tarifpolitik (nicht nur) im Corona-Spagat
    Wie schnell und umfassend sich die Vorzeichen in einem spezifischen Arbeitsmarktsegment ändern können, lässt sich am Beispiel der Fluggesellschaften und ihres Personals studieren. Noch im vergangenen Jahr war auch aufgrund der bis dahin stetig steigenden Nachfrage nach Flügen die Arbeitsmarktlage der meisten Piloten so gut, dass selbst ein arbeitnehmerfeindlicher Intensivtäter wie Ryanair gezwungen war, den Piloten (und ein echter „Höllenritt“ für dieses Unternehmen: den Gewerkschaften) bei den Arbeitsbedingungen entgegenzukommen, weil es einen zunehmenden Personalmangel gab. Und dann kam die Corona-Krise über uns und von einem Moment auf den anderen hat sich alles verändert aufgrund der massiven Einbrüche im Luftverkehr. Die waren und sind so außergewöhnlich, dass selbst gestandene und stolze Piloten beispielsweise der Lufthansa zu bislang unvorstellbaren Gehaltseinbußen bereit waren bzw. sein mussten. In kürzester Zeit hat sich die Machtasymmetrie aufgrund völlig verkehrter Angebots-Nachfrage-Relationen zuungunsten der Beschäftigten gedreht und dass in so einer Branche wenn überhaupt, dann über die Sicherung eines Teils der noch vorhandenen Belegschaften, aber sicher nicht über Lohnerhöhungen verhandelt wird, erschließt sich von selbst.
    In diesen Tagen werden wir in einem anderen Bereich hingegen mit einer Tarifauseinandersetzung konfrontiert, in der es sehr wohl um Lohnerhöhungen geht. Gemeint ist ein Teil des Öffentlichen Dienstes, konkret die Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen. Für die hier betroffenen 2,3 Mio. Beschäftigten haben die Verhandlungen am 1. September 2020 begonnen und die Gewerkschaft Verdi geht mit diesen Forderungen in die Auseinandersetzung: 4,8 %, mindestens aber 150 Euro pro Monat sowie gesonderte Verhandlungen für Beschäftigte im Gesundheitswesen und in der Pflege. Hinzu kommt eine Kürzung der längeren ostdeutschen Wochenarbeitszeit um eine Stunde und damit eine bundesweite Angleichung. Das wird die größte Tarifauseinandersetzung im zweiten Halbjahr 2020 werden. Und nachdem die Arbeitgeber nach zwei Verhandlungsrunden kein Angebot vorgelegt haben, geht die Gewerkschaft aufs Spielfeld der Warnstreik-Aktionen – die nächste Verhandlungsrunde wird (erst) am 22. und 23. Oktober stattfinden. (…)
    Als wir uns noch vor dem März 2020 in Sicherheit und der unendlichen Fortschreibung der „damaligen“ Realität wiegen durften, gab es bereits seit Jahren eine Debatte über die zunehmende Polarisierung auf den Arbeitsmärkten. Dabei wurde – bei allen Vermessungen in mittleren und vor allem höheren Einkommensbereichen – darauf hingewiesen, dass es vor allem im unteren Lohnbereich eine Abkoppelung von der in anderen Bereichen durchaus positiven Lohnentwicklung gegeben hat, die zu einer Zunahme der ungleichen Verdienststrukturen geführt hat. Es ist leider zu befürchten, dass die derzeit ablaufende und wie es aussieht noch lange nicht überwundene Corona-Krise zu einer weiteren Zunahme der Polarisierung führen kann und wird. (…)
    Man kann das auch in diesem Kontext einordnen – hier aus einem Bericht über den „Juristentag light“ – DJT-Forum Pandemie und Recht. „Ist Puff gleich Kirche?“ – von Hasso Suliak:
    »Ziemlich eindeutige Antworten gab es … auf die Ausgangsfrage …, wer denn die Lasten der Pandemie tragen müsse und ob sich die Verlierer bereits eindeutig bestimmen ließen … Sowohl EZB-Direktorin Prof. Dr. Isabel Schnabel als auch die Vizepräsidentin der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Prof. Dr. Regina T. Riphahn, kamen anhand umfassender Statistiken zu der unmissverständlichen Aussage, dass die Lockdown-Maßnahmen der Bundesregierung sozial Schwache, Frauen und Alleinerziehende mit Kindern am meisten getroffen hätten. Soziale Ungleichheit sei zementiert worden. Und unter den wirtschaftlichen Folgen der Krise werde der Euroraum noch viele Jahre zu knabbern haben.«
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik

    dazu: Unverfrorenheit: Gestern Helden und jetzt eine Belastung
    So schnell kann es kommen im Sturm der Meinungsmache. Gestern noch waren sie die Helden des Landes, denen abends von Fenstern und Balkons aus heftig Beifall gespendet wurde, und heute sind ausgerechnet sie es, die der Nation mit ihren Forderungen in den Rücken fallen:
    Das Pflegepersonal in Krankenhäusern und Heimen, die Feuerwehrleute, die Polizisten, die Gesundheitsämter, die Anlauf- und Beratungsstellen, die geschaffenen Informationszentren, die Sozialarbeiter, die Stadtentwässerung und die Müllabfuhr.
    Und genau die Berufsgruppen, die dafür gesorgt haben, dass die Krise gemanagt wurde und der Lockdown nicht zum Chaos führte, diejenigen, die trotz ihrer Leistung und im internationalen Vergleich schlecht verdienen, bekommen jetzt die Spaltungskeule entgegengeschleudert.
    Der Maskenfall
    Plötzlich sind sie diejenigen, die pomadig mit ihrer Arbeitsplatzsicherheit im Rücken zu einer Belastung des Gemeinwesens geworden sind. Bravo! So geht Unverfrorenheit.
    Quelle: Neue Debatte

  4. Ukrainische Praktikanten für die Fleischfabriken
    Eine Großrazzia bei mehreren Zeitarbeitsunternehmen bringt eine neue Masche für die Ausbeutung in der Fleischindustrie ans Licht. Der F.A.Z. sind drei der im Verdacht stehenden Unternehmen bekannt.
    Nach F.A.Z.-Informationen durchsuchte die Polizei in Garbsen die Geschäftsräume einer Gesellschaft namens Certus Personalbereitschaft, die laut Unternehmensregister erst im Dezember vergangenen Jahres an den Standort umgezogen war. In Bassum südlich von Bremen wurden Räume des Unternehmens ICR durchsucht, in Twist nahe der niederländischen Grenze eine Gesellschaft namens Berkana.
    Wie aus informierten Kreisen verlautet, sehen die Ermittler die Unternehmen als Teil eines „Firmenkonstrukts“, das Beschäftigte illegal in Unternehmen der Fleischindustrie einsetzt. In welchen Betrieben die Mitarbeiter tätig waren, wurde zunächst nicht bekannt, ebenso wenig der Name des zweiten in Verdacht stehenden Unternehmens. …
    Die Razzien beflügeln Diskussionen über den möglichen Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit. Über Leiharbeit können sich Unternehmen fremde Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen in die Fabriken holen, um vorübergehend Produktionsspitzen zu bearbeiten. Unternehmen nutzten sie allerdings häufig, um billige Arbeitskräfte auf Dauer einzukaufen. Eine ähnliche Motivation gibt es auch beim Einsatz von Arbeitskräften über Werkverträge. Solche Fälle fallen häufig nur über Kontrollen auf, deshalb will sie der Gesetzgeber in der Fleischbranche generell verbieten.
    Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat dazu den Entwurf eines „Arbeitsschutzkontrollgesetzes“ eingebracht, der derzeit den Bundestag beschäftigt. Damit wären Werkverträge und Leiharbeit von nächstem Jahr an in der Branche verboten. Heil warnte am Mittwoch davor, das geplante Gesetz gegen Ausbeutung in der Fleischindustrie zu verwässern. „In Teilen der Fleischindustrie ist die kriminelle Ausbeutung der Beschäftigten leider noch an der Tagesordnung“, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund sprach am Mittwoch von „kriminellen Machenschaften“, die beendet werden müssten.
    Quelle: FAZ
  5. Europäische Union: Handlungsfähigkeit langfristig sichern!
    Nach der Rede EU-Kommissionspräsidentin Ursala von der Leyen zur Lage der EU ist es weiterhin unklar, wie die EU mit den höheren Staatsschulden im nächsten Jahr umgehen soll. Zwar wurde das Verschuldungsverbot kurzfristig aufgehoben, dennoch müssen die EU-Schuldenregeln langfristig überarbeitet werden.
    Letzte Woche hat Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament ihre Rede zur Lage der Union gehalten. In dieser Rede setzen die PräsidentInnen der EU-Kommission traditionell die Schwerpunkte für das kommende Jahr. Dieses Mal fiel auf, was die Präsidentin im Bereich Wirtschaftspolitik nicht thematisierte: Es bleibt weiterhin ungeklärt, wie die EU mit den höheren Staatschulden der Mitgliedstaaten in den nächsten Jahren umgehen wird.
    EU-Schuldenregeln überarbeiten
    Dabei haben die EU-Institutionen in den letzten Wochen eine erfreulich überraschende Handlungsfähigkeit bewiesen: Derzeit wird über ein 750 Milliarden Euro schweres wirtschaftliches Aufbauprogramm verhandelt. Dafür verabschiedeten sich die Mitgliedstaaten zeitlich befristet von dem Verschuldungsverbot auf Gemeinschaftsebene. Eine solche Kehrtwende in der EU-Fiskalpolitik ist richtig und war längst überfällig. Für die wirtschaftliche Erholung der Mitgliedstaaten ist es aber darüber hinaus unverzichtbar, die EU-Schuldenregeln generell zu überarbeiten.
    Quelle: DGB klartext
  6. “Ich hätte nicht gedacht, dass ich Jean-Claude Juncker so heftig vermissen würde”
    Telepolis-Spätsommerinterview mit Martin Sonneborn, dem Vorsitzenden der PARTEI und EU-Abgeordneten
    Wie haben Sie in Brüssel die Zeit seit Corona überstanden?
    Martin Sonneborn: Danke der Nachfrage. Ich war ausreichend damit beschäftigt, einen Überblick zu behalten, welche Länder, Städte oder Landstriche einer in ihre Einzelteile zerfallenen EU gerade zu roten, grünen, orangefarbenen Corona-Zonen mutierten. Oder einseitig Reisewarnungen verhängten. Und mich zu ärgern, dass keine europaweite Datenbasis geschaffen wurde – Infektionen, Intensiv-Patienten, Tote -, mittels derer man die Situation wesentlich besser hätte einschätzen können.
    Frau von der Leyen hat nach ihrem Wehrdienst als Präsidentin der EU-Kommission angeheuert. Wie macht sich die Neue bei Ihnen in Brüssel?
    Martin Sonneborn: Ich hätte nicht gedacht, dass ich Jean-Claude Juncker so heftig vermissen würde. Eine orientierungslose Präsidentin, die sich eigens ein Appartement im Kommissionsgebäude einbauen lässt, um sich mit ihrem z.T. sehr überbezahlten deutschen Beraterstab darin zu verschanzen, die ihre Twitter-Botschaften gegen Zeilengeld von Kai Diekmann, vormals “Bild”, formulieren lässt, und in ihren schlecht choreographierten Reden den Eindruck erweckt, es sei alles bestens bestellt in der EU, sie habe die ultimative Problemlösungskompetenz und befördere die Belange im Sinne der Bürger – das ist schon bizarr.
    Quelle: Markus Kompa auf Telepolis
  7. “Der Neoliberalismus hat ausgedient”
    Die Corona-Krise zeigt: Wir müssen den globalen Kapitalismus neu definieren, sagt Klaus Schwab, Chef des Weltwirtschaftsforums. Sonst komme die Veränderung mit Gewalt. (…)
    Ich bin davon überzeugt, dass die unternehmerische Kraft jedes Einzelnen die Triebfeder für echten Fortschritt ist – und nicht der Staat. Aber diese individuelle Kraft muss in ein System von Regeln eingebettet werden, das ein Überborden in die eine oder andere Richtung verhindert. Diese Funktion muss ein starker Staat erfüllen. Der Markt löst allein keine Probleme. Ich plädiere nicht für eine Systemänderung. Ich plädiere für eine Systemverbesserung. (…)
    Schwab: Diese Pandemie hat uns auf die großen Risiken aufmerksam gemacht, die jeden Einzelnen von uns treffen können. In Davos haben wir auf dem Weltwirtschaftsforum 2017 eine globale Krise simuliert – daran haben auch Regierungen teilgenommen. Es war aber trotzdem am Ende alles sehr abstrakt. Durch die Pandemie ist es wesentlich konkreter geworden. Und die Folgen lassen sich auf andere globale Probleme übertragen: Wenn wir jetzt nichts unternehmen, wird die Klimaerwärmung unser tägliches Leben ähnlich stark umwälzen wie jetzt die Pandemie. (…)
    ZEIT ONLINE: Was passiert, wenn wir nichts unternehmen?
    Schwab: Die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte werden weiter zunehmen, die Ungerechtigkeiten und die Umweltzerstörung werden wachsen. Wenn wir dagegen nichts unternehmen, werden die Veränderungen irgendwann auf anderem Wege kommen, durch gewalttätige Konflikte oder Revolutionen etwa. Das lehrt uns die Geschichte.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung Christian Reimann: Das Interview könnte den Eindruck vermitteln, Herr Schwab sei “der nette Onkel” von nebenan, der nichts Böses wolle. Die NachDenkSeiten haben auf das nächste Thema des Weltwirtschaftsforums im Januar 2021 in Davos hingewiesen – bitte lesen Sie dazu u.a.
    a) Great Reset: Das Weltwirtschaftsforum plant den Großen Neustart, um ihn zu verhindern
    b) Wie es nach der COVID-19-Pandemie weitergehen soll.

    Weil Herr Schwab auch die Namen Bill Gates und Warren Buffett erwähnt, sei auch an einen Beitrag von Rudolph Bauer erinnert: Sind Bill Gates und Warren Buffett Sozialisten?. Daraus zitiert:
    “Sie handeln als Akteure einer gesellschaftlichen Ordnung, deren Marktprinzipien ein Handeln in Gewinnabsicht begünstigen und belohnen.
    Kurz: Die durch die Corona-Krise besonders ins Blickfeld geratenen US-Multimilliardäre Gates und Buffett handeln gemäß den Gesetzmäßigkeiten der politischen Ökonomie des imperialistischen Kapitalismus. Ihr Wohltäter-Image lenkt allerdings den kritischen Blick davon ab. Es lässt den Eindruck entstehen, dass der Kapitalismus hier sein menschliches, sein menschenfreundliches und „soziales“ Gesicht zeigt.”
    Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut Digitalisierung im Konjunkturpaket: „Corona-Krise“ oder Krise des Kapitalismus?.
    Interessante Elemente für einen Gegenentwurf zu den Vorhaben der Reichen und Vermögenden hat Werner Rügemer hier angedeutet: Heuchler, Profiteure und andere Menschenfreunde – „Corona“ als Anlass für kollektive demokratische Selbstorganisation.

  8. Elektrische Unterstützung beim Radfahren: „Als Massenprodukt sind E-Fahrräder kritisch zu sehen“
    Immer mehr Menschen in Deutschland setzen auf elektrische Unterstützung beim Radfahren – fast jedes vierte Rad, das 2019 verkauft wurde, war ein Elektrofahrrad. Die Corona-Pandemie sorgte für einen zusätzlichen Nachfrageboom, insbesondere bei den Pedelecs. Warum die Umwelt von diesem Trend nicht profitiert, erklärt Prof. Dr. Reinhart Job, Leiter des Labors für Energiespeichertechnologie. […]
    Was ist problematisch an der Herstellung der Akkus?
    Zur Produktion werden vor allem Lithium und Kobalt benötigt. Die Abbaubedingungen dieser Rohstoffe sind stark umstritten. Lithium kommt vor allem in Südamerika vor. Der Ausgangsstoff Lithiumkarbonat wird durch Verdunstung aus der Sole von Salzseen gewonnen. Der Wasserverbrauch dabei ist enorm und führt in den ohnehin trockenen Gegenden Bolivien, Chiles und Nordargentiniens zu Grundwasserabsenkungen. Es kommt zu einer drastischen Verschlimmerung der Wasserversorgung und Dürren in einer ohnehin schon sehr trockenen Region. Das ist ein Desaster für die Menschen, die dort leben – insbesondere, weil der überwiegende Teil der Wertschöpfung nicht in den Ländern vor Ort bleibt. Die wichtigsten Kobalt-Reserven liegen in der Demokratischen Republik Kongo in Zentralafrika. Bergleute, darunter auch viele Kinder, arbeiten unter höchster Lebensgefahr in den Minen. Wir sollten uns im Klaren darüber sein, dass wir ressourcenintensive Produkte kaufen, während die Bevölkerung und die Umwelt in den Abbauländern darunter leiden. Wenn wir nachhaltig leben wollen, müssen wir global denken.
    Gibt es Alternativen zu Lithium-Ionen-Batterien als Akkus?
    Im Moment gibt es keine vergleichbare Lösung für den Massenmarkt. Andere Konzepte sind einfach nicht so leistungsfähig. Zink-Luft-Akkus brauchen zum Beispiel aufgrund der geringen Energiedichte mehr Platz und sind schwerer. Für stationäre Systeme wie Solar- oder Windkraftanlagen ist das kein Problem. Doch für die portable Elektronik oder die Elektromobilität sind kleine, leichte, leistungsstarke Batterien notwendig. Ich rechne ehrlich gesagt nicht mit großartigen Verbesserungen – das Periodensystem der Elemente ist längst bekannt und bietet nur eine begrenzte Anzahl geeigneter Elemente für die Herstellung von Batterien.
    Quelle: FH Münster
  9. Die lebenden Toten
    Die Corona-Maßnahmen, die angeblich Leben schützen sollen, zeugen von Angst vor wirklicher Lebendigkeit und einem Hang zum Nekrophilen. Das Leben ist — nach der Sicherheit — mittlerweile zu einer Art Super-Grundrecht geworden. Jeder Politiker, mag er sich auch in der Vergangenheit als Kriegstreiber und Flüchtlinge-ertrinken-Lasser hervorgetan haben, will in Corona-Zeiten vor allem menschliches Leben schützen. Nach der Qualität des Lebens, das uns die Regierung derzeit noch lässt, wird dabei wenig gefragt. Dieselben Maßnahmen, die es schützen wollen, dimmen es so weit herunter, dass es unlebendig wird, für manche schon nicht mehr lebenswert. Kontrolle, Gleichförmigkeit, Bewegungseinschränkungen, Berührungsverbote — all das sind Merkmale einer Lebensfeindlichkeit, die sich derzeit Bahn bricht. Der Psychotherapeut und Philosoph Erich Fromm hat in seinem Werk die Liebe zum Tod und zum Toten, die Nekrophilie, als verbreitete Charakterorientierung ausführlich untersucht. Es wird Zeit, sich an seine Forschungen zu erinnern, denn wir leben in nekrophilen Zeiten.
    Quelle: Hinter den Schlagzeilen
  10. Bundeswehroperationen im Weltraum
    Die Bundeswehr hat eine neue Operationszentrale für die Führung militärischer Operationen im Weltraum in Dienst gestellt. Das Air and Space Operations Centre (ASOC) in Uedem dockt an das bereits seit dem Jahr 2009 bestehende Weltraumlagezentrum der Bundeswehr an, das bisher vor allem Lagebilder erstellt, um die deutsche militärische wie auch zivile Weltrauminfrastruktur – etwa Spionage- und Kommunikationssatelliten – vor Kollisionen insbesondere mit Weltraumschrott zu schützen. Weil zunehmend damit zu rechnen sei, dass auch gezielte Angriffe auf die Weltrauminfrastruktur erfolgten, nicht zuletzt in Kriegen, müssten die deutschen Streitkräfte jetzt auch das Planen und Führen von Operationen im All in den Blick nehmen, heißt es bei der Bundeswehr. Dazu dient das ASOC. Es wird als nationale Führungseinrichtung betrieben; dabei ist Berlin bemüht, es von Zulieferungen aus den USA, so etwa von US-Weltraumlagedaten, unabhängig zu machen. Dies entspricht Berlins Bestrebungen, auch bei Produktion und Betrieb von Satelliten auf EU-Ebene eigenständig zu werden.
    Quelle: German Foreign Policy
  11. Krieg im Jemen: Drohnen mit deutschen Modellflugzeugmotoren
    Die Huthi-Rebellen setzen bei Luftangriffen im Jemen Drohnen ein, die mit Motoren für Modellflugzeuge aus Deutschland betrieben werden. SWR-Recherchen zeigen, wie die Motoren über Athen nach Teheran kamen. […]
    Grünen-Politiker Nouripour fordert daher eine “echte Endverbleibskontrolle auch von Komponenten, nicht nur von den klassischen militärischen Gütern”. Denn gerade die Drohnen-Entwicklung zeige, dass das viel zu wenig gemacht würde. “Dadurch betreiben wir unwillkürlich einen Technologie-Transfer, also Know-How Transfer, in Richtung Iran”, meint Nouripour. Und in letzter Konsequenz bewirkt auch diese mangelnde Kontrolle, dass der Krieg im Jemen mit seinen vielen tausenden Opfern noch weiter gehen kann.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung André Tautenhahn: In diesem Bericht geht es ja gar nicht um den Krieg im Jemen, sondern um eine Gelegenheit, Iran anzuklagen und vom eigentlichen Skandal abzulenken. Denn die Bundesregierung hat seit Anfang 2019 Rüstungsexporte für mehr als eine Milliarde Euro an Länder genehmigt, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Iran zählt da aber gar nicht dazu. Seltsam auch, dass den Außenpolitiker der Grünen nicht die humanitäre Katastrophe im Jemen besorgt, sondern zerstörte Ölraffinerien in dem Land, das als Aggressor den Konflikt verursacht hat und weiter anheizt. Zitat: „Im Fall der Aramco-Anlagen haben wir gesehen, dass ein gezielter Schlag fünf Prozent der weltweiten Ölförderung außer Kraft setzen kann.“ Durch solche Drohnen sei die kritische Infrastruktur sehr gefährdet, sagt Omid Nouripour. Was ist aber mit der Relaisstation Ramstein, über die Kampfdrohnen der Amerikaner gesteuert werden, die ihre tödliche Fracht über dem Jemen und Afghanistan abladen? Was ist mit der „Königin der Killerdrohnen“ oder dem „fliegende Sensenmann“, dem Modell MQ-9 Reaper, das im Irak den iranischen General Soleimani sowie weitere Menschen tötete? Der Fortgang des Krieges im Jemen hängt wohl eher weniger vom Export deutscher Modellflugzeugmotoren ab.

  12. Im Mittel mehr Macht
    Beim Konflikt im östlichen Mittelmeer geht es gar nicht um Gas – Türkeis Präsident Erdogan verfolgt weitaus höhere Ziele. […]
    Charakteristisch für die aktuelle Lage in Ostmitteleuropa ist eine dezidiert revisionistische und aggressive türkische Außenpolitik, die den Einsatz militärischer Mittel nicht ausschließt. Ankara will in der gesamten Region seine Macht ausbauen. Damit will das Land am Bosporus der Europäischen Union und dem sicherheitspolitischen Westen insgesamt eine klare Botschaft übermitteln: Die Türkei ist eine wichtige Mittelmacht, die niemand, der in der Region aktiv zu werden beabsichtigt oder dort bereits aktiv ist, ignorieren sollte. Dieser Machtanspruch reicht weit: von der Ägäis, Zypern und den Regionen des östlichen Mittelmeerraums bis nach Syrien und Libyen. Und auch wenn Griechenland und Zypern die Auswirkungen dieser Politik am deutlichsten zu spüren bekommen, geht es letztlich wohl weniger konkret um die zwei Länder selbst als vielmehr darum, an ihnen ein Exempel zu statuieren.
    Quelle: IPG Journal

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