Covid-19 – ein europaweiter Zahlenvergleich zeigt, wie unbegründet und manipulativ der derzeitige Alarmismus ist

Covid-19 – ein europaweiter Zahlenvergleich zeigt, wie unbegründet und manipulativ der derzeitige Alarmismus ist

Covid-19 – ein europaweiter Zahlenvergleich zeigt, wie unbegründet und manipulativ der derzeitige Alarmismus ist

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Vor vier Wochen hatten die NachDenkSeiten einen Blick auf die alles andere als besorgniserregenden Covid-19-Zahlen aus Deutschland geworfen. Erfreulicherweise haben mittlerweile sogar einige Medien (allen voran die BILD-Zeitung) unsere Lesart übernommen – besser spät als nie. Gleichzeitig ist jedoch auch ein Trend zu beobachten, dass viele Medien – jetzt, wo es kaum noch taugliche Meldungen aus Deutschland gibt – dazu übergegangen sind, mit neuen „Horrormeldungen“ aus anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder Spanien Schlagzeilen zu machen und Angst zu schüren. Daher haben wir auch einmal einen genaueren Blick auf die Covid-19-Zahlen dieser Staaten geworfen. Das Ergebnis: In ganz West- und Mitteleuropa sind die Zahlen alles andere als besorgniserregend. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Deutschland

Seit unserem letzten Datencheck vor vier Wochen haben sich die erfreulich undramatischen Daten zu den Covid-19-Erkrankungen gefestigt. Die Zahl der Neuinfektionen liegt trotz einer abermaligen Erhöhung der Tests auf mittlerweile mehr als 1,1 Millionen pro Woche bzw. 157.000 pro Tag auf einem stabil niedrigen Niveau. Die Zahl der laut RKI aktiv Infizierten (Covid-19-Fälle minus Todesfälle und Genesene) liegt mit 16.136 zwar über dem Wert von vor vier Wochen (13.771), aber unter dem „Sommerhöchstwert“ vom 30. August, an dem die Zahlen des RKI 17.557 aktiv Infizierte ergaben.

Positive Testergebnisse Deutschland (Quelle: worldometers.info)

Lag die Zahl der an oder mit Covid-19 Verstorbenen vor vier Wochen noch im Schnitt bei 5, so ist dieser Wert in der letzten Woche sogar noch weiter gesunken. In den letzten sieben Tagen meldete das RKI im Schnitt 3,5 Todesopfer pro Tag – am Montag, den 7. September, konnte zum ersten Mal seit Anfang August sogar wieder ein Tag ohne Todesopfer gemeldet werden. Gegenüber den Höchstwerten aus dem April bedeutet dies einen Rückgang von 98,8%.

Covid-19-Todesfälle Deutschland (Quelle: worldometers.info)

In der 36. Kalenderwoche wurden laut RKI 290 Patienten mit positivem Covid-19-Test in ein Krankenhaus eingewiesen. Vor vier Wochen waren es noch 322, im April betrug der Wert noch bis zu 6.029 Patienten pro Woche. Die Zahl der mit Covid-19-Patienten belegten Intensivbetten liegt mit zurzeit 226 (davon werden 130 künstlich beatmet) sogar unwesentlich unter dem Wert von vor vier Wochen (227) – im April waren es bis zu 2.922. Gegenüber den Höchstwerten aus dem April bedeutet dies einen Rückgang von 92,3%.

Intensivbetten mit Covid-19-Patienten (Quelle: Intensivregister)

Der 7-Tage-R-Wert liegt zurzeit mit 0,98 noch einmal unter dem Wert von vor vier Wochen (1,05) und deutlich unter dem Rekordwert von 3,0 im März. Aktuell gibt es jedoch drei bayerische Landkreise, die den Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner reißen. Alle anderen Bundesländer liegen jedoch teils deutlich unter den Grenzwerten – Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sind sogar so gut wie „coronafrei“, dort gibt es keinen Landkreis, der über 5 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner kommt.

Diese positiven Zahlen stehen im deutlichen Kontrast zum großen Teil der medialen Berichterstattung. Auffällig ist dabei, dass die Medien ihren Fokus – da es aus Deutschland kaum etwas „Dramatisches“ zu berichten gibt – in letzter Zeit vermehrt auf das europäische Ausland legen. Die Mittelmeerregion sei nun ein „absoluter Corona-Brennpunkt“, die „Lage prekär“. Vor allem Spanien und Frankreich haben es dabei den Medien angetan. Aber auch Italien und Großbritannien werden immer wieder gerne genannt, wenn es um eine angebliche „zweite Welle“ geht. Drohen unseren europäischen Nachbarn also wieder Bilder von überfüllten Intensivstationen und vierstellige Todesziffern pro Tag? Ein genauerer Blick relativiert diesen Alarmismus.

Frankreich

Für besonders dramatische Schlagzeilen sorgte in den letzten Wochen Frankreich. Bei unserem westlichen Nachbarn „wütet“ deutschen Medien zufolge „schon die zweite Welle“. Seit dem 24. August sind der Großraum Paris und die Provence vom RKI als „Risikogebiete“ eingestuft, in Paris gilt mittlerweile auch im Freien eine Maskenpflicht. Wenn man sich ausschließlich die Zahl der positiven Tests anschaut, sieht die Situation in der Tat unerfreulich aus.

Positive Testergebnisse Frankreich (Quelle: worldometers.info)

Mit 6.850 angegebenen Neuinfektionen im siebentägigen Durchschnitt vermeldet Frankreich als einziges größeres europäisches Land aktuell sogar höhere Zahlen als im Frühjahr. Jedoch beträgt auch die Zahl der vorgenommenen Tests mit täglich bis zu 179.000 ein Vielfaches der Testanzahl zum Höhepunkt der Frühjahrswelle Ende April, als lediglich rund 8.000 Tests pro Tag vorgenommen wurden. Frankreich gehört damit zu den wenigen Ländern, in denen sogar noch mehr getestet wird als in Deutschland.

Covid-19-Todesfälle Frankreich (Quelle: worldometers.info)

Wesentlich weniger dramatisch sieht jedoch die Zahl der an oder mit Corona Verstorbenen aus. Wie in allen westeuropäischen Ländern liegt hier der gleitende 3-Tages-Durchschnitt lediglich bei einem Bruchteil der Werte aus dem Frühjahr. Aktuell sterben im Schnitt pro Tag 13 Menschen in Frankreich an oder mit dem Sars-CoV2-Virus. Anfang April waren es im Schnitt noch 1.175. Während die Zahl der offiziellen Neuinfizierten gegenüber April um rund 55% gestiegen ist, ist die Zahl der Verstorbenen um 98,9% gesunken.

Entspannt ist auch die Auslastung des französischen Gesundheitssystems. 4.907 normale Krankenhausbetten sind heute mit Covid-19-Patienten belegt. Anfang April waren es mehr als 32.000. Zurzeit befinden sich 537 Patienten, bei denen ein positiver Covid-19-Test vorliegt, auf den französischen Intensivstationen. Anfang April waren es mehr als 7.100 und in einzelnen Regionen kam es sogar zu Engpässen. Davon ist Frankreich im September sehr weit entfernt. Gegenüber den Höchstwerten aus dem April bedeutet dies einen Rückgang von 92,5%.

Intensivbetten mit Covid-19-Patienten (Quelle: Französisches Gesundheitsministerium)

Großbritannien

Auch in Großbritannien ist die offizielle Zahl der Neuinfizierten in den letzten Wochen gestiegen; jedoch liegt sie anders als in Frankreich sehr deutlich unter den Zahlen aus dem Frühjahr. Dennoch spricht beispielsweise das ZDF bereits von einer „zweiten Welle“. Dazu sei jedoch auch erwähnt, dass Großbritannien bei der Anzahl der täglichen Tests mit zurzeit 190.000 sogar noch vor Frankreich und Deutschland liegt und damit „Test-Europameister“ ist. Das war im Frühjahr ganz anders. Während der Infektionswelle im April wurden im Schnitt lediglich 20.000 Tests pro Tag durchgeführt.

Positive Testergebnisse Großbritannien (Quelle: worldometers.info)

In absoluten Zahlen ist Großbritannien in Europa das Land mit den meisten gemeldeten Covid-19-Todesopfern (41.586). Fast den kompletten April über mussten die britischen Behörden mehr als 800 Fälle von Menschen vermelden, die mit oder an Corona verstorben sind. Am 6. September meldete das britische Gesundheitsministerium zum ersten Mal seit Beginn der Zählung Anfang März keinen einzigen an oder mit Covid-19 Verstorbenen. Aktuell liegt der siebentägige Schnitt der Corona-Todesopfer bei 11. Gegenüber den Höchstwerten aus dem April bedeutet dies einen Rückgang von 99,0%.

Covid-19-Todesfälle Großbritannien (Quelle: worldometers.info)

Auch die Zahlen des nationalen Gesundheitssystems NHS sind äußerst erfreulich. Zurzeit befinden sich 757 Patienten mit positivem Covid-19-Test in den britischen Krankenhäusern, 77 davon liegen auf der Intensivstation und werden beatmet. Zum Höhepunkt am 12. April waren es noch 3.301. Gegenüber den Höchstwerten aus dem April bedeutet dies einen Rückgang von 97,7%.

Intensivbetten mit Covid-19-Patienten (Quelle: Französisches Gesundheitsministerium)

Italien

Nach China war Italien weltweit das zweite Epizentrum der Covid-19-Pandemie. Die Bilder abgesperrter lombardischer Städte und die sehr hohen im März vermeldeten Opferzahlen haben seinerzeit ganz maßgeblich zur Kommunikation der Maßnahmen in Deutschland beigetragen. Ähnlich wie in Deutschland ging auch in Italien die Zahl der vermeldeten Neuinfektionen jedoch im Mai deutlich zurück und gegen Ende August wieder leicht nach oben. Mit rund 1.300 Neuinfektionen im Wochenschnitt liegt die Zahl aktuell ungefähr auf dem deutschen Niveau. Das hält Medien wie die Tagesschau nicht davon ab, vor einer „zweiten Welle“ in Italien zu warnen.

Positive Testergebnisse Italien (Quelle: worldometers.info)

Vergleichbar mit Deutschland ist auch die Entwicklung der Todeszahlen. Lagen die Werte im März und April noch deutlich über Deutschland und waren mit teils über 800 Opfern pro Tag außerordentlich hoch, hat sich dieser Wert in den letzten Wochen auf einem sehr niedrigen zweistelligen Niveau eingependelt. Im aktuellen Drei-Tages-Schnitt sterben 12 Menschen pro Tag an oder mit Covid-19. Gegenüber den Höchstwerten aus dem März bedeutet dies einen Rückgang von 98,6%.

Covid-19-Todesfälle Italien (Quelle: worldometers.info)

Auch in Italien ist die angespannte Situation in den Krankenhäusern längst Vergangenheit. Musste das Gesundheitsministerium Anfang April noch fast 29.000 mit Covid-19-Patienten belegte Krankenhausbetten vermelden, von denen mehr als 4.000 Intensivbetten ausmachten, sind zurzeit gerade einmal 1.760 Krankenhausbetten, davon 143 Intensivbetten, mit Patienten belegt, bei denen ein positiver Covid-19-Test vorliegt. Gegenüber den Höchstwerten aus dem April bedeutet dies einen Rückgang von 96,5%.

Spanien

Seit dem 2. September zählt ganz Spanien zu den vom RKI aufgezählten „Risikogebieten“. Medien wie der SPIEGEL übertreffen sich gegenseitig mit drastischen Warnungen. Dieser Alarmismus stützt sich einzig und allein auf die Infiziertenzahlen, die in Spanien in der Tat bereits seit dem Juli deutlich gestiegen sind, seit Ende August jedoch auch wieder ebenso deutlich zurückgehen.

Positive Testergebnisse Spanien (Quelle: worldometers.info)

Da die sogenannte „zweite Welle“ in Spanien bezüglich der Infektionszahlen nahezu komplett der „ersten Welle“ von März bis April gleicht, eignet sich Spanien besonders gut für einen Vergleich der schweren Verlaufsformen der Krankheit. Und hier zeigt sich ein vollkommen anderes Bild.

Covid-19-Todesfälle Spanien (Quelle: worldometers.info)

Mussten die Behörden während der „ersten Welle“ noch bis zu 911 Todesopfer pro Tag vermelden, liegt der 3-Tages-Durchschnitt zur Zeit bei 33 Todesopfern pro Tag. Gegenüber den Höchstwerten aus dem April bedeutet dies einen Rückgang von 96,4%. Zwar sind in Spanien – anders als beispielsweise in Deutschland – im August und September marginal mehr Menschen an oder mit Corona gestorben als während der flachen Verlaufsphase im Juni und Juli – für Alarmismus bieten diese Zahlen jedoch keine Basis.

Leider veröffentlicht das spanische Gesundheitsministerium keine Zahlen zur aktuellen Auslastung der Krankenhausbetten. Dafür hat man am 10. Mai – also nach dem Ende der „Frühjahrswelle“ – einen statistischen Schnitt gemacht und veröffentlicht seitdem die kumulierten Zahlen seit diesem Datum. Und hier ist der Vergleich durchaus aussagekräftig. So betrug die Summe der bis zum 10. Mai im Krankenhaus behandelten Patienten, die positiv getestet wurden, 88.707. 7.306 Covid-19-Patienten mussten in diesem Zeitraum auf der Intensivstation behandelt werden. Während dieser ersten Phase gab es insgesamt 231.765 positive Fälle in der Gesamtbevölkerung. Der aktuelle Bericht für die zweite Phase seit dem 10. Mai nennt 253.557 Fälle – also rund 10% mehr als in der ersten Phase. Die Zahl der im Krankenhaus behandelten Patienten liegt mit 12.109 jedoch um 86%, die Zahl der auf eine Intensivstation eingewiesenen Patienten mit 878 sogar um 88% niedriger. Auch in Spanien ist der Zahl der schweren Krankheitsverläufe somit sehr deutlich rückläufig.

Europa und die Welt

Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien weisen somit durchaus vergleichbare Entwicklungen auf. In allen diesen Ländern gab es eine mehr oder weniger starke „Frühjahrswelle“, die mit einer signifikanten Zahl schwerer und tödlicher Covid-19-Erkrankungen einherging. In allen diesen Ländern ging jedoch die Zahl der schweren Verläufe und Todesfälle im Mai deutlich zurück und verharrt trotz teilweise wieder deutlich gestiegenen Neuinfektionen auf einem sehr niedrigen Niveau. In allen betrachteten Ländern liegen die Todesszahlen heute um 96% bis 99% unter den Zahlen aus dem Frühjahr und auch die Belegung der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten liegt um 88% bis 98% unter den Frühjahrszahlen.

Die Entwicklung der hier untersuchten Länder ist durchaus vergleichbar mit anderen west- und mitteleuropäischen Ländern wie Belgien, Schweden, den Niederlanden, Portugal, der Schweiz, Österreich, Irland oder Dänemark. Ost- und südosteuropäische Länder weisen hingegen ein anderes Muster auf, hatten jedoch auch keine mit den west- und mitteleuropäischen Ländern vergleichbare „Frühjahrswelle“. Ganz anders sieht die Lage bekanntlich in Brasilien und den USA aus, wo sowohl die Infektions- als auch die Todeszahlen auf sehr hohem Niveau rangieren und nur leicht rückläufig, jedoch ebenfalls im Verhältnis zu den Neuinfektionen deutlich gesunken sind.

Erklärungsversuche

Diese Zahlen liegen auf der Hand und sind bekannt. Erstaunlich ist jedoch, dass sie weder von den meisten Leitartiklern noch von der Politik deutlich thematisiert und diskutiert werden. Warum verliefen beispielsweise in Spanien die beiden „Wellen“ mit den offiziell nahezu identischen Infiziertenzahlen so massiv unterschiedlich? Warum hat das Sars-Cov2-Virus einen Großteil seiner Bedrohung eingebüßt und stellt den Zahlen der letzten Monate zufolge in den west- und mitteleuropäischen Ländern keine ernsthafte Bedrohung für Leib und Leben mehr dar? Auch die Wissenschaft tut sich bei der Beantwortung dieser Frage sehr schwer. Es ist zudem unklar, ob es für dieses Phänomen überhaupt nur eine einzige hinreichende, also monokausale Erklärung gibt.

In unserem letzten Artikel zum Thema vor vier Wochen sind wir bereits ausführlich auf den Erklärungsansatz eingegangen, dass die Altersverteilung der Infizierten der wohl wichtigste Faktor für die massive Abnahme der schweren und tödlichen Krankheitsverläufe ist. In allen hier untersuchten Ländern liegt das Durchschnittsalter der Verstorbenen über 80 Jahren und in allen Ländern waren sowohl bei den wenigen jüngeren als auch bei den vielen älteren Todesopfern meist mehrere einschlägige Vorerkrankungen zu beobachten. So machen die unter 60-Jährigen in Spanien beispielsweise nur 6% der Todesopfer aus, während zwei Drittel der Todesopfer älter als 80 Jahre waren. Diese Altersverschiebung setzt sich auch bei den schweren Verlaufsformen fort. Obgleich nur jeder zwanzigste spanische Infizierte über 80 Jahre alt ist, zählt fast jeder vierte hospitalisierte Patient zu dieser Altersgruppe. Dennoch erklären die Faktoren Alter und Vorerkrankungen alleine nicht, warum in allen europäischen Ländern im Frühjahr vor allem so viele alte und vorerkrankte Menschen gestorben sind und die Todeszahlen auch in diesen „Risikogruppen“ aktuell stark rückläufig sind.

Neben der Altersverteilung könnten Mutationen des Sars-Cov2-Virus eine Rolle spielen. So gibt es Untersuchungen zu aufgetretenen Mutationen, die die „Pathogenität“ des Virus senken, also dazu führen, dass das Virus zwar ansteckender wird, die Infektion dafür aber milder und oft symptomfrei verläuft. Jedoch wurden derartige Mutationen bislang nur bei Virenvarianten nachgewiesen, die in Singapur und Taiwan kursierten. Ob dies auch auf die Varianten zutrifft, die zurzeit in Europa dominant sind, ist unklar und Gegenstand aktueller Forschungsreihen. Somit bleibt der Faktor Mutationen als Erklärungsansatz spekulativ.

Ein weiterer spekulativer Faktor, der eine Rolle spielen könnte, ist die Immunabwehr. Vereinfacht ausgedrückt sind schwere Verlaufsformen von Covid-19 die Folge einer „überreagierenden“ Immunantwort, genannt Zytokinsturm. Was genau diese Überreaktion auslöst, ist im Detail immer noch unbekannt. Deutsche Studien deuten jedoch darauf hin, dass eine vorhandene „Zellimmunität“ maßgeblich dazu beiträgt, dass eine Infektion durch die körpereigenen Abwehrsysteme schnell und erfolgreich bekämpft werden kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass rund 35% der untersuchten Probanden, die nachweislich nie mit dem Sars-Cov2-Virus in Kontakt kamen, genau die T-Helferzellen aufwiesen, die das Virus erfolgreich bekämpfen können. Offenbar wurde bei diesen Probanden das Immunsystem durch vorherige Infektionen mit „normalen“ Erkältungs-Coronaviren so trainiert, dass es auch bei einer Infektion mit dem Sars-Cov2-Virus schnell und erfolgreich Antikörper produzieren kann und es zu keiner Überreaktion des Immunsystems kommt. Ein weiterer interessanter Aspekt ist dabei, dass die „normalen“ Coronaviren regional unterschiedlich kursieren und es offenbar hierbei auch einen Unterschied bei den Altersgruppen gibt. Dies könnte – aber auch das ist spekulativ – zum Teil erklären, warum es in bestimmten Ländern wie Indien generell sehr viel weniger schwere Verlaufsformen als z.B. in Brasilien gibt und warum Kinder viel häufiger milde und asymptomatische Verlaufsformen als ältere Menschen aufweisen und es bei ihnen nur in sehr seltenen Ausnahmefällen zu einer Überreaktion des Immunsystems kommt.

Ein weiterer spekulativer Erklärungsansatz ist die Dunkelziffer der Infizierten. So könnte man durchaus vermuten, dass die offiziellen Zahlen zu den Infektionen im Frühjahr deutlich zu niedrig angesetzt sind. Sterblichkeitsquoten bis zu 20%, wie sie in der Lombardei oder in der Region Madrid im März und April gemeldet wurden, sind empirisch auch dann kaum zu erklären, wenn man die damals sehr unglücklichen Rahmenbedingungen (Überlastung des Gesundheitssystems, Überweisung von Infizierten in Altenheime) mit einbezieht. Diese „Horrorzahlen“ relativieren sich jedoch, wenn man in Betracht zieht, dass die Gesamtzahl der Infizierten damals wesentlich höher war. Leider gibt es dazu nur sehr wenige hilfreiche Studien.

Dazu zählt die spanische ENE-Covid-19-Studie, bei der zwischen dem 27. April und dem 11. Mai in Spanien mehr als 3.000 Probanden auf Antikörper getestet wurden. Im Ergebnis wiesen damals 5,0% der Gesamtbevölkerung und mehr als 10% der Probanden aus den besonders betroffenen Regionen Madrid und Castilla-La Mancha Antikörper auf, was darauf schließen lässt, dass sie eine Infektion durchgemacht haben. Rechnet man die 5,0% auf die Gesamtbevölkerung Spaniens hoch, waren zu diesem Zeitpunkt mehr als 2,3 Millionen Spanier mit dem Coronavirus infiziert. Nach offiziellen Zahlen waren es zu diesem Zeitpunkt jedoch nur 256.000 Menschen. Wenn in der Region Madrid also zu diesem Zeitpunkt die Dunkelziffer zwischen zehn- und zwanzigmal so hoch war wie die offiziellen Zahlen, dann war nach Adam Riese die Sterblichkeitsquote auch zehn- bis zwanzigmal so niedrig. Und wenn man dann noch Faktoren wie die Altersverteilung und die Kreuzimmunitäten durch vorherige Erkältungen mit einbezieht, ergeben die Zahlen plötzlich einen Sinn. Vergleichbare regionale deutsche Studien, wie die RKI-Studie aus Kupferzell gehen in eine ähnliche Richtung – hier war der Faktor der Dunkelziffer mit 3,9 nur unwesentlich kleiner als in Spanien. Sämtliche Antikörperstudien lassen zudem den Schluss zu, dass die „Krankheit“ in wesentlich mehr Fällen als bekannt so mild oder gar asymtomatisch verläuft, dass die Infizierten sie gar nicht mitbekommen oder nicht als „Krankheit“ wahrnehmen.

Extreme Ergebnisse ergaben diesbezügliche Antikörperstudien aus Indien. So ergab eine groß angelegte Antikörperstudie aus Neu Delhi, dass 23,48% der getesteten Menschen Antikörper aufwiesen, sich also zuvor mit dem Virus infiziert hatten. Zum damaligen Zeitpunkt betrug die offizielle Infiziertenzahl in Neu Delhi 120.000. Rechnet man die Zahlen der Antikörperstudie hoch, kommt man jedoch auf rund fünf Millionen Infizierte. Noch höher dürfte die Infiziertenzahl in den Slums der indischen Metropole Mumbai sein. Dort ergab eine ebenfalls groß angelegte Antikörperstudie im Juli eine Infektionsquote von 57% der Bevölkerung. Übertragen auf die Bevölkerung hätten Neu Delhi und Mumbai damit im Juli mehr Infizierte als der Rest der Welt nach offiziellen Zahlen heute zusammengenommen. Und wo bleiben die Toten? Offiziell meldete Indien bislang 74.000 Todesfälle, die mit Corona in Verbindung stehen. Das klingt dramatisch, ist es aber nicht. Indien ist ein Staat mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern, in dem an jedem Tag rund 27.000 Menschen sterben. Rechnet man die offiziellen Covid-19-Todeszahlen auf die anzunehmende Dunkelziffer bei den Infektionen hoch, kommt man übrigens auf eine Sterblichkeitsrate, die unter einem Promille liegt. Die dicht bevölkerten indischen Metropolen sind weltweit zudem die ersten Regionen, in denen Covid-19 schon bald Geschichte sein wird, da die „Durchseuchung“ so groß ist, dass eine Herdenimmunität vorliegt – in den Slums von Mumbai ist dies den Studien zufolge bereits jetzt der Fall.

Davon ist Deutschland freilich noch sehr weit entfernt. Jedoch spielt auch hierzulande die – wenn auch viel niedrigere – Dunkelziffer bei den Infektionen eine gewaltige Rolle bei der Bewertung. Leider haben das Bundesgesundheitsministerium und das Robert Koch-Institut jedoch den Zeitrahmen für Studien, die hier Licht ins Dunkel bringen könnten, untätig verstreichen lassen. Denn dummerweise bauen sich die nachweisbaren Antikörper sehr schnell wieder ab. Besonders bei Infizierten mit milden oder asymtomatischen Infektionsverläufen sind die Antikörper nach drei bis sieben Wochen in der Regel im Blut nicht mehr nachweisbar. Die vom RKI groß angekündigte „bundesweite, bevölkerungsrepräsentative seroepidemiologische Studie“, die sich immer noch „in Planung befindet“, kann also eigentlich auch abgeblasen werden, da sie keine Ergebnisse mehr für die Infektionswelle im April liefern kann, da die Antikörper der damals Infizierten heute schlicht nicht mehr feststellbar sind. Anders verhält es sich freilich bei der zellulären Immunität, doch Tests einer „T-Zellenimmunität“ sind sehr aufwändig und in einem Umfang, der eine repräsentative Auswertung bietet, wohl nicht durchführbar. So werden wir wohl nie erfahren, wie viele Deutsche infiziert waren oder eine Immunität gegen das Virus besitzen. Daten, die nicht verunsichern, sondern die Bedrohungslage versachlichen, sind offenbar von untergeordnetem Interesse. Honi soit qui mal y pense – ein Schuft, wer Böses dabei denkt.

Dabei könnten derartige Studien auch in Deutschland überraschende Ergebnisse bringen. Wenn man einfach nur – das ist zugegebenermaßen sehr grob und spekulativ – die Sterblichkeitsrate (IFR) der Heinsberg-Studie von 0,36% auf die vom RKI vermeldeten Sterbezahlen anlegt, kommt man für den Höhepunkt der Infektion am 16. April auf die Zahl von rund 950.000 Infizierten in Deutschland, was immerhin 1,2% der Bevölkerung und einer Dunkelziffer von 1:8 entspricht. Warum diese Spekulation? Nur so lassen sich die „Horrorzahlen“ aus dem Frühjahr erklären und nur so lässt sich erklären, warum die „Pandemie“ ab dem Mai deutlich und ab dem Sommer sehr deutlich „milder“ verläuft. Denn höchstwahrscheinlich sind nicht die erfreulichen Zahlen der letzten Monate interpretationsbedürftig, sondern die „Horrorzahlen“ aus dem Frühjahr.

Setzt man diesen Gedankengang fort, war Corona nie so gefährlich, wie es seitens der Politik, der Medien und auch des RKI und vieler Virologen kommuniziert wurde. Und dies gilt den Daten zufolge für ganz West- und Mitteleuropa. Alle Daten sprechen hier eine klare Sprache: Don´t panic, es gibt keinen rationalen Grund, Corona für ein „Killervirus“ zu halten. Dies zeigt auch die jüngste Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts, die noch einmal die Auswirkungen von Covid-19 auf die Sterbefälle dieses Jahres untersucht hat.

Die Daten zeigen in überwältigender Klarheit, dass Covid-19 deutlich weniger Todesfälle mit sich gebracht hat als die Grippewelle und der Hitzesommer des Jahres 2018. Wenn die Zahlen sich für den Rest des Jahres erwartungsgemäß fortsetzen, wird das „Katastrophenjahr“ 2020 wohl als das Jahr mit den wenigsten Todesfällen in dieser Dekade in die Geschichte eingehen. Passt das zum Alarmismus, den Medien und Politik schüren? Wohl nicht. Es ist an der Zeit, Covid-19 endlich nicht mehr auf der Grundlage von geschürten Ängsten und Emotionen, sondern auf der Grundlage harter und alles andere als besorgniserregender Zahlen und Fakten zu führen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg und leider scheinen die Medien kein Interesse an einer Versachlichung zu haben.

Titelbild: Atomic – Stocker/shutterstock.com

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