Am vergangenen 20. August wurde in den USA die symbolträchtigste Figur der internationalen rechtsradikalen und faschistischen Szene verhaftet, angeklagt und gegen Zahlung einer 5-Millionen-US-Dollar-Kaution vorübergehend auf freien Fuß gesetzt. Stephen Kevin „Steve“ Bannon ist sein Name. Der Angeklagte gab seinen Pass ab und wurde von einem New Yorker Richter ermahnt, sich von Yachten und Privatflugzeugen fernzuhalten und seinen Aufenthalt auf New York und Washington DC zu beschränken. Von Frederico Füllgraf.
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Außer Bannon wurden drei seiner Mitarbeiter mitangeklagt. Der Kern der Anklage des US-Justizministeriums lautet, die Gruppe um Bannon habe durch einen Spendenaufruf zur Finanzierung des „Trump-Mauer“-Baus an der Grenze zu Mexiko Betrug begangen. Chefankläger Philip R. Bartlett warf der Gruppe unter Führung Bannons vor, sie „habe nicht nur Spender angelogen, sondern auch versucht, ihre missbräuchliche Geldverwendung zu verbergen, indem sie Scheinrechnungen und -konten erstellte, um Spenden weißzuwaschen und ohne Rücksicht auf Gesetz oder Wahrheit ihre Verbrechen zu vertuschen“. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden durch den Aufruf rund 25 Millionen US-Dollar eingenommen, von denen der 66-jährige Bannon mehr als eine Million US-Dollar aus der von ihm kontrollierten, angeblichen „gemeinnützigen Organisation“ zur Deckung persönlicher Ausgaben unterschlug.
Unter anderem bekannt für seine wiederholten Geldwäsche-Beschuldigungen gegen das Ehepaar Hillary und Bill Clinton, liefert die Anklage Bannons allerdings der seit Jahren vermehrt aufgestellten These noch mehr Munition, wonach die Regierung Donald Trump von Anbeginn von „Gangstern umgeben“ sei. Unmittelbar nach der Anklageerhebung gegen Bannon zitierte das Wirtschaftsmagazin Business Insider jenes Wahlversprechen Trumps, er werde „die besten Leute“ einstellen, die sich schließlich als ein Bund „so vieler Krimineller und Gauner“ entpuppt hätten. Zu den Angeklagten und Verhafteten gehören unter anderem Trumps ehemaliger Wahlkampfleiter Paul Manafort und sein Stellvertreter Rick Gates, der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn sowie sein ehemaliger persönlicher Anwalt Michael Cohen. Zu den Genannten zählt das Magazin jedoch noch einige „Ausbeuter und Schwindler“ wie die früheren Staatssekretäre Tom Price, Scott Pruitt und Ben Carson.
Bannons Anklage hat jedoch auch außenpolitischen Zündstoff. Sie begräbt ein für alle Mal den Mythos, die Rechtsradikalen – wie die von der US-Justiz, dem FBI und CIA ausgebildete und instrumentalisierte brasilianische Justiz zur Amtszeit Sérgio Moros – seien treue Kammerdiener des Staates im Kampf gegen die Korruption. Ironie der Geschichte, steht seit Monaten Moros „Unternehmen Waschanlage“, das Altpräsident Luis Inácio Lula da Silva verhaftete und seine Präsidentschafts-Kandidatur verhinderte, wegen Korruptionsvorwürfen selbst unter Anklage.
Iran-Kriegstreiber, Goldmann-Sachs-Broker, B-Filmproduzent und Breitbart-Verleger mit Hilfe rechtsradikaler Milliardäre
Steve Bannon verfügt über eine schillernde Biographie. Von 1976 bis 1983 diente er mehrere Jahre als Unteroffizier auf einem Kriegsschiff der US-Marine im Pazifik und bekämpfte im Zusammenhang mit dem Sturz des Shah-Regimes die Zurückhaltung der damaligen Regierung Jimmy Carter, der er die Bombardierung und die Invasion des Iran militant entgegensetzte.
Zwischen 1984 und 1990 arbeitete er als Investmentbanker bei Goldman Sachs, eine Betätigung, die allen Anzeichen nach sein hartes neoliberales Ökonomieverständnis prägte, das wiederum im Widerspruch zu seinem „Anti-Globalismus“ und anachronistischen Nationalismus steht. Anschließend stieg Bannon in die Filmindustrie Hollywoods ein, erwarb eine Minderheitsbeteiligung an den Fernsehrechten der Serie Seinfeld, die enorme Gewinne ausschüttete, und betätigte sich als Produzent und Regisseur von B-Klasse-Action-Filmen mit dystopischen Alt-Right-Fantasien, die von der US-Filmkritik entweder ignoriert oder verrissen wurden.
Als neuen, radikalen Berufswechsel übernahm er im Jahr 2012 den Herausgeber-Posten der ultrarechten Nachrichten-Website Breitbart News Network. In dieser Funktion erklärte Bannon das Online-Magazin zur „Plattform der Alt-Right“, das von der US-amerikanischen Milliardärs-Familienstiftung Mercer im Handumdrehen mit einer 10-Millionen-US-Dollar-Spende gefördert wurde. Eine ausführliche Reportage Jane Mayers im New Yorker aus dem Jahr 2017 beschrieb den heute 73-jährigen Patriarchen Robert Mercer als gleichzeitigen christlichen Konservativen und Waffennarr (mit der größten Maschinengewehr-Sammlung der USA), als Klimawandel-Leugner, zwar religiös, doch ebenso Befürworter des neoliberalen „minimalen Staates“ und als Mann, der das politische Establishment als inkompetent und korrupt verachtet. So spendete Mercer im Verlauf des letzten Jahrzehnts über 100 Millionen US-Dollar an verschiedene ultrarechte Kandidaten und Denkfabriken, darunter die hauseigene Mercer Family Foundation, die von Mercers Tochter und Trump-Beraterin Rebekah geleitet wird.
Nach Bewertung des Deutsche-Welle-Autors Darko Janjevic scheint der Einfluss der Familie im Zuge des sogenannten Citizens-United-Urteils von 2010 zugenommen zu haben, als der Oberste Gerichtshof der USA nahezu sämtliche Beschränkungen aufhob, die politische Spenden von Unternehmen und Einzelpersonen behinderten. Interessant ist, dass die Mercers seit Beginn des neuen Jahrzehnts das von den NachDenkSeiten im Jahr 2016 beschriebene und von den Koch-Brüdern geführte, rechtsradikale US-Stiftungs- und NGO-Spinnennetz zur Kanalisierung millionenschwerer Spenden für nachgewiesene Angriffe auf den Rechtsstaat und den Umsturz progressiver Regierungen wie die von Dilma Rousseff in Brasilien nutzten.
Rebekah Mercer trat 2012 dem von Steve Bannon gegründeten „gemeinnützigen“ Government Accountability Institute bei; eine „Hater“-Organisation, bekannt für die Veröffentlichung des „Clinton Cash“-Buchs mit schweren Korruptionsvorwürfen gegen Bill und Hillary Clinton sowie für das „Bush Bucks“-Buch, dessen Veröffentlichungsziel es war, politische Keile auch in die Reihen der traditionellen Republikaner zu treiben. Doch wer erinnert sich noch an den Cambridge-Analytica-Skandal, der der Präsidentschaftskampagne Donald Trumps und dem britischen Brexit Wählermanipulation nachwies? Nun, die Mercers zählten zu den maßgeblichen Eigentümern des mehr als umstrittenen und von eigenen Mitarbeitern denunzierten rechtsradikalen Meinungslenkungs-Unternehmens. Doch sowohl auf Breitbart als auch auf Cambridge Analytica wären die Mercers so rasch nicht allein gekommen. Das entsprechende Entrée besorgte ihnen ihr einstiger Berater Steve Bannon.
„Trumps Darth Vader“: Bannons Interessenkonflikt, die demokratische Anklage und der Rückzug aus Breitbart
Im Wahljahr 2016 rückte Bannon zum Chefstrategen der Präsidentschaftskampagne Donald Trumps auf und wurde nach Trumps Wahl ins Weiße Haus als solcher offiziell beschäftigt, genauer: mit Sitz als ständiger Assistent im machtvollen Nationalen Sicherheitsrat. Die Allianz Trump-Bannon dauerte jedoch kaum acht Monate, als der Chefstratege im August 2017 von Trump gekündigt wurde.
Während der Wahlkampagne und bis zu seiner Kündigung amtierte Bannon nämlich parallel als Breitbart-Herausgeber und nutzte nicht nur die rechtsradikale Postille für mal kaschierte, mal offene Schmährufe gegen seinen Chef Donald Trump, die im 2018 erschienenen Buch „Fire and Fury: Inside the Trump White House“ des Journalisten Michael Wolff bombastisch zitiert wurden. Auf die Entlassung durch Trump folgte die Einstellung von Robert Mercers Finanzierung des rechtsradikalen Magazins und der Bruch mit Bannon, der schließlich im Januar 2018 auch seinen Posten bei Breitbart aufgab.
Dem vorausgegangen waren vehemente Proteste und Gerichtsklagen der jüdischen Anti-Defamation League (ADL), des Rates für amerikanisch-islamische Beziehungen, des Southern Poverty Law Center, des Führers der Demokratischen Minderheit des Senats, Harry Reid, und einiger Republikanischer Strategen gegen von Bannon verbreitete rassistische oder antisemitische Inhalte. Am 15. November 2016 veröffentlichte der Rhode-Island-Abgeordnete David Cicilline einen Brief an Trump mit der Unterschrift von 169 Vertretern der Demokratischen Fraktion, die Trump dazu drängten, Bannon wegen Fremdenhass, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Anti-Islamismus und Antisemitismus zu entlassen.
Mit Schlagzeilen wie „Geburtenkontrolle macht Frauen uninteressant und verrückt“ oder „Was ziehen Sie vor, dass Ihr Kind an Feminismus leidet oder Krebs hat?“ schmiedete Bannon via Breitbart News eine Kampagne mit dem Ziel, die Republikanische Partei weiter nach rechts zu drängen und Trump als Kandidaten der Alt-Right zu verkaufen. Dies geschah mit der propagandistischen Schürung von Angst. „Angst ist gut“, verbreitete der Agitator in frecher Herausforderung und legte sich selbst in Anlehnung an den Hollywood-SciFi-Schinken „The Empire Strikes Back“ den provokanten Spitznamen der Hauptfigur und Inkarnation von Finsternis und Bösem, Darth Vader, zu.
Der kriegerische Diskurs und eine dichotome Weltanschauung („entweder mit uns oder gegen uns“) schienen nach Bewertung kritischer US-Medien Bannons ideologischer Sigel zu sein, der auch Trumps Antrittsrede prägte, die größtenteils von Bannon verfasst worden sei. Trump prophezeite ein „amerikanisches Gemetzel“ in den Städten der USA (siehe die 2020er Aufstände nach der Ermordung George Floyds) und malte das Land und die ganze Welt mit den düsteren Farben des sicheren Untergangs. „Angst ist gut. Angst bringt Menschen zum Handeln“, hatte Bannon bereits 2010 skandiert, als er mit seinen rechtsradikalen AgitProp-Filmen das frühe Ziel verfolgte, eine neue Rechte im Lande zusammenzutrommeln.
Angst, doch auch „Finsternis ist gut“, hatte Bannon gegenüber The Hollywood Reporter kurz nach seiner Nominierung in die Regierung Trump erklärt. „Dick Cheney, Darth Vader, Satan. Das ist Macht. Es hilft uns nur, wenn sie etwas falsch machen. Wenn sie (die Politiker und Gegner) blind dafür sind, wer wir sind und was wir tun“, schwafelte der Stratege, der jedoch meiner Meinung nach wenig von Taktik und Takt zu verstehen scheint und nach Meinung von The New Yorker das Opfer seines großmäuligen „Narzissmus und Egos“ ist, die geballt in seiner Anklage gipfelten.
Der “Darth Vader” hinter Bolsonaros Wahlsieg und der Intrige gegen Papst Franziskus
Brasilianische Kollegen wie Ricardo Kotscho – ehemaliger Deutschland-Korrespondent des eingestellten Jornal do Brasil und gegenwärtiger Kolumnist des Folha-de-Sao-Paulo-Portals UOL bewertete das Vorgehen der US-Justiz gegen Bannon als schweren Schlag gegen den sogenannten „ideologischen Flügel“ des Bolsonaro-Regimes; eine Einschätzung, die man nicht teilen muss, weil die Bannon-Anklage mit millionenfachen Fake News des Bolsonaro-Clans im Handumdrehen entkräftet und diffamiert wird.
Doch was hat Steve Bannon mit den Bolsonaros am Hut? Der ehemalige Chefstratege Trumps nahm seine Beziehungen zu den Bolsonaros während der brasilianischen Präsidentschaftskampagne 2018 auf. Wer ihn der Familie vorstellte, war Bolsonaros Berater Filipe Martins, ein junger Faschist, der zusammen mit dem Bolsonaro-Sohn Carlos seit der Wahlkampagne 2018 als heimlicher Leiter des Fake-News-Bunkers, genannt „Hass-Kabinett“, amtiert und das erste Treffen Bannons mit dem Bolsonaro-Sohn Eduardo im August 2018 vorbereitete. Zur Feier von Bannons Geburtstag im November desselben Jahres reiste Eduardo in die USA, postete in sozialen Netzwerken Foto- und Videoaufnahmen mit dem Amerikaner und bezeichnete ihn als „Ikone im Kampf gegen den kulturellen Marxismus“; ein denunziatorisches Junktim, das zu Bannons beliebtesten agitatorischen Steckenpferden zählt.
Bannon gilt weltweit als einer der Hauptverantwortlichen für den Wahlsieg Donald Trumps, den er mit einer virtuellen WhatsApp-, Facebook- und Blogger-Miliz zur Bekämpfung von Hillary Clinton herbeiführte. Das war das Know-How, das Bannon auf die Präsidentschaftskampagne in Brasilien und das Brexit-Referendum in Großbritannien übertrug und ihn zur Referenz in der neofaschistischen Weltszene erhob. Dafür bedankte sich Jair Bolsonaro.
Bei einem „Verbrüderungsdinner“ vom 17. März 2019 in der brasilianischen Botschaft in Washington, bei dem die rechtsradikale US-Szene um Bannon mit Jair Bolsonaro zusammentraf, nahm der frischgewählte Ex-Militär – den Bannon verehrend „Captain“ nennt – zwischen den Gurus Steve Bannon und dem in den USA lebenden Brasilianer Olavo Carvalho am Tisch Platz. Sieben Minister begleiteten Bolsonaro, darunter der Wirtschaftsminister und ehemalige Chicago Boy Paulo Guedes, der sich an Olavo de Carvalho wandte und ihn als „Führer unserer Revolution“ bezeichnete.
In seiner Tischrede erklärte Bolsonaro, dass „unser Brasilien sich in Richtung Sozialismus, in Richtung Kommunismus bewegte“ und schrieb seinen Wahlsieg „dem Willen Gottes“ zu. Aus diesem Grund, so der faschistische Ex-Militär, sei es notwendig, „alles zu zerstören, was vorher existierte, und erst dann mit dem Aufbau eines neuen Landes zu beginnen“.
Bannon wiegte sich innerlich in einem schweigsamen Freudentanz. Das war sein Bekenntnis, das hatte er einst selbst von sich gegeben. „Ich bin ein Leninist!“, hatte er provokativ und sinnentstellend gegenüber einem New Yorker Professor erklärt, der ausführlich über den Kommunismus und die ehemalige Sowjetunion geschrieben hatte. „Was um alles in der Welt meinst du?“, fragte ihn der Professor. „Lenin wollte den Staat zerstören und das ist auch mein Ziel. Ich möchte alles zum Sturz bringen und das gesamte heutige Establishment zerstören“, antwortete Bannon.
Seit seinen Europa-Tourneen von 2018 und 2019 – bei denen er die deutsche AfD-Führung, Frankreichs Marine Le Pen und Italiens Matteo Salvini auf den „Sturz der Europäischen Union“ einschwor – heißt sein gegenwärtiges Angriffsziel Papst Franziskus, den er, provokativ wie üblich, mit der Anmietung des vom Vatikan verwalteten, mittelalterlichen Zisterzienser-Trisulti-Klosters herausfordert, das südöstlich von Rom zu einer internationalen Kaderschmiede der rechtsradikalen Szene ausgebaut werden soll.
Als ritterliche Kampfgenossen war bzw. ist die gesammelte Riege der rechtsradikalen Theologen und Kardinäle mit von der Partie, darunter die deutschen Kardinäle Walter Brandmüller und der inzwischen verstorbene Joachim Meisner. Als Schirmherr der Kaderschmiede dient die Stiftung Dignitatis Humanae Institute (DHI), die das Kloster für 100.000 Euro im Jahr für die kommenden 19 Jahre gepachtet hat. Führende Rollen nehmen Ex-Kardinal Raymond Leo Burke – der vom Papst seines Amtes enthoben wurde – und Carlo Caffarra ein; eine rechtsradikale Bruderschaft, die mit Brandmüller und Meisner in einer Reihe von „Zweiflern“ an den Positionen des Papstes zur katholischen Moral, die er in der Enzyklika Laudato si darlegte, stehen und in die Offensive für den Sturz des argentinischen Kirchenchefs gehen.
Burke und Bannon vereinen die neofaschistischen „Grundwerte“. Als Mentor der rechtsextremen Tea Party – die wiederum mit multinationalen Energieunternehmen und Anti-Einwanderer-Verbänden verbunden ist – agitiert Burke gegen Papst Franziskus, weil dieser „die Wirtschaft der Krümel für die Armen“ und die Ausplünderung der Umwelt und des gesamten Planeten kritisiert. Für Burke und Bannon gibt es eine Kirche und eine „Antikirche“ unter Führung von Franziskus, den die vier Kardinäle und ihre Abgesandten als „ketzerisch“ beschuldigen und skrupellos seinen „Rücktritt“ fordern.
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