Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Corona und die Wahrheit
  2. Notstandsgesetze ohne Notstand
  3. Die Nebenwirkungen von Covid-19 im Gesundheitssystem
  4. Für die Kinder in unserem Land wird gute Bildung zum Lotteriespiel
  5. Eine Krise im Zeitraffertempo
  6. Wegen Corona plötzlich Hartz-IV-Empfänger: “Es sind Leute, denen es eigentlich gut ging”
  7. Maskenpflicht
  8. Schon jetzt eine schwere Wahl
  9. Extreme Pfennigfuchserei: Wie die neuen Hartz-IV-Regelsätze kleingerechnet werden sollen
  10. Jede zweite Rente liegt unter 1000 Euro
  11. Gekaufte Wissenschaft
  12. Kollektive Zensur
  13. Ukraine 2.0 oder wem die Stunde schlägt
  14. Navalny
  15. Unterstützung des Aufrufs “Solidarität statt Schulterschluss mit Nazis”

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Corona und die Wahrheit
    “Zeuge der Wahrheit” sein – das erwartet die Gesellschaft von den Medien, von den Journalisten. Erwartet wird hier zu allererst, dass sie für “Aletheia” sorgen, dass sie das Verborgene aufdecken, dass sie den Teppich wegziehen, unter den Skandalöses gekehrt worden ist. Der Journalismus soll dubiose Waffengeschäfte enthüllen, er soll aufdecken, wo Reiche und Mächtige ihr Geld verstecken, um Steuern zu sparen, er soll politische Lüge und Korruption aufspüren. Die Wahrheit soll ans Licht. Als, zum Beispiel, die Panama-Papers veröffentlicht wurden, war das so eine Licht- und Sternstunde. Diese Aufdeckungsarbeit aber ist es nicht allein. Aufdeckung geschieht nicht um der Erregung willen, sondern, nehmen wir ruhig dieses Wort, um der Treue zu Demokratie und Rechtsstaat willen.
    Die journalistische Wahrheitssuche muss mit Neugier, Urteilskraft und Integrität betrieben werden, sie muss in Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Vertrauen eingebettet sein.
    Zwei wissenschaftliche Studien haben nun untersucht, wie es sich damit in der journalistischen Begleitung und Behandlung der Corona-Krise verhält. Die eine Studie stammt vom Schweizer Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) und befasst sich mit der “Qualität der Berichterstattung zur Corona-Pandemie”; sie kommt zwar zu einem tendenziell eher positiven Ergebnis, legt aber den Finger in einige tiefe Wunden, wie sie der Journalistikprofessor Klaus Meier von der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt schon im April beschrieben hat: “zu wenig Einordnung, zu wenig Recherche, zu behördennah”.
    Die andere Studie stammt von den Medienforschern Dennis Gräf und Martin Hennig, die an der Universität Passau arbeiten und mehr als 90 Sendungen von “ARD Extra” und “ZDF-Spezial” untersucht haben. Die Gräf/Hennig-Studie erhebt den Vorwurf, es werde nicht genügend differenziert; die Sender hätten einen massenmedialen “Tunnelblick” erzeugt. Schon die Häufigkeit der Sondersendungen vermittle Zuschauern ein permanentes Krisen- und Bedrohungsszenario. Die immer wieder gezeigten Bilder kennt man “aus Endzeiterzählungen und Zombiegeschichten”, meinte der Literaturwissenschaftler Gräf. “Sondersendungen wurden zum Normalfall und gesellschaftlich relevante Themen jenseits von Covid-19 ausgeblendet”, fasste Gräf gegenüber der Nachrichtenagentur epd zusammen.
    Quelle: Heribert Prantl in der SZ

    dazu: Die seltsame Pandemie
    Christian Drosten könnte uns wirklich alles erzählen. Wer sollte seine Aussagen richtigstellen? Seine Botschaft ist kein Dialog mit der Fachwelt, sondern ein Monolog an die unwissende Bevölkerung. Und von dieser ist gewiss keine Korrektur zu erwarten. Alle Drostens dieser Welt haben in der Pandemie sozusagen eine Carte Blanche. Niemand widerspricht! Experten mit anderer Meinung werden einfach konsequent ignoriert oder gar diffamiert. In der Öffentlichkeit werden sie bestenfalls als seltsame Trottel wahrgenommen. Wer ihnen zuhört, ist ein “Covidiot”. Hillary Clintons “basket of deplorables” lässt grüßen.
    Aber muss man vom Fach sein? Wenn mir ein Astronom erklärt, der Mond sei aus Käse, dann wage ich zu widersprechen. Wenn mir ein Elektroingenieur sagt, der Strom komme aus der Schokoladenfabrik, dann widerspreche ich. Das sind überzogene Beispiele, doch man braucht wirklich kein Experte zu sein, um auch weniger offenkundige Lügen zu durchschauen. Sogar bei völligem Unverständnis der Materie sind wir durchaus in der Lage, zwischen Wahrheit und Unwahrheit zu unterscheiden. […]
    Aufgabe der Journalisten wäre es, diese Schwingungen in der Gesellschaft in verständliche Informationen zu übersetzen. Was genau geht da vor sich? Was sind die Ursprünge, welches die Auswirkungen? Sind Interessen im Spiel? Wenn ja, welche? Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?
    Vor allem aber sind Journalisten dazu verpflichtet (!), sich alle Seiten anzuhören, Gegenstimmen einzuholen, besonders solche von Experten. Denn nicht selten haben sie selbst auch keine Ahnung von der Materie, über die sie berichten. Und genau das ist ihre Aufgabe: möglichst neutral über das Geschehen zu “berichten”.
    Und wenn genau das nicht geschieht – wenn die geballte Macht des Mainstreams nur eine Perspektive zeigt, wenn die immer gleichen Experten auf allen Kanälen die immer gleiche Meinung verbreiten, wenn Gegenstimmen nicht zugelassen und diffamiert werden, wenn man alle Zweifler der Lächerlichkeit preisgibt, sie beleidigt und verhöhnt –, dann ist klar, dass da etwas nicht stimmt.
    Quelle: RT Deutsch

    dazu auch: Warum Verschwörungsideologien die Demokratie gefährden
    Und auch Bildung kann einen Unterschied machen: „Je niedriger die Schulbildung, um so eher glauben Menschen an Verschwörungen. Da muss man aber so ein bisschen vorsichtig sein, dass man nicht hier zu Fehlschlüssen kommt. Es ist nämlich so, dass nicht Intelligenz hier relevant ist oder Wissen vielleicht und den Unterschied erklärt, sondern dass Menschen mit einer niedrigeren Schuldbildung eher das Gefühl haben, dass sie in der Gesellschaft nicht mitspracheberechtigt sind, und dass das den Unterschied eigentlich erklärt.“ […]
    Doch in der Coronakrise sind es nicht nur Rechtsextreme, die Verschwörungsideologien befeuern. Die Akteurinnen und Akteure hätten teils auch ganz andere politische Hintergründe, so Jan Rathje mit Blick auf die Corona-Proteste:
    „Die Menschen, die dort hinkommen, können sich selbst vielleicht auch individuell eher als links verorten oder eher aus einem esoterisch-hippiesken Milieu entstammen. Und gleichzeitig ist es aber auch so, dass wir Hardcore-Verschwörungsideologen dabei haben, die keine Scheu haben, mit Neurechten oder Rechtsextrem oder auch Antisemitinnen und Antisemiten zusammenzuarbeiten.“
    Überschneidungen zwischen Esoterik und rechten Bewegungen gibt es zwar schon lange. Die aktuellen Studien geben allerdings noch keine Antwort darauf, ob beispielsweise sogenannte Impfgegner „nur“ gegen die Corona-Beschränkungen auf die Straße gehen oder auch rechten Denkmustern anhängen. Festhalten kann man aber offenbar, dass der gemeinsame Verschwörungsglaube oft stärker ist als trennende politische Ansichten. So entsteht eine politische Querfront der Verschwörungsideologen.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung JK: Wieder ein ellenlanger Artikel, in dem es nur darum geht, jede Kritik an den Corona-Maßnahmen der Regierung zu denunzieren und zu diffamieren. Allerdings mit einer neuen Steigerung, der rechtsextreme Stephan B., der in Halle im Oktober 2019 zwei Menschen erschoss, wird in einem Atemzug mit eben jenen genannt, die nicht bedingungslos dem Regierungsnarrativ folgen wollen. Hier wird dann durchaus eine neue Dimension eröffnet, denn gegen potentielle Terroristen muss sicher mehr eingesetzt werden als die, durch Matthias Koch, einem leitenden Redakteur des RedaktionsNetzerk Deutschland (RND), empfohlenen Wasserwerfer. Selbstverständlich darf auch der übliche intellektuelle Dünkel der „Qualitätsjournalisten“ nicht fehlen. Die Überschrift ist allerdings an Zynismus nicht zu überbieten, nicht das kritische Hinterfragen der Regierungsmaßnahmen gefährdet die Demokratie, sondern das Handeln der Regierung auf der Basis des permanenten Ausnahmezustandes.

    Anmerkung unserer Leserin U.P.: Wenn die Sorge um eine Demokratiegefährdung durch Verschwörungsideologien glaubwürdig sein soll, dann reicht es nicht, Individualpsychologie zu betreiben, die feststellt, dass Menschen, die zu Verschwörungserzählungen tendieren sich meist von der Komplexität gesellschaftlicher Verhältnisse überfordert fühlen, sondern es braucht ebenso systemische Analysen über Herrschaftsverhältnisse, welche die Gesetzmäßigkeiten der politischen Ökonomie eines imperialistischen Kapitalismus aufzeigen, der Menschen in Ohnmacht und destruktive Abhängigkeit treibt. Das ist doch die eigentliche Verschwörung: Reichtum gegen Armut.

    und: Wo ist die Debatte? Wer baut noch Brücken? Ein offener Brief an die Leitmedien
    Es herrscht Sprachlosigkeit im Land: Die einen protestieren gegen Corona-Maßnahmen, die sie als unsinnig, freiheitsberaubend und demütigend ansehen, die anderen beschimpfen solche Demonstranten als verantwortungslose „Covidioten“, deren Unvernunft mit aller Härte zu bekämpfen sei. Manche, wie die Berliner Landesregierung, wollen Demonstrationen der Kritiker gleich ganz verbieten. Was fehlt, ist eine offene, evidenzbasierte und respektvolle Diskussion, die den Graben überbrückt.
    Quelle: multipolar-magazin.de

    Anmerkung Albrecht Müller: Ein ähnlicher, bis in die Sprache ähnlicher Ansatz wie gestern auf den NachDenkSeiten: Lauter Empfang für Spahn in Wuppertal und keine Brücken zur Protestbewegung – ein Vorgeschmack auf den kommenden Bundestagswahlkampf.

  2. Notstandsgesetze ohne Notstand
    (…) Die Politik sollte sich darauf konzentrieren, einen dynamischen Re-Start der gebeutelten Branchen zu ermöglichen. Doch was erleben wir? Eine hingebungsvolle Debatte über Auflagen für Familienfeiern, Partyverbote und Untergrenzen für Bußgelder – Letzteres ausgerechnet aus Bayern, wo man just mal ein paar hundert Tests verschusselt hat. Die CDU-Chefin plädiert für eine bundesweite Maskenpflicht am Arbeitsplatz, “wenn damit die Schließung ganzer Branchen verhindert werden könnte”.
    Nichts gegen Masken im Bus oder am Buffet, aber zur Rettung ganzer Branchen – Gastronomie, Tourismus, Konzertveranstalter – sollte einem nicht gerade eine weitere Pflicht einfallen. Und wenn denn doch alles so dramatisch ist: Eine Verpflichtung der Gesundheitsämter, nach einem halben Jahr Pandemie bitteschön nun auch am Wochenende vollständige und aktuelle Zahlen zu liefern, wäre sicher vermittelbar – bundesweit.
    Quelle: Weser-Kurier

    dazu: Schäuble wittert große Corona-Chance für EU: “Können Wirtschafts- und Finanzunion jetzt hinbekommen”
    Bundestagspräsident Schäuble sorgt mit seinen jüngsten Äußerungen für Aufruhr. Dass die Menschen so sehr mit der Corona-Krise beschäftigt seien, erklärt der ehemalige deutsche Finanzminister zur “großen Chance” für die Europäische Union. Der Wille zum “Widerstand” werde geringer.
    „Wir können die Wirtschafts- und Finanzunion, die wir politisch bisher nicht zustande gebracht haben, jetzt hinbekommen”, ergänzte Schäuble nun in der Neuen Westfälischen in Sachen schwindender Widerstand.“
    Und es ist keineswegs so, dass Schäuble frisch aus dem Urlaub zurückgekehrt, die Katze unüberlegt aus dem Sack ließ. Bereits Ende Juni verlieh er seiner Hoffnung mit ganz ähnlichen Worten Ausdruck:
    „Wir können jetzt Dinge verändern, die wir in der Vergangenheit gerne geändert hätten, es aber nicht konnten oder wollten. Darin liegt die Chance”, wurde Schäuble zitiert.
    Neben der “Wirtschafts- und Finanzunion” geht es dem 77-Jährigen dabei auch um die EU-Sicherheitspolitik. Hier gehe es nun darum, dass Einstimmigkeitsprinzip endlich ad acta zu legen, um “handlungsfähiger” zu werden.
    „Europa als Ganzes muss mehr Verantwortung übernehmen, gerade auch in Sicherheits- und Verteidigungspolitik”, erklärte der CDU-Politiker der Zeitung aus Bielefeld.
    Gleichzeitig verwahrt sich der ehemalige Bundesinnenminister gegen eine pauschale Verurteilung der im öffentlichen Diskurs ohnehin schon längst etwa als “Corona-Leugner”, “Covidioten” und “Verschwörungstheoretiker” gebrandmarkten Kritiker der Corona-Maßnahmen. Schließlich seien Proteste ja immer ein Hinweis darauf, dass es “Klärungsbedarf” gäbe…
    Quelle: RT deutsch

  3. Die Nebenwirkungen von Covid-19 im Gesundheitssystem
    Es hat im Frühling, inmitten der ersten Epidemiewelle, etwas gedauert, bis sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auch auf mögliche direkte Nebenwirkungen der Corona-Krise gerichtet hat. Das gesamte Gesundheitssystem hatte sich in jenen Wochen auf die Behandlung (und zugleich die Abwehr) von Covid-19 fokussiert: Niedergelassene Ärztinnen stellten auf Telemedizin um; Ambulanzen wurden gesperrt; nicht notwendige Operationen verschoben; Behandlungen von chronisch Erkrankten umgestellt.
    Dass all dies wohl nicht folgenlos sein wird, wurde damals zwar diskutiert, doch die Sorge vor Corona war größer als jene aufgrund möglicher Kollateralschäden – bei Patienten, bei der Politik, auch in den Medien. Dabei hatte es Anfang April bereits erste aufsehenerregende Berichte über einen massiven Rückgang an diagnostizierten Herzinfarkten gegeben. Kardiologen warnten damals, dass nicht behandelte Infarkte zu Folgeschäden und höherer Sterblichkeit führen würden.
    Am Mittwoch hat das Gesundheitsministerium nun eine erste Folgenabschätzung zum Gesundheitssystem während des Lockdowns präsentiert. Und dabei offenbaren sich doch sehr deutliche Leistungseinschränkungen. Laut der Analyse der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) wurde bis Mai bei Herzinfarkten ein Minus von 25 Prozent verzeichnet (im März waren es noch 40 Prozent). Besonders bedenklich war die Entwicklung bei Krebs und Krebsverdacht, wo ein Rückgang der Spitalsaufenthalte um 20 Prozent beobachtet wurde. Das betreffe sowohl Therapien als auch diagnostische Eingriffe, sagte Karin Eglau von der GÖG. Ein Beispiel: Die Zahl der Brustkrebsoperationen ging von rund 500 in Österreich im März 2020 (ähnliches Niveau wie 2019) auf etwa 350 im Mai zurück, sie steigt seither nur langsam an.
    “Wenn keine Mammografien erfolgen, können keine Diagnosen gestellt werden. Dann kann man nicht operieren”, sagte Eglau. Sie stellte auch in den Raum, dass Diagnosen verspätet gestellt wurden und deshalb Krebserkrankungen nicht mehr so gut behandelt werden könnten. In diese Richtung gehen auch Aussagen des Onkologen Leopold Öhler des St. Josef-Krankenhaus in Wien. “Wir haben jetzt den Eindruck, dass es einen Anstieg bei fortgeschrittenen Krebsdiagnosen gibt”, sagte er der Tageszeitung “Der Standard”.
    Quelle: Wiener Zeitung

    Anmerkung Christian Reimann: In Deutschland dürfte die Situation ähnlich sein. Aber wird das hierzulande auch untersucht?

  4. Für die Kinder in unserem Land wird gute Bildung zum Lotteriespiel
    Kommen in der Pandemie die Rechte von Kindern zu kurz? Ja, sagt Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes. Kern seiner Kritik: Die Kultusminister handelten kurzsichtig.
    SPIEGEL: Sie sagen, die Kinderrechte seien in der Pandemie stärker als andere eingeschränkt worden. Was sagt das über das Verhältnis unserer Gesellschaft zu Kindern aus?
    Hilgers: Unsere Gesellschaft hat die Kinderrechte nach wie vor nicht anerkannt, übrigens auch deren Beteiligungsrecht. Umfragen unter Kindern und Jugendlichen zeigen: Sie haben den Eindruck, dass sie überhaupt nicht gefragt werden. Ihre Rechte werden nicht ernst genommen. Und ich sage das deutlich: Das gilt leider auch für die Rechte vieler Mütter, die in der Krise benachteiligt wurden und ihren Beruf nur noch teilweise ausüben konnten. Da hat ein gesellschaftlicher Rückschritt stattgefunden, sowohl was die Rechte der Kinder als auch die Rechte der Frauen angeht.
    SPIEGEL: Für den Fall, dass es zu erneuten Schulschließungen kommt, hatten die Schulen dieses Mal Zeit, sich besser auf Fernunterricht vorzubereiten. Ist das gelungen?
    Hilgers: Das wirklich Bedrückende ist: Das ist von Schule zu Schule sehr unterschiedlich. Wir haben Schulen mit sehr engagierten Schulleitungen und Lehrkräften, die schon zu Beginn der Coronakrise gut vorbereitet und bestens digital ausgestattet waren oder inzwischen gute Konzepte entwickelt haben. Aber wir haben leider auch Schulen, bei denen das überhaupt nicht der Fall ist. Für die Kinder in unserem Land wird gute Bildung so zum Lotteriespiel. Die Politik nimmt hier ihre Verantwortung nicht wahr. Sie müsste dafür sorgen, dass auch die Kinder gleiche Lebensverhältnisse und gleiche Chancen haben.
    SPIEGEL: Fehlende Chancengerechtigkeit war schon vor Corona ein Problem.
    Hilgers: Das stimmt. In unserem Schulsystem brauchte ein Kind schon immer auch Glück. Sehr viel Glück. Das ist in der Pandemie noch deutlicher geworden. Aber die Politiker hatten gute sechs Wochen Zeit, die Situation zu verbessern und vorzubereiten. Offensichtlich ist das nicht geschehen, und das ist sehr bedauerlich.
    Quelle: DER SPIEGEL
  5. Eine Krise im Zeitraffertempo
    Im April, als Corona in Deutschland durchschlug, schnellte die Zahl der Zeitarbeiter, die arbeitslos wurden, um mehr als 30 Prozent in die Höhe und lag um rund 30 Prozent höher als im gleichen Monat des Vorjahrs. Auch im Mai 2020 lag der Wert noch rund 13 Prozent höher als im Mai des Vorjahres. Zu sehen ist allerdings auch: “Im Juni und Juli haben die Verleihunternehmen offenbar schon weniger Leute rausgeworfen als im Vorjahr”, sagt Eric Seils von der Hanns-Böckler-Stiftung.
    Für ihn zeigt die rasend schnelle Reaktion der Branche, dass die Pufferwirkung für Arbeitnehmer kaum funktioniert. Denn demnach müssten solche massiven Einbrüche eben nicht zu so schnellen Entlassungen führen. Aber, so Seils: “So läuft das ja nicht.” Vielmehr hänge der Großteil der Beschäftigungsverhältnisse “direkt von bestimmten Einsätzen beim Entleihunternehmen ab und wird oft in der Probezeit ohne große Fristen wieder gekündigt”.
    Das liegt daran, dass die Branche in einem wichtigen Punkt dereguliert wurde. Bereits im Zuge der Hartz-Gesetze wurde 2004 das sogenannte Synchronisationsverbot aufgehoben, das Zeitarbeitsunternehmen an einem schnellen Hire and Fire hindern sollte. Dass Arbeitnehmer synchron zu einem bestimmten Auftrag angestellt und wieder entlassen werde, sei heute deshalb Regel. Theoretisch gelten zwar dieselben Kündigungsfristen wie für alle Arbeitnehmer, “aber die meisten Beschäftigten werden noch in der Probezeit entlassen”, bevor diese Fristen greifen. Damit stehen die Leute im Ernstfall binnen weniger Tage auf der Straße. “Viele Unternehmen führen sie danach weiter in Listen, um zu wissen, wen sie für den nächsten Arbeitseinsatz ansprechen können.” Auch das eine umstrittene Praxis.
    Weil Leiharbeit derart prekär ist, treffe der Wirtschaftseinbruch durch Corona die Beschäftigten dieser Branche als Erste, sagt Seils. Eine Umfrage der Böckler-Stiftung vom April zeigt das. Erwerbstätige aller Branchen wurden gefragt, ob sie nach Corona bereits finanzielle Einbußen hinnehmen mussten und ob sie sich um ihre Lage Sorgen machen. Beide Werte lagen nirgendwo so hoch wie in der Leiharbeit – 30 Prozent und 37 Prozent. Selbst Minijobber kamen auf nicht ganz so hohe Werte.
    Quelle: DER SPIEGEL

    dazu: Arbeitgeber warnen: Bald Entlassungen statt Kurzarbeit
    Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat umfangreiche Vorschläge zur Verlängerung von Kurzarbeit in der Corona-Krise vorgelegt – doch den Arbeitgebern der Metall- und Elektroindustrie greift das Paket in einem zentralen Punkt viel zu kurz: Würden Betriebe nicht verlässlich bis Ende 2021 von den Sozialabgaben auf das Kurzarbeitergeld ihrer Arbeitnehmer entlastet, müssten im kommenden Jahr viele krisengeplagte Unternehmen von Arbeitsplatzsicherung auf Entlassungen umschalten, warnte der Arbeitgeberverband Gesamtmetall. In diesem Fall „droht ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht nur in der Metall- und Elektro-Industrie“, sagte Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Das Kurzarbeitergeld müssen die Unternehmen schon nicht zahlen, sondern das macht die Bundesagentur für Arbeit und demnächst der Staat (der sich fast ausschließlich aus Steuern der Arbeitnehmer finanziert). Die Sozialabgaben auf das Kurzarbeitergeld wollen sie nun unter gar keinen Umständen zahlen – und da reden wir von den Metall-Unternehmen, die in den letzten 10 Jahren vom Export profitiert haben. „Kurzarbeit ohne Sozialaufwandserstattung über längere Zeiträume entzieht den Unternehmen zu viel Liquidität“ – das mag sein, aber entsprechende Aussagen waren in den letzten Jahren nicht zu hören, wenn die Unternehmen ihre Liquidität durch irrsinnige Dividendenzahlungen selbst gefährdeten.

  6. Wegen Corona plötzlich Hartz-IV-Empfänger: “Es sind Leute, denen es eigentlich gut ging”
    Mehrere Millionen Menschen sind wegen der Corona-Pandemie noch immer in Kurzarbeit. Vor allem im Niedriglohnsektor hat die Krise massive Auswirkungen – viele Geringverdiener rutschen jetzt in die Hartz-IV-Bedürftigkeit. Und mit ihnen ihre Familien. Ein Blick in Deutschlands größtes Jobcenter.
    Dirk Heyden kennt viele solcher Fälle. Er ist Chef des Jobcenters team.arbeit.hamburg. Das Haus ist mit 200.000 Leistungsberechtigten das größte in Deutschland. Das war es schon vor Corona. Doch durch die Krise hat sich die Zahl der Leistungsbezieher in Hamburg um 12 Prozent erhöht, 15.000 Leistungsberechtigte sind dazugekommen. „Die letzten Monate waren eine außergewöhnliche Zeit für uns“, sagt Heyden im Gespräch mit FOCUS Online. Etwas wie die Coronakrise haben er und seine Mitarbeiter im Jobcenter noch nie erlebt.
    Quelle: Focus Online

    dazu: Kurzarbeit verlängert, aber der Regierung fehlt der Mut zu grundsätzlichen Entscheidungen
    „Es ist richtig, das Kurzarbeitergeld zu verlängern und die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge endlich an die Bedingung zur Weiterbildung zu knüpfen. Die Bundesregierung folgt somit den Vorschlägen, die DIE LINKE bereits im April in einem entsprechenden Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht hat. Im nächsten Schritt ist das nun auch mit einem Rechtsanspruch für Beschäftigte auf Qualifizierung und auf ein Weiterbildungsgeld zu verbinden. Denn der Wandel der Arbeitswelt wird sich durch Corona nicht aufhalten lassen“, kommentiert Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, die im Koalitionsausschuss beschlossene Verlängerung des Kurzarbeitergeldes. Ferschl weiter:
    „Die Bundesregierung bleibt bei einer ungerechten Lastenverteilung. Während Arbeitgebern 100 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge erstattet werden, haben Beschäftigte frühestens nach sechs Monaten einen Anspruch auf eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf 80 Prozent. DIE LINKE fordert eine sofortige Anhebung auf 90 Prozent, für Beschäftigte im Niedriglohnbereich auf 100 Prozent, um Einkommensverluste zu vermeiden. Dies ist auch wirtschaftlich sinnvoll, da es die Kaufkraft und somit die Konjunktur stärkt.
    Leider hat es die Bundesregierung erneut versäumt, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen. Die Frage, wie die Sozialversicherungen gestärkt werden, lässt sie unbeantwortet und vertagt sie auf die Zeit nach der Bundestagswahl 2021. Es ist richtig, der Arbeitslosenversicherung durch Steuergelder auszuhelfen, denn die Bewältigung der Krise ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir brauchen aber bereits heute Vorschläge, wie man in einer Phase des erneuten wirtschaftlichen Aufschwungs mittelfristig die Unternehmen stärker an der Finanzierung beteiligt. Starke Sozialversicherungssysteme sind nämlich die Säulen eines handlungsfähigen Sozialstaates.“
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag

    dazu auch: Um mehr als 20 Prozent Arbeitslosigkeit steigt auch bei Pflegekräften
    Nur in wenigen Branchen ist der Bedarf an Fachkräften höher als in der Pflege. Trotzdem finden in der Coronakrise viele keinen Job – und die Löhne bleiben weiter niedrig.
    Quelle: DER SPIEGEL

  7. Maskenpflicht
    1. “Sehr gefährlich”: Schwedens Chef-Epidemiologe warnt vor falscher Sicherheit durch Gesichtsmasken
      In den vergangenen Monaten musste sich Anders Tegnell oft für seine Strategie und Empfehlungen im Umgang mit der Coronakrise rechtfertigen. Schweden, das nicht den Weg des wirtschaftlichen Lockdowns gegangen ist wie nahezu alle anderen europäischen Länder, stand deswegen am medialen Pranger.
      Ende Juni sorgte Tegnell für Furore, nachdem er in einem Interview sagte, dass andere Regierungen nach Ausbruch des SARS-CoV-2-Erregers in ihren Ländern durchgedreht seien.
      Nun dürfte er mit einer Warnung erneut für Schlagzeilen sorgen. Tegnell hat sich wiedergeholt gegen eine allgemeine Maskenpflicht, auch in Geschäften oder dem öffentlichen Nahverkehr, ausgesprochen. Anderenfalls würden die Menschen in den Glauben verfallen, dass damit eine Verbreitung des Coronavirus verhindert werden könne. Viele Menschen würden sich dann in falscher Sicherheit wiegen und möglicherweise die weiteren Empfehlungen wie die Abstandsregeln nicht einhalten. Das sei sehr gefährlich, warnte Tegnell.
      Gesichtsmasken können eine Ergänzung zu anderen Dingen sein, wenn die anderen Dinge sicher angewendet werden. Aber mit Gesichtsmasken anzufangen und dann denken, dass man die Busse und die Einkaufszentren vollpackt, das ist definitiv falsch.
      Tegnell verwies auf Länder wie Belgien oder Spanien, die trotz Maskenpflicht steigende Zahlen von positiven Corona-Labortests haben.
      Erst vergangenen Monat erteilte der schwedische Chefepidemiologe einer Maskenpflicht für den öffentlichen Nahverkehr eine Absage. “Wir sehen keinen Grund, in Schweden Masken zu tragen”, sagte er. Die Zahlen seien rückläufig. (…)
      Hingegen gestand er in dem Interview erneut ein, dass Fehler gemacht wurden. Man habe die Altersheime und die Häuser oder Wohnungen von älteren Menschen, die zur Risikogruppe gehören, nicht vor dem Virus geschützt.
      Tatsächlich sind die relevanten Zahlen in Schweden kontinuierlich rückläufig. Seit Anfang Juli sind die täglichen intensivmedizinischen Fälle einstellig geworden, am 17. August war es sogar nur noch eine Person.
      Quelle: RT Deutsch

      Anmerkung Christian Reimann: Offensichtlich hat Herr Tegnell u.a. auch aus dem Umgang mit der „Schweinegrippe“ viele richtige Lehren gezogen – und gesteht in der aktuellen Corona-Zeit gemachte Fehler offen ein: Der lange Schatten der Schweinegrippe. Hierzulande ist Kritik an den politisch beschlossenen Maßnahmen offensichtlich unerwünscht.

    2. Maß und Maske
      Maskenverweigerer ihrer Strafe zuzuführen, könnte der neue deutsche Volkssport werden. Und die Politik macht mit, weil sie von ihren Versäumnissen ablenken will.
      Vergangene Woche saß ich mit der sehr sympathischen Amelie Fried in der “Maischberger”-Talkshow. Sie berichtete dort, wie ihr Mann und sie sich jüngst auf einem Flug nach Belgien mit einer renitenten Maskenverweigerin auseinandersetzen mussten, die am Ende der Polizei in Brüssel übergeben wurde. Frau Fried erzählte die Geschichte mit einer Mischung aus Zorn und Genugtuung. Bei der Genugtuung habe ich gestutzt, aber nichts gesagt. Man hört ja jetzt viele dieser Geschichten.
      Tags darauf, in meinem Zug von Köln nach Berlin, gingen dann mehrere wohlsituiert wirkende Fahrgäste auf jemanden los, neben dem der Sitzplatz frei war, der aber seine Maske nicht bis über die Nase gezogen hatte. Es wurde laut, rasch wurde auch gedroht, das Wort “Notbremse” war zu hören und schließlich der Satz: “Sie wissen doch, dass wir Sie jetzt der Bundespolizei übergeben müssen.”
      Ich für meinen Teil habe mich ziemlich unwohl gefühlt. Aber nicht wegen der maskenlosen Nase vier Sitzreihen vor mir, sondern wegen der massierten Rechtschaffenheit dieser besorgten Bürger. So viel gemeinschaftliche Zivilcourage würde ich mir eher wünschen, wenn in der U-Bahn eine Frau angemacht wird. Oder ein Schwarzer wegen seiner Hautfarbe. Oder ein Jude wegen seiner Kippa.
      Quelle: Nikolaus Blome im Spiegel
    3. Arbeitgeberpflicht beim Arbeitsschutz nicht auf Beschäftigte abwälzen
      „Eine Maskenpflicht für Beschäftigte kann nur das letzte Mittel sein. Vorher müssen die bestehenden Arbeitsschutzregeln umgesetzt werden. Erst diesen Monat hat die Bundesregierung neue Arbeitsschutzregeln für Pandemie-Zeiten erlassen. Das scheint an Frau Kramp-Karrenbauer völlig vorbeigegangen zu sein. Diese gehen eigentlich in die richtige Richtung und sehen unter anderem vor, dass Arbeitsplätze neu angeordnet oder Trennwände eingezogen werden müssen. Erst wenn solche Maßnahmen nicht weiterhelfen, müssen Schutzmasken getragen werden“, kommentiert Jutta Krellmann, Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung der Fraktion DIE LINKE, den Vorschlag von Annegret Kramp-Karrenbauer für eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz. Krellmann weiter:
      „Für Gesundheit am Arbeitsplatz zu sorgen, dafür sind die Arbeitgeber verantwortlich. Sie müssen für wirksame technische und bauliche Schutzmaßnahmen sorgen. Doch was fehlt, sind regelmäßige Kontrollen, ob Arbeitgeber ihrer Pflicht zum Arbeitsschutz nachkommen. Derzeit wird jeder Betrieb nur alle 25 Jahre kontrolliert, weil die Arbeitsschutzbehörden der Länder kaputtgespart wurden. Wenn es Frau Kramp-Karrenbauer ernst ist mit dem Gesundheitsschutz von Beschäftigten, soll sie sich an dieser Stelle für schnelle Verbesserungen einsetzen.
      Eine Billiglösung, mit der die Verantwortung auf die Beschäftigten abgewälzt wird, ist die falsche Antwort auf Probleme beim Arbeitsschutz.“
      Quelle: DIE LINKE

      Anmerkung JK: Dazu muss man noch einmal betonen, Schutz bieten nur Masken, die mindestens den sogenannten FFP2 bzw. den besseren FFP3-Standard erfüllen. Zu behaupten, selbstgenähte Stofffetzen böten irgendeinen Schutz oder würden jemand anderen schützen ist Humbug. Die Ausweitung der Maskenpflicht auf immer weitere Alltagsbereiche gerade ohne jede Berücksichtigung der physiologischen und psychologischen Folgen bei stundenlangem Tragen ist reine Repression. Zudem sollte man sich erinnern, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO ähnlich dem RKI noch im April auf dem Höhepunkt der Epidemie keinen erwiesenen Nutzen im Tragen von Masken in der Öffentlichkeit sehen wollte.

    4. Bayern verschärft Bußgelder bei Verstößen gegen Corona-Auflagen
      Bayern wird die Bußgelder bei Verstößen gegen die Masken- oder Quarantänepflicht deutlich erhöhen. Das kündigte Ministerpräsident Söder an. Außerdem soll die Polizei die Einhaltung der Regeln mit kontrollieren.
      Der Freistaat Bayern wird die Bußgelder bei Verstößen gegen das Masken- und Quarantänepflicht deutlich erhöhen. Das hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montagvormittag in München angekündigt. So kostet es künftig 250 Euro, wenn im öffentlichen Nahverkehr oder in Läden keine Maske getragen wird (bisher 150 Euro). Bei mehrfachen Verstößen wird ein Bußgeld von 500 Euro fällig. Wer sich trotz Anordnung nicht in Quarantäne begibt, muss künftig 2.000 Euro zahlen, doppelt so viel wie bisher. Die neuen Regeln gelten ab Dienstag, 25. August 2020.
      Die Polizei solle die Überwachung der Masken- und Quarantänepflicht ergänzen, sagte Söder vor Journalisten. Bislang waren hierfür nur die Gesundheitsbehörden zuständig. Als Gründe für die steigenden Corona-Zahlen nannte Söder die Urlaubsheimkehrer sowie Heimkehrer, die Familie in Ost- und Südosteuropa besucht haben, und Leichtsinn.
      Mit Blick auf die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag forderte Söder einen bundesweit einheitlichen Mechanismus, wie bei steigenden Fallzahlen vorgegangen wird, beispielsweise bei Bußgeldern und einer fallweisen Ausweitung der Maskenpflicht. Beispielsweise könnten einheitliche Untergrenzen bei Bußgeldern vereinbart werden.
      Quelle: BR

      Anmerkung JK: Eigentlich sollte sich der forsche Herr Söder nach dem Testdesaster im eigenen Land in Bescheidenheit üben. Beachtlich ist aber die Formulierung, man müsse jetzt die Zügel wieder anziehen, die tiefe Einblicke in das autoritäre Politikverständnis des Herren Söder gewährt. Offensichtlich hat Herr Söder nicht verstanden, dass auch Bayern immer noch eine parlamentarische Demokratie ist und kein absolutistisches Fürstentum, in dem der Herrscher dem unmündigen Volk nach Gusto Erleichterungen von den Corona-Zwangsmaßnahmen gewährt oder auch nicht.

  8. Schon jetzt eine schwere Wahl
    Bundestagskandidaten müssen in Versammlungen bestimmt werden, aber wie soll das gehen, wenn die Pandemie sich wieder verschärft? Ein neues Gesetz soll das Problem vorsorglich lösen – doch es gibt enorme Vorbehalte in der Opposition.
    Die Generalsekretäre von CDU, CSU, SPD, Grünen, FDP und Linken haben sich deshalb auf einen gemeinsamen Wunschkatalog an den Bundestag verständigt. Darin heißt es, wegen der anhaltenden Pandemie sei “eine vorsorgliche Änderung” des Wahlrechts nötig, um in jedem Fall “Kandidaten aufstellen sowie die Bundestagswahl selbst durchführen zu können”. Die Generalsekretäre stellen zwar fest, dass sie Präsenzveranstaltungen grundsätzlich bevorzugen. Nur “im Falle einer amtlich festgestellten Notlage wie beispielsweise der derzeitigen COVID-19-Pandemie” sollten – wenn “keine Aufstellungsversammlungen durchführbar sind” – Alternativen zulässig sein.
    Dann müssten Kandidatenvorstellungen “auch online per Videoschalte zulässig” sein, fordern die Generalsekretäre. Und es müsse “anschließend die Wahl via Briefwahl oder als Briefwahl kombiniert mit einer Urnenwahl, gegebenenfalls an verschiedenen Orten gleichzeitig, erfolgen” können. Außerdem wird das Bundesinnenministerium gebeten zu prüfen, ob Wahlkreisbewerber und Landeslisten “auch online auf elektronischem Weg” aufgestellt werden könnten.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung JK: Der nächste Schritt in ein autoritäres Regime wird bereits vorbereitet. Dazu muss man sagen Demokratie funktioniert nicht digital, auch wenn die Tech-Apologeten aus dem Silicon Valley etwas anderes behaupten. Demokratie lebt vom direkten Austausch, der direkten Diskussion, der realen Interaktion. Zudem werden so alle Bürger, die nicht über die entsprechende technische Infrastruktur, einen schnellen Internetanschluss und einen entsprechenden Rechner verfügen, was definitiv auch eine finanzielle Frage ist, von einer “digitalen Demokratie” ausgeschlossen.

  9. Extreme Pfennigfuchserei: Wie die neuen Hartz-IV-Regelsätze kleingerechnet werden sollen
    Politisch motiviert und methodisch unsauber
    Malstifte und die Kugel Eis für Kinder sind irrelevanter Luxus? Auf eine neue Waschmaschine soll man 13 Jahre sparen? Der DGB hat die Vorschläge des Arbeitsministeriums zur Neuberechnung von Hartz-IV analysiert. Und kommt zu einem vernichtenden Ergebnis: Die Regelsätze bekämpfen Armut nicht, sie zementieren sie.
    Alle fünf Jahre ist die Bundesregierung in der Pflicht, zu ermitteln, was ein Mensch im reichen Deutschland mindestens zum Leben braucht und die die Hartz-IV-Regelsätze neu festzusetzen. Im August 2020 soll das Bundeskabinett über einen Vorschlag des Arbeitsministeriums zur Herleitung der Regelsätze beschließen. Der DGB hat den Gesetzentwurf analysiert und findet deutliche Worte: Die Regelsätze würden politisch motiviert kleingerechnet und Armut nicht bekämpft sondern zementiert. Die Festsetzung sei methodisch unsauber und die Begründungen, die die neuen Regelsätze rechtfertigen sollen, seien teilweise unzutreffend und irreführend. (…)
    Seit Jahren fordern Sozial- und Wohlfahrtsverbände und der DGB die sogenannten „verdeckten Armen“ aus der Vergleichsgruppe herauszunehmen, also Personen, deren Einkommen unterhalb des Grundsicherungsniveaus liegen, die aber ihren Anspruch auf Grundsicherung nicht geltend machen. Das Arbeitsministerium lehnt dies im vorgelegten Gesetzentwurf ab. Die „verdeckten Armen“ könnten statistisch nicht exakt ermittelt werden, sondern mit Modellrechnungen nur annäherungsweise geschätzt werden; dies sei fehleranfällig. Der DGB hält diese Argumentation für „abenteuerlich“: Es ist sei doch viel sachgerechter, kleine Fehler bei der Abschätzung der verdeckten Armen in Kauf zu nehmen als den „großen Fehler“ zu begehen, die verdeckten Armen vollständig in der Vergleichsgruppe zu belassen und so die Regelsätze auch von Haushalten abzuleiten, die weniger als die Grundsicherung zum Leben zur Verfügung haben.
    Quelle: DGB

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu:

    Der „Monitor“-Bericht ist hier komplett nachlesbar bzw. zu sehen.

    dazu: Hartz 4: Wie Bundesregierung arme Menschen konsequent benachteiligt
    Quelle: Jung und naiv via YouTube

    dazu auch: Voller Kinderbonus für Alleinerziehende!
    Das Kabinett hat heute zentrale Vorhaben des Konjunkturpakets verabschiedet. Es ist geplant, den Kinderbonus bei getrennten Eltern hälftig mit dem Kindesunterhalt zu verrechnen. Die Kinder von Alleinerziehenden erhalten damit unterm Strich statt 300 Euro nur 150 Euro Kinderbonus.
    „Viele Alleinerziehende haben schon mit dem Geld gerechnet. Schließlich hatte das Familienministerium ankündigt, dass der Kinderbonus nicht mit Unterhaltsleistungen verrechnet wird. Die 300 Euro sollen laut Ministerium dabei helfen, die Belastungen der Corona-Pandemie etwas abzufedern und den Familien finanziellen Handlungsspielraum zurückgeben. Für Alleinerziehende haben sich Belastungen durch die Corona-Krise potenziert: Existenzsorgen in Folge der Kita- und Schulschließungen, Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling, wegen Social Distancing nicht auf das soziale Netzwerk zurückgreifen können. Der Kinderbonus wird dort gebraucht, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat, da hier die Kosten für das Kind entstehen“, kritisiert Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV).
    Das Kindergeld als Teil des steuerlichen Familienleistungsausgleichs trägt dazu bei, das Existenzminimum von Kindern nicht zu besteuern. Hier ist es bei getrennten Eltern folgerichtig, das hälftige Kindergeld mit dem Kindesunterhalt zu verrechnen. Da der Kinderbonus als einmalige Erhöhung des Kindesgelds umgesetzt ist, greift auch hier die hälftige Aufteilung. Der Kinderbonus hat aber einen anderen Zweck als das Kindergeld: Belastungen aufzufangen und so die Konjunktur anzukurbeln. „Nur wenige Alleinerziehende sind in der glücklichen Situation, dass der andere Elternteil die fehlende Kinderbetreuung mit ausgleicht. Hinzu kommt, dass sich für Familien mit kleinen Einkommen und somit für viele Alleinerziehende die Kosten erhöht haben: Trotz Kitagebühren kein Mittagessen, ein Rechner reicht nicht fürs Homeoffice und Homeschooling, billige Lebensmittel als Mangelware. 300 Euro sind ein Tropfen auf dem heißen Stein. Diese auch noch zu halbieren, wird viele Alleinziehende vor den Kopf stoßen! Positiv zu verbuchen ist, dass der Kinderbonus nicht auf den Unterhaltsvorschuss und auf Sozialleistungen wie Hartz IV angerechnet werden soll. Diese Ausnahmeregelung muss auf den Kindesunterhalt ausgeweitet werden“, fordert Jaspers.
    Quelle: VAMV

    Anmerkung Christian Reimann: Der Beschluss der Regierung stammt vom 12. Juni 2020. Offenbar hat die SPD auch beim Kinderbonus zu viel versprochen, wenn sie schreibt: „Wird nicht angerechnet auf andere Sozialleistungen, wie zum Beispiel die Grundsicherung.“. Wo war das Veto von Bundesfinanzminister Scholz, der inzwischen Kanzlerkandidat seiner Partei geworden ist?

  10. Jede zweite Rente liegt unter 1000 Euro
    Jeder zweite Rentenbezieher in Deutschland erhält weniger als 1000 Euro. Dagegen fallen zwei von drei Beamtenpensionen höher als 2000 Euro aus. Die Linke befürchtet “millionenfache Altersarmut” und fordert, auch Beamte und Selbstständige in eine Rentenkasse für alle einzahlen zu lassen.
    Ende vergangenen Jahres lagen 56 Prozent der von der Deutschen Rentenversicherung ausgezahlten Monatsbeträge unter 1000 Euro. Das geht aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf eine Anfrage der Linke-Bundestagsfraktion hervor. Dagegen bekämen zwei von drei pensionierten Beamten mehr als 2000 Euro monatlich überwiesen, heißt es in der ntv exklusiv vorliegenden Antwort des Ministeriums. Für Linken-Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch ein deutliches Anzeichen für ein “Auseinanderklaffen”. “Hier muss etwas getan werden”, sagte er ntv.
    Wie aus den Daten des Ministeriums hervorgeht, bekommt etwa ein Drittel aller Rentenbezieher weniger als 700 Euro im Monat. Fast jeder Vierte erhält weniger als 500 Euro. Wer so wenig Geld im Alter zur Verfügung hat, ist meist auf die Grundsicherung von knapp mehr als 800 Euro angewiesen, die mit der Rente verrechnet wird. Es sei denn, der Bezieher erhält noch zusätzlich eine Witwenrente, wohnt mit jemand besserverdienendem zusammen oder hat hohe Rücklagen. “Der jetzige Zustand birgt die Gefahr, dass wir uns millionenfache Altersarmut organisieren”, sagte Bartsch.
    Quelle: n-tv
  11. Gekaufte Wissenschaft
    Nur noch ein Sechstel der Forschung ist frei, der allergrößte Teil findet im Dienste der Gewinnmaximierung statt. Die Fehlentwicklung wäre leicht zu ändern, wenn der politische Wille vorhanden ist
    In Deutschland ist momentan etwa ein Sechstel der gesamten Forschung frei, fünf Sechstel sind weisungsgebundene Forschung, der größte Teil davon im Dienste der Industrie, ein kleinerer Teil durch detaillierte staatsbürokratische Vorgaben. Anders ausgedrückt: Von den gut 700.000 Menschen, die in Deutschland forschen (Vollzeitäquivalente) können weit über 500.000 NICHT ihren eigenen Forschungsfragen nachgehen, sondern bekommen Vorgaben von der Konzernleitung oder anderen Stabsstellen, worüber sie zu forschen haben.
    In den allermeisten Fällen geht es dabei um die Frage, wie die Gewinne maximiert werden können, und nicht darum, was gut für Land und Leute ist. Selbst an den staatlichen Hochschulen steht nur mehr etwa jeder zweite Forschungseuro für freie Forschung zur Verfügung, die andere Hälfte wird über Drittmittelgeber vorgeschrieben. Also selbst an den Universitäten und Fachhochschulen kann nur mehr etwa jeder zweite Professor frei forschen, und jeder zweite forscht über das, was mit dem Drittmittelgeber vereinbart wurde. Die freie Forschung hat in den letzten etwa 30 Jahren in Deutschland stark abgenommen.
    Quelle: Christian Kreiß auf Telepolis
  12. Kollektive Zensur
    Wer die Cancel-Culture nicht ernst nimmt, schaue in die USA: Dort werden nicht nur falsche Meinungen, sondern auch Falschmeinende bekämpft. Eine Warnung.
    Als ich 2007 in die Vereinigten Staaten zog, verliebte ich mich schnell in die lebendige Debattenkultur des Landes. Wie viele Universitäten war Harvard, wo ich mein Doktorstudium begann, auch damals schon sehr links. Und doch war unter meinen Kommilitonen und Professoren fast jede politische Stoßrichtung vertreten und wurde viel streitlustiger verteidigt, als ich es aus Deutschland kannte.
    Davon ist nur noch wenig übrig. Wenn Bekannte mir heute in einem Café ihre “unpopulären” Ansichten beichten, fällt ihre Stimme um zwanzig Dezibel. Erste Journalisten und Schriftsteller, darunter einige Freunde und Bekannte von mir, müssen aufgrund missliebiger Standpunkte um Job und Aufträge fürchten. “Meine wahre Meinung verrate ich nur meinen engsten Freunden – und selbst dann nur vorsichtig”, sagte mir kürzlich sogar eine meiner Studentinnen.  
    Welche Meinungen sind es, die meine Studenten, Kollegen und Bekannten nicht mehr öffentlich äußern mögen? Sind sie Sexisten? Rassisten? Heimliche Trump-Fans?
    Mitnichten. Es sind Menschen, deren Weltsicht linksliberal ist und deren Lebensweise kosmopolitisch. Es sind Menschen, die Donald Trump verabscheuen. Menschen, die, hätten sie in Deutschland das Wahlrecht, wohl Angela Merkel bewundern, aber ohne Zögern für die Grünen stimmen würden.
    Menschen wie David Shor, der im Zuge der Ausschreitungen nach dem Tod von George Floyd auf Twitter die Studie eines schwarzen Princeton-Professors zusammenfasste: Schon 1968 hätten demnach gewaltsame Proteste dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Richard Nixon zum Wahlsieg verholfen. Friedliche Demonstrationen hingegen führten zu einem Stimmenzuwachs für Demokraten, so die Studie, die Shor wiedergab.
    Eine Woche später war er seinen Job los. Warum? Aktivisten hatten seinen Tweet als Rat gewertet, die Black-Lives-Matter-Bewegung solle auf Gewalt verzichten. Als Weißer habe er aber kein Recht, das zu beurteilen. Unter dem Druck der Twitter-Meute feuerte sein Arbeitgeber – eine Firma, die Demokraten durch Datenanalysen Wahlsiege verschaffen soll – Shor kurzerhand.
    Quelle: Zeit

    Anmerkung JK: Absolut lesenswert!

    dazu: Ach, ihr Linken! Gebt doch endlich Gedankenfreiheit
    Mit kühnen Thesen riskiert man als Denker seinen Job. Cancel Culture gibt es wirklich. Die Ersten verstecken sich im Intellectual Dark Web. Ein Debattenbeitrag.
    Es geht ein Gespenst um: der Cancelgott. Man sieht ihn nicht, aber er sieht uns. Er weiß, was wir vor fünf Jahren im Radio gesagt oder vor drei Jahren auf Facebook gepostet haben. Und nur so viel: Er ist oft nicht amused. In letzter Zeit gar noch weniger. Niemand hat ihn je gesehen, weshalb manche denken, dass es ihn gar nicht gibt. Aber wer heutzutage „mit den falschen Leuten“ eine Lesung, eine Kabarettvorstellung, ein Seminar abhält oder daran teilnimmt, vielleicht nur einen Kaffee trinkt, könnte eine Nachricht vom Cancelgott bekommen, also indirekt natürlich, denn auch dieser Gott spricht nur durch Auserwählte – dass man nämlich ausgeladen sei, „umstritten“, arbeitslos. Gecancelt eben.
    Einen solchen Moment erlebten im Jahre 2017 der Biologe Bret Weinstein und seine Frau Heather Heying, beide damals Professoren an einem staatlichen College in Washington. An der Hochschule wurde von einer Studentengruppe ein sogenannter Abwesenheitstag veranstaltet. Alle Weißen sollten den Campus an einem Tag nicht betreten. Weinstein weigerte sich, mit rassischer Segregation auf das Thema Rassismus hinzuweisen. Wieso soll es ein Zeichen von Toleranz sein, wenn eine Gruppe der Mehrheit den Zutritt zum Campus verweigert? Es kam zu Querelen am Campus mit Studenten und zu einer Auseinandersetzung mit der Hochschulleitung, in dessen Zug Weinstein und Heying das College schließlich verließen. Gecancelt.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung Albrecht Müller: Lesenswert.

  13. Ukraine 2.0 oder wem die Stunde schlägt
    Es hat sich nichts geändert. Nach der Lerntheorie eine Katastrophe. Nachdem das Abenteuer Ukraine zu einem einzigen Debakel wurde, sollte man meinen, es hätte so etwas wie eine Manöverkritik im eigenen Lager stattgefunden. Aber mitnichten. (…)
    Das, was in Sachen Belarus noch zu erwarten ist, wird dem Drehbuch der Ukraine folgen. Alle Anzeichen sprechen dafür. Aber was sagt das aus über den Teil der Welt, der behauptet, in ihm seien die Vernunft, die kritische Reflexion und die Menschenrechte zuhause? Die Antwort ist ganz einfach: die einstigen Bewohner sind längst ausgezogen.
    Wenn selbst die Utensilien immer dieselben sind, wird es langweilig. Die neue Ikone gegen den Autokraten Lukaschenko, der er zweifellos ist, ist selbst von der ersten Welle der ukrainischen Auflösung begleiteten Dame1 optisch kaum zu unterscheiden: Jung, unschuldig und reinen Herzens demokratisch, bis sich herausstellte, dass sie kämpfte, um eine korrupte Oligarchin zu werden.
    Wer sich neben den Empörungswellen fragt, wofür die Dame eigentlich steht, findet zunächst nichts außer der obligaten Freiheitsparole. Dann aber finden sich Aussagen, die ganz im Hymnus des Wirtschaftsliberalismus stehen und für die Verhökerung des Staates sprechen.
    Da wäre den Weißrussen zu raten, sich bei Ukrainern wie Russen einmal zu erkundigen, wohin das beim gemeinen Volke führen wird. Gemeint sind bittere Verarmung und Hunger. Dass Waldimir Putin dem freien Treiben der Ausbeinung einer Volkswirtschaft ein Ende bereitet hat, ist die Ursache für seine Dämonisierung.
    Quelle: Neue Debatte

    Anmerkung Christian Reimann: Auch die NachDenkSeiten betrachten die Vorgänge in Belarus und die Berichterstattung darüber kritisch. Bitte lesen Sie dazu auch Weißrussland – eine Einschätzung des Umgangs mit diesem Land von Willy Wimmer und Tagesschau-Halali zum Abschuss Lukaschenkos.

    dazu: Wer zieht die Fäden hinter den Unruhen in Weißrussland?
    Dass Frau Tichanowskaja in Weißrussland nur eine Scheinkandidatin war und ist, wird nun langsam auch im deutschen Mainstream deutlich. Aber wer steckt tatsächlich hinter den Protesten und wer wird aller Wahrscheinlichkeit vom Westen als tatsächlicher Nachfolger für Präsident Lukaschenko unterstützt? Auf diese Fragen gibt es durchaus Antworten.
    Haben Sie in Deutschland schon mal den Namen Waleri Zepkalo gehört? Nein? Das könnte sich in den nächsten Monaten ändern, denn er scheint der heimliche Kopf der Opposition gegen Lukaschenko zu sein. Aber der Reihe nach.
    Quelle: Anti-Spiegel

  14. Navalny
    1. Navalny wird nach Deutschland geflogen – Die deutschen Medien klammern die wichtigsten Fragen aus
      Mit keinem Wort wird in Deutschland erwähnt, dass die Grenzen wegen Corona geschlossen sind. Dass Deutschland, das derzeit keine Russen ins Land lässt, für Navalny eine Ausnahme macht, verwundert nicht. Aber wenn die russische Regierung etwas zu vertuschen oder gar einen Giftanschlag auf Navalny verübt hat, wie die deutschen Medien suggerieren, dann fragt man sich, warum Russland völlig unbürokratisch ein Flugzeug mit deutschen Ärzten ins Land gelassen hat. Russlands Grenzen sind für Deutsche ohne dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung nämlich auch geschlossen. Alle Bemühungen der deutschen Medien, Russland in ein schlechtes Licht zu stellen, werden zumindest schwer erschüttert, wenn man darauf hinweist, dass Russland hier ganz unbürokratisch eine Ausnahme gemacht hat.
      Noch interessanter ist aber eine andere Frage, die die deutschen „Qualitätsmedien“ auch geflissentlich aussparen. Navalnys Organisation wird in Russland als „ausländischer Agent“ geführt, weil sie aus dem Ausland finanziert wird und es gibt auch massive Ungereimtheiten bei der Finanzierung von Navalny. Die westlichen Medien stellen ihn als Kämpfer gegen Korruption dar, deshalb berichten sie nicht darüber, dass Navalnys Stiftung selbst keineswegs transparent ist. Er konnte die Herkunft von 14 Millionen Euro an angeblichen Spenden nämlich nicht erklären.
      Navalny, der in den deutschen Medien als russischer Oppositioneller dargestellt wird und dessen (finanzielle) Verbindungen in den Westen als russische Propaganda abgetan werden, wird hingegen sehr wohl aus dem westlichen Ausland unterstützt. Ganz offen wurde zum Beispiel zugegeben, dass Chodorkowski mindestens Navalnys Anwaltskosten bezahlt. Über die finanziellen Verbindungen von Chodorkowski zu Navalny und angeblich unabhängigen russischen Oppositionsmedien habe ich hier ausführlich berichtet. Wie unabhängig kann eine in Russland populäre, aber in Riga ansässige Internetplattform wie Meduza aber sein, wenn sie von Chodorkowski gegründet und mit Millionen finanziert wird? Er ist der einzige Finanzier von Meduza.
      Navalny hängt nach allem, was an öffentlich zugänglichen Informationen vorhanden ist, am finanziellen Tropf von Chodorkowski und anderen pro-westlichen NGOs. Wie würde wohl in Deutschland über einen deutschen „Oppositionellen“ berichtet werden, der sich seine regierungskritische Arbeit aus Russland oder China finanzieren lässt?
      Quelle: Anti-Spiegel
    2. Nawalny: Russische Ärzte widersprechen der Charité
      Die Charité spricht von einer Vergiftung durch einen Cholinesterase-Hemmer. Das lässt vielen Vermutungen die Türen offen, so lange die Substanz nicht benannt wird…
      Um welches Gift es sich handelt, konnten – oder wollten – die Ärzte nicht sagen. Das lässt aber noch vieles offen über die Art der Vergiftung, wozu sich die Ärzte nicht äußerten. Cholinesterase-Hemmer können über die Atmung, Hautkontakt oder Einnahme in den Körper gelangen. Nawalny soll vom Geheimdienst auf der sibirischen Reise minutiös überwacht worden, auf dem Flughafen hatte er einen Tee getrunken, im Flugzeug aber nichts mehr zu sich genommen….
      Wer lügt?
      Gestern versicherten allerdings die Ärzte aus der Klinik in Omsk, in der Nawalny zuerst eigeliefert und behandelt wurde, und das zuständige Gesundheitsministerium noch einmal, dass Tests auf eine Vielzahl von synthetischen Substanzen, darunter auch Hemmer, bei Nawalny negativ ausgefallen seien. Bei Einlieferung habe es, sagte der Chef-Toxikologe Alexander Sabaev der Region Omsk, keine klinischen Hinweise auf eine Vergiftung durch Cholinesterase-Hemmer gegeben.
      Man sei bereit, Proben von Nawalny an die deutschen Kollegen weiterzugeben. Man wird sehen müssen, ob das aufgegriffen wird bzw. wie ernst das Angebot ist. Zunächst hatten russische Ärzte eine Vergiftung mit einer halluzinatorischen Substanz gesprochen. Letzte Diagnose war eine Stoffwechselstörung als Auslöser. MRT-Scans sind schon übergeben worden…
      Kritisch kann man anmerken, dass Nawalny, der als Kreml-Kritiker, Korruptionsaufklärer und wichtiger Oppositionspolitiker dargestellt wird, auch seine dunklen Seiten als Populist hat. Er hatte rassistische und nationalistische Ton von sich gegeben, die aber nicht so ernst gemeint, und war auch bei den “Russischen Märschen” mitmarschiert. Aber das sollte natürlich nicht hindern, dass Menschen in Not geholfen wird. Man wird sich aber schon fragen können, warum Nawalny zum Gast der Bundeskanzlerin avancieren kann, während die Bundesregierung Julian Assange im britischen Hochsicherheitsgefängnis langsam zugrunde gehen lässt und keine Hilfe anbietet, seine Auslieferung an die USA zu unterbinden? Das sind die falschen Oppositionellen, denen Hilfe verweigert wird, während den politisch interessanten mit allen Mitteln geholfen wird…
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung Marco Wenzel: siehe dazu auch: Große Gefühle für Nawalny – eisige Kälte für Assange.

    3. Polizeischutz für Nawalny – Signal an Moskau
      Alexej Nawalny wird in der Charité behandelt – und als “Kanzlerin-Gast” schwer bewacht. Durchaus “ein Statement” der Bundesregierung gen nach Moskau, sagt ZDF-Korrespondent Koll.
      Quelle: ZDF heute
    4. Der Täter steht schon fest
      Deutsche Politiker fordern weitere Sanktionen gegen Moskau wegen Nawalny
      Während die Bundeskanzlerin von Moskau im Fall Nawalny Aufklärung fordert, haben sich viele deutsche Politiker bereits auf den Schuldigen festgelegt – und fordern weitere Sanktionen gegen Russland. Speziell Gegner von Nord Stream 2 nutzen den Fall zur Stimmungsmache…
      Quelle: RT deutsch
  15. Unterstützung des Aufrufs “Solidarität statt Schulterschluss mit Nazis”
    Beschluss des Geschäftsführenden Parteivorstandes vom 24. August 2020
    DIE LINKE unterstützt den gemeinsamen Aufruf gegen erneuten Marsch von “Querdenken” und Nazis am Samstag, den 29. August 2020, in Berlin.
    (…) Am 29. August 2020 wollen noch mehr Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungserzählungen, Rassistinnen und Rassisten, Islamfeindinnen und Islamfeinde, Antisemitinnen und Antisemiten, Holocaustleugnerinnen und Holocaustleugner sowie extreme Rechte von AfD, NPD bis hin zu Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern, III. Weg und Nazihools nach Berlin kommen und die Gelegenheit eines ungeahnt großen Publikums nutzen. Das nicht genug, handeln sie ohne Rücksicht auf Gefährdete – die Vergangenheit zeigt häufig große Menschenansammlungen ohne Abstand und Masken.
    Auch wenn nicht alle Demonstrantinnen und Demonstranten Nazis sind: Hier erscheint das Potential einer neuen Pegida-ähnlichen Straßenbewegung. Dem ist entschieden entgegenzutreten…
    Schon am 1. August haben einige von uns Proteste entlang der rechtsoffenen Aufzugstrecke und am nahegelegenen Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma organisiert. Lasst uns am 29. August mehr, sichtbar und frech sein, um einen entschlossenen Gegenpol zu schaffen!
    Wir wollen nicht zulassen, dass Nazis unwidersprochen im Zentrum Berlins marschieren und rufen dazu auf, sich uns anzuschließen…
    Quelle: Die Linke

    Anmerkung Marco Wenzel: Unfassbar, dieser Aufruf der Linken. Wo treibt die Parteiführung hin? Bereits letzte Woche sorgten die Äußerungen von Dietmar Bartsch zur Außenpolitik und insbesondere zur NATO für Aufregung und Verwunderung, ja sogar Empörung in der Friedensbewegung, wie untenstehender Aufruf derselben an die PdL belegt:

    dazu: Aufruf aus der Friedensbewegung an die Partei DIE LINKE.
    … Dietmar Bartsch. Seine Äußerungen zur Außenpolitik bereiten uns – Menschen aus der deutschen Friedensbewegung – große Sorgen um die letzte im Parlament vertretene Partei mit friedenspolitisch konsequenter Programmatik.
    In dem Interview geht es um die NATO-Orientierung der deutschen Außenpolitik. Die NATO ist das Militärbündnis, von dem aus die meisten und massivsten Völkerrechtsverletzungen seit dem Ende des Kalten Krieges ausgegangen sind und ausgehen…
    Statt gegen die brandgefährliche NATO-Politik vorzugehen erklärt Dietmar Bartsch in der Absicht, mit den Parteien, die die NATO-Politik mittragen, in eine Koalition gehen zu können, man sei „am Ende des Tages (…) auch auf diesem Feld regierungsfähig“. Er ergänzt, es sei absurd zu glauben, die Linken wollten eine Auflösung der NATO zur Voraussetzung für einen Regierungseintritt machen.
    Auch in der Frage der Auslandseinsätze der Bundeswehr erklärte Dietmar Bartsch eine sogenannte Diskussionsfähigkeit seiner Partei. Bartsch verwies darauf, dass die Mitglieder seiner Fraktion in der Vergangenheit im Parlament schon unterschiedlich abgestimmt hätten. Es sei absurd, anzunehmen, Linke würden sich an dem Tag, an dem ihre Partei Regierungsverantwortung übernehme „in die Flugzeuge setzen und die Jungs zurückholen“.
    Mit anderen Worten: Einsätze der Bundeswehr, die zur Destabilisierung ganzer Weltregionen und zu unsäglichem Leid sowie letztlich zu einer Zuspitzung von Fluchtursachen und Flüchtlingstragödien führen, sind für Mitglieder der Führungsspitze der Bundestagsfraktion der LINKEN (zukünftig) zustimmungsfähig.
    Diese Politik, die im Gegensatz zum Programm der LINKEN steht, darf nicht in die Realität umgesetzt werden. Sie dient nicht dem Frieden und widerspricht den Interessen der Menschen in den Kriegsgebieten und auch in unserem Land.
    Quelle: Frieden links

    Anmerkung Marco Wenzel: Siehe dazu auch: Friedenspolitik der LINKEN in Gefahr.

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