Zerstörung von Kleinwasserkraftwerken – “Ö K O L O G I S C H  G A R  N I C H T  W Ü N S C H E N S W E R T “

Zerstörung von Kleinwasserkraftwerken – “Ö K O L O G I S C H  G A R  N I C H T  W Ü N S C H E N S W E R T “

Zerstörung von Kleinwasserkraftwerken – “Ö K O L O G I S C H  G A R  N I C H T  W Ü N S C H E N S W E R T “

Ein Artikel von Julian Aicher

Gegenwärtig konzentrieren politische “Eliten” und “Qualitätsmedien” die öffentliche Aufmerksamkeit auf ein Virus. Im Schatten dieser PR-Kampagne führen “politisch Entscheidende” so manches aus, was erkennbar nicht die Zustimmung der Bevölkerung erfährt. Ein Beitrag von Julian Aicher[*]. – Diesen Beitrag veröffentlichen wir gerne, obwohl er thematisch weit weg ist von dem, was in aller Munde ist.

Behörden wollen Kleinwasserkraftwerke zerstören. Das schadet der Gewässerökologie.

Görwihl, Löffingen, Leutkirch-Rotismühle. jai. “Energiewende”. Davon lässt sich in Deutschland fast täglich lesen. Doch: Wie fühlen sich diejenigen, die Strom gewinnen, ohne das Klimagas Kohlendioxid (CO 2) in die Luft zu blasen? Wie geht’s zum Beispiel Kleinwasserkraftanlagen? Baden-Württembergische Behörden wollen jetzt zwei davon zerstören. Im Südschwarzwald. Angeblich zum Fischschutz. Doch Gewässerökologen finden das falsch.

Gemütliches Wasser-Plätschern. Fichten-Duft. Orte zum tief Durchatmen. Die Stauwehre der “Schattenmühle”-Säge Löffingen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) und “Schwarze Säge” (Kreis Waldshut-Tiengen) im Südschwarzwald gelten bei Wanderfreudigen als beliebte Ziele.

An beiden Wassertriebwerken entfaltet sich seit Jahrhunderten jene Energie, die sich freisetzt, wenn Tropfen vom Himmel fallen. Immer wieder. Regenerativ. Dort aus himmlischer Höhe, nachdem die Sonne beim Verdunsten Wasser in Wolken “gesogen” hat. Das alles also wirksam als erneuerbare Energie – ohne dabei auch nur ein Gramm Kohlendioxid (CO 2) in die Luft zu blasen.

Doch dieser uralten Kultur – ortsnah, bewährt und bei der Bevölkerung beliebt – Kraft zu verwenden, droht bald ein jähes Ende. Behörden wollen die beiden beschaulichen Stauwehre abbrechen lassen. Jetzt, Sommer 2020. Die bürokratische Zerstörungswut lässt damit eine eigentlich eingeschlafene Tradition atom- und kohlestromfreundlicher Politik wieder aufleben. Sie vernichtete bürger- und ortsnahe Stromerzeugung aus Wasserkraft. Arbeiteten auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg um 1945 noch rund 5.000 Wassertriebwerke, so sind es heute etwa 1.700. Deutschlandweit ratterten und surrten um 1900 noch circa 80.000 Wasserkraftanlagen. Heute rund 8.000. Also ein Zehntel.

Überfall am helllichten Morgen

Eine Fahrt zum Tatort. Dienstagvormittag, 4. August 2020. Der 68-jährige Elektromeister Richard Eschbach fährt von seinem Wohnort Görwihl-Rüßwihl zur nahen “Schwarzen Säge”. Fast versteckt am Waldrand – ohne Netz-Strom-Anschluss. Die Eheleute Eschbach haben 2014 dieses Anwesen gekauft, um es zu renovieren und Turbine und Generator weiterzubetreiben. Zur klimafreundlichen Stromerzeugung. Doch an diesem Morgen staunt Eschbach nicht schlecht: Auf seinem Grundstück am Triebwerks-Kanal stehen zehn Personen. Eschbach verlässt sein Auto, geht langsam auf die Eindringlinge zu und fragt sie freundlich: “‘Tschuldigung – darf ich erfahren, was Sie da auf meinem Gelände machen?”. Schon hat der Elektromeister einige Amtsleute wiedererkannt, da erfährt er von ihnen: “Wir brechen heute das Stauwehr ab. Der Bagger ist schon unterwegs.”

Vermutlich hätten andere Bürger angesichts solch eines zeitlich unangemeldeten Überfalls die Polizei gerufen und eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet. Nicht so Eschbach. So selbstbewusst wie friedliebend fragt er die Herrschaften vom Amt: “Habt Ihr diese Aktion mit dem örtlichen Fischereipächter abgesprochen?” Schnell stellt sich heraus: Haben sie nicht. Und nachdem auch der örtliche Bürgermeister eingeschaltet worden ist, dürfen die Amts-“Ökologen” samt Hilfskräften unverrichteter Dinge wieder abziehen. Bald wollen sie wiederkommen. Derzeit kündigen sie dafür Anfang September 2020 an.

Begründung für derart bürokratisches Brachialverhalten: Fischschutz. An Eschbachs Kleinwasserkraftwerk stauen seit Generationen Bretter insgesamt 70 Zentimeter hoch das Wasser auf. So entsteht ein Stau-Bereich mit etwa 600 Kubikmetern energetischem Nass. Lebensplatz für allerhand seltene Tiere und Pflanzen – wie eine (amtlich erstellte) Informationstafel nebenan erläutert. Diese Bretter und ihr Steingrund müssen weg – damit allerhand Flossentiere ungestört rauf- und runterschwimmen können. So der Glaube beim “Naturschutz”-Referat im Regierungspräsidium Südbaden in Freiburg, beim Landratsamt Waldshut und bei der Behörde “Vermögen und Bau” des Landes Baden-Württemberg.

Ganz anders hört sich das bei Ernst Ulrich von Weizsäcker an. Der international geachtete Biologe und Physiker vom “Club of Rome” stellte über Kleinwasserkraftwerke fest: “Die funktionieren ja und sind sehr häufig mit Fischtreppen und so ausgestattet, dass sie ökologisch vernünftig sind. Und häufig haben sie auch im Oberlauf dann einen kleinen Stausee – also kleine angestaute Mengen Wasser. Und das ist ein wunderbares Biotop für ökologische Vielfalt. Dies nun alles wieder in den möglichen Urzustand zu verwandeln, ist ökologisch gar nicht wünschenswert.”  So wortwörtlich zu sehen und zu hören im YouTube-Film “Win – Wasserkraft ist naturverträglich”. Dazu passend gibt’s inzwischen auch ein gleichnamiges Faltblatt. Zu bestellen für einen Euro plus Porto bei rio-s.de. Gefragt, ob die Beschreibung des “wunderbaren Biotops” auch für die “Schattenmühle”-Säge und die “Schwarze Säge” gelte, antwortete von Weizsäcker eindeutig mit: “Ja”.

Fischsterben durch Amtshandeln?

Doch solches Fachwissen ficht die Zerstörungswilligen nicht an. Ob sie sich damit im Recht befinden? Zumindest wiesen ein Limnologe und ein Biologe, die kurz vor Mitte August 2020 die “Schwarze Säge” besuchten, auf Umweltgesetze hin. Sie warnten, ein Bagger, der das kleine Stauwehr abbrechen solle, wirble dabei auch aufgestauten Schlamm ins “Schwarzenbächle”. Dieser setze Faul-Gase frei. Erkennbar schon jetzt an gelegentlich dort aufsteigenden Bläschen im Wasser. Also Gase, die massiv freigesetzt bei Niedrigwasser wie Mitte August 2020 in diesem Gewässer ein Fischsterben auslösen würden. So etwas zu tun, sei nach gültigen Umweltgesetzen eindeutig strafbar.

Die bedrohte “Schattenmühle”-Säge und die “Schwarze Säge” haben inzwischen auch innerhalb des “Bund für Umwelt- und Naturschutz” Diskussionen ausgelöst. Was ist wichtiger? Vermeintlicher “Naturschutz” oder “Energiewende”? Dass sich da auch ein Kompromiss entwickeln lässt, zeigte eines der BUND-Mitglieder im Schwarzwald auf. Er wies auf einen Bautypus für einen Fischpass, der in Rheinland-Pfalz bereits mehrfach erfolgreich in Wasser-Staustellen eingebaut worden sei. Mit “Wander”-Möglichkeit für Wassertiere. Wasserkraftler Richard Eschbach würde so etwas gerne an der “Schwarzen Säge” einbauen lassen. 

Darüber gründlich nachzudenken – und die Beobachtungen des Biologen und Limnologen vor Ort zu berücksichtigen – fordert auch die CDU-Landtagsabgeordnete Sabine Hartmann-Müller. Während sich “grüne” Landtagskollegen von ihr bisher persönlich nicht an der “Schwarzen Säge” zeigten (und stattdessen schriftlich auf Amts-Aussagen verwiesen), hat die Unionsfrau aus dem Wahlkreis Waldshut das Triebwerk schon mehrmals besucht – und selbst das Stuttgarter Wirtschaftsministerium angeschrieben. Hartmann-Müller fordert nun erstmal einen umfassenderen Bericht des Limnologen und Biologen. Außerdem: einen einstweiligen Stopp der Abbruchpläne. Dies wünscht für seine “Schattenmühle”-Säge auch Franz Frey. Er hat sich deshalb mit einer Petition an den Landtag gewandt. Eine “grüne” Kreisrätin vom Kreistag Waldshut-Tiengen möchte derweil ihren Parteifreund und Landesumweltminister Franz Untersteller um Zurückhaltung bei den Zerstörungsplänen bitten.

Kein ganz leicht durchzubringender Wunsch. Denn jeder Tag, an dem “die Öffentlichkeit” mehr über die Fakten vor Ort erfährt, zeigt, wie widersinnig die ganze Behördenaktion ist. So behaupten die Amtsleute, durch Zerstörung des bewährten Stauwehrs werde das Schwarzenbächle “durchgängig” für Fische. Doch wer genauer hinschaut, sieht: Nur etwa 300 Meter Gewässer unterhalb stürzt der Bach rund 3 Meter tief einen Felsen runter. Dort kommen Flossentiere nach amts-“ökologischer”- Lesart nicht rauf. Mehr noch: Nach circa 3 Kilometern mündet das Schwarzenbächle in das Stausystem des “Schluchseewerks”. Also zweimal definitiv Fehlanzeige für die “Durchgängigkeit”.

Wissen das die Amtsleute nicht? Oder wird da ein ganz anderes Spiel gespielt? Manche äußern Vermutungen, die “Fachbehörden” wollten an der “Schwarzen Säge” vollziehen, was sie gegenüber dem “Schluchseewerk” nicht durchsetzen konnten. Den Sack schlagen – und den Esel meinen?

Ein offenbar wohl mehr als fragwürdiges Verfahren. Wie kommen Behörden aus diesem Kuddelmuddel wieder raus? Durch einstweiligen Stopp der ganzen Aktion? Durch Innehalten eine Zeitlang? Durch ein entsprechendes Machtwort des Ministers? Dieser reiste schon persönlich zum Pressefoto-Termin an, wenn im  südwestdeutschen “Ländle” ein Stauwehr vom Bagger zerstört wurde. Und zwar auch, nachdem ein regionales Umweltbüro und der örtliche Gemeinderat darum gebeten hatten, die beschauliche Stauanlage an der Jagst zu erhalten. Ob der “grüne” Minister Franz Untersteller damit bei vermeintlichen “Naturschützern” punkten möchte? Oder ob es ihm eher darum geht, dem großenteils landeseigenen Atom- und Kohlekraftwerke betreibenden Stromkonzern “Energie Baden-Württemberg EnBW” kleine, aber immer vielfältigere Konkurrenz wegzuschaffen? Das lässt sich vermuten. Denn auch bei der Windenergie nimmt Baden-Württemberg in Deutschland das Schlusslicht ein – gefolgt nur noch vom Saarland, von Bremen, Hamburg und Berlin. Dazu Untersteller im Herbst 2019:  “So kann es nicht weitergehen.” Selbst beim Sonnenstrom steht Baden-Württemberg eher im Schatten – zumindest liegt bei photovoltaischen Freilandanlagen weit hinter Bayern. Und die Nutzer der verlässlichen erneuerbaren Energiequelle Biogas fühlen sich von Minister Untersteller nicht minder “gehasst” als die Kleinwasserkraftler.

Selbst “Landesmutter” Gerlinde Kretschmann äußerte bei einem “Südwestrundfunk”-Fernsehinterview spontan den Satz, bei der “Energiewende” laufe es im deutschen Südwesten “nicht so flott”. Da fragt sich, wie die “Grünen” angesichts einer derart übersichtlichen Bilanz in Sachen sonniger Energien ausgerechnet ihrer Stamm-Wählerschaft kurz vor der Landtagswahl im März 2021 vormachen möchten, die “Grünen” im Südwesten seien nach wie vor eine “Umweltpartei”. Umweltminister Franz Unterstellers Lösungsangebot dazu: Er möchte ab 2021 nicht mehr Minister sein.

Noch sind sie nicht zerstört, die beiden Stauwehre der Wassertriebwerke im Südschwarzwald. Eine neue Umweltministerin oder ein frischer Umweltminister ab 2021 könnten bei ihrem Erhalt womöglich aufatmen. Empfahl doch das “Büro für Technikfolgenabschätzung” beim Deutschen Bundestag in seinem Buch “Was bei einem Blackout passiert” (von 2011), kleine Erneuerbare-Energiekraftwerke als Stützen von Netz-Strom-Inseln. Ob dann bei einem Stromausfall die Lichter wieder angehen könnten?


[«*] Julian Aicher ist Inhaber des Informationsbüros rio’s (rio-s.de) und diente 2000 bis 2020 der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg als Pressesprecher. Er unterhält selbst ein Kleinwasserkraftwerk.

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