Die einhellige Diffamierung von US-Präsident Donald Trump sowie die unhaltbare Darstellung der US-Demokraten als das „gute Amerika“ sind selektiv und verzerrend. Aus beiden Aspekten folgen große Irreführung und Orientierungslosigkeit bezüglich der USA. Von Tobias Riegel.
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Es ist nicht leicht, ein konstruktives Gespräch über den US-Präsidenten Donald Trump zu führen: Zu leidenschaftlich stehen sich die Pole gegenüber. Hier soll trotzdem versucht werden, über den US-Wahlkampf zu schreiben, ohne Trump rundum zu verteufeln. Und ohne die Gegenseite als moralisch eindeutig im Vorteil zu bezeichnen. Dass der Verzicht auf eine pauschale Diffamierung Trumps nicht bedeutet, dass man sich mit seinem Stil und seinen Inhalten identifiziert, ist selbstverständlich. Es soll hier trotzdem noch einmal betont werden: Donald Trump ist ein radikaler Großkapitalist, positive Charakterisierungen als Widerstandskämpfer gegen das Establishment oder als Friedensbotschafter sind zurückzuweisen. Ebenso zurückzuweisen sind aber Exzesse der Verteufelung und die Zeichnung der US-Demokraten als das „gute Amerika“.
Manipulation und Verzerrung zur US-Politik
Die Berichterstattung großer deutscher Medien zum US-Wahlkampf ist extrem selektiv, es sind vor allem die bereits erwähnten Aspekte zu kritisieren: Die einseitige Diffamierung des Präsidenten sowie die unhaltbare Darstellung der US-Demokraten als das „gute Amerika“. Aus beiden Aspekten folgt große Irreführung und Orientierungslosigkeit bezüglich der USA: Wohin die tatsächlichen Entwicklungen gehen könnten, wird vernebelt. Angesichts von emotionalen und verzerrten Artikeln kann sich der Bürger kein reales Bild von den USA machen – etwa davon, dass es eine „US-Kriegspartei“ gibt, die sich über die Parteigrenzen von Demokraten und Republikanern erstreckt.
Bezüglich Donald Trump ist eine Trennung der Betrachtungen zur Innen- bzw. zur Außenpolitik angebracht: Innenpolitisch betreibt er die Polarisierung der Gesellschaft ebenso wie seine Gegner bei US-Demokraten und in zahlreichen Institutionen. Außenpolitisch ist das Bild nicht so eindeutig: Einerseits können Tendenzen festgestellt werden, große militärische Konflikte zumindest vorerst nicht weiter zu eskalieren. Andererseits werden unter Trump die Konflikte etwa mit China, Venezuela oder Iran vorangetrieben, wenn auch auf einer bisher weitgehend nicht-militärischen Ebene. Die Bereitschaft zu großen militärischen und für alle Seiten extrem verlustreichen Einsätzen der US-Armee erscheint aber bei den US-Demokraten erheblich größer. Ebenso scheint dort die Bereitschaft erheblich kleiner, die selber ausgehobenen Gräben zu Russland zu überbrücken. Die NachDenkSeiten haben dazu geschrieben:
„Vor allem die Innenpolitik des US-Präsidenten muss sehr kritisch betrachtet werden, da Trump hier seinen bösen Worten meist auch schlimme Taten wie die grausame Isolierung der Migrantenkinder, eine generelle Mobilisierung durch Rassismus oder riskante Finanz-Deregulierungen folgen lässt. Der wirtschaftsliberale Radikal-Kapitalist Trump ist darum keineswegs jener Retter der Arbeiterklasse, wie es seine Wahlkampagne suggeriert hat.
Insofern kann man sich leicht auf eine Ablehnung der Person und der Symbolik Trumps einlassen – schließlich befindet man sich damit auf jeden Fall auf der komfortablen, „richtigen“ Seite. Allerdings ist die angebotene Alternative inakzeptabel: Abschreckend ist bereits die aufreizend arrogante Haltung vieler Gegner Trumps sowie ihre teils merkwürdigen Koalitionen aus „liberalen“ und russen-feindlichen US-Kriegstreibern einerseits sowie „linken“ Subkulturen andererseits.“
US-Demokraten: Falken durch die Hintertür
Ob Trumps aktuelle Pläne einer Begnadigung Edward Snowdens ernst gemeint sind, bleibt abzuwarten. Positiv wären bezüglich Trump noch die Teil-Abzugspläne für die US-Armee aus Deutschland zu erwähnen. Es erscheint unsicher, ob diese Pläne unter einem US-Präsidenten Joe Biden ebenso vorangetrieben würden.
Der ehemalige außenpolitische Berater von Ex-Präsident Barack Obama, James Carden, hat etwa große Sorgen vor „Cold War Liberals“ – diese kriegstreiberischen US-Demokraten hätten selbst einen Präsidenten Bernie Sanders noch isolieren können. Die genannte „Hintertür“ für Falken würde bei einem Präsidenten Biden noch weiter geöffnet werden. Carden formuliert das auf „Consortium News“ so:
„Ich würde sagen, das ist es, was mich am meisten beunruhigt, wenn es um eine mögliche Präsidentschaft von Sanders geht. Es ist ein Weg, der es den liberalen Falken erlaubt, durch die Hintertür einzutreten.“
Allgemein steht zu befürchten, dass ein Sieg der US-Demokraten den in Deutschland stark vertretenen, aber aktuell in die Defensive geratenen Transatlantikern neuen Aufwind bescheren könnte, zumindest auf der Propaganda-Ebene.
Deutsche Medien trommeln für Biden – und waschen ihn weiß
Dementsprechend trommeln die großen deutschen Medien auch für Joe Biden und gegen Donald Trump. Auch wenn man Trump höchst kritisch gegenübersteht, so muss doch diese Art der „Information“ als höchst ungenügend und irreführend bezeichnet werden. Auffällig ist auch, dass die politische Vergangenheit Joe Bidens nicht angemessen thematisiert wird. Dazu gehört etwa dessen Haltung zu Gesetzen aus den 90er Jahren, die fatale Massenverhaftungen vor allem schwarzer Männer zur Folge hatten. Biden gehörte zu den Protagonisten einer Kampagne, die diese heute als rassistisch klassifizierten Paragrafen durchsetzen sollte, teils unter dem Propaganda-Label „Krieg gegen die Drogen“. Es ist in den USA nicht möglich, den strukturellen Rassismus „abzuwählen“. Diese Kontinuität wurde auch von Barack Obama nicht unterbrochen. Viele der juristischen und ökonomischen Mechanismen, die benachteiligend gegenüber Afroamerikanern wirken, wurden auch von Demokraten entweder eingeführt oder nicht abgeschafft. Dass Biden heute von vielen großen deutschen und US-amerikanischen Medien als Kämpfer gegen Rassismus dargestellt wird, kann nur als Heuchelei und Manipulation bezeichnet werden.
Zu dieser Manipulation gehört auch, dass der mutmaßlich bedenkliche Gesundheitszustand Bidens nicht angemessen behandelt wird. Ebenso haben die US-Demokraten etwa durch die Kampagne zu „Russia-Gate“ erheblich zu der inneren gesellschaftlichen Spaltung beigetragen, die sie nun allein dem Präsidenten anlasten wollen. Die NachDenkSeiten haben dazu geschrieben:
„Man muss aber daran erinnern, dass die extreme Verschärfung der Debatte auch vorbereitet wurde durch Politiker der Demokratischen Partei und durch große US-Medien, die gegen Trump eingestellt sind. Trump wird härter angefasst als alle anderen US-Präsidenten zusammen. Aus einer sich selber immer wieder gegenseitig bestätigten Position der angeblichen moralischen Überlegenheit leiten Redakteure und Politiker für sich schon seit Trumps Wahlsieg ab, dass Presse-Standards außer Kraft gesetzt sind – schließlich geht es gegen den „Faschisten“ Trump.“
Medien verabschieden sich offiziell von den Standards
Diesen Abschied der Presse von eigenen Standards illustrieren etwa zwei Artikel aus großen deutschen Medien. Die Tendenz zu einer bewusst unseriösen Berichterstattung geht weit über die US-Wahlen hinaus. Diese sind aber aktueller Anlass, um weiter an den ethischen Grundsätzen des Journalismus zu sägen: Bei der „Zeit“ wurde aktuell ein fragwürdiger Kommentar mit dem Titel „Rettet die Wahrheit!“ veröffentlicht. Hier wird behauptet, die Demokratie sei „darauf angewiesen, dass nicht jeder Unsinn die Debatte bestimmt“. Auch wenn es „zum guten Ton“ gehöre, vor Einschränkung der Meinungsfreiheit zu warnen. Der Satz, dass es immer zwei Seiten gibt, komme im politischen Diskurs einem Rückfall in die Vormoderne gleich. Als Beispiel für solchen „Unsinn“ nennt die „Zeit“ Berichte, die den US-Präsidenten Donald Trump nicht einseitig genug verdammen.
„Die Aufforderung, sich von der Leitung eines anderen loszusagen, eröffnet demnach die Möglichkeit, alles zu sagen, was einem gerade in den Kram passt. Wie zum Beispiel, dass Trump auch seine guten Seiten hat.“
Der Kommentar ist nicht die erste Aufforderung, die „Fesseln“ einer zumindest behaupteten Neutralität abzulegen. Diese Neutralität ist in vielen großen Medien bei zahlreichen Themen ohnehin eine hohle Phrase. Soll nun aber auch „offiziell“ Abstand genommen werden vom Grundsatz, alle Seiten eines Konflikts gleichberechtigt abzubilden? Kürzlich hat der „Spiegel“ bereits in einer ähnlichen Weise kommentiert, als er feststellte, „Die Zeit der Neutralität ist vorbei“, und fortfuhr:
„Donald Trump konnte überhaupt nur gewählt werden, weil die “New York Times” oder der Nachrichtensender CNN mit ihrem Anspruch auf journalistische Fairness den abstrusesten Faktenverdrehungen immer wieder Raum gegeben haben.“
Der NYT im Umgang mit Donald Trump übertriebene journalistische Fairness zu unterstellen, erscheint einerseits weit hergeholt. Andererseits stimmt aber: Für die Quote und aus anderen Motiven wurde Trump von US-Medien (ähnlich der AfD durch den „Spiegel“) immer wieder großer Raum gegeben, natürlich auch durch negative Berichterstattung, die aber die Bekanntheit zusätzlich hochhielt.
Die „einst so stolze amerikanische Demokratie“
Die Aufforderungen zur Einseitigkeit tragen Früchte in der deutschen Berichterstattung über den US-Wahlkampf. Stellvertretend für zahllose aktuelle Artikel und für das unseriöse Niveau der deutschen Berichterstattung zur „stolzen amerikanischen Demokratie“ sei hier etwa die „Frankfurter Rundschau“ zitiert:
„Die Botschaft der Demokraten unter Joe Biden ist klar: Sie wollen alle Kräfte im Land zusammenführen, die sich von dem autokratischen Narzissten im Weißen Haus nicht vertreten fühlen und um die Werte der einst so stolzen amerikanischen Demokratie fürchten. Die Wahl am 3. November soll ein Aufstand der Anständigen werden, eine breite Absage der Gesellschaft an einen Mann, der inzwischen durch die Sabotage der Post offen eine Manipulation der Wahlen vorbereitet. Dieses Mal geht es für die Amerikaner um Alles.“
Albrecht Müller ist kürzlich in diesem Artikel auf gewalttätige Aspekte der US-Politik eingegangen und auf die Notwendigkeit, dass sich die deutsche Politik davon emanzipiert. In dem Artikel heißt es auch, „dass unsere Politikerinnen und Politiker in Europa und unsere Wissenschaftler, viele Medien und außenpolitische sogenannte Experten in Europa säuberlich differenzieren – zwischen den unangenehmen USA des Präsidenten Trump und den guten USA seiner politischen Konkurrenten und Vorgänger. Der Unterschied ist aber nicht groß. Anderes zu glauben, ist eine lebensgefährliche Täuschung.“
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