Leserbriefe zu „Der Fall Lisa Eckhart – Cancel Culture in Deutschland“
In diesem Beitrag diskutiert Jens Berger über die Kabarettistin Lisa Eckhart und Medien, die ihr „Antisemitismus, Rassismus und weitere unschöne Dinge vorgeworfen“ haben. In Hamburg ist die Künstlerin ausgeladen worden. Jens Berger erhebt den Vorwurf, dass „große Teile des sich selbst als linksliberal verstehenden deutschen Feuilletons offenbar die Satire von Lisa Eckhart nicht einmal im Ansatz verstehen“ und erinnert an Absagen von Satire- und Kabarettstücke im Jahr 1930. Er warnt vor Wiederholungen.
Einige Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten haben sehr schnell auf diesen Text reagiert und uns eine Email geschickt. Wir bedanken uns sehr für die eingereichten Leserbriefe. Es folgt nun eine Auswahl der gesendeten Antworten. Zusammengestellt von Christian Reimann.
1. Leserbrief
Lieber Herr Berger,
Vielen Dank für diesen aufklärenden Artikel, der entlarvt, dass die dogmatisch festgefahrene “Gemeinde” nicht den Spiegel versteht, den die Kunstfigur Lisa Eckhart ihr vorhält. Sie wird somit missbraucht und in eine rechte Ecke gedrückt, in die sie nicht reinpasst. Schade, dass unsere Buchung für ihren Auftritt am 23. Oktober Corona bedingt sicher ausfallen wird.
Liebe Grüße
Christof Adler
2. Leserbrief
Hallo Herr Berger.
Wer keine Lust hat, schnell denken zu müssen um Lisa Eckhart’s geistigem Trommelfeuer folgen zu können, soll’s dann eben lassen! Oder er soll sich solange ihre Texte anhören und anschauen bis er ihre Sprache versteht.
So wird er von Lisa’s überragendem Sprachrhythmus nicht nur zum mitgehen, sondern gar zum mittanzen gelockt.
Zu erkennen, vorgeführt zu bekommen, welche spielerische Kraft die deutsche Sprache tatsächlich besitzt ist eine Höhrweide.
Ich versichere, er darf dann auch erleben, wie großartig, wie flexibel, wie gut und böse, wie sie schmeichelnd, auch in die Irre führt, sich lustig macht über unsere verdutzten Ohren. Sie ist für mich eine sehr große Wortpianistin.
Vielen Dank Herr Berger. Lisa ist nicht nur eine Augenweide, sie ist großartig durch ihren Tanz mit der deutschen Sprache!
Klaus Vogt
3. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
hervorragend Ihr Beitrag zum Auftrittsverbot von Lisa Eckhart.
Ja die Frau ist schon schwere Kost, öfter.
Dass selbsternannte Wächterinnen und Wächter aus dem sich selbst so bezeichnenden linksliberalen Lager zu dumm sind, lisa eckhart zu verstehen, wundert mich schon länger nicht mehr.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Hennig
4. Leserbrief
Hallo Herr Berger,
dass ich das noch erleben darf(muss). Die Nachdenkseiten Hand in Hand mit Nuhr, Broder, Thichy und anderen Ikonen des konservativen Think tank ,im Kampf gegen böse linksliberale Umtriebe, die den letzten armseligen Resten deutschsprachigen Kabaretts den Garaus machen wollen. Und wen meinen Sie mit den Oberlehrern, Hildebrandt, Schramm, Pispers usw.? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, oder Satire?
mfG
Reiner Müller
Antwort Jens Berger:
Hallo Herr Müller,
die Verrenkungen von Henryk M. Broder in dieser Sache habe ich mit einem gewissen Amüsement notiert. Der Arme hat es da ja auch wirklich nicht einfach. Die Geister, die er rief. Dass konservative Stimmen den konkreten Fall auch kritisch kommentieren, ist natürlich wenig verwunderlich. Da sollte man sich eher die Frage stellen, wie glaubhaft das ist. Gerade Henryk M. Broder ist die Rolle des Leuchtfeuers der Meinungsfreiheit ja wohl kaum ernsthaft abzunehmen. Sei es drum. Ich hätte mich ja gefreut, wenn Sie ihre Vorwürfe mir gegenüber auch inhaltlich untermauern könnten. So bleibt nur der schale Verdacht, dass sie auf die unselige „Querfront-Debatte“ rekurrieren, die genauso abgestanden ist wie der Humor eines Dieter Nuhrs.
Beste Grüße
Jens Berger
5. Leserbrief
Endlich gibt es wieder einen Anlass, gegen den vermeintlichen linksliberalen Mainstream einen Ringkampf im Schattenboxen auszutragen.
Dass Lisa Eckhart auch von der FAZ, der Jüdischen Allgemeinen und dem “Antisemitismusbeauftragten” der Bundesregierung kritisiert wurde, passt natürlich nicht ins Bild der fiesen und mächtigen Linksliberalen mit ihrer bösen Cancel Culture und wurde deshalb wahrscheinlich auch nicht erwähnt.
Dass die Drohungen von Autonomen überhaupt nicht belegt sind? Geschenkt. Man habe aber “aus der Nachbarschaft gehört, dass sich der Protest schon formiert.” Dass dieser notwendigerweise gewalttätig sein würde, denkt man sich einfach dazu. Vielleicht ist es auch einfach nur eine billige Ausrede der Veranstalter?
Die rechten Journalisten in den Redaktionsstuben (es gibt sie noch!!) und Dieter Nuhr schäumen natürlich über einen wiederholten Fall von Cancel Culture und die Nachdenkseiten sind mit dabei. Auf den Nachdenkseiten finde ich übrigens nichts zu der seit jahren andauernden Serie von Brandanschlägen auf Migranten und Antifaschisten in Neukölln, mit vermuteter Verstrickung der Polizei. Jüngst hat der Generalstaatsanwaltschaft den Fall wegen Befangenheit(!) der beiden Staatsanwälte an sich gezogen. Diese Form der “Cancel Culture” ist Dieter Nuhr und den Nachdenkseiten offensichtlich keine einzige Zeile wert. Und das finde ich zum Kotzen!
Gruß
Sebastian Buntschuk
Antwort Jens Berger:
Sehr geehrter Herr Buntschuk,
Sie meinen also, der sich als „links“ verstehende Nochtspeicher hätte sich die Bedrohung nur ausgedacht? Warum sollte er das tun? Sorry, aber das würde ich mal unter „Verschwörungstheorie“ verbuchen.
Beste Grüße
Jens Berger
6. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
eine kluge, schöne androgyne Frau, eine Provokation – geht gar nicht?
Doch, denn es würde dem verstaubten Image des gesellschaftskritischen Kabaretts gut tun!
Die Kunst der Satire wird jedoch überwiegend von Männern dominiert, und dies begründet – unter anderem – die scharfe und mir unverständliche Ablehnung. Und das selbst ernannte links-intellektuelle Publikum müsste innehalten, müsste nachdenklich aus dem Theater gehen, müsste betroffen sein! Nicht so lustig und entspannend – so wollten wir das aber nicht!
Wer allerdings auf Mainstream-Kabarett und schenkelklopfendes Publikum setzt, der gehört zu den ewig Gestrigen!
Es bedeutet Stillstand und Ignoranz; Fortschritt in der Satire-Kunst, nein, sondern kleinkariertes Denken der selbsternannten „Nichtspiesser“ und gelobten Feuilletonisten*innen!
Lisa Eckhard, gerne mehr!
Ihre Boshaftigkeit – ein großes Vergnügen!
Mit freundlichen Grüßen
M.R.
7. Leserbrief
mein „Fratzebuch“-Kommentar dazu:
Ich fand ja Lisa Eckhart lange Zeit, in ihrer Anfangszeit, sehr gut und sehr viel besser* als seit ihrer Anbiederung an (“Humor” à la) Dieter Nuhr… naja, sie ist jung und braucht das Geld … vermutlich längst nicht mehr . Aber damit ist sie immer noch um Klassen besser – weil böser – als dieser Kasper oder die meisten anderen “Kabarettisten” deutscher Zunge. Endlich mal einer, der’s begriffen hat: nachdenkseiten.de/?p=63631
Aber wie traurig, dass die doitschen “Intellektüllen” derartige plakative Nachhilfe brauchen. Wie peinlich ist DAS denn?
*Man schaue sich bspw. die frühen Videos an, in denen sie ihre Sprach- und Reimakrobatik exzessiv vorführt wie im “Letzten Abendgemahl”, ihrer Fortsetzung des Pygmalion-Mythos, dem Weltrettungsplan, dem “Zeugen Jehovas” u.v.a.m. Dagegen ist vieles von heute anscheinend aus purer Lust an der schmuddeligen Provokation unterhalb der Gürtellinie motiviert. Kann man machen … vermutliche Ursache: Österreicher*Innen und ihr Freud-Komplex … lustig oder gar wirklich satirisch ist das aber nicht mehr, finde ich. Aber ich bin ja auch nur ein humorloser (weil norddeutscher) alter weis(s)er Mann
Vielen Dank und liebe Grüße
Bernd Kulawik
8. Leserbrief
liebes Team der Nachdenkseiten,
danke, Jens Berger, für den erhellenden Beitrag!
Lisa Eckhart ist auch für mich eine „Überbringerin der schlechten Nachricht“.
Ihre drastische Performance fordert das Publikum – es geht um uns / es geht um mich.
Volker Pispers hielt dem gesamten Publikum den Spiegel vor (bis es ihm reichte?): zum Beispiel nannte er erst die BWLer und dann auch die Zahnärzte, aber letztlich immer das gesamte Publikum, welches sich reflexartig zu den Guten zählt (und mit den Eintrittskarten zum Kabarett Ablass erbittet…).
Ein weisser (alter) Mann, der „dürfte“ das.
Mathias Richling, ein weisser (alter) Mann. Der darf das – immer – noch.
Für mich hält uns heute keiner so den Spiegel vor wie Rolf Miller. Proll (der Proll in uns), frauenfeindlich, breitbeinig, minderheitenfeindlich geht er hart zur Sache.
Ein weisser (mittelalter) Mann. Warum darf der das – immer noch?
Lisa Eckhart kommt nicht als weisser (alter) Mann und genauso wenig als Proll sondern ?
Interessant, dass meistens auf merkwürdige Weise zwischen dem einzelnen Kabarettisten und (seiner) Bühnenfigur getrennt wird (auch wenn der das vielleicht gar nicht will…), aber dies so gar nicht bei Lisa Eckhart.
Ergo: „Die ist so“ – weiss, jung und weiblich setzt Lisa Eckhart ihren Körper ebenso ein wie der diesbezüglich minimalistische Rolf Miller.
Ist es das, was dazu führt, dass das Publikum sie noch schwerer versteht bzw. die Botschaft noch schwerer erträgt?
Wenn Lisa Eckhart Auftrittsverbote erhält, müssen wir letztlich auch um Mathias Richling und Rolf Miller fürchten.
Anita Idel
9. Leserbrief
Guten Tag Herr Berger,
Der Fall Lisa Eckhart…dieser Titel…schon wieder eine Satire…
Eine der besten Satirikerinnen der Neuzeit wird kriminalisiert. Die Frau ist intelligent, scharfzüngig, vulgär, grenzwertig….anders…
Ich liebe sie und die Dummheit dieser Welt hat sie gar nicht verdient.
Lisa…mach weiter so J
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Schreiber
10. Leserbrief
Da hilft letzten Endes nur Schutzhaft
Leider gibt es zunehmend Personen wie diese “Kabarettistin” L.E., die erheblichen öffentlichen
Anstoß erregen, somit unbeherrschbare Reaktionen hervorrufen und damit den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates gefährden.
Es muss also dringend ein geeignetes Gesetz her – Vorlagen gibt es schon – und man sollte auch an die Errichtung von Lagern für diese Individuen denken.
Mit freundlichen Grüßen,
Harald Artur Irmer
PS. Satire gratis
11. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
vielen Dank, das sie darauf hinweisen, das Frau Eckhart vom Harbour Front
Literatur Festival ausgeschlossen wurde.
Ich habe mir die verlinkten Videos angesehen und bin begeistert. Frau Eckhart versteht es meisterlich Wortwitz und -spiel übereinander zu stapeln, so das mir tatsächlich einiges entgeht.
Sie stellt alle Stereotypen in Frage, dort wo sie sie findet und hält ihrem Publikum den Spiegel vor. Sie scheut sich nicht Kategorien wie Schwarze, Antisemiten, Transgender und weiter gesellschaftliche Tabus gnadenlos zu persiflieren. Allein dafür danke ich ihr.
Ihrer Bewertung, Herr Berger, kann ich mich nur anschließen. Es handelt sich um eine lächerliche Posse, die mit vorgeschobenen Gründen gerechtfertigt wird.
Die Verantwortlichen sollten freiwillig ihren Posten aufgeben, um sich noch eine Rest an Anstand zu erhalten.
Mit freundlichem Gruß
Thomas Heimberg
12. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
als Ergänzung zu Ihrem sehr guten Beitrag über Lisa Eckart zitiere ich den Facebook-Post ihres Comedy-Kollegen Wigald Boning, der in seiner gewohnten Manier am 7.8.202 einen Tagebucheintrag veröffentlichte:
“Jetzt Lisa Eckhart. Ausgeladen, weil für‘s Schanzenviertel zu…zu…ungeeignet. Mein lieber Herr*in Gesangsverein, was sind wir doch für verweichlichte Memmen im Ertragen abweichender Ansichten geworden.”
Besser hätte ich es auch nicht ausdrucken können. Selbst auf Satire-Fanseiten wird ihre Performance sehr zwiespältig aufgenommen, die sehr deutlich offenbart, wie das Humorempfinden in Deutschland ausgeprägt ist und welcher Duktus in dem weiterführenden politischen Diskurs die Deutungshoheit für sich beansprucht. Zusammen mit Dieter Nuhr wurde sie zur Hassikone ernannt und nun unisono als “unlustig” bewertet. Dabei spielt es keine Rolle, ob “lustig” rein über den Satzbau, die rhetorische Erwartungshaltung des Zuschauers oder ähnlich technische Aspekte definiert wird. Der rein ideologische Kontext wird, ohne die Zunahme von Ironie, zur Einordnung verwendet und offenbart ein deutliches Defizit an der Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen echten Populisten und denen wie Lisa Eckart, die das Populismusverständnis einfach mal umkehren.
Zu Bonings Aussage “…Ertragen abweichender Meinungen…” haben wir uns auch schon viel ausgetauscht. Wie amerikanische Studenten zuweilen damit umgehen, habe ich 2016 in diesem Artikel erfahren dürfen, wo Studenten in “safe spaces” alles Unerträgliche einfach aussperren: spiegel.de/spiegel/political-correctness-verbiegen-wir-unsere-demokratie-zu-tode-a-1124459.html
Es scheint tatsächlich so, als müsste die Gesellschaft als Ganzes Minderheiten einen Sonderstatus einräumen. Doch ist das meiner Auffassung nach keine Inklusion, sondern Exklusion, die paradoxerweise zu Ausgrenzung führen kann. Natürlich ist es wichtig, gefährdete Gruppierungen nicht noch weiter auszugrenzen, sondern dem vorzubeugen, doch wird ihnen durch die Erhebung keine Gleichberechtigung zugesprochen, sondern eine Besserstellung gegenüber der Mehrheit. Ich bin überzeugt davon, dass dies zu weiteren Verstimmungen im gesellschaftlichen Klima führen wird.
Wie gerne habe ich dabei vernommen, dass Sie Monty Python als Stichwort anbrachten. Auch bei der Kulttruppe muss man schon genauer hinschauen, um die Bedeutung von Sketchen und bestimmten Inhalten deuten zu können – die missverstandene Messiasfigur Brian oder die “Argument Clinic” halte ich immer noch für gute Beispiele, aus denen man Bezüge zu aktuellen Entwicklungen herstellen kann. Und das geht weit darüber hinaus, dass sie im TV der 60er mit dem Wörtchen “naughty” Aufsehen erregten…
Lisa Eckart ist unfreiwillig zu einem Synonym geworden, was in unserer Diskussionskultur schiefläuft. Ich glaube jedoch, dass auch dem WDR allmählich zu dämmern scheint, warum man nicht vor der Political Correctness einknicken sollte und stellt sich zum Glück hinter die Künstlerin. Das stimmt mich dann doch wieder etwas versöhnlich.
Beste Grüße,
S.W.
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