Zweifelhaftes Selbstlob: „Die Reformen der Bundesregierung zeigen erste Erfolge und die Konzerne schreiben Rekordgewinne“
Unter dieser Überschrift stellt das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in seinem Internetangebot eine Analyse der Bertelsmann-Stiftung „Deutschland kommt wieder“ vor und will daraus Honig für die „Reformpolitik“ von Rot-Grün saugen. Ein Musterbeispiel dafür, wie sich die Bundesregierung die neoliberale Ideologie zu eigen gemacht hat.
Thorsten Hellmann von der Bertelsmann-Stiftung ist bislang vor allem durch internationale Vergleichsstudien aufgefallen, bei denen Deutschland notorisch den schlechtesten Platz einnahm. Bei diesen sog. Benchmarks hat er natürlich die unterschiedlichen Länder immer danach verglichen, wieweit sie den Kanon neoliberaler Systemveränderung abgearbeitet haben. Das Ergebnis war immer das Gleiche: Die Reformen in Deutschland müssen weiter gehen, die Dosis muss erhöht werden. Das ist auch der Tenor der neuesten Analyse, aber weil zunehmend Zweifel aufkommen, ob diese „Reformen“ etwas zum Positiven beitragen können und weil man auf jeden Fall dafür werben muss, dass die „Reformen“ auch nach der möglichen Bundestagswahl fortgesetzt werden, müssen jetzt – ähnlich, wie das die Bundesregierung mit ihren Anzeigen tun – Erfolgsmeldungen aus dem bis dato herbeigezeterten Jammertal ausgehen: „Es reiche zwar noch nicht bis zur Spitze, aber wir seien auf einem guten Weg der Annäherung – wenn die Reformen so weiter gehen.“
Immerhin wird jetzt plötzlich zur Kenntnis genommen, dass Deutschland Exportweltmeister ist und dass die These von der sog. „Basarökonomie“, wonach von Deutschland nur noch ausländische Produkte ohne eigene Wertschöpfung weitergereicht würden, falsch ist.
Der Bundeskanzler erhält großes Lob, weil er „etliche systemverändernde (sic!) Reformen der Wirtschaftsverfassung durchgesetzt“ habe, „aber es muss auch noch Vieles zu Ende gebracht und Neues angepackt werden“, so das Urteil der Bertelsmann-Experten.
Interessant ist, wofür sich u.a. eine sozialdemokratisch regierte Bundesregierung in ihrer PR-Arbeit meint, loben lassen zu müssen, um sich selbst zu loben:
- Die Lohnstückkosten seien zwar noch hoch, aber kaum höher als vor sieben Jahren. In den großen Mitgliedsländern der Europäischen Union seien sie dagegen um gut 15 Prozent gestiegen.
- Ein durchschnittlicher Mittelstandsbetrieb zahle nach Berechnung des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung jetzt 21 Prozent weniger Steuern als 1998, eine Kapitalgesellschaft 18 Prozent weniger.
- Die Einkommen- und Körperschaftsteuersätze würden das niedrigste Niveau der Nachkriegszeit aufzeigen.
- Im Gesundheitswesen gebe es – zum Beispiel wegen der Praxisgebühr – größere ökonomische Anreize.
- Die Minijobs hätten die Schwarzarbeit eingedämmt.
- Unsere Arbeitswelt zeige bereits jetzt ein deutlich größeres Maß an Beweglichkeit, mit Öffnungs- und Differenzierungsklauseln der Unternehmen oder Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich wie etwa bei den Beamten.
- Gewerkschaften schöpften die Möglichkeiten ihrer Tarifverhandlungen nicht aus.
- Und vor allem: Die Konzerne schrieben Rekordgewinne.
Dass die Wirtschaft in einer Rezession steckt und dass die Arbeitslosigkeit auf höchstem Niveau stagniert, ist so kurz vor einer Wahl, wo etwa durch die Linkspartei gerade auch die „Reformpolitik“ in die Auseinandersetzung gerät, offenbar nicht mehr so schlimm.
Da hilft man sich mit dem Goldman-Sachs-Experten O’Neill aus der Patsche, und zitiert „dass Wachstums- und Beschäftigungszahlen nicht als Indikatoren taugen, weil sie nur mit zeitlicher Verzögerung auf Reformen reagieren.“ Hauptsache die Gewinne reagieren und sind schon mal eingefahren, alles andere kann warten.
Gegen Lob kann man sich bekanntlich nicht wehren, dass aber die Bundesregierung meint, sich mit einem solchen Lob selbst loben zu müssen, beweist einmal mehr, wie sehr sie der neoliberalen Ideologie und deren Ideologen verfangen ist und kein Gespür mehr dafür hat, was die von den „Reformen“ benachteiligten Menschen wohl von solchem Lob und solchen Erfolgsmeldungen halten.