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  1. Gott schütze Britannien
  2. Europas Wirtschaft stürzt ab: Merkel muss Feuerwehr spielen
  3. „V-Szenario ist vom Tisch“ – Deutschland in der Protektionismus-Falle
  4. Great Reset: Das Weltwirtschaftsforum plant den Großen Neustart, um ihn zu verhindern
  5. Geringverdiener unterstützen: Kindergrundsicherung statt Hartz IV
  6. Schimmel, Einsturzgefahr, kein Desinfektionsmittel: 1900 Mängel bei Fleischarbeiter-Unterbringung
  7. Corona-Krise als Vorwand für Massenentlassungen in Nähfabriken
  8. Hürden für KMU-Überbrückungshilfen sind zu hoch
  9. Ich habe 300 000 Euro verloren
  10. Die Mär von der Belastung der jungen Generation
  11. Die Geoökonomie des Wasserstoffs
  12. Zweiter Anlauf: Seattle beschließt Amazon-Steuer
  13. China: “Falsches Spiel” – Werden nicht an Rüstungskontrollgesprächen mit USA und Russland teilnehmen
  14. Bordellbetreiberin: Enttäuscht von der Politik, in Sorge um die Frauen
  15. Debatte über Namen von Berliner U-Bahnhof – “Wir wollen ja nicht unbedingt Glinkastraße heißen”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Gott schütze Britannien
    Premier Boris Johnson strebt offenbar den harten „No Deal“-Austritt aus der EU an. Mit Vernunft hat das nichts zu tun […]
    Was die Brexiteers in der Downing Street nicht daran hindert, weiter am Niedergang Britanniens zu werkeln. Mit der Parole „Get Brexit Done!“ hat Boris Johnson die Wahlen gewonnen und muss nun liefern. Und dies will er unbedingt. Nur eben nicht das, was Großbritannien brauchen könnte, um einigermaßen glimpflich aus dem selbst verursachten Schlamassel des Brexit herauszufinden, sondern das, was seine Anhänger von ihm erwarten, erst recht bei den Gesprächen mit dem EU-Emissär Michel Barnier. Wenn dabei jedoch wie bisher nur eine Seite ernsthaft verhandelt, ist ein Scheitern absehbar, woran natürlich wieder Brüssel schuld sein wird.
    Quelle: der Freitag
  2. Europas Wirtschaft stürzt ab: Merkel muss Feuerwehr spielen
    Kanzlerin Merkels Besuch im EU-Parlament war als Höflichkeitsvisite geplant. Doch jetzt stürzt die Wirtschaft in der EU schlimmer ab als erwartet.
    Vier Monate ist Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht mehr in Brüssel gewesen, wegen Corona sind alle EU-Termine geplatzt. Nun kommt sie an diesem Mittwoch ins Europaparlament, um das Programm des deutschen Ratsvorsitzes vorzustellen. Doch was als Höflichkeitsbesuch geplant war, erscheint plötzlich in einem anderen, grellen Licht: Merkel muss Feuerwehr spielen.
    Die europäische Wirtschaft stürzt noch schneller ab als befürchtet, die Coronakrise ist noch tiefer: Dies prognostizierte die EU-Kommission am Dienstag. Statt – wie bisher erwartet – um 7,7 werde die Eurozone 2020 um 8,7 Prozent schrumpfen, warnte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.
    Deutschland kommt zwar mit einem blauen Auge davon, hier soll der Einbruch „nur“ 6,3 Prozent betragen. Doch Italien, Spanien und Frankreich müssen mit einer Rezession im zweistelligen Bereich rechnen. Die Folgen des Lockdowns seien schlimmer als befürchtet, sagte Gentiloni, der selbst aus Italien kommt.
    Damit steigt der Druck auf Merkel und Deutschland. „Wir müssen das Vertrauen in unsere Volkswirtschaften in dieser kritischen Zeit stärken und Finanzmittel verfügbar machen“, mahnte Gentiloni. Deshalb sei es „wichtig, eine rasche Einigung über den von der Kommission vorgeschlagenen Aufbauplan zu erzielen“.
    Quelle: Eric Bonse in der taz
  3. „V-Szenario ist vom Tisch“ – Deutschland in der Protektionismus-Falle
    Die Stimmung der deutschen Unternehmen, die Geschäfte mit dem Ausland machen, wird in der Corona-Krise immer schlechter. Von einer schnellen Erholung geht inzwischen kaum noch eine Firma aus. Stattdessen ist von einem „Aderlass“ bei der Beschäftigung die Rede.
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Jetzt ist – natürlich – wieder mal das ungehörige Ausland schuld, das sich weigert, günstige deutsche Qualitätsprodukte zu kaufen. Nur sitzt Deutschland in Wahrheit nicht in der “Protektionismus”-, sondern in der Exportismus-Falle: wer seine Kunden (fast) ausschließlich im Ausland sucht und die Binnenwirtschaft vorsätzlich zuschanden fährt, macht sich von der Politik anderer Länder abhängig, auf die er keinen oder wenig Einfluss hat. Woher soll denn die Nachfrage kommen? Natürlich wird der Einbruch bei den Exporten voll auf den Arbeitsmarkt durchschlagen. Leider hat Deutschland es jahrelang versäumt, unter besseren Bedingungen zugunsten der Binnenwirtschaft umzusteuern.

  4. Great Reset: Das Weltwirtschaftsforum plant den Großen Neustart, um ihn zu verhindern
    Der Club der reichsten Menschen und der größten naturzerstörenden Konzerne will den “Great Reset”, den Großen Neustart. Statt Armut, Krankheiten, Übervölkerung und Naturzerstörung verheißen uns die Megareichen eine faire Welt in Einklang mit der Natur. Absurd? Ja. Zynisch? Natürlich. Zu ignorieren? Auf keinen Fall.
    Nach seiner Eigenbeschreibung ist das Weltwirtschaftsforum “DIE internationale Organisation für öffentlich-private Zusammenarbeit” und hat als Hauptziel “die Verbesserung des Zustands der Welt”. An Macht fehlt es der 1971 vom deutschen Wirtschaftswissenschaftler Klaus Schwab gegründeten Stiftung ebenso wenig wie an Selbstvertrauen. Seit Jahren pilgern fast alle wichtigen Regierungschefs der Welt zum jährlichen Treffen in Davos, um den Konzernen und Milliardären ihre Aufwartung zu machen.
    Die Weltbank hat es zur Strategie erhoben, nur noch solche Entwicklungsprojekte zu fördern, an deren Umsetzung die Mitgliedsunternehmen dieses Clubs Geld verdienen können. Die Vereinten Nationen (UN) sind hochgradig abhängig vom Geld der Konzerne gemacht worden und können praktisch nichts mehr tun, was deren Interessen nicht fördert oder ihnen gar zuwiderläuft. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) gebärdet sich inzwischen ganz ungeniert als Türöffner für Mutlis, wenn er einem armen Land in Schwierigkeiten helfen oder dessen Finanzsystem beurteilen soll. Da müssen dann zuerst einmal Zölle, sonstige Handelsschranken und generell alle Formen von staatlicher Regulierung abgebaut werden.
    Quelle: Norbert Häring
  5. Geringverdiener unterstützen: Kindergrundsicherung statt Hartz IV
    Bis zu 269 Euro mehr im Monat für Familien
    Alle Kinder und Jugendlichen raus aus dem Hartz IV-System: Das ist die Idee einer Kindergrundsicherung. Der DGB hat dazu einen konkreten Vorschlag gemacht. Davon könnten rund 710.000 Kinder und ihre Eltern profitieren.
    Quelle: DGB

    dazu: Gesamtzahlung gegen Kinderarmut DGB drängt auf Einführung einer Kindergrundsicherung
    Der Nachwuchs von Geringverdienern soll nach dem Willen des Gewerkschaftsbundes durch eine Kindergrundsicherung bessere Zukunftschancen erhalten. Die Kosten von 12,5 Milliarden Euro pro Jahr seien angemessen.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Der DGB hat recht: die millionenfache Kinderarmut ist ein Skandal, für den es keinerlei Rechtfertigung gibt und der mit relativ geringen staatlichen Eingriffen (hier ist von 12,5 Milliarden Euro jährlich die Rede) behoben werden könnte. Leider ist sie aber politisch gewollt.

    dazu auch: Hartz 4 und der Tag gehört dir?
    Von 5,8 Millionen Hartz-4-Beziehenden sind ganze 76% nicht arbeitslos – schon gewusst? Wir haben alle Vorurteile, die aber gar nicht der Realität entsprechen. Oder? Faktencheck […]
    Sanktionsfrei und der Paritätische Wohlfahrtsverband haben sich zusammengetan. Gemeinsam fordern wir ein System, das absichert und nicht verunsichert! Ein System, das die Menschen unterstützt, ihnen Mut macht und eine menschenwürdige Grundsicherung garantiert.
    Dazu gehört eine satte Erhöhung des Regelbedarfs, die vollständige Abschaffung von Sanktionen, die Sicherung von angemessenem Wohnraum, der Ausbau von Angeboten der Arbeitsförderung, Bürokratie-Abbau und Entstigmatisierung von Arbeitslosigkeit. Ein neues System?
    Quelle: Kampagne “Hartzfacts”

    Anmerkung Lutz Hausstein: Leider ist eine solche Kampagne – auch satte 15 Jahre nach Einführung der Agenda-2010-Gesetze – bitter nötig. Auch ich hatte am vergangenen Wochenende auf einer Familienfeier wieder das zweifelhafte “Vergnügen”, genau dieser stereotypen, aber immer noch falschen Behauptung, “Wer arbeiten will, der findet auch Arbeit!”, entgegentreten zu müssen. Da haben Politik und Medien mit ihrer jahrzehntelangen Stigmatisierung der Betroffenen ganze Arbeit geleistet, dass sich dieser Unfug in den Köpfen von so vielen Menschen festsetzen konnte. Die Zeit ist überreif, mit diesen Vorurteilen und Behauptungen aufzuräumen!

    In diesem Zusammenhang sei auch auf meine Veröffentlichungen zum Thema Verfassungswidrigkeit von Sanktionen von 2012, Januar 2019 und November 2019 sowie auf die aktuell letzte Ausgabe aus der Studienreihe “Was der Mensch braucht” aus dem Jahr 2015 zu einer menschenwürdigen Höhe des Regelbedarfs verwiesen. Auch dort findet sich eine Vielzahl von Argumenten, die diese Kampagne von hartzfacts stützen.

  6. Schimmel, Einsturzgefahr, kein Desinfektionsmittel: 1900 Mängel bei Fleischarbeiter-Unterbringung
    Corona-Infektionen sind nicht das einzige Problem der Fleischindustrie: Kontrollen der Behörden in NRW zeigen, unter welchen Bedingungen Werkarbeiter hausen müssen.
    Ein Bericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalens wirft ein Schlaglicht auf die prekäre Lage von meist ausländischen Werkvertragsarbeitern in der deutschen Fleischindustrie. Das Dokument fasst die Ergebnisse von Kontrollen in 650 Sammel- und Gemeinschaftsunterkünften zusammen, die von den Behörden durchgeführt wurden.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Nicht nur hausen *müssen*, sondern auch hausen *dürfen*. Denn die Zustände wurden ja entweder jahrelang vom Staat und den Ländern nicht verboten oder zumindest geduldet und nicht kontrolliert. Ein Fall von chronischem Staats- bzw. Regierungsversagen – wobei: wahrscheinlich war es ja Absicht, nicht so genau hinzuschauen und noch die allerschlimmsten Arbeits- und Wohnverhältnisse zu akzeptieren.

  7. Corona-Krise als Vorwand für Massenentlassungen in Nähfabriken
    Textilfabrik in Myanmar verletzt Arbeitnehmerrechte aufs gröbste. Auch die Schweizer Modefirma Tally Weijl lässt dort produzieren.
    In der Fabrik Rui Ning in der Region Yangon wurden Anfang April mehr als ein Viertel der insgesamt 1158 Beschäftigten unter dem Vorwand von Covid-19 Schutzmassnahmen entlassen. Laut dem Fabrikmanagement wurden vor allem Arbeiterinnen und Arbeiter entlassen, die weniger als ein Jahr in der Fabrik arbeiteten. Allerdings sind 298 der 324 Entlassenen Gewerkschaftsmitglieder – der Verdacht gezielter Gewerkschaftsunterdrückung liegt deshalb nahe.
    Quelle: Infosperber
  8. Hürden für KMU-Überbrückungshilfen sind zu hoch
    „Es ist ein großer Fehler, die Corona-Überbrückungshilfen an Mindestumsatzrückgänge zu koppeln. Eine aktuelle KfW-Befragung zeigt, dass die meisten Unternehmen eine Rückkehr zu voller Wirtschaftsaktivität nicht vor dem Frühjahr 2021 erwarten. Rund 2,3 Millionen Mittelständler waren auch im Mai von Umsatzeinbrüchen betroffen. Durchschnittlich 46 Prozent der üblicherweise zu erwartenden Umsätze wurden nicht erzielt. Altmaier knüpft die Betriebskostenzuschüsse an einen Umsatzrückgang von mindestens 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Diese Bedingung schließt folglich viele Mittelständler von den Hilfen aus und könnte eine Welle von Insolvenzen nach sich ziehen“, kommentiert Klaus Ernst, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE und Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Bundestag, die Aktivierung des Corona-Krisen-Überbrückungsprogramms für kleine und mittelgroße Unternehmen sowie Soloselbständige durch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Ernst weiter:
    „Insgesamt ist das Konjunkturprogramm der Koalition unzureichend. Insbesondere die Einkommen jener, die von Kurzarbeit betroffen sind, die niedrige Einkommen oder soziale Grundsicherung beziehen, müssen stabilisiert werden. Das schafft Zuversicht. Ich denke da an die Erhöhung des Mindestlohns und des Kurzarbeitergeldes sowie die nicht nur einmalige Auszahlung des Kinderbonus. Dies würde starke Impulse für die Binnennachfrage setzen.“
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag
  9. Ich habe 300 000 Euro verloren
    Als Peter Wischer gerade 300 000 Euro verloren hatte, war er einfach nur erleichtert. Binnen Stunden war Wischers stattliches Vermögen auf einen Bruchteil eingedampft, aus seinem Ruhestand war soeben eine unruhige Wackelposition geworden. Doch als der Aktienkurs des Zahlungsdienstleisters Wirecard endgültig kollabiert war, da machte sich bei Wischer Erleichterung breit: “Es ist jetzt einfach vorbei”, sagt Wischer, der wie auch die anderen genannten Anleger nicht mit seinem richtigen Namen in der Zeitung stehen möchte.
    An jenem 18. Juni, als die Wirtschaftsprüfer von EY dem Zahlungsdienstleister Wirecard das Testat verweigern und der Milliardenskandal beim Aschheimer Konzern ans Licht kommt, da scheinen sich nicht nur bei Wirecard Finanzlücken aufzutun – sie klaffen fortan auch in den Depots vieler Privatanleger, die große Summen auf die Aktie gesetzt hatten. Viele von ihnen fragen sich nun: Wie konnten wir uns so blenden lassen? Jeden Tag hatte sich Anleger Wischer ein, zwei Stunden mit Wirecard auseinandergesetzt – Börsenforen gelesen, Twittermeldungen studiert. Dass ausgerechnet ein Bilanzskandal das Vermögen des Rechnungslegungsexperten vernichtet: bittere Ironie.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung JK: Wer kann schon einfach einmal so 300.000 Euro in Aktien investieren? Das Geld muss man erst einmal zur freien Verfügung haben. Es hat so gesehen also nicht die Falschen erwischt. Für jeden anderen ist es natürlich tragisch, obwohl bei eingeschaltetem Verstand klar sein müsste, dass Zocken im internationalen Finanzkasino die schlechteste Möglichkeit für eine Ressourcensicherung im Alter ist. Die permanente Propaganda für Aktiengeschäfte in den Mainstreammedien ist deswegen höchst fahrlässig, da die Kleinanleger nur das Kanonenfutter für professionelle Spekulanten und Aktienjongleure sind.

    dazu: Jeder vierte Lebensversicherer hat “ernste Probleme”
    Des Deutschen liebste Versicherung – die Lebensversicherung – steckt in einer Krise. Mehr als ein Viertel der Anbieter hat Schwierigkeiten. Das liegt nicht nur an Corona. […]
    Im Moment stünden die Anbieter in einer dreifachen Stresssituation: Die Zinsen seien niedrig, es gebe Unsicherheit bei den Unternehmensanleihen, und die Corona-Krise mache sich bemerkbar. “Die Tektonik der Lebensversicherer ist in Gefahr”, so Kleinlein. Die Versicherer sollten ihr Eigenkapital stärken und ihre Anlagen diversifizieren.
    Quelle: T-Online

    Anmerkung unseres Lesers S.N.: Soviel zum angeblich überlegenen System der Kapitaldeckung. Aber unsere Regierenden ändern nichts am teuren und ineffizienten Dreisäulensystem. Schlimmer noch: Mit jedem Euro, den die Menschen in Lebensversicherungen & Co. stecken, werden die Versicherer systemrelevanter. Sie dürften also im Falle eines Falles beim Staat anklopfen und um Rettung aus Steuermitteln bitten. Dann könnte man das Geld auch gleich ins Umlageverfahren stecken.

  10. Die Mär von der Belastung der jungen Generation
    Angeblich müssen die Jungen die Schulden tragen, die der Staat für das Konjunkturpaket aufnimmt. Es heißt, eine ganze Generation zahle den Preis. Doch das ist Unfug. […]
    Eines stimmt zwar: Der Staat verschuldet sich jetzt und Schulden müssen bedient und zurückgezahlt werden, das weiß jeder. Klar ist auch: Wenn das in der Zukunft geschieht, dann zahlen Angehörige der heute jungen, künftig alten Generation die Schulden zurück. Aber an wen? Genau: an Angehörige der gleichen Generation, denn eine andere Möglichkeit gibt es nicht.
    Quelle: Zeit Online

    dazu: Die Staatsverschuldung belastet nicht die junge Generation als Ganzes
    Der Anstieg der Staatsverschuldung belaste die junge Generation – kaum ein Kommentar zum jüngsten Konjunkturpaket der Bundesregierung kommt ohne diesen Hinweis aus. Dabei wird allerdings übersehen, dass die Jungen gleichzeitig Schuldner und Gläubiger des Staates werden. Staatsverschuldung kann ernste Probleme schaffen, eine Belastung aller Jungen gehört nicht dazu.
    Quelle: Ökonomenstimme

  11. Die Geoökonomie des Wasserstoffs
    Mit der Gründung einer “Europäischen Wasserstoffallianz” am heutigen Mittwoch will die EU-Kommission europäische Unternehmen als führende Kräfte in der globalen Nutzung von Wasserstoff als Energieträger positionieren. Offizielles Ziel ist es, die Dekarbonisierung von Verkehr und Industrie voranzutreiben. Dazu sollen Bereiche für regenerative Energien erschlossen werden, die diesen bislang verschlossen waren – so etwa der Antrieb von Schiffen oder das Befeuern von Hochöfen. Als Mittel dazu gilt Wasserstoff, der aus erneuerbaren Quellen gewonnene Energie aufnehmen und jederzeit wieder abgeben kann. RWE kooperiert schon mit ThyssenKrupp bei der Herstellung klimaneutralen Stahls mit Hilfe von Wasserstoff. Weil in Deutschland nicht genug erneuerbare Energie gewonnen werden kann, ist die Nutzung von Wind- und Solarkraft etwa aus Nordafrika geplant; mit Marokko besteht bereits ein Abkommen. Auch die Bundesregierung strebt in der noch jungen Wasserstoffbranche eine globale Führungsposition an, gerät dabei allerdings in scharfe Konkurrenz vor allem zu Japan und China.
    Quelle: German Foreign Policy
  12. Zweiter Anlauf: Seattle beschließt Amazon-Steuer
    Extra-Steuer soll jährlich 200 Millionen US-Dollar einbringen, um gegen soziale Ungleichheit in Seattle vorzugehen
    Ob sich Jeff Bezos rückblickend wünscht, er hätte lieber den Vorschlag für eine Amazon-Steuer von 2018 akzeptiert statt ihn durch eine Lobbykampagne im Stadtrat von Seattle zu Fall zu bringen? Wir wissen es nicht. Jetzt jedenfalls könnte es sein, dass Amazon viermal so viel zahlen muss. Am Dienstag hat der Stadtrat von Seattle im zweiten Anlauf eine Extra-Steuer für Großunternehmen beschlossen.
    »JumpStart Seattle«-Steuer heißt der Vorschlag der progressiven Demokraten-Stadträtin Teresa Mosqueda. Mit sieben von neun Stimmen wurde er angenommen – eine Mehrheit, die ein Veto von Bürgermeisterin Jenny Durkan überstimmen könnte. Die Demokratin an der Spitze der Stadt lehnt das Projekt ab. Durkan hätte eine einprozentige Extra-Einkommenssteuer für alle Haushalte bevorzugt, um benötigte Zusatzeinnahmen für die Stadt zu generieren. Mit der neuen »Amazon-Steuer« – der Konzern hat seinen Hauptsitz in der Stadt – werden hohe Gehälter von Großunternehmen besteuert, die über sieben Millionen US-Dollar für Gehälter zahlen.
    Nur Gehälter über 150.000 US-Dollar – die in der teuren Pazifikmetropole aber durchaus verbreitet sind, etwa bei Top-Programmieren von Tech-Unternehmen – werden demnach besteuert. Dazu werden die Unternehmen nach dem Umfang ihrer Lohnzahlungen in verschiedene Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe: Unternehmen wie Amazon, deren »payroll« bei über eine Milliarde Dollar liegt, müssen demnach eine Extra-Steuer von 1,4 Prozent auf alle Gehälter zwischen 150.000 und 399.999 und 2,4 Prozent für alle Mitarbeiter, die 400.000 Dollar oder mehr verdienen. Betroffen sind die größten Konzerne in der Stadt, etwa drei Prozent aller Unternehmen.
    Quelle: Neues Deutschland
  13. China: “Falsches Spiel” – Werden nicht an Rüstungskontrollgesprächen mit USA und Russland teilnehmen
    Die möglichen trilateralen Rüstungskontrollgespräche mit Russland und den Vereinigten Staaten bezeichnete der Generaldirektor der chinesischen Rüstungskontrollabteilung als einen “Schwindel”.
    Für uns sind diese trilateralen Verhandlungen nichts als ein Schwindel, um das Wort des US-Präsidenten zu benutzen. Es ist nichts weiter als ein Schwindel und ein Spiel, das China sich weigert zu spielen.
    Er argumentiert, dass China ein viel kleineres Atomwaffenarsenal habe, und dass die USA vor Chinas Haustür massiv aufrüsten. Die USA erweitern nicht nur ihr Atomwaffenarsenal oder rüsten es auf, sondern bauen und stationieren gleichzeitig alle diese Raketenabwehrsysteme in Chinas Nachbarschaft. Und sie entwickeln Waffen im Weltraum. Sie sind aus dem INF-Vertrag, dem Vertrag über Nuklearstreitkräfte mittlerer Reichweite, ausgetreten, und sie haben ausdrücklich klargestellt, dass sie die Stationierung landgestützter Mittelstreckenraketen in der Nachbarschaft Chinas, vor der Haustür Chinas, wie ich sagen würde, planen.
    Fu sagte, dass die amerikanischen Raketen im westlichen Pazifik und die Aufkündigung Washingtons aus dem von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow unterzeichneten Vertrag zwischen Russland und den USA über Nuklearstreitkräfte mittlerer Reichweite im August 2019 “eine strategische Bedrohung für die chinesische Sicherheit darstellen”. Deshalb werde China nicht abrüsten, sondern aufrüsten:
    All dies stellt eine strategische Bedrohung für die chinesische Sicherheit dar. Und ich denke, die Menschen sollten nicht überrascht sein, dass China die Notwendigkeit sieht, seine militärischen Fähigkeiten zu verstärken. Die USA und Russland haben der Aufnahme von Rüstungskontrollgesprächen zugestimmt, da der einzige verbleibende Vertrag zwischen den beiden größten Atommächten “New Start” in weniger als einem Jahr, im Februar, auslaufen wird. Russland hatte angeboten, den neuen Vertrag zur Reduzierung strategischer Waffen einfach zu verlängern, doch Trump besteht auf eine Einbindung Chinas.
    Quelle: RT Deutsch
  14. Bordellbetreiberin: Enttäuscht von der Politik, in Sorge um die Frauen
    Bordelle geben Sexarbeiterinnen einen geschützten Rahmen für deren Tätigkeit. Doch während der Corona-Pandemie sind die Einrichtungen geschlossen. Den Arbeiterinnen fehlt das Einkommen, den Kunden die sexuelle Befriedigung. Diese Konstellation lasse illegale Prostitution ansteigen und bringe weitere Gefahren mit sich, sagt Elke Winkelmann. Sie betreibt seit Jahren ein Bordell in Berlin, hat selbst als Sexarbeiterin gearbeitet und ist im Vorstand des Bundesverbands Sexuelle Dienstleistungen. Mit unseren Redakteuren Anna Scholz und Mark Otten hat sie auch über das aktuell diskutierte Sexkaufverbot gesprochen, das sogenannte “Freier” unter Strafe stellen würde.
    Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung

    Anmerkung Christian Reimann: “Sie betreibt seit Jahren ein Bordell in Berlin, hat selbst als Sexarbeiterin gearbeitet (…)”. Vielleicht etwas überspitzt formuliert: Aber ist es nicht so, als ob Herr Tönnies nach dem Wohlbefinden seiner Mitarbeiterschaft gefragt wird und antwortet, dass er sich Sorgen um sie mache. Auf den Vergleich kann kommen, wer den kurzen Begleittext für das Video mit Altersbeschränkung Fleisch liest. Machen sich Unternehmer bzw. Unternehmerinnen wie Frau Winkelmann wirklich Sorgen um ihre “Belegschaft” oder doch eher um die Aussicht auf Gewinn und Umsatz?

    Anmerkung JK: Allein die Bezeichnung “Sexarbeiterinnen” ist zynisch. Darin manifestiert sich ein, sich völlig jenseits der sozialen und gesellschaftlichen Realität bewegender bürgerlich-akademischer Diskurs. Der Begriff verharmlost auf intellektuell-arrogante Weise das Thema Prostitution, so als ob es sich um einen völlig “normalen” mehr oder weniger freiwillig gewählten Job handelt. Dabei basiert Prostitution nicht nur in Deutschland, ähnlich der Fleischindustrie (hier fällt einem erst die gespenstische Parallelität der Begriffe auf), vor allem auf Frauen aus dem Balkan, Weißrussland oder der Ukraine, die hier ihren Körper aus blanker materieller Not als Ware anbieten müssen. Das linksliberale, materiell bestens abgesicherte Bürgertum kann das natürlich nicht verstehen.

    dazu: „Die Mehrheit der Frauen macht es nicht freiwillig“
    Quelle: Deutschlandfunk

  15. Debatte über Namen von Berliner U-Bahnhof – “Wir wollen ja nicht unbedingt Glinkastraße heißen”
    Die Berliner Verkehrsbetriebe wollen den Namen des U-Bahnhofs Mohrenstraße ändern. Doch ihr erster Vorschlag ging nach hinten los – nun ist die Erklärungsnot noch größer. […]
    Dass die Wahl ausgerechnet auf Glinka fiel, habe einen pragmatischen Grund, heißt es von der BVG. Der neue Name müsse in erster Linie eine Orientierungshilfe für Menschen sein, die sich durch die Stadt navigieren. Wer am U-Bahnhof Bundestag aussteige, erwarte dort schließlich das Parlamentsgebäude. “Also haben wir geguckt und die Glinkastraße entdeckt”, sagt Unternehmenssprecherin Petra Nelken. “Glinka war russischer Komponist und gilt als Vater der russischen Oper. Wir haben uns gedacht: Warum nicht?“
    Glinka sei eine “schlechte Wahl”, kritisierte einige Tage später die “Jüdische Allgemeine” und bezeichnete das Libretto seiner Oper “Fürst Cholmski”, das Nestor Kukolnik geschrieben hatte und in dem eine jüdische Verschwörung vorkommt, als “reichlich antisemitisch“. […]
    Im Nachhinein sei das Vorgehen der BVG bei der Namensänderung vielleicht “naiv” gewesen, gibt Sprecherin Nelken zu. Aber die Kritik an dem Vorschlag “Glinkastraße” kann man im Unternehmen nicht so recht nachvollziehen. Man habe Glinkas Wikipedia-Eintrag gelesen, damals habe dort noch nichts über die Antisemitismusvorwürfe gestanden.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung Jens Berger: Das Possenspiel geht in die nächste Runde. Was ist politisch unkorrekter? Ein „Mohr“ oder ein russischer Antisemit? Schwere Frage. Und nun erklärt die BVG also, dass sie sich bei ihrer Namenswahl ausgerechnet auf die Wikipedia stützt. Da kann man wirklich nur noch verzweifelt mit dem Kopf schütteln. Aber wenn die BVG schon mal dabei ist, kann sie ja mal den Wikipedia-Eintrag des Namensgebers der Haltestelle U-Bahnhof Richard-Wagner-Platz auf Antisemitismusvorwürfe gegenchecken. Bevor nachher wieder eine Pressesprecherin sagen muss, man habe nichts gewusst.

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