Venezuela – Juan Guaidós Milliardenbeute, eine Herausforderung für die moralische Redlichkeit der Europäischen Union

Venezuela – Juan Guaidós Milliardenbeute, eine Herausforderung für die moralische Redlichkeit der Europäischen Union

Venezuela – Juan Guaidós Milliardenbeute, eine Herausforderung für die moralische Redlichkeit der Europäischen Union

Frederico Füllgraf
Ein Artikel von Frederico Füllgraf

Viele Menschen, auch die Leser der NachDenkSeiten, werden sich beim Lesen der Informationen über den jüngsten Söldnerüberfall auf Venezuela gefragt haben, woher die politische Gruppe um den selbsternannten venezolanischen „Präsidenten“ Juan Guaidó die Geldmittel bezieht, die den auf rund 212 Millionen US-Dollar veranschlagten Coup finanzieren sollten. Ein Bericht von Frederico Füllgraf.

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Gemessen an den seit Ende Januar 2019 von der US-Regierung usurpierten und der Kontrolle der Guaidó-Gruppe übertragenen staatlichen venezolanischen Bank- und Geschäftsvermögen ist der Betrag jedoch kaum mehr als Fliegendreck. Die Regierung Nicolás Maduro bezifferte die gewaltsamen Enteignungen auf 116 Milliarden US-Dollar und bezeichnete die an Piraterie grenzenden, mehrfachen finanziellen Anschläge der Administration Donald Trump als „Diebstahl und gigantischsten Fall von Korruption in unserer Geschichte“.

Ob diese Zahl stimmt, lässt sich nicht bestätigen, jedenfalls umfasst das Volumen illegaler Expropriationen und seit eineinhalb Jahren von der Guaidó-Gruppe kontrollierte Eigentum schätzungsweise 70 staatliche Auslands-Bankkonten mit Guthaben in geheimgehaltener Höhe, Goldreserven sowie die in den USA tätige Citgo, ein Tochterunternehmen des staatlichen PDVSA-Ölkonzerns, dessen Marktwert mit 12 Milliarden US-Dollar angegeben wird. Damit nicht genug wird die Guaidó-Gruppe seit Jahren mit hundertfachen Dollar-Millionen von der US-amerikanischen Agentur für internationale Entwicklung (USAID) finanziert, die angeblich für „humanitäre Zwecke“ ausgezahlt, jedoch mehrfach in den vergangenen Jahren nachweislich veruntreut wurden.

Von den schweren Korruptionsvorwürfen abgesehen, hinderten die nach internationalem Recht höchst umstrittenen Enteignungen durch die US-Regierung sowie deren und Guaidós mehrfach deklariertes Ziel einer gewaltsamen Beseitigung und Aussetzung eines „Kopfgeldes“ auf die Regierung Nicolás Maduro die Mehrheit der EU-Regierungen – allen voran das Auswärtige Amt von Minister Heiko Maas – nicht daran, die schillernde Figur des Juan Guaidó als „Präsidenten“ anzuerkennen.

Es ist daher ein starkes Stück, dass weniger als eine Woche nach dem gescheiterten Söldner-Überfall auf Venezuela die Chefin der europäischen Diplomatie, Federica Mogherini, massiven Druck auf die Unterzeichnung einer „gemeinsamen und klaren” Treue-Erklärung der EU gegenüber Juan Guaidó ausübt, der jedoch nach Aussagen des spanischen Außenministers Josep Borrell der politische Konsens fehlt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP sind die 28 EU-Regierungen in drei Lager gespalten: Die Mehrheit (darunter Deutschland, Frankreich, ja selbst die progressiven Regierungen Spaniens und Portugals) kämpft verbissen für die Anerkennung von Juan Guaidó, Österreich und Luxemburg vertreten den „Legalismus“ – also den innervenezolanischen Dialog – während Italien und Griechenland die Regierung Nicolás Maduro stützen. Mogherinis Pressionen sind beschämend, wollen sie doch die Urheberschaft Guaidós an dem Überfall ausblenden und sich der kriegstreiberischen Kanonenboot-Diplomatie der US-Regierung unterordnen.

Dass Juan Guaidó der Schreibtischtäter des Söldner-Überfalls ist, belegt ein von dem beauftragten US-Amerikaner Jordan Goudreau insgeheim aufgenommenes Telefongespräch mit Guaidó und die Vermittlung des oppositionellen Abgeordneten Sergio Vergara. Das wahrscheinlich vom Mobiltelefongerät gegen eine Zimmerdecke aufgenommene Standbild wird untermalt von der Stimme Guaidós, der Goudreau „für alle Bemühungen“, die er „für die venezolanische Sache“ unternimmt, dankt und sicherstellt, dass er den Vertrag vorbereitet hat, in dem die Einzelheiten des Überfalls festgelegt sind, und er ihn unterzeichnen werde.

Der Rücktritt von Guaidós „Chefstrategen“ J.J. Rendón

Guaidó und sein Berater J.J. Rendón, in dessen Wohnung im US-amerikanischen Florida die Verhandlungen mit Goudreau stattfanden, streiten Ferngespräch und die Unterschrift Guaidós ab; Guaidó sogar, dass er mit dem bewaffneten Überfall je etwas zu tun hatte. Tagelang versuchte Rendón gegenüber US-Medien Guaidó vor dem Vorwurf der Schreibtischtat zu schützen, doch es gelang ihm nicht. Vor wenigen Tagen reichte er seinen Rücktritt aus Guaidós “Strategieausschuss der Übergangsregierung“ ein.

Wer ist jedoch J.J. Rendón? Der seit Juni 2016 in den USA lebende Psychologe und venezolanische Asylant wird oft als Rangerster unter den fünf renommiertesten politischen Beratern in Lateinamerika und als einer der führenden zehn Kandidaten-Berater weltweit zitiert. Der Venezolaner operierte als Chefberater der Präsidentschaftskampagnen durchweg konservativer Kandidaten, darunter für den Venezolaner Henrique Capriles, den Kolumbianer Juan Manoel Santos, den CIA-Kandidaten in Honduras, Porfirio Lobo Sosa, und den Mexikaner Enrique Peña Nieto. Bekannt als Rumorólogo (Gerüchte- und Fake-News-Spezialist), stand J.J. Rendón mehrfach im Kreuzfeuer der Kritik, auch ultrakonservativer Politiker wie des kolumbianischen Ex-Präsidenten Alvaro Uribe.

Die schwerste Anschuldigung gegen den Kampagnen-Strategen war die der Finanzierung durch Drogenbosse wie dem in den USA inhaftierten Chapo Guzmán. Der Vorwurf stammt von dem ebenfalls in den USA inhaftierten kolumbianischen Drogenhändler Alex Cifuentes, der Rendóns ehemalige persönliche Assistentin, Andrea Vélez Fernández, mit einbezog. Vor einem Gericht im New Yorker Stadtbezirk Brooklyn sagte Cifuentes aus, dass J.J. Rendón nicht nur eine monatliche Zahlung in Dollar erhielt, sondern auch als Brücke zur Bestechung mehrerer oppositioneller venezolanischer Politiker diente. Als diese mit der Finanzierung des Drogenhandels an die Macht kamen, hätten sie ihm im Gegenzug erlaubt, unbeschattet vom venezolanischen Territorium aus zu operieren.

Der Narco-Vorwurf traf J.J. Rendón auch für seine Beratung Peña Nietos. Dieser habe mutmaßliche Bestechungsgelder von Guzmáns Sinaloa-Kartell erhalten, die von Rendón vermittelt worden seien. Der Venezolaner verteidigte sich über Jahre hinweg gegen die Anschuldigungen, die in den Augen der US-Justiz jedoch keinen Hinderungsgrund für die Wohnsitzerlaubnis darstellten; Hauptsache, der Beschuldigte war ein Feind Nicolás Maduros, dessen Regierung ihn nach dem Söldner-Überfall als „Terrorismus-Planer“ auf die Fahndungsliste setzte.

Sein Sturz war nicht zu verhindern. Der “Stratege” konnte nicht erklären, warum der Goudreau-Vertrag Guaidós Unterschrift enthielt und wieso es ein Audio der Unterzeichnung gab, in dem Guaidó und Goudreau zu hören sind.

Rendóns und Guaidós Lügen, sowie der Ernst der Lage, gipfelten nach dem Überfall in einer neuen Spaltung der venezolanischen Opposition. Die Partei von Henrique Capriles, Primero Justicia, die von Rendón beraten worden war, forderte, die am Überfall Beteiligten sollen aus ihren Ämtern entfernt werden. Was denn auch im Handumdrehen geschah. Juan Guaidó sitzt auf prallen Dollar-Koffern, jedoch politisch isolierter denn je.

Die geplante Zechprellerei, oder: weshalb Goudreau das Überfall-Manöver verriet

Wie die Washington Post berichtete, sollten die 212,9 Millionen US-Dollar zur Finanzierung des Überfalls mit zukünftigen Exporten von venezolanischem Öl „unter einer Regierung Juan Guaidó” erzielt werden. Aber hätten sie „ein Ass im Ärmel“, würden die Mannen um J.J. Rendón versuchen, den US-Söldneranwerber Goudreau zu überzeugen. Die Opposition hätte private Lagerhäuser in Venezuela identifiziert, die mit angeblich unrechtmäßigen Gewinnen von Maduros innerem Kreis gefüllt seien. Fotos, die per SMS zwischen Rendón und Goudreau geteilt und der Washington Post zur Verfügung gestellt wurden, zeigten massive Stapel sorgfältig verpackter US-Dollar, die auf einem Holzboden verborgen seien, worauf Goudreau einen 14-prozentigen Anspruch hätte.

Der Plan beinhaltete jedoch weit mehr als die primären Ziele, Maduro und seine Männer zu ergreifen und zu entführen. Ein allgemeiner Dienstleistungsvertrag sah vor, dass Goudreaus Silvercorp ehemalige venezolanische Soldaten im Exil für die Operation beraten sowie die Sicherheitskräfte der Regierung und auch die Colectivos – bewaffnete Motorradfahrer-Milizen, die Maduro schützen – „unterwandern“ würde. Goudreau hatte 45 Tage Zeit für die Vorbereitung der Streitkräfte, die Beschaffung der Ausrüstung und die Einsatzbereitschaft. Dafür verlangte sein Anwalt jedoch die Zahlung einer 1,5-Millionen-Dollar-Kaution. Rendón verweigerte den Betrag und überwies lächerliche 50.000 Dollar. An diesem Punkt kam es zum Bruch und Goudreau rächte sich mit dem Verrat der Operation; allerdings mit der unmoralischen Inkaufnahme jener Todesopfer vom 4. Mai.

Der Fall Citgo und die usurpierten Dollar-Milliarden

Das zig Milliarden große US-Dollar-Vermögen, das der Ring um Juan Guaidó seit Anfang 2019 kontrolliert, zeigt allerdings, dass der Schwindelvertrag mit Jordan Goudreau ohne Weiteres aus diesen Fonds vorfinanzierbar war.

Die Guaidó-Assets haben folgende Vorgeschichte. Ende Januar 2019 gab das US-Außenministerium bekannt, dass es Juan Guaidó die Kontrolle über Vermögenswerte und Eigentum der venezolanischen Regierung auf Bankkonten in den USA übertragen habe, darunter Citgo mit drei Raffinerien, einem nationalen Pipelinenetz und mehr als 5.000 Tankstellen.

In der Liste der Vermögenswerte wurden die Konten der Regierung Venezuelas oder der venezolanischen Zentralbank bei der Federal Reserve Bank von New York ausdrücklich erwähnt, nicht jedoch ihr Einlagenwert. John Bolton, der damalige Sicherheitsberater des Weißen Hauses, bemaß diese Vermögenswerte mit 7 Milliarden US-Dollar, denen geschätzte Einnahmen in Höhe von 11 Milliarden US-Dollar aus blockierten venezolanischen Ölumsätzen für den Zeitraum 2019/2020 hinzuzufügen seien.

Der Oppositionsabgeordnete Paparoni versicherte indes, dass die Opposition und die mit Guaidó verbundenen Regierungen 30 Staatskonten im Ausland mit sämtlichen Informationen über Fonds, Vermögenswerte, Unternehmen und Transaktionen der insgesamt 70 weltweit verteilten Konten identifiziert und „den Schutz von rund 3,2 Milliarden US-Dollar an liquiden Mitteln, Konten und Immobilien für rund 8 Milliarden US-Dollar sichergestellt“ hätten. In einem Interview mit der Londoner BBC konterte Präsident Nicolás Maduro, Donald Trump habe mindestens 10 Milliarden Dollar an Bankkonten „gekidnappt”.

Doch Citgo war unerklärlicherweise in den USA hochverschuldet und wieder sprang Donald Trump gegen die legale Regierung Venezuelas ein: Ohne mit der Wimper zu zucken, griff er dem „Guaidó-Unternehmen“ mit einem 1,2-Milliarden-Dollar-Kredit unter die Arme. Das Übrige und ein Teil der Folgen sind bekannt – Sanktionen, Importboykotte, Versorgungskrise und Hunger.

Titelbild: Getmilitaryphotos/shutterstock.com