Im Windschatten der Corona-Krise haben der Hauptstadtsenat und die Landesregierung von Brandenburg endgültig die Weichen zur Zerschlagung der Berliner S-Bahn gestellt. Damit drohen künftig neben der Deutschen Bahn bis zu drei zusätzliche Akteure für überhöhte Preise, schlechte Qualität und Chaos zu sorgen. Weitere Opfer werden die Beschäftigten, der Steuerzahler und das Klima sein. Die politisch Verantwortlichen, darunter die Linkspartei, versprechen dagegen das Blaue vom Himmel und bestreiten, dass es um Privatisierung geht. Carl Waßmuth vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand lässt sich keinen Bären aufbinden und ruft zum Widerstand auf. Mit ihm sprach Ralf Wurzbacher.
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Foto: Privat
Zur Person: Carl Waßmuth ist von Berufs wegen Bauingenieur und Infrastrukturexperte. Er ist Mitbegründer, Vorstandsmitglied und Sprecher beim Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB), der sich für die Demokratisierung aller öffentlichen Institutionen, insbesondere der Daseinsvorsorge, und für die gesellschaftliche Verfügung über Güter wie Wasser, Bildung, Mobilität und Gesundheit einsetzt.
Interview:
Herr Waßmuth, die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg haben sich am Wochenende nach langem Streit auf die Modalitäten einer Ausschreibung zur Vergabe der beiden S-Bahn-Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn in der Hauptstadt beziehungsweise dem angrenzenden Brandenburg geeinigt.
Ist das schon mehr als eine Vorentscheidung auf dem Weg zu einer Zerschlagung der Berliner S-Bahn?
Ja, das ist der endgültige Beschluss. Zwei Drittel des Betriebs der S-Bahn sollen für 15 Jahre an Private vergeben werden, die Wagenbeschaffung und die Instandhaltung der Wagen gleich für 30 Jahre. Der nächste Schritt ist der Beginn der Durchführung – die Veröffentlichung im Tenders Electronic Daily (TED), dem Anzeiger für das öffentliche Auftragswesen in Europa. Das soll noch diesen Mai erfolgen! Die Zerschlagung ist dabei im Übrigen nur das tragische Mittel zum Zweck – zur Privatisierung der Berliner S-Bahn.
In ihrer Mitteilung sprechen die Beteiligten selbst von der „größten Ausschreibung in der Berliner S-Bahn-Geschichte“. Haben die Bürgerinnen und Bürger bei einem Vorgang von derartiger Tragweite kein Wörtchen mehr mitzureden?
Nein, so eine Mitsprache möchte der Berliner Senat auf keinen Fall. Als 2012 mit der ersten Teilausschreibung die erste Grundlage für den jetzigen Beschluss gelegt wurde, gab es ein Volksbegehren gegen die S-Bahn-Privatisierung. Das hat der Senat vor dem Landesverfassungsgericht gestoppt. Der Volksentscheid wurde für unzulässig erklärt, weil er auch Brandenburg betraf – die S-Bahn Berlin fährt zu zehn Prozent auf dem Gebiet des Nachbarbundeslands. Hier in Berlin wird seit 2016 von Rot-Rot-Grün von einer Privatisierungsbremse schwadroniert – auf Parteitagen, wenn Basisanträge gegen konkrete Privatisierungen wie bei den Berliner Schulen vorliegen. Aber wohlweislich wurde nie ein handfester Schritt unternommen, im Falle einer geplanten Privatisierung ein Referendum abzuhalten.
Und wie war oder wird das Berliner Abgeordnetenhaus beteiligt?
Das Parlament hat im vorliegenden Fall auch nur der „Markterkundung“ zugestimmt und 600 Millionen Euro für die S-Bahn ganz im Allgemeinen zurückgestellt, bis 2026. Das ist ein kleiner Schattenhaushalt als Kriegskasse für die Privatisierung, abseits der Schuldenbremse. Das Ganze ist schon lange extrem umstritten. Aber jetzt in Zeiten von Corona können sich Parteien und politische Gruppen viel schlechter treffen oder austauschen. Demonstrieren geht fast gar nicht mehr. Auch deswegen wurde gefordert, das Ende der Kontaktsperren abzuwarten, um eine echte politische Debatte zu ermöglichen. Das hat der Berliner Senat nun nicht gemacht, das ist extrem undemokratisch. Man fragt sich, warum sie denken, das nötig zu haben? Fehlen die guten Argumente?
Teil der getroffenen Vereinbarung ist die Beschaffung von 1.300 S-Bahn-Wagen auf Kosten der beiden Länder. Anschließend sollen diese aber umgehend an die kommenden Betreiber weitergegeben werden. Das könnte man großzügig nennen. Wie nennen Sie es?
Ich nenne es blödsinnig. Das ist ein astreines ÖPP-Projekt, eine Öffentlich-Private Partnerschaft, mit einer Laufzeit von 30 Jahren. Das Land Berlin kauft formell die Wagen, nur um sie am gleichen Tag in die Hand des privaten Betreibers abzugeben. Der war dann schon in der Beschaffungsphase eingebunden und behält die Wagen dann für 30 Jahre. Danach sind die Wagen kaputt und können verschrottet werden. Und genau dann bekommt Berlin sie wieder zurück. Die sogenannte Beschaffung der Wagen durch Berlin ist eine Farce, das Eigentumsrecht an den Wagen wird bei ÖPP in gut ausgearbeiteten, oft tausendseitigen Verträgen komplett ausgehebelt. Ganz wichtig in diesen Verträgen ist der Einredeverzicht: Der besagt, dass Berlin für die Rückmietung der Wagen auch dann bezahlen muss, wenn die Qualität nicht stimmt. Öffentlich-Private Partnerschaften sind enorm teuer, verhindern die Mitsprache von Bürgern und Parlamenten über 30 Jahre, stellen einen riskanten Schattenhaushalt dar und blockieren jegliche künftige Entwicklung im betroffenen Bereich.
Inwiefern?
Wir als Gemeingut in BürgerInnenhand arbeiten seit zehn Jahren zu ÖPPs. Wir kennen viele Fälle von Kostenexplosionen wie bei der Elbphilharmonie in Hamburg oder Fälle von Insolvenzen, wie sie beim privaten Autobahnbetreiber A1 Mobil droht. Und was ist mit dem Klimaschutz? Wenn an den Wagen irgendwas verändert werden soll in Zukunft, ist das entweder gar nicht möglich oder nur gegen erpresserisch hohe Zusatzzahlungen aus Steuergeldern. Im Übrigen ist die Zahl 1.300 viel zu hoch. 1.300 Wagen entsprechen exakt dem jetzigen Bestand. Der soll also auf einen Schlag verdoppelt werden? Das ist absurd. Wagen sind im Zugverkehr eine enorm teure und langfristige Anschaffung, die am besten sukzessive erfolgt. Niemand hat etwas dagegen, wenn der S-Bahn-Verkehr in Berlin nach und nach ausgeweitet wird. Das ist auch möglich. Da kauft das Land Berlin dann 150 Wagen in einem Jahr und 150 weitere zwei Jahre später und so fort. Alles andere sprengt ja ohnehin alle Möglichkeiten der Bahnindustrie und auch der S-Bahn-Werkstätten in Berlin, die für jeden einzelnen Wagen aufwendig die Erstinbetriebnahme machen müssen.
Bisher wird die S-Bahn von einer Tochter der Deutschen Bahn (DB), der S-Bahn Berlin GmbH, betrieben, also zumindest formal in staatlicher Regie. Warum soll das nicht so bleiben?
Die DB wird als abschreckendes Beispiel dafür hingestellt, was passiert, wenn man keinen Wettbewerb hat. Die DB hatte Berlin 2009/2010 das sogenannte S-Bahn-Chaos beschert, ein Zustand, der den Menschen noch gut in Erinnerung ist. Zeitweise fuhren wegen vernachlässigter Wartung weniger als die Hälfte der Wagen. Aber die Kaputtsparerei auf dem Rücken der Fahrgäste war nicht die Folge von fehlendem Wettbewerb, sondern von fehlender Kontrolle! Die wurde vom Bund nicht ausgeübt, weil der die Bahn gerade auf Börsenkurs gebracht hatte. Theoretisch könnte die öffentliche Hand die S-Bahn Berlin sehr wohl kontrollieren – anders und besser als irgendeinen der möglichen privaten Betreiber! Wenn die mit der Ausschreibung zum Zug kommen, ist für 15 Jahre Schluss mit jeglicher Kontrolle oder Steuerung. Was hier Wettbewerb genannt wird, ist ja die Vergabe eines staatlichen Monopols für einen langen Zeitraum. Privatisierung eben.
Aber die Deutsche Bahn könnte bei der Ausschreibung durchaus wieder zum Zug kommen?
Das ist theoretisch möglich. Die 2012 begonnene Privatisierung und die damit verbundene Ausschreibung wurden so ausgestaltet, dass das für ein Drittel des Netzes passiert ist. Das war sicher auch dem öffentlichen Druck geschuldet. Innerhalb der damaligen rot-schwarzen Landesregierung hatte sich die SPD gegen Privatisierungen positioniert. Erst 2011 hatte der Vorgängersenat krachend den Volksentscheid zur Rekommunalisierung des Berliner Wassers verloren. 97 Prozent stimmten für die Offenlegung der ÖPP-Geheimverträge. Und als die dortigen Klauseln ans Licht kamen, erzwang der Berliner Wassertisch den Rückkauf von Veolia und RWE. Das alles gilt heute aber weitgehend als vergessen. Eigenartig, nicht? Die Politik denkt, dass sich die Menschen ans S-Bahn-Chaos von 2009 erinnern, aber nicht an ihre Erfolge in direkter Demokratie von 2011. Dieses Mal soll die DB aber mit brachialer Gewalt herausgehalten werden. Das intakte und seit 2010 weitgehend gut funktionierende Netz soll in jedem Fall zerschlagen werden. Die Ausschreibung ist explizit gegen die DB gerichtet.
Die Politik unternimmt ja so manches, um „Chancengleichheit“ herzustellen, dafür also, dass die DB nicht das Rennen macht. Dabei geht es zum Beispiel auch um Werkstätten. Können Sie das bitte erläutern?
Ja, dieses Mal hat man sich etwas Besonderes einfallen lassen. Da sagte man sich bei der verantwortlichen Verkehrsverwaltung unter Führung der Grünen-Senatorin Regine Günther sinngemäß: „Die S-Bahn Berlin GmbH, die zu 100 Prozent der DB gehört, hat da so viel Personal und so viele Werkstätten. Das ist für die ein total ungerechter Vorteil. Wir verlangen, dass jeder, der mitbietet, mindestens eine neue Werkstatt baut, auch die DB. Wenn die DB sich dann wider Erwarten den Zuschlag erkämpft, muss sie eben eine andere Werkstatt schließen, das wird sie schon auf Abstand halten. Die neue Werkstatt bezahlen wir aus Steuergeldern. Die Kosten für die Schließung bezahlt die DB.“ Nun ist die DB kein Waisenkind und schädigt das Ansehen des Schienenverkehrs seit Jahren auf unverantwortliche Weise. Aber die Lösung kann doch nicht sein, schlechte Kontrolle durch die Aufgabe jeglicher Kontrolle zu ersetzen – und dafür auch noch aus Steuergeldern Doppelstrukturen aufzubauen.
Das mit dem Bau einer neuen Werkstatt auf Staatskosten ist aber jetzt vom Tisch. Oder doch nicht?
Der Werkstattbau soll für die Bieter jetzt nicht mehr verpflichtend sein, der Unsinn war so haarsträubend, dass Brandenburg dabei nicht mitmachen wollte. Jetzt macht Berlin den Unsinn aber auf eigene Kappe und will im Norden Berlins eine Werkstatt bauen, von der niemand weiß, ob sie dort gebraucht wird oder ob sie überhaupt gebraucht wird. Gleichzeitig machen sich die Beschäftigten in den heute betriebenen Werkstätten zu Recht Sorgen. Was bedeutet so eine Parallelstruktur für ihre Zukunft?
Wer könnte von den Privaten als Betreiber in Frage kommen?
Das könnte so aussehen: Eine britische GmbH wie Go-Ahead bekommt die Nord-Süd-Verbindung, die französische Transdev unter Geschäftsführer Tobias Heinemann – früher als S-Bahn-Chef maßgeblich für das S-Bahn-Chaos 2009 verantwortlich – bekommt die Stammstrecke, die vom Ostbahnhof über den Hauptbahnhof und den Bahnhof Zoo führt. Der Fuhrpark geht an einen Macquarie Infrastructure Fund – die australische Macquarie Group ist im Bereich ÖPP besonders aktiv und kauft weltweit Verträge mit der öffentlichen Daseinsvorsorge ein. Hinter der Transdev steht Veolia, das die Berlinerinnen und Berliner noch von der Wasserprivatisierung kennen. Der britische Betreiber Go-Ahead hat in Baden-Württemberg zuletzt eine wichtige Bahnausschreibung gewonnen und steht dort seitdem wegen Zugausfällen, überfüllten Zügen, Wagen- und Personalmangel und häufiger technischer Störungen in der Kritik.
Das hört sich nach Chaos an. Gerade im Regionalverkehr kommt es ja immer wieder zu allerhand Reibungen, wenn die DB neben der privaten Konkurrenz verkehrt.
Ja, da gibt es dann auch Pleiten und dann fällt der Betrieb ganz aus wie bei der Städtebahn Sachsen. Oder es werden an das betroffene Bundesland exorbitante Nachforderungen gestellt, die dann auch gewährt werden, weil man sich eine Pleite nicht leisten kann, die Strecke selbst gar nicht bedienen könnte. Baden-Württemberg hat eigene Lokführer eingestellt, um seinen Chaosbetreibern beistehen zu können. Bei der S-Bahn Rhein-Ruhr musste die Vergabe von zwei S-Bahn-Linien an Keolis im September 2019 nur zweieinhalb Monate vor Betriebsübernahme wieder zurückgezogen werden, weil das Unternehmen nicht genug Personal einstellte.
Viele Köche verderben den Brei. Das kennt man ja auch aus England …
Ja, vielleicht denkt man noch einmal mit Nostalgie ans S-Bahn-Chaos 2009 zurück. Es entsteht eine Vielfalt an Schnittstellen, denn natürlich lässt sich das Netz nicht in drei vollständig voneinander losgelöste Teile aufsplitten. Zu Betriebsbeginn müssen die Wagen an den Start der jeweiligen Linie, nach Betriebsschluss müssen die Wagen zur Nachtabstellung – immer durch das Netz der anderen. Die vielgescholtene DB behält nicht nur den Betrieb der Ringbahn, ihr gehört auch das komplette Netz. Jede kleine Störung führt künftig zu Stillstand, alle lassen sofort ihre Bahnen stehen, um vom Fehler der anderen profitieren zu können, durch Regressforderungen oder um eigene Schwächen zu verdecken. Und alles landet dann vor Gericht. Die Fahrgäste haben das Nachsehen. Ihnen ist egal, warum die S-Bahn nicht fährt und wer wen entschädigen muss.
Aber das alles ist doch Zukunftsmusik. Richtig losgehen soll das Ganze ja erst 2027.
Ja genau und die Klimakatastrophe ist auch noch Jahrhunderte weit weg … Man muss sich das mal zu Gemüte führen: Wenn das mit Corona vorbei ist oder weniger wird, bleibt ja die Klimakrise. Um der begegnen zu können, müssen wir den Verkehr aktiv gestalten, weg vom Auto, hin zu klimaschonender Mobilität. Und gerade da gibt eine grüne Senatorin ein so großes und wichtiges Verkehrsnetz der Privatisierung preis? Gestern stieg in Berlin ein Autogipfel mit der Bundeskanzlerin. Da haben sicherlich einige Sektkorken auch wegen der Entscheidung vom Samstag geknallt.
Um wie viel Geld geht es bei der ganzen Operation?
Die Ausschreibung soll insgesamt acht Milliarden Euro umfassen. Das ist tatsächlich gigantisch viel. Da sind wohl schon erhebliche unnötige Mehrkosten im Vorhinein eingepreist. Zum Vergleich: Als 2006 die DB an die Börse sollte, erwartete man für das erste Aktienpaket von 25 Prozent aller DB-Aktien einen Erlös von sechs bis zehn Milliarden Euro. Die Berliner mögen sich zeitweise für die Größten halten, aber sie erbringen doch weit weniger als den Schienenverkehr von einem Viertel der Republik.
Erklärtes Ziel der politischen Akteure sei „ein effektiver Wettbewerb mit dem Ergebnis vernünftiger Preise bei dauerhaft guter Qualität“. Was sehen Sie auf die Kunden zukommen?
Was heißt hier Wettbewerb? Es werden einfach nur staatliche Monopole vergeben. Und bisher bestimmt über die Fahrpreise ja die Politik. Was soll das dann heißen: „vernünftige Preise“? Sollen die Fahrpreise dann auch die Betreiber bestimmen dürfen? Als in Berlin das Wasser privatisiert wurde, stiegen die Preise schnell um 35 Prozent. Ansonsten: Chaos liefert keine Qualität. Das Gerede von der Qualität ist gedrechselter Politiksprech aus dem Verkaufsprospekt für eine zu verdeckende Schweinerei. Wenn es in sechs, sieben Jahren bei der S-Bahn Berlin kracht, ist die Günther doch schon sonstwo. Und andere Verantwortliche wie der Regierende Bürgermeister Michael Müller oder Finanzsenator Matthias Kollatz – denen ich ein langes Leben gönne – deckt in mehr als dreißig Jahren, wenn der ÖPP-Vertrag für die S-Bahn-Wagen endet, vielleicht doch schon der grüne Rasen.
Bemerkenswert ist einmal mehr die Zuarbeit der in Berlin mitregierenden Partei Die LINKE zu einem gigantischen Privatisierungsprojekt, während die sich schon im Rahmen der „Berliner Schulbauoffensive“ um die Quasiprivatisierung des Schulbaus „verdient“ macht. Wie bewerten Sie die Rolle der Partei?
Die Rolle der LINKEN in Berlin ist tragisch. An der Umsetzung der Wasserprivatisierung war schon Wirtschaftssenator Harald Wolf, der langjährige Mentor der Berliner LINKEN, maßgeblich beteiligt. Auch Wohnungsprivatisierungen haben sie umfangreich zugestimmt, die Bestände der Deutschen Wohnen kommen wesentlich aus solchen Verkäufen. 2016 wurde die Privatisierung der Schulen eingeleitet und bis heute von der LINKEN, namentlich durch Bausenatorin Katrin Lompscher, aktiv vorangetrieben.
Und jetzt diese weitere riesige Privatisierung! Angeblich soll das ja gar keine Privatisierung sein. Zumindest haben sich das die LINKEN noch einmal von Harald Wolf einreden lassen, der diese Position als verkehrspolitscher Sprecher auf dem letzten Landesparteitag durchgesetzt hat. Man hätte lieber auf die Bundespartei hören sollen. Die ist klar gegen jede Privatisierung, auch als ÖPP oder in Form von Ausschreibungen im Bereich der Daseinsvorsorge. Die Abgeordnete Sabine Leidig, viele Jahre verkehrspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, hat Anfang des Jahres eigens für Berlin vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages ein Gutachten angefordert, das in rechtlicher Hinsicht nach möglichen Alternativen zur vorgesehenen Ausschreibung fragt. Und siehe da: Es gibt jede Menge!
Sehen Sie noch Möglichkeiten, den Gang der Dinge aufzuhalten?
Ja! Es hat sich Anfang des Jahres mit „Eine S-Bahn für Alle“ ein starkes Bündnis gegen diese Privatisierung und Zerschlagung gebildet. Die Gewerkschaften EVG und GDL, der DGB, ver.di, Teile der SPD, der LINKEN und der Grünen, der BUND, die Naturfreunde und mehrere Fahrgastverbände haben sich gegen diese Ausschreibung positioniert. Die Ausschreibung kann jederzeit und zu geringen Kosten wieder aufgehoben werden. Und genau das wird die zentrale Forderung sein. Die Leute haben die Privatisierungen so satt. Die Beschäftigten werden die ersten Betroffenen sein und dort rumort es gewaltig. Davon sind maßgebliche Leute im Bündnis aktiv. Aber auch in der LINKEN kocht es, zwei Basisorganisationen haben sich uns komplett angeschlossen. Die Klimaaktiven von Fridays For Future hatten überhaupt den Anstoß dazu gegeben, so ein Bündnis zu formieren und sind seither intensiv dabei.
Wie wollen Sie vorgehen?
Das bundesweite Bündnis Bahn für Alle unterstützt uns, dort hat man Erfahrung in der Verhinderung von Privatisierungen, siehe Bahnbörsengang! Das neue S-Bahn-Bündnis hat sich auch durch die aktuellen Maßnahmen nicht sprengen lassen. Seit Beginn der Kontaktbeschränkungen werden jede Woche in Telefonkonferenzen Aktionen vorbereitet und abgestimmt und letztlich auch umgesetzt. Zuletzt ging es um die Tag-X-Aktionen. Mit dem Tag X wird die Veröffentlichung der Ausschreibung bezeichnet. Ab dann geht es erst richtig los. Es mag sein, dass sich die Spitzen von Rot-Rot-Grün in Berlin dachten, im Schatten der Corona-Epidemie wäre der politische Preis für die undemokratische Durchsetzung dieser Privatisierung geringer. Ich denke, sie täuschen sich.
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