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  1. Sinnvolle Überkapazitäten?
  2. Zahlt Italiens Bevölkerung den Preis für die Sparpolitik?
  3. Warum mehr Steuergerechtigkeit #1: Die ungleiche Angleichung von Arm und Reich
  4. VDA-Präsidentin: Verbraucher motivieren, Pkw und Nutzfahrzeuge zu kaufen
  5. Das Corona-Zinswunder und die Crash-Propheten
  6. Deutschland lässt Hunderttausende Testmöglichkeiten ungenutzt
  7. Es irrt der Hirt
  8. Mindestens 2,1 Millionen Beschäftigten in Deutschland wird paritätische Mitbestimmung vorenthalten – starker Anstieg seit 2015
  9. Folge der Corona-Krise: Betriebe wollen weniger ausbilden
  10. Offener Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey: Arme Familien in der Corona-Krise unterstützen – statt zu gängeln.
  11. Wankende Banken
  12. China: Vom Lockdown und Shutdown zum Neustart
  13. Grüne: Bund soll Millionenabfindung von Ex-Bahnchef Grube zurückfordern
  14. Das Ländle als Blaupause?
  15. Libanon: Hunger, Armut und keine Arbeit
  16. Angstmache als Herrschaftsmittel: Interview mit dem Psychologen Klaus-Jürgen Bruder*

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Sinnvolle Überkapazitäten?
    Die Krankenhäuser haben, anders als anfangs befürchtet, die Covid-19-Pandemie gut bewältigen können. Das ändert aber nichts daran, dass die Strukturen der medizinischen Versorgung reformiert werden müssen. […]
    Die Studie der Bertelsmann Stiftung hat die für die Versorgung nicht erforderlichen kleinen Krankenhäuser weniger „in der Fläche“ verortet als in Ballungsregionen wie dem Ruhrgebiet. So bieten zum Beispiel im 50-Kilometer-Umkreis von Essen etwa 100 Kliniken künstliche Hüftgelenke an. Das ist weder medizinisch noch ökonomisch zu verantworten. Etliche dieser Kliniken können die für eine gute Versorgung erforderliche Fallzahl und damit medizinische Erfahrung gar nicht nachweisen. Hier werden keine sinnvollen Kapazitäten vorgehalten, sondern Ressourcen verschwendet und auch Patientinnen und Patienten gefährdet.
    Zudem hat die hohe Kapazität in der für die Covid-19-Behandlung erforderlichen Beatmungstechnik nichts mit der großen Zahl von kleinen Krankenhäusern zu tun, sondern mit Fehlanreizen im DRG-Fallpauschalensystem, wie der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem in einem Interview mit der „Welt“ klarstellt:
    „Mit künstlicher Beatmung wird richtig viel Geld gemacht. Das ist ein Fehlanreiz des Fallpauschalensystems. Viele Kliniken reizen die Beatmungsmöglichkeiten aus. … Wir stehen in der Corona-Krise relativ gut da, weil wir diese Fehlanreize zugelassen und heute viele Beatmungsbetten haben. Das ist pervers, aber das ist so.“
    Es wäre verwegen, daraus den Schluss zu ziehen, dass die im DRG-System angelegten Anreize zur partiellen Überversorgung gesundheitspolitisch sinnvoll sind. Auch ist es eine substanzlose Phrase, wenn Achim Kessler, gesundheitspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, mit Blick auf die Bertelsmann-Studie behauptet „Neoliberale Gesundheitspolitik kostet Menschenleben“ (Tagesspiegel, 23.04.2020). Das kann man nur behaupten, wenn man diese Expertise von ausgewiesenen und keineswegs „neoliberalen“ Gesundheitswissenschaftlern, nicht wirklich gelesen hat und nur reflexhaft auf das Tabu einer Krankenhausschließung reagiert.
    Die im europäischen Vergleich hohe Zahl an Krankenhausbetten heißt nicht, dass unser Gesundheitswesen deswegen für Covid-19-Fälle grundsätzlich besser gerüstet wäre. Die Niederlande oder die skandinavischen Länder haben eine deutlich niedrigere Versorgungsdichte mit Krankenhausbetten, sind aber in der ambulanten Versorgung erheblich besser aufgestellt. Von einer schlechteren Versorgung der Covid-19- Fälle als bei uns kann dort keine Rede sein. Mit integrierten regionalen Versorgungsketten von ambulanten und stationären Einrichtungen kann den differenzierten Anforderungen der Covid-19-Pandemie sogar effektiver begegnet werden als mit Überkapazitäten in den Kliniken. Generell landen bei uns zu viele Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern, die man auch ambulant behandeln könnten.
    Quelle: Makroskop
  2. Zahlt Italiens Bevölkerung den Preis für die Sparpolitik?
    Italiens Gesundheitssystem war vielfach nicht in der Lage, die Versorgung aller Covid-19-Patienten zu gewährleisten. Im Rückblick auf eine Phase jahrelanger Austerität stellt sich die Frage, ob diese Kürzungspolitik eine Mitverantwortung an der Misere trägt. Eine Analyse von Franz Prante, Alessandro Bramucci und Achim Truger. […]
    Tatsächlich befindet sich Italien wegen der starken Anstrengungen zur Einhaltung dieser europäischen Vorgaben im Gegensatz zu vielen anderen Eurostaaten bereits seit Anfang der 1990er Jahre in einem Austeritätsregime: Seit 1992 weist der italienische Haushalt durchgängig gesamtstaatliche Primärüberschüssen auf. Konkret heißt das: Der italienische Staat erhob fast drei Jahrzehnte lang mehr an Steuern, als die Bevölkerung im Gegenzug an öffentlichen Leistungen erhielt. Die nach der Finanzkrise und in Reaktion auf die Eurokrise nochmals verschärfte Austerität hat die italienische Wirtschaft und das Gesundheitssystem weiter belastet und deutliche Ausgabenbeschränkungen im Gesundheitswesen erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Die folgende Abbildung zeigt auf, dass in der ersten Hälfte der 1990er Jahre und in der Euro-Krise nach 2010 Perioden mit Kürzungen der Gesundheitsausgaben tendenziell mit Perioden starker Haushaltskonsolidierung (gemessen am Anstieg des konjunkturbereinigten Primärsaldos) einhergingen:
    Normalerweise steigen die Gesundheitsausgaben aufgrund von Preiserhöhungen, Fortschritten in der Gesundheitsversorgung und einer alternden Bevölkerung in den meisten industrialisierten Ländern über die Zeit kräftig an. Eine anhaltende Seitwärtsbewegung oder sogar ein Rückgang über mehrere Jahre ist nur selten zu beobachten. Italien ist einer dieser seltenen Fälle.
    Quelle: Makronom
  3. Warum mehr Steuergerechtigkeit #1: Die ungleiche Angleichung von Arm und Reich
    In Zeiten von Corona wird besonders deutlich, welch tragische Folgen Armut und extreme Einkommensungleichheit haben. Die Situation für Länder des Globalen Südens verschlechtert sich dramatisch. Die Gesundheitsinfrastruktur in praktisch allen afrikanischen Ländern ist der Krise nicht gewachsen. Selbst wenn das Geld für Verbesserungen da wäre – medizinische Ausrüstung findet ihren Weg zunächst in die reichen Länder, beziehungsweise bleibt direkt im Land der Herstellung. Eine Studie warnt zusätzlich vor einem “Tsunami der Armut” durch Einkommensverluste infolge der Coronakrise. 419 Millionen Menschen könnten demnach zusätzlich unter die Armutsgrenze von 1,9 Dollar pro Tag fallen. Schon vor der Krise war die Situation dramatisch ungerecht. (…)
    Zusammenfassend lässt sich konstatieren: Globales Zusammenwachsen heißt leider nicht, dass es allen Menschen in den ärmsten Ländern der Welt besser geht; einigen Gruppen geht es wirtschaftlich gesehen sogar schlechter als noch vor 100 Jahren. Und auch die unteren und mittleren Einkommensschichten im Globalen Norden stagnieren oder können sogar das Einkommensniveau ihrer Elterngeneration nicht aufrechterhalten. Gleichzeitig wachsen die Einkommen der wenigen Superreichen besonders schnell. Arm und Reich wachsen zusammen – sehr Arm und Superreich entfernen sich.
    Für das statistische Zusammenwachsen sind einige bevölkerungsreiche, aufstrebende asiatische Staaten verantwortlich. Milliarden Menschen haben in den letzten Jahrzehnten von einem steilen wirtschaftlichen Aufschwung profitiert. Dies stellt eine äußerst positive Entwicklung dar – sie ist nur bei weitem nicht ausreichend. Denn eine Welt, in welcher allein die Nationalität noch immer über zwei Drittel der globalen Einkommensunterschiede entscheidet, ist nicht gerecht. Und diese Ungerechtigkeit hat fatale Folgen, wie die Coronakrise brutal aufzeigt.
    Bemühungen für Steuergerechtigkeit auf nationaler und globaler Ebene sind daher geboten, um einerseits die unverhältnismäßige Akkumulation der ökonomischen Eliten einzuschränken und andererseits einkommensschwachen Staaten die Möglichkeit zu bieten, ihre Bevölkerung aus der Armut zu führen. Dafür setzt sich das Netzwerk Steuergerechtigkeit ein.
    Quelle: Blog Steuergerechtigkeit

    dazu: Die Kluft zwischen Arm und Reich bleibt groß
    Daran hat auch mehr als ein Jahrzehnt des Aufschwungs in Deutschlands nichts geändert. Als Folge der Corona-Pandemie droht nun die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. (…)
    Der Vergleich mit der Finanzkrise gibt da Anlass zur Zuversicht. Damals gelang es mit staatlichen Maßnahmen, größere Arbeitslosigkeit und Ungleichheit zu verhindern. “Staatliche Unterstützungsleistungen wie das Kurzarbeitergeld haben damals die Auswirkungen abfedern können und werden auch in der jetzigen Krise eingesetzt”, sagt Grabka. “Ich bin optimistisch, dass die aktuell beschlossenen Maßnahmen wieder die schlimmsten Auswüchse der Krise abfedern können”. Grabka und Co-Autor Jan Goebel merken aber an, dass die Konsequenzen der Corona-Krise davon abhängen, wie lange das öffentliche Leben und die Unternehmen eingeschränkt sind. Kommt es zu Massenentlassungen, verlieren viele Menschen dauerhaft Einkommen und die sozialen Unterschiede wachsen.
    Quelle: Süddeutsche

  4. VDA-Präsidentin: Verbraucher motivieren, Pkw und Nutzfahrzeuge zu kaufen
    Der Verband der Automobilindustrie fordert von der Bundesregierung Kaufprämien – auch für Diesel- und Benzin-Fahrzeuge. Kaufprämien seien notwendig, um schnell das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller im Dlf. […]
    Armbrüster: Das habe ich nicht ganz verstanden. Warum kann das nicht der richtige Schritt sein in so einem Ausnahmejahr, wenn tatsächlich Umsätze so dermaßen einbrechen in so einer Krise, wie wir sie noch nicht erlebt haben seit Jahrzehnten?
    Müller: Weil es auch wichtig ist für die deutsche Industrie, dass die Aktionäre an Bord bleiben. Wir haben viele Versuche von Unternehmen einzusteigen in die Unternehmen der deutschen Wirtschaft. Ich glaube, dass es deshalb wichtig ist, Aktionäre an Bord zu halten. Es ist wichtig für die Refinanzierung am Kapitalmarkt, dass hier Verbrauchervertrauen, das heißt Aktionärsvertrauen auch in Unternehmen ist. Deshalb ist es eine Mischung zu sagen, was ist wichtig mit Blick auf die Verantwortung der Unternehmen bei diesem Teil, aber auch wo ist es wichtig, dass von deutscher Seite etwas getan wird, um die Unternehmen zu stabilisieren.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung André Tautenhahn: Ist es so, dass Aktionäre wie Porsche-Piech sowie das Land Niedersachsen bei VW oder die Familie Quandt-Klatten bei BMW kurz davor stehen, ihre Aktien abzugeben? Und wer versucht denn in Unternehmen der deutschen Wirtschaft einzusteigen? Gehören BlackRock und Co. etwa noch gar nicht zu den Anteilseignern?

  5. Das Corona-Zinswunder und die Crash-Propheten
    Es ist jedoch kein Wunder, dass so viele Bürger verunsichert sind und jedem Scharlatan hinterherlaufen, wenn man sieht, wie schwer sich die Spitze der Politik in Deutschland tut, selbst einfache und offensichtliche Zusammenhänge begreiflich zu machen. Genau jetzt – mitten in der schwersten wirtschaftlichen Krise – gäbe es für Politiker goldene Gelegenheiten, über dumme und gefährliche Vorurteile aufzuklären.
    Doch das Gegenteil geschieht. Mit jedem Interview, das die zuständigen Minister geben (die Bundeskanzlerin hat während der Krise noch nicht einmal über die wirtschaftlichen Zusammenhänge gesprochen), werden Vorurteile verfestigt statt gelockert. Olaf Scholz, der Bundesfinanzminister, sagte vergangene Woche im Deutschlandfunk:
    „Das wird die Staatsschulden überall in die Höhe gehen lassen, bei uns auch. Wir haben es nun geschafft, unsere Verschuldung zu senken auf unter 60 Prozent des Sozialprodukts, und deshalb können wir eine Steigerung auf 75 Prozent auch verkraften, mit der wir gegenwärtig kalkulieren – immerhin noch weniger als nach der letzten Finanzkrise, da waren wir schon über 80 Prozent. Andere Länder starten eben bei 100 oder noch mehr Prozent Verschuldung, und da ist das schon eine große Herausforderung, die da vor diesen Ländern steht. Deshalb ist es wichtig, dass wir das Gesamtproblem angehen und das auch im Blick behalten.“
    „Wir können eine Steigerung auf 75 Prozent verkraften“, sagt er, doch was heißt das: „verkraften“? Irgendetwas muss mit den 75 Prozent – im Gegensatz zu den 60 Prozent von vorher – verbunden sein, was schwer ist, was richtig weh tut. Doch was ist das? Die Zunahme der Schulden im Vergleich zum BIP im Zuge der Krise ist zunächst ja nur Statistik. Der Staat gibt mehr Geld aus, nimmt weniger ein und das BIP sinkt. Ignoriert der Staat die Statistik, macht er nach der Krise genauso weiter wie vorher. Er hält nun die 75 Prozent konstant, so wie er vorher die 60 Prozent konstant gehalten hat. Es stehen dann zwar höhere Schulden in den Büchern, materiell aber hat sich nichts geändert.
    Quelle: Makroskop
  6. Deutschland lässt Hunderttausende Testmöglichkeiten ungenutzt
    Anfangs waren Covid-19-Tests Mangelware. Jetzt aber werden die aufgebauten Laborkapazitäten nicht einmal mehr zur Hälfte genutzt. Das Robert Koch-Institut gerät in die Kritik.
    Testen, Testen, Testen. Dieses Mantra gehört zur Coronakrise seit den ersten Tagen der Pandemie. Ob Weltgesundheitsorganisation, Virologen, Ökonomen oder Politiker, hier waren sie sich einig: Es müsse mehr getestet werden. Denn wer viel prüft, findet neue Fälle und Infektionsherde, kann infizierte Menschen frühzeitig behandeln, die Ausbreitung des Virus eindämmen. Doch in Deutschland waren die Testzahlen zuletzt rückläufig.
    Quelle: DER SPIEGEL
  7. Es irrt der Hirt
    Wohlfeil ist es, einfach nur Beifall zu klatschen. Für die schlecht bezahlten PflegerInnen, die einen gemeinsamen Arbeitgeber haben: die Kirchen. Für mehr Lohn fühlen die sich nicht zuständig.
    Kaum ein Bericht im Fernsehen, Radio oder in der Zeitung, der im Zusammenhang mit der Corona-Diskussion nicht die aufopfernde Arbeit der Helden im Gesundheitswesen lobend hervorgehoben hätte. Aber kaum ein Bericht darüber, wer neben dem Staat eigentlich der größte Arbeitgeber in Krankenhäusern, Kindertagesstätten, Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe-Einrichtungen in Deutschland ist. Es sind die evangelische und katholische Kirche mit über einer Million Mitarbeitenden, vorwiegend Frauen. Damit verbunden sind Einfluss und politische Macht, mit denen die Arbeitsbedingungen bestimmt werden, die sich wiederum nach den Gesetzen des Marktes richten. Hier verhalten sich Kirchen nicht anders als andere, voll auf Wettbewerb und Unternehmenskonzentration fixiert.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  8. Mindestens 2,1 Millionen Beschäftigten in Deutschland wird paritätische Mitbestimmung vorenthalten – starker Anstieg seit 2015
    Unternehmen, in denen die Beschäftigten über Betriebsräte und Vertreterinnen und Vertreter im Aufsichtsrat mitbestimmen, bieten bessere Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig verfolgen mitbestimmte Unternehmen häufiger ein forschungs- und qualitätsorientiertes Geschäftsmodell und weisen im Mittel bei zentralen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen bessere Ergebnisse auf. Das gilt ganz besonders in Phasen von Krisen und Transformationsdruck, wie Forscher am Beispiel der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise ermittelt haben: Sowohl mit Blick auf die operative Rendite, die Bewertung am Kapitalmarkt, die Beschäftigungsentwicklung und bei den Investitionen schnitten im Aufsichtsrat mitbestimmte Unternehmen ab 2008 deutlich besser ab. Diese positiven Effekte, die auch aktuell für die Bewältigung der Corona-Krise bedeutsam sind, belegen zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die ein umfassender neuer Report der Hans-Böckler-Stiftung zum Stand der Mitbestimmung erschließt.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung
  9. Folge der Corona-Krise: Betriebe wollen weniger ausbilden
    Experten zufolge fehlt es dem Handwerk an Fachkräften. Die Corona-Krise könnte die Situation noch verschärfen. Jeder vierte Betrieb will weniger ausbilden. Das zeigt eine Umfrage, die Report Mainz vorliegt. […]
    Für den Arbeitsmarktexperten Stefan Sell von der Hochschule Koblenz sind die Zahlen ein Indiz dafür, dass die Corona-Krise den Arbeitsmarkt nachhaltig schaden könnte. “Die Werte sind sehr beunruhigend und extrem problematisch“, sagt Sell. Im Handwerksbereich fehle es schon jetzt an Fachkräften. In den vergangenen Jahren sei dort zu wenig ausgebildet worden. Außerdem gingen in den kommenden zehn Jahren viele Facharbeiter in den Ruhestand. Sell befürchtet, dass die Corona-Krise diese schon bestehende Schieflage weiter verstärkt: “Wenn uns da noch mehr Nachwuchs wegbricht, wäre das fatal.”
    Es müsse unbedingt verhindert werden, dass Betriebe wegen der Corona-Krise überhaupt keine Ausbildungsplätze mehr anbieten. Denn wer einmal Lehrstellen streiche, der biete auch künftig in aller Regel keine Ausbildungsplätze mehr an. Das habe die Vergangenheit gezeigt. “Ich sehe die große Gefahr, dass wir Betriebe dauerhaft als Ausbildungsort verlieren”, sagt Sell im Interview mit Report Mainz.
    Quelle: Tagesschau
  10. Offener Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey: Arme Familien in der Corona-Krise unterstützen – statt zu gängeln.
    In einem offenen Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey fordert DKSB Präsident Heinz Hilgers, arme Familien in der Corona-Krise zu unterstützen.
    Am 24.04.2020 hat das Bundesarbeitsministerium einen Referentenentwurf für das COVID-19 ArbGG/SGG-AnpassungsG vorgelegt, der unter anderem die Mittagsverpflegung für Kinder und Jugendliche, die Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket haben, neu regeln soll, solange das Mittagessen in der Kita oder in der Schule aufgrund der aktuellen Situation wegfällt. Darin wird vorgeschlagen, dass Kommunen künftig aus dem Budget des Bildungs- und Teilhabepakets ein mobiles Mittagessen für bedürftige Kinder finanzieren können.
    Statt einer unbürokratischen und direkten Auszahlung über den Regelsatz, den Kinderzuschlag, das Wohngeld oder das Asylbewerberleistungsgesetz an die Familien, wählen Sie einen bürokratischen und vor allem vielerorts nicht umsetzbaren Weg […] Wir müssen jetzt die Menschen, die es gerade sehr schwer haben, im Blick behalten und kurzfristig gute, einfache und direkte Lösungen organisieren, die ihnen Vertrauen und Wertschätzung entgegenbringen. Deshalb fordern wir eine unbürokratische und direkte Soforthilfe für Familien, die den Bedarf abdeckt. Für jedes Kind muss ein Betrag von 90€ monatlich direkt an die Familien ausgezahlt werden.
    Quelle: Kinderschutzbund

    dazu: Bringdienst für arme Familien Verband kritisiert Regelung für Schulmittagessen
    In der Coronakrise fällt für viele arme Kinder das kostenlose Mittagessen weg. Nun soll es teilweise Lieferungen nach Hause geben. Der Paritätische Gesamtverband fordert einen Zuschlag auf Hartz IV.
    Quelle: DER SPIEGEL

    dazu auch: Verbesserter Kinderzuschlag und KiTa-Gebührenbefreiung oft unbekannt
    Das „Familienstärkungsgesetz“ hat in zwei Schritten im Sommer 2019 und zum Januar 2020 die Leistungen für Bildung und Teilhabe (BuT) und den Kinderzuschlag (KiZ) deutlich verbessert. Für den Kinderzuschlag wurden die Anspruchsvoraussetzungen gelockert, sodass viele Familien nun von der Leistung profitieren könnten, wenn sie den KiZ neu beantragen. Gleichzeitig wurden mit dem „Gute-KiTa-Gesetz“ bundesweit ab August letztes Jahr alle Familien, die Wohngeld oder den Kinderzuschlag beziehen, von den Gebühren für Kinder­tagesstätten (KiTa) befreit. Hinzu kommt, dass wegen der Corona-Pandemie der Zugang zum Kinderzuschlag für anspruchsberechtigte Familien für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2020 noch einmal deutlich vereinfacht wurde.
    Das Bündnis ‚AufRecht bestehen‘ fordert nun alle Kommunen und Landkreise sowie die örtlichen Sozialleistungsträger auf, Familien offensiv über ihre Ansprüche zu informieren. Als zuständige/r Bundesministerin und -minister werden zudem Franziska Giffey (Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Hubertus Heil (Arbeit und Soziales) aufgefordert, dafür zu sorgen, dass bundesweit Informationsmaterial zur Verfügung gestellt und öffentlichkeits­wirksam über Leistungsansprüche aufgeklärt wird.
    „Den Kinderzuschlag können nach der Gesetzesänderung auch Familien mit geringem Einkommen erhalten, die keine Ansprüche auf SGB-II-Leistungen beim Jobcenter haben,“ erläutert Frank Jäger vom Bündnis ‚AufRecht bestehen‘. „Sie können folglich dort nicht über den Kinderzuschlag und die damit verbundenen weiteren Vergünstigungen aufgeklärt werden.“ Aber nur wer seine Rechtsansprüche kennt, wird bei der Familienkasse den um­fang­reichen Antrag auf den KiZ stellen. „Aufklärungsarbeit ist hier notwendige Voraussetzung dafür, dass die verbesserte Familienleistung auch bei allen Adressaten ankommt,“ folgert Frank Jäger. Nach den Erfahrungen aus der Sozialberatung ist das vielen Betroffenen aber nicht bekannt. Familien, die den Kinderzuschlag beziehen, haben außerdem Anspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen – allein das führt schon zu einer deutlichen Ent­lastung.
    Quelle: Tacheles

  11. Wankende Banken
    Finanzexperten warnen vor einer abermaligen Bankenkrise in der Eurozone. Hintergrund ist die Befürchtung, es könne in der Coronakrise in noch größerem Umfang als während der Finanzkrise des Jahres 2008 zu Kreditausfällen kommen, weil Unternehmen – nicht mehr in der Lage, Geschäfte zu tätigen – keine Mittel zur Bedienung ihrer Darlehen haben. Experten halten Rückstellungen der Banken in der Eurozone in Höhe von 25 Milliarden Euro für notwendig; allein die italienische Bank Unicredit werde mindestens 900 Millionen Euro mobilisieren müssen, um ihre krisenbedingten Kreditausfälle zu decken, heißt es. Betroffen wären auch deutsche Finanzhäuser, nicht zuletzt die Deutsche Bank. Finanzexperten geben sich optimistisch, der Bankensektor werde die Coronakrise überstehen, wenn diese in der zweiten Jahreshälfte 2020 überwunden werde. Dies freilich ist höchst ungewiss. Berichten zufolge wird in der EZB bereits über die Einrichtung einer “Bad Bank” diskutiert. Das Vorhaben hat Chancen auf Verwirklichung, weil auch deutsche Kreditinstitute darauf angewiesen sein könnten.
    Quelle: German Foreign Policy
  12. China: Vom Lockdown und Shutdown zum Neustart
    Der Ausbruch der Corona-Krise, elf Jahre nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, trifft auf eine weitgehend veränderte politische und geopolitische Konstellation. Statt Kooperation der mächtigsten Staaten, dominiert Konfrontation. Statt Vertrauen herrscht Misstrauen in den internationalen Beziehungen. Die Gesundheits-Seuche verschlimmert sich durch das verseuchte politische und ökonomische Klima. US-Präsident Trump hat mit Beginn seiner Amtszeit einen Handels- und Wirtschaftskrieg vom Zaun gebrochen, der sich primär gegen China richtet. Er hat den Globus mit einem Netz von Sanktionen und Boykotten überzogen. Er hat völkerrechtlich verbindliche Abkommen wie das Iran-Atomabkommen gebrochen und ist aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen. Er hat das INF-Abkommen zerrissen und modernisiert mit zig-Milliarden Dollar die US-Atomwaffen. Auch die START-Abkommen (Strategic Arms Reduction Treaty) sind in Gefahr. Die USA verpulvern 38% der Welt-Rüstungsausgaben.
    Das alles vergiftet die politische Atmosphäre und begünstigt damit die Ausbreitung des Coronavirus, weil kaum Informationen und Erfahrungen ausgetauscht werden, keine solidarischen Hilfestellungen stattfinden, usw. Statt sino-amerikanischer Zusammenarbeit, wie bei der Finanzkrise, setzt Washington jetzt auf Schuldzuweisungen bezüglich des Ausbruchs der Pandemie, Angriffe auf die WHO und den finanziellen Boykott dieser UNO-Institution. Zu einem koordinierten globalen Krisenmanagement ist die Administration des mächtigsten Landes der Erde weder willens noch fähig. […]
    Der Westen hat die gewonnene Zeit nicht genutzt, um sich epidemiologisch gründlich vorzubereiten. Erst als sich das Virus in Westeuropa und dann in den USA seuchenhaft ausbreitete, wurden Maßnahmen ergriffen. Die chinesischen Erfahrungen beim Kampf gegen Corona wurden in den Wind geschlagen. Stattdessen wurden Sündenböcke gesucht. Aufschlussreich ist auch diese Zahl: Zieht man von den insgesamt Infizierten eines Landes die Zahl der Genesenen ab, erhält man die Zahl der aktuell Infizierten: in China sind das noch knapp tausend (985), in Deutschland 37.000, in den USA aber 804.000.
    Quelle: isw München
  13. Grüne: Bund soll Millionenabfindung von Ex-Bahnchef Grube zurückfordern
    Staatssekretär Ferlemann betont in seinem Antwortschreiben auf Fragen von Grünen-Politiker Kindler, dass er die Rechtsauffassung des Bundesrechnungshofs nicht teile. Er verweist stattdessen auf ein von der Bahn-Anteilseignerseite in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der Kanzlei Rittershaus, wonach die Rechtsauffassung des BRH “unrichtig und rechtlich nicht haltbar” sei. Das Gutachten des Rechnungshofs ist als “VS-Vertraulich” eingestuft. Auch die Expertise der Kanzlei Rittershaus wurde bislang nicht veröffentlicht.
    Quelle: RND
  14. Das Ländle als Blaupause?
    Baden-Württemberg geht bei der Grundsteuerreform einen eigenen Weg, der Mieter entlastet und der Spekulation mit ungenutzten Immobilien entgegenwirkt. Dirk Löhr, Wirtschaftsprofessor in Trier, hat die Landesregierung dabei beraten. Ein Gespräch über Bodenwert.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  15. Libanon: Hunger, Armut und keine Arbeit
    Die große Wut nach dem Lockdown. Ziele der Proteste sind Banken
    “Epochenbruch” ist ein arg großes Wort. Aber schon weit vor der Corona-Krise, nämlich 2015, hat Volker Perthes, ein kleines Büchlein mit dem Titel: “Das Ende des Nahen Ostens, wie wir ihn kennen” vorgelegt. Über die Positionen von Perthes, Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sicherheitspolitischer Berater der deutschen Regierung und viel gefragter Interviewpartner, kann man im Einzelnen gut streiten, das Postulat des “Ordnungszerfalls” in der arabischen Welt zeigt sich gerade deutlicher als zuvor.
    Zum Beispiel im Libanon. Kaum wurde dort eine sechswöchige Ausgangsbeschränkung, begründet mit der Corona-Epidemie, gelockert, kam es in den letzten Tagen erneut zu Protesten, die einen Toten und viele Verletzte unter Demonstranten und Sicherheitskräften der staatlichen Ordnung forderten. Die Proteste, die in mehreren Orten stattfanden – die Medienaufmerksamkeit richtete sich besonders auf die Küstenstadt Tripolis, wo die Armut mehr ins Auge fällt als in Beirut -, nahmen die Wut wieder auf, die zuvor durch den “Corona-Hausarrest” gebannt worden war.
    Quelle: Telepolis
  16. Angstmache als Herrschaftsmittel: Interview mit dem Psychologen Klaus-Jürgen Bruder*
    Sie beschäftigen sich schon lange mit der Frage, warum und Herrschaft stabil ist und bleibt. Hat es Sie überrascht, dass die vom Staat wegen der Coronakrise angeordneten Maßnahmen so weitgehend widerspruchslos akzeptiert wurden?
    Ich bin natürlich entsetzt, wie schnell und ohne Infragestellung auch in den maßgebenden Medien alle möglichen einander widersprechenden Erklärungen und Maßnahmen angenommen wurden und in der breite, in der sie durchgesetzt und gegen die leisesten Bedenken und Kritik mit Zähnen und Klauen, unter Missachtung selbst des geringsten Respekts verteidigt werden. Dieses Ausmaß hat mich überrascht und zeigt, wie stabil die Herrschaft ist und wie tiefgehend sie internalisiert ist – vor dem Hintergrund von Angst allerdings. Selbstverständlich wird die CDU der große Gewinner sein.
    Quelle: Rationalgalerie

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