Die Museen sind zu. Knubbeln sich da mehr Leute als bei der Börse? Die Antwort ist einfach: der Aktienmarkt ist „system“relevant. In mehrfacher Hinsicht. Zum einen (A) beschäftigt er Menschen wie in der Börsenredaktion der ARD, die mit großer Freude die Interessen der Anleger vertreten, und zum anderen (B) brauchen Unternehmen offensichtlich die Börsen, um mit Riesensummen Geld ihren Aktienkurs zu pflegen, d. h. auf Deutsch, Spekulanten vor Verlusten zu bewahren. Der NachDenkSeiten-Leser Edgar Weimer hat gestern beobachtet, wie die ARD-Börsenredaktion Stimmung für die Aktionäre und gegen den Staat machte. Siehe A. Im heutigen Handelsblatt Morning Briefing wird berichtet, dass Unternehmen eigene Aktien kaufen. Siehe B. Albrecht Müller.
- ARD extra: Die Corona-Lage vom 28.04.2020
Eine Beobachtung von Edgar Weimer, NDS-Fördermitglied:
Das Rettungspaket für die Lufthansa soll stehen, rund neun Milliarden. Dafür könnte der Bund zwei zusätzliche Aufsichtsratsmandate bekommen. Was bedeutet das für den Luftfahrtkonzern?
Moderiert vom Leiter der ARD-Börsenredaktion und Moderator der Sendung “Börse vor acht” Markus Gürne, kommen zum Thema Rettungspaket für die Lufthansa, “Luftfahrt-Experte” Philipp Goedeking (u.a. Geschäftsführer der Avionics GmbH, eine Unternehmensberatung für Finanz- und Luftverkehrsunternehmen, insbesondere die Analyse, Prognose und Bewertung von Luftverkehrsmärkten und Luftverkehrsunternehmen sowie alle sonstigen Arten strategischer und operativer Unternehmensberatung für Finanz- und Luftverkehrsunternehmen weltweit) und Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft IFW in Kiel, als Interviewpartner zu Wort.
Ein beispielhafter Beitrag in Sachen neoliberal aufgeblasener Behauptungen, teilweise Fake ab min. 1:39 (Alitalia wurde schon 2008 privatisiert, brauchte aber trotzdem immer wieder staatliche Hilfen) und irrwitzigen Schuldherleitungen ab min. 3:09 (eine besondere Verantwortung den Aktionären der Lufthansa gegenüber, aber auch ihren Gläubigern…) Hätte ‘der Staat’ also weniger verantwortungsvoll handeln sollen, indem er seine Bevölkerung einer Gesundheitskatastrophe von unabsehbarem Ausmaß überlässt, Hauptsache die Wirtschaft läuft? Ab min. 3:55 wird dann die zentrale neoliberale Botschaft klar und dreist aufgestellt; Steuergeld her, Klappe halten und Casino laufen lassen.
Der krönende Abschluss dieses neoliberalen Schauspiels kommt, wie sollte es anders sein, vom Börsen-Hofberichtexperte Markus Gürne für den ‘die Welt eine Börse ist’, ab min. 4:40 mit einem vermeintlichen Beispiel das es “nicht immer gut läuft, wenn der Staat einsteigt.” Dass es bspw. bei der Deutschen Bank (s.u.), ohne ‘den Staat’ im Aufsichtsrat, auch nicht besser gelaufen ist, verschweigt der “Experte”…
‘Wes Brot ich ess, des Lied ich sing’ bekommt in einer Krise nochmals eine besondere Bedeutung. Eine Zumutung, was sich bei meinem ehemaligen Hauptnachrichtensender ARD abspielt!
- Zitat aus dem Handelsblatt Morning Briefing vom 29.4.2020
„Dass jeder dritte deutsche Betrieb sein Personal in Kurzarbeit schickt, ist deutliches Krisensymptom. Andererseits haben viele deutsche Firmen auch in der Corona-Krise noch genug Geld, ihren Aktienkurs über Käufe eigener Wertpapiere aufzupäppeln. Gut fünf Milliarden Euro haben sie nach unseren Berechnungen dafür bisher in diesem Jahr ausgegeben – im Gesamtjahr 2019 waren es 8,8 Milliarden. Zu den größten Käufern in eigener Sache gehören Wirecard, Fresenius Medical Care, Aurubis, Hochtief und vor allem Siemens. Die Münchener spendierten für eigene Siemens-Papiere im März und April immerhin 1,2 Milliarden, gleichzeitig sind rund 3000 von 116.000 Siemensianern hierzulande in Kurzarbeit gewesen. Moral ist hier eine Zahl mit vielen Nullen.“
Anmerkung: Den Aktienkurs aufpäppeln heißt auch, dass Spekulanten/“Anleger“, die zu hohen Kursen eingestiegen sind, vor Verlusten geschützt werden, und anderen ihre hohen Aktienkurs-Gewinne abgesichert werden, und das zulasten der Finanzvermögen der Unternehmen und auch zulasten der finanziellen Basis möglicherweise notwendiger Umstrukturierungen der Unternehmen. Wenn die hohen finanziellen Reserven weg sind, wird man auf den Staat und uns Steuerzahler zurückgreifen wollen. Das kann man sicher leichter begründen, wenn man keine finanziellen Reserven großen Ausmaßes mehr hat.
Titelbild: Rawpixel.com / Shutterstock