Der Rettungsschirm in der Theorie und in den täglichen Redensarten: eindrucksvoll. Der Rettungsschirm in der Praxis: in der Warteliste auf 69.000ster Stelle. „Die Verantwortlichen in Bund und Ländern haben die weitreichenden Folgen nicht bedacht“, hatte ich gestern in diesem Beitrag geschrieben. Sie haben wohl auch nicht bedacht, dass ihre Rettungsversprechen oft an der Praxis scheitern und damit als hohl erscheinen müssen. Unter den Berliner Taxifahrern gibt es zumindest einen guten Freund der NachDenkSeiten, Joachim Schäfer. (Siehe hier) Er hat den folgenden Hinweis geschickt. Was er schildert, ist ein Zeichen dafür, dass die Folgen der am 22. März verkündeten Entscheidungen von Bund und Ländern viel schlimmer sein werden, als viele heute denken. Umso mehr spricht für eine schnelle Revision der Lahmlegung unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Albrecht Müller.
Die Verzweiflung eines Berliner Taxiunternehmers:
All das ist aber beinahe harmlos verglichen mit den Erfahrungen, die ich in den letzten zwei Wochen bezüglich der in den Medien immer wieder propagierten und gebetsartig wiederholten „Hilfs-Versprechungen“ für betroffene Kleinunternehmer gemacht habe. Es ist mir klar, dass jetzt auf die zuständigen Stellen eine hohe Belastung zugekommen ist, aber es ist auch klar, dass diese Epidemie nicht vom Himmel (und schon garnicht von heut auf morgen) gefallen ist. „Man“ hätte sich deutlich besser darauf einstellen können – und „man“ hätte sich Versprechungen, die „man“ nicht einhält, besser verkneifen sollen.
Peinlich, aber einmal mehr typisch für diese Stadt und diesen Senat, sind allein die Startschwierigkeiten beim Corona-Zuschuss bei der IBB. Angekündigt für vergangenen Freitag um 12.00 Uhr. Tatsächlicher Start: 13.00 Uhr. Dann war für mehr als 90 Minuten ständig die Verbindung unterbrochen (Server abgestürzt oder warum auch immer). Als ich dann endlich durchkam, stand ich (das war um ca. 15.45 Uhr) etwa an 69.000ster Stelle der Warteliste. Diese sollte nun kontinuierlich und zügig in der Zeit zwischen 6 und 23 Uhr abgearbeitet werden, deren Tätigkeit allerdings bereits gegen 19.00 Uhr eingestellt wurde (Serverprobleme?).
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Quelle: Taxi Times
Kommentar: Als einer der ganz wenigen gewerkschaftlich organisierten Fahrer kann ich diesem unternehmerischen Kollegen leider nur zustimmen. Der Berliner Senat und die zuständigen Verwaltungen sind offensichtlich unfähig die Probleme auf der Straße zu realisieren. Die Wirklichkeitsverweigerung der letzten Jahre, die sich seit der Einführung des Mindestlohns gefährlich an der Existenz des Taxigewerbes in Berlin zu schaffen macht, führt nun in die Insolvenz, so es der Unternehmer nicht schafft seine Fixkosten auf null zu reduzieren. Alle Angestellten Fahrer in Berlin müssten sich z.Z. in Kurzarbeit befinden, da das Geschäft derzeit nicht mal im Ansatz so viel Umsatz generiert, um den Mindestlohn zu bezahlen. Und die alleinfahrenden Einzelunternehmer (Soloselbständigkeit) schaffen es nicht ihre Kosten zu decken. So gesehen ist das Übergangsgeld des Senats eine verdeckte Unterstützung zur Insolvenzverschleppung.
Ein klarer Auftrag das medizinische Personal zu transportieren (hier muss das irre Angebot erwähnt sein, das die Taxen das Personal zum halben Taxitarif transportieren sollen, aber nur mit Fahrern die den neuen geforderten Mindestlohn von 12,50 € erhalten, wo doch schon vor Corona kaum MiLo gezahlt werden konnte), Gutscheine an transportbedürftige Personen oder ähnliche kleinteilige Hilfen sind von dieser Landesregierung wohl nicht zu erwarten, auch wenn mich das schmerzt, da dies eine rot-rot-grüne ist. Der Ductus des Rechthabens und die eigene Weltsicht als allgemeinverpflichtend zu erfordern ist in ihrer arroganten Anmaßung schon nicht mehr zu ertragen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Schäfer