“Revolution von oben” – der “Stern” beschreibt erstaunlich offen, wem wir die “Reformen” zu verdanken haben
Klaus Staeck machte mich auf einen Artikel im “Stern” aufmerksam, in dem recht gut beschrieben wird, welches die treibenden Kräfte der jetzigen Reformdebatte sind und welches die Ursache und der Ausgangspunkt einer ungeheuer erfolgreichen Kampagne der Öffentlichkeitsarbeit waren, die nun seit Jahren weitgehend auch die Politik bestimmt.
Funktionäre der Arbeitgeberverbände hatten 1999/2000 festgestellt, dass das Volk – aus ihrer Sicht – völlig unsinniger Weise sozialstaatliche Regelungen für sinnvoll hält und keinen Sinn für jene Reformen entwickelt, die die Arbeitgeberseite damals schon für wichtig hielt. Also beschloss man, dem Volk den Kopf zu waschen. Das ist dank tätiger Mithilfe von Wissenschaft, Medien und Politik ziemlich gut gelungen. Umso erstaunlicher und verdienstvoller, dass der „Stern“ am 17. Dezember 2003 ein informatives Stück über diesen Vorgang druckte. Damit Sie schnell Zugriff darauf haben, ist dieser Beitrag unter unserer Rubrik “Andere interessante Beiträge” erreichbar.
Noch ein Hinweis: die Zuneigung der Mehrheit unseres Volkes zu sozialstaatlichen und solidarischen Lösungen war während der ganzen Dauer des Versuchs, die Stimmung zu Lasten sozialstaatlicher Regelungen zu verändern, immer feststellbar. So zum Beispiel in den siebziger Jahren, als von konservativen „Eliten“ eine Debatte über die so genannte Tendenzwende begonnen wurde. Damals wurde behauptet, das Volk wende sich von sozialen Reformen (Reform war damals ein Begriff für Verbesserungen zu Gunsten der Mehrheit des Volkes) ab. Aber es war damals schon die Unwahrheit, wie verschiedene Infratest-Umfragen von 1972,1973 und 1974 belegten. Die Zustimmung zu öffentliche Leistungen und zum Sozialstaat war außerordentlich hoch.
Das galt auch noch, als das Institut für Demoskopie Allensbach im Jahr 1999 im Auftrag der Arbeitgeber nach der Einstellung der Mehrheit fragte. Das große Vertrauen des Volkes in soziale Regelungen und öffentliche Leistungen irritierte die Arbeitgeber. Sie stellten fest (siehe Broschüre ” Gesellschaft im Zwiespalt “, hrsg. vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2000), die “soziale Sicherheit” habe sich als “Markenzeichen der Marktwirtschaft durchgesetzt” und die meisten Deutschen vertrauten darauf, dass der Staat für diese soziale Sicherheit sorgt. Sarkastisch wird in der Broschüre angemerkt: “Der Wunsch vieler Bundesbürger nach mehr staatlicher Fürsorge heißt umgekehrt logischerweise auch, dass sie sich vor ihrer Eigenverantwortung davon stehlen.”
Die Umfrageergebnisse von 1999 waren unter anderem der Anlass zur Gründung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die auch Gegenstand der Analyse des Beitrages im “Stern” ist.